Henryk Sienkiewicz
Quo vadis?
Henryk Sienkiewicz

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39.

Petronius begab sich nach Hause. Nero und Tigellinus gingen in Poppäas Atrium. Hier warteten mehrere Männer, mit denen Tigellinus schon gesprochen hatte. Es waren dies zwei in feierliche Kleider gehüllte Rabbiner, mit der Mitra auf dem Kopfe, mit ihrem Begleiter Chilon. Beim Anblick des Kaisers hoben sie ihre Hände bis zur Schulterhöhe und neigten ihre Häupter.

»Sei gegrüßt, du Herrscher der Herrscher, du König der Könige,« sagte der älteste, »sei gegrüßt, du Regierer der Welt, du Beschützer eines auserwählten Volkes, du Cäsar, du Löwe unter den Menschen, dessen Herrschaft einer leuchtenden Sonne, einer Zeder vom Libanon, einer Quelle, einer Palme, dem Balsam von Jericho gleicht!«

»Nennt ihr mich nicht auch einen Gott?« fragte der Kaiser.

Hier erblaßten die Priester; doch der älteste von ihnen hatte Mut genug zu antworten: »Deine Worte, o Herr, sind süß, sind süß wie die Trauben eines Weinstockes, sind süß wie eine reife Feige, denn Jehovah gab dir ein gutes Herz. Doch dein Ahne, der Cäsar Cajus, war grausam, und dennoch wurde er von unserem Abgesandten nicht als Gott gepriesen, und sie würden den Tod der Beleidigung des göttlichen Gesetzes vorgezogen haben.«

»Dafür ließ sie Caligula den Löwen vorwerfen!«

»Nein, Herr, Cäsar Cajus fürchtete den Zorn Jehovahs.«

Und sie erhoben ihre Häupter, denn der Name des mächtigen Jehovah flößte ihnen Mut ein; vertrauend auf seine Hilfe, blickten sie nun dreister in die Augen Neros.

»Ihr klagt die Christen an wegen der Brandlegung Roms?« fragte der Kaiser.

»Wir, o Herr, klagen sie nur deshalb an, weil sie Feinde der göttlichen Gesetze sind, Feinde des Menschengeschlechtes, Feinde Roms und deine Feinde.«

Nero wandte sich an Chilon: »Wer bist du?«

»Dein Bewunderer, Osiris, und ein armer Stoiker!«

»Ich hasse die Stoiker!« sagte Nero. »Mir ist ihre Sprache ebenso widerwärtig wie ihre Kunstverachtung, ihre freiwillige Armut und ihre Armseligkeit.«

»Herr, ich bin nur Stoiker aus Not. Umwinde meinen Stoizismus mit Rosenkränzen, du Strahlender, und er wird beim gefüllten Weinkrug die lautesten Lieder singen.«

Nero, dem der Name Strahlender wohlgefiel, lächelte und sagte: »Du gefällst mir!«

»Dieser Mann ist wert, mit Gold aufgewogen zu werden,« rief Tigellinus.

»Deine Freigebigkeit, o Göttlicher, wird meinem Gewicht noch etwas zugeben, sonst nimmt der Wind die Belohnung fort.«

»Ich sehe, daß dein Glaube dir nicht verbietet, mich einen Gott zu nennen?«

»O Unsterblicher! Mein Glaube bist du! Die Christen haben gegen diesen Glauben gefrevelt, darum hasse ich sie.«

»Was weißt du von den Christen?«

»Als ich zum ersten Male von den Christen und der neuen Lehre hörte, hoffte ich hier ein Körnchen Wahrheit zu finden und machte zu meinem Leidwesen ihre Bekanntschaft. Ich bewarb mich um den Zutritt zu ihren Häuptern und lernte ihren Oberpriester und einen zweiten, den sie Paulus nennen, kennen. Ich war auf dem Friedhofe, daselbst sah ich den Sohn des Zebedeus, ich sah den Linus und Kleta und viele andere. Sie versammelten sich vor dem Brande in einem unterirdischen Gewölbe am Vatikanischen Hügel, auf dem Friedhofe hinter dem Nomentanischen Tor, dort halten sie ihre abscheulichen Zeremonien ab, die sie Gottesdienst nennen. Dort sah ich auch, wie Glaukus Rinder abschlachtete und der Apostel Petrus mit dem Blute die Häupter der Anwesenden besprengte. Dