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Sechstes Kapitel

Es war in den Abendstunden eines der nächsten Tage, daß in dem Gartensaale des Schlosses zwei Damen saßen, von denen die eine die Baronin Grenwitz, die andere eine junge Frau war, die vor ein paar Stunden zu Pferde von einem benachbarten Gute auf Besuch gekommen. Die Fenstertür, die aus dem Gemache in den Garten und zunächst auf einen großen, von hohen Bäumen umgebenen Rasenplatz führte, in dessen Mitte eine Flora aus Sandstein schon seit anderthalb Jahrhunderten steinerne Blumen aus ihrem Horne schüttete, war weit geöffnet. In dem Zimmer, das nach Norden lag, war es schon dämmerig; draußen aber lag noch der Abendschein warm auf dem Rasen und den prächtigen Buchen und Eichen, und die Gestalten der beiden Damen, die an einem Tische saßen, den man in die Tür geschoben hatte, zeichneten sich scharf auf dem hellen Hintergrunde ab.

Ein größerer Gegensatz war nicht leicht denkbar. Die Baronin von Grenwitz war kaum vierzig Jahre alt, aber die Strenge ihrer männlich festen Züge, die großen, kalten grauen Augen, die sie so forschend und so lange auf den Sprecher richtete, die Gemessenheit ihrer Bewegungen, ihre hohe, weit über das gewöhnliche Frauenmaß hinausreichende Gestalt, vorzüglich aber ihre eigentümliche Art sich zu kleiden, ließen sie manchmal fast um zehn Jahre älter erscheinen. Sei es übergroße Einfachheit, sei es wie andere wollten, eine an Geiz grenzende Sparsamkeit, sie bevorzugte Stoffe, die sich, wie das Hochzeitskleid der würdigen Pfarrerin von Wakefield, mehr durch Dauerbarkeit als durch irgend glänzende Eigenschaften empfahlen, und sie liebte einen Schnitt der Kleidung, von dem man deshalb nicht behaupten konnte, er sei nicht mehr modisch, weil er es eigentlich niemals gewesen war. Wie die Erscheinung für den ersten Augenblick auf jeden den Eindruck der Würde machte, so bemerkte auch der aufmerksame Beobachter an ihrer, in jedem Momente musterhaften Haltung, und vor allem an dem stets ruhigen, gleichmäßigen Ton ihrer etwas tiefen, wohllautenden Stimme und ihrer immer gewählten Sprache, die jeden vulgären Ausdruck sorgfältig vermied, daß sie sich dieses Eindrucks wohl bewußt war und ihn auf jede Weise zu erhalten suchte.

Ob die Dame, die sich bei der Baronin befand, sich durch ihre stattliche Erscheinung imponieren ließ oder es für passend hielt, wenigstens den Anschein davon anzunehmen, mochte zweifelhaft sein; soviel schien sicher, daß sie sich in diesem Moment einer Haltung befleißigte, die nicht mit dem Ausdruck ihres Gesichts, ja nicht einmal mit ihrem Anzuge übereinstimmte. Sie trägt ein Reitgewand von dunkelgrünem Sammet, das hinreichend in die Höhe gesteckt ist, um sie nicht beim Gehen zu hindern und ihre schmalen Füße, die in eleganten Stiefelchen stecken, zu verhüllen. Das enganschließende Gewand hebt die schönen Formen des jugendlich-vollen Körpers vorteilhaft hervor, und der kleine runde Hut, der nebst Handschuhen und Reitpeitsche auf einem kleinen Tische in ihrer Nähe liegt, muß diesem wohlgebildeten Kopfe mit den üppigen, braunen Haaren, die, einfach in der Mitte gescheitelt, in reichen Wellen über Stirn und Ohren fallen und hinten zu einem Kranze aufgebunden sind, vortrefflich stehen. Sie sitzt der streng wirtschaftlichen und musterhaft fleißigen Baronin, die an einem Stück Leinwand, das möglicherweise eine Serviette ist, eifrig näht, gegenüber und scheint mit dem Sticken eines Namenszuges in einer schon gesäumten Serviette beschäftigt. Dies nimmt sich nun freilich bei ihrem Anzuge wunderlich genug aus, auch scheint diese Arbeit der Dame nicht eben zuzusagen, wenigstens hebt sie, als jetzt die Baronin aufsteht, um im Hintergrunde des Zimmers etwas zu suchen, schnell den Kopf in die Höhe und zeigt ein hübsches Gesicht mit kindlichweichen Zügen und großen braunen, in feuchtem Schimmer glänzenden Augen, und dies Gesicht hat jetzt genau den Ausdruck eines übermütigen Schulmädchens, dessen strenge Lehrerin auf einen Augenblick den Rücken wendet.

