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»Herr,« sagte Chilon, »das Meer ist ruhig wie das Öl und scheint zu schlafen. Fahren wir jetzt nach Achaja. Dort erwartet dich der Ruhm Apollos, dort erwarten dich Kränze, Triumphe, dort werden dich die Leute vergöttern, und die Götter werden dich als ihresgleichen bewirten, während hier, Herr . . .« Er brach ab, denn seine Unterlippe fing an so heftig zu zittern, daß seine Sprache unverständlich wurde.
»Wir werden fahren, sobald die Spiele beendet sind,« entgegnete Nero. »Ich weiß, daß man jetzt schon die Christen unschuldige Wesen nennt; würde ich aber abreisen, so würden das alle nachsprechen. Was fürchtest du denn, du vermorschter Schwamm?«
Nero zog die Brauen zusammen und blickte auf Chilon, als erwarte er noch eine Antwort, aber die Kaltblütigkeit, die er zur Schau trug, war erkünstelt. Die letzte Drohung des Crispus hatte ihm einen mächtigen Schreck eingejagt.
Er wandte sich jetzt an Tigellinus: »Mir ist zwar gleich, was die Christen sagen, aber für die Zukunft befiehl, ihnen die Zungen auszureißen oder den Mund zu verstopfen!«
»Ich werde ihnen den Mund mit Feuer stopfen, du Göttlicher!«
»Wehe mir!« stöhnte Chilon.
Doch der Kaiser, dem das kecke Selbstbewußtsein Tigellinus' Zuversicht verliehen hatte, fing an, herzlich zu lachen, und wies mit dem Finger auf den alten Griechen.
»Seht her! So sieht ein Nachkomme des Achilles aus!«
In der Tat bot Chilon ein Bild des Jammers. Die wenigen Haare, die seinen Schädel bedeckten, waren ganz weiß geworden, und seine Mienen zeigten einen Ausdruck von Unruhe, Furcht und Niedergeschlagenheit. Zeitweise war er wie betäubt und geistesabwesend. Oft beantwortete er an ihn gerichtete Fragen gar nicht, und dann brauste er so zornig auf, daß die Augustianer sich hüteten, ihn zu reizen. Solch ein Augenblick war jetzt gekommen.
»Macht, was ihr wollt mit mir, ich gehe nicht mehr zu den Spielen!« rief er verzweifelt und schnalzte mit den Fingern.
Nero sah ihn eine Weile an, worauf er sich an Tigellinus wandte und laut sagte: »Du wirst darauf achten, daß der Stoiker in den Gärten in meiner Nähe bleibt! Ich bin begierig, welchen Eindruck unsere brennenden Fackeln auf ihn machen werden!«
Petronius näherte sich dem Griechen und sagte, ihm auf die Schulter klopfend: »Habe ich dir nicht gesagt, daß du es nicht aushalten wirst?«
Jener antwortete nur: »Ich will mich betrinken . . .« Und er streckte die zitternde Hand nach einem Becher, doch er brachte ihn nicht bis an die Lippen.
Vestinus, neugierig und erschrocken, nahm ihm den Becher ab und fragte:
»Jagen dich die Furien, wie?«
»Nein,« sagte Chilon, »aber eine schreckliche Nacht rückt heran.«
»Du empfindest jetzt wohl Mitleid mit ihnen?«
»Weshalb vergießt ihr soviel Blut? Hörtest du, was jener am Kreuze sagte? Wehe uns!«
»Ich hörte es,« sagte Vestinus leise. »Aber sie sind doch Brandstifter!«
»Das ist nicht wahr!«
»Sie sind Feinde des Menschengeschlechts!«
»Das ist nicht wahr!«
»Sie sind Brunnenvergifter!«
»Das ist nicht wahr!«
»Sie morden die Kinder!«
»Das ist nicht wahr!«
»Was?« fragte Vestinus erstaunt, »du selbst hast doch das alles behauptet und sie dem Tigellinus ausgeliefert!«
Ohne hierauf zu antworten, fragte Chilon: »Was sind das für Fackeln, die im Garten brennen sollen?«
»Man nennt sie Sarmentii und Semaxii . . . Man bekleidet sie mit der Schmerzenstunika, bestreicht sie mit Harz, bindet sie an Säulen und zündet sie an.«
»Das ist mir lieber, denn hierbei gibt es kein Blutvergießen,« sagte Chilon. »Heiße den Sklaven, mir Wein zu reichen! Ich will trinken.«
Die anderen unterhielten sich inzwischen ebenfalls von den Christen. Der alte Domitius Afer machte sich über sie lustig.
Es sind ihrer so viele, daß ihnen nichts leichter wäre, als einen Bürgerkrieg anzufangen, statt dessen sterben sie wie die Schafe!«
Darauf bemerkte Petronius: »Du bist im Irrtum. Sie wehren sich.«
»Wieso denn?«
»Mit ihrer Geduld!«
»Das ist eine ganz neue Art Waffe.«
»Sicherlich. Aber könnt ihr behaupten, daß sie wie gemeine Verbrecher sterben? Nein! Sie sterben so, als wären diejenigen Verbrecher, von denen sie zum Tode verurteilt werden, das sind wir und das römische Volk!«
Alle staunten über die Richtigkeit seiner Betrachtung, blickten sich gegenseitig an und sagten: »Ganz recht, es ist etwas Besonderes in ihrem Sterben!«
»Ich sage euch, sie sehen ihren Gott!« rief Vinicius.
Einige Augustianer wendeten sich zu Chilon: »Nun, Alter, du kennst sie ja gut; sage uns, was sie sehen!«
Der Grieche spie den Wein aus, den er im Munde hatte, und befleckte seine Tunika. »Sie sehen die Auferstehung!« sagte er.
Er zitterte so heftig, daß die neben ihm Sitzenden in lautes Gelächter ausbrachen.