»Was sagten Sie, liebe Anna-Maria?« fragte die Dame, indem sie sich, als die Baronin sich umwandte, wieder über ihre Arbeit beugte.

»Ich fragte Sie, liebe Melitta, ob Sie noch genug rotes Garn hätten?«

Melitta machte eine Miene, als ob sie sagen wollte, mehr als zuviel; sie begnügte sich indes zu sagen:«Ich denke, es wird reichen.«

Die Baronin hatte sich auf ihren Platz gesetzt und nahm die für einen Augenblick abgebrochene Konversation wieder auf.

»So scheint doch wenig Hoffnung auf eine vollkommene Genesung?« sagte sie.

»Wenig oder keine«, antwortete Melitta, »besonders in der jüngsten Zeit, wo die Anfälle von Tobsucht gänzlich aufgehört haben. Doktor Birkenhain schreibt mir, daß nur ein Wunder Carlo vom Blödsinn retten könnte; das heißt wohl so viel, als: er ist unrettbar verloren.«

»Es ist ein hartes Los, das der Allmächtige über Sie verhängt hat, meine arme Melitta«, sagte die Baronin.

Melitta antwortete nicht.

»Es war in diesen selben Räumen«, fuhr die Baronin, die nicht anzunehmen schien, daß das angeschlagene Thema Melitta irgendwie peinlich sein könne, ruhig fort, »daß ich Berkow zum letztenmal gesehen habe. Ich gestehe, daß ich schon an jenem Abend, als er den so ärgerlichen Streit mit Ihrem Vetter Barnewitz anfing – Baron Oldenburg suchte vergeblich, die wirklich fatale Szene abzukürzen – mich eines leisen Verdachtes nicht erwehren konnte.«

Melitta von Berkow schienen diese Proben von dem vortrefflichen Gedächtnis der Baronin nicht eben zu entzücken; sie wurde unruhig und warf, augenscheinlich ohne recht zu wissen, was sie sagte, die Frage hin:

»Haben Sie nichts von Oldenburg gehört?«

»Der Baron ist seit acht Tagen zurück.«

»Oh!« rief Melitta mit einem Ausdruck, der Frau von Grenwitz von ihrer Arbeit aufsehen machte.

»Was haben Sie, Melitta?«

»Ich bin so ungeschickt«, sagte diese und preßte ein Tröpfchen Blut aus dem Daumen der linken Hand, »also Oldenburg ist zurück; was bringt ihn denn auf einmal wieder her? Hat er sich in Ägypten ebenso gelangweilt wie hier?«

»Die Kontrakte mit seinen Pächtern laufen nächsten Martini ab, ebenso wie auf einigen unserer Güter. Ich vermute, daß ihn dies zur Rückkehr bewogen hat. Er scheint noch menschenscheuer geworden zu sein, als er es schon damals war. Griebenow, unser Förster, ist ihm im Walde begegnet; bei uns hat er sich noch nicht sehen lassen.«

»Nun, diese Unaufmerksamkeit des Barons werden Sie ja leicht verschmerzen, liebe Anna-Maria; Sie waren ja nie besonders gut auf ihn zu sprechen.«

»Ich wüßte auch nicht, daß Oldenburg mir je Veranlassung gegeben hätte, das zu tun; mir so wenig wie irgendeinem von uns. Ein Mann, welcher der Religion – ich möchte beinahe sagen, offen Hohn spricht, der die Würde seines Standes, die Interessen seiner Standesgenossen so weit vergißt, auf den Kreistagen, auf den Landtagen, bei jeder Gelegenheit die Partei der Neuerer zu ergreifen; der unsere Sozietät nur aufzusuchen scheint, um sich über uns lustig zu machen – ein solcher Mann hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn wir unser Interesse und unsere Teilnahme anderen zuwenden, die es besser verdienen.«

»Ei, an Interesse von seiten der anderen hat es, deucht mir, Oldenburg schon damals nicht gefehlt, und wird es, glaube ich, ihm auch jetzt wieder nicht fehlen. Ich weiß eigentlich nicht, weshalb sich alle Welt so viel um einen Mann bekümmert, der sich an die Welt im großen und kleinen so wenig kehrt.«

»Das ist wohl sehr erklärlich, liebe Melitta. Die Oldenburgs gehören zu unseren ältesten Familien; es kann uns nicht gleichgültig sein, ob der letzte Sprosse einer solchen Familie ein Plebejer wird oder nicht.«

»Oldenburg wird nie ein Plebejer werden«, sagte die jüngere Dame mit einiger Wärme.

»Ei, ei, liebe Melitta! Sie nehmen sich ja des Barons recht lebhaft an. Wollen Sie auch etwa seinen moralischen Lebenswandel verteidigen, seine Liebesaffären, mit denen er die chronique scandaleuse nicht nur unserer Gegend bereichert hat?«

»Ich habe nie, soviel ich weiß, etwas Unmoralisches getan oder gutgeheißen«, sagte Frau von Berkow noch lebhafter wie zuvor. »Und was Herrn von Oldenburgs Privatleben betrifft, so erlaube ich mir darüber gar kein Urteil, da es mir vollkommen fremd ist. – Übrigens«, fuhr sie nach einer Pause und mit wieder ruhiger Stimme fort, »soll es mich doch wirklich wundern, wenn Oldenburg in der Tat der Don Juan wäre, zu dem man ihn durchaus machen will. Sie werden mir zugeben, liebe Anna-Maria, daß er weder die Schönheit noch die Gewandtheit besitzt, welche die notwendigen Eigenschaften der Repräsentanten dieser Rolle sind.«

»Darüber erlaube ich mir nun wieder kein Urteil«, sagte die Baronin, nicht ohne merkliche Ironie, »das müßt ihr jungen Frauen unter euch ausmachen.«

»Junge Frauen«, rief Melitta lachend. Sie ließ die Arbeit in den Schoß sinken und lehnte sich bequem in den Stuhl zurück, die Baronin, die unverdrossen weiter nähte, mit einem Blick betrachtend, in welchem sich ein gut Teil Schalkheit mit einem ganz kleinen Teil Böswilligkeit mischte, »junge Frauen! Wissen Sie, liebe Anna-Maria, daß ich noch in diesem Jahre dreißig werde? Mein Julius wird im nächsten Monat zwölf, nur vier Jahre jünger wie Ihre Helene. Apropos, wie geht es denn dem lieben Kinde? Soll sie denn ewig in dem Hamburger Pensionat bleiben? Wie lange ist sie nun schon da? Zwei, nein, es sind ja bereits drei Jahre! Und nicht ein einziges Mal hier gewesen in der ganzen Zeit! Sie werden Ihr eigenes Kind nicht wiedererkennen, liebe Grenwitz!«

»Das Hamburger Pensionat ist so ausgezeichnet, wird von allen so gerühmt, daß ich mir ein Gewissen daraus machen würde, das Mädchen nicht solange wie möglich dort zu lassen. Übrigens haben Sie wohl vergessen, liebe Berkow, daß wir mit Helenen im vorigen Sommer in Ostende waren, und da Sie so große Sehnsucht nach der jungen Dame zu empfinden scheinen, will ich Ihnen auch in allem Vertrauen mitteilen, daß Sie sie noch in diesem Sommer auf Grenwitz werden begrüßen können.«

»Noch in diesem Sommer! Ei, sieh! Das hängt doch wohl nicht etwa mit Oldenburgs Rückkehr zusammen? Verzeihen Sie meine Indiskretion! Aber ich erinnere mich, daß Sie vor einigen Jahren, als der Baron von seiner ersten großen Reise zurückkehrte, einmal äußerten, wie Ihnen eine Verbindung mit Oldenburg wohl konvenieren würde.«

»Damals kannte ich den Baron nicht, wie ich ihn leider seitdem kennengelernt habe. Auch würde das Grenwitz' Wünschen nicht entsprechen, der Helenen, glaube ich, nach einer andern Seite halb und halb versprochen hat.«

»Nach einer andern Seite? Doch nicht etwa an ihren vortrefflichen Cousin Felix?«

»Wie gesagt, ich weiß nichts Bestimmtes darüber; Grenwitz ist so verschlossen; aber ich vermute es fast daraus, daß er Felix bestimmt hat, auf ein Jahr Urlaub zu nehmen und dieses Jahr bei uns zuzubringen. Seine Gesundheit soll sehr angegriffen sein.«

»Hoffentlich nicht so angegriffen wie sein Vermögen«, sagte Melitta trocken.

»Sein Vermögen? Was wissen Sie denn von Felix' Privatverhältnissen?«

»Ich sage nur, was alle Welt sagt. Sie werden mir zugeben, Liebe, daß, wenn schon über Oldenburg die chronique scandaleuse nicht stumm ist, sie über Felix sehr viel zu sagen weiß, und an Stoff hat es ihr der Herr Leutnant doch wahrlich nicht fehlen lassen.«

»Felix ist noch jung.«

»Nicht jünger als Oldenburg.«

»Fünf Jahre.«

»Das sieht man ihm wahrlich nicht an, freilich, er hat etwas schnell gelebt, der gute Felix.«

»Man sollte wirklich glauben, liebe Melitta, daß Felix Ihnen näher stände, als es der Fall ist. Aufrichtig, ich möchte gern wissen, was Sie von dieser Heirat denken, im Falle Grenwitz das Projekt nicht aufgeben sollte.«

»Nun denn, aufrichtig: Ich würde sie für ein Unglück, für ein um so größeres Unglück halten, je schöner und unschuldiger Helene ist. Was, um alles in der Welt, kann den Baron zu dieser Heirat bestimmen? Denn, daß eine Mutter zu solch einer Verbindung, die ihre Tochter namenlos unglücklich machen müßte, ja sagen sollte, kann ich mir nimmermehr denken.«

Melitta war aufgesprungen, hatte ihre Reitpeitsche ergriffen und hieb damit sausend durch die Luft, als wollte sie sagen: Das verdient der, welcher zu diesem Bubenstück die Hand bietet. In der schlanken, hochaufgerichteten Frauengestalt hätte man kaum dieselbe wiedererkannt, die sich vorhin schüchtern über ihre Arbeit beugte oder sich lässig in die Kissen des Stuhles schmiegte. Selbst die Züge des Gesichtes schienen anders zu werden, schärfer, älter; das Feuer in den großen Augen loderte düster auf. Offenbar hatte die Erwähnung dieser Heirat eine Saite in ihr angeschlagen, die häßlich durch ihre Seele schrillte. Sie fuhr in demselben aufgeregten Tone fort:

»Felix ist ein notorischer Wüstling. Wie kann ein Wüstling Liebe fühlen? Und gesetzt, Helenes Schönheit, Unschuld und Jugend trügen für eine Zeit über seine Blasiertheit den Sieg davon, so kann dies nicht von Dauer sein. Ein gründlich Blasierter wird niemals wieder ein ganzer Mann; und kann Helene einen solchen halben Mann lieben? Und ist das Leben ohne Liebe wert, daß man es lebt? Und können Sie das Unheil verantworten, das aus einer solchen lieblosen Ehe wie Unkraut aufschießt? Ich weiß –«

Die junge Frau schwieg plötzlich und ging mit schnellen Schritten in dem Gemache auf und ab. Dann nach einer kleinen Pause: »Und welch äußere Vorteile könnte diese Ehe gewähren? Felix hat seiner ungemessenen Eitelkeit sein Vermögen wie seine Gesundheit zum Opfer gebracht. Seine Güter sind verschuldet über und über; und Aussichten hat er, soviel ich weiß, auch nicht –«

»Nur daß er, wenn mein Malte stirbt, was Gott verhüten wolle, das Grenwitzsche Majorat erbt«, sagte die Baronin.

»Ja so!« sagte Melitta gedehnt. Die letzte Bemerkung der Baronin hatte der edelmütigen jungen Frau die Angelegenheit in einem ganz neuen Lichte gezeigt; dem unheimlichen Lichte vergleichbar, das aus der Blendlaterne eines Diebes auf das Schatzkästlein fällt, das er stehlen will. Sie hütete sich indessen wohl, die Baronin, was in ihr vorging, merken zu lassen, sondern fuhr, sich wieder in ihren Schaukelstuhl werfend, in unbefangenem Tone fort:

»Ich hoffe, Malte wird Felix' Gläubigern nicht den Gefallen tun, vor der Zeit zu sterben, er wird ja zusehends kräftiger, und wenn Sie dem Jungen nur mehr Freiheit lassen wollten –«

»Freiheit!« sagte die Baronin. »Muß ich das Wort schon wieder hören! Ich lasse ihm so viel Freiheit, als ich mit einer vernünftigen Erziehung für verträglich halte. Ich meine, daß, wer wie Malte einst über ein bedeutendes Vermögen gebieten wird, nicht zeitig genug gehorchen, sich einschränken, sich Unnötiges, Überflüssiges versagen lernen kann. Wir haben ja an unserm Neffen Felix das lebendigste Beispiel, wohin die allzugroße Nachsicht führt.«

»Das ist alles wahr«, sagte Melitta, »aber –«

»Wir haben uns ja wohl über das Thema der Erziehung unserer Kinder ein für allemal des Streites begeben«, sagte die Baronin mit dem Lächeln der Überlegenheit. »Ich weiß, was ich will, und das werde ich mit Gottes Hilfe durchführen.«

»Apropos, habe ich Ihnen schon gesagt, daß ich meinen Julius in diesen Tagen nach Grünwald aufs Gymnasium schicken will?« sagte Melitta.

»Wieder so ein Wagestück!« antwortete die Baronin. »Baron Oldenburg hat auch so eine öffentliche Erziehung, wie sie es nennen, genossen, und ich denke, die Resultate sind danach. Freilich hat man mit den Hauslehrern auch seine liebe Not.«

»Sie haben ja jetzt einen neuen, nicht wahr?« sagte Melitta, die aufgestanden war und sich in die Tür lehnte. »Wie ist er denn?«

Die Baronin zuckte die Achseln.

»Aber wie kann man das auch fragen«, sagte Melitta lachend. »Er wird sein wie alle andern: entsetzlich gelehrt, eckig, pedantisch, langweilig. Bemperlein, Bauer – das ist alles ein Genre. Ich will einen Hauslehrer auf hundert Schritt erkennen. Ah, wer ist der junge Mann, der da mit Bruno über die Wiese kommt?«

Die Frage blieb unbeantwortet, da in diesem Augenblick Mademoiselle Marguerite in das Zimmer getreten und die Baronin aufgestanden war, ihr einige Aufträge wegen der Abendmahlzeit zu geben. Melitta wandte sich um, aber die Baronin hatte mit einem: »Entschuldigen Sie mich!« das Zimmer verlassen. Die junge Frau blieb allein und mußte selbst die Antwort auf ihre Frage zu finden suchen. Sie zog sich ein wenig aus der Tür zurück und musterte mit ihren scharfen Augen die Erscheinung des unbekannten jungen Mannes.


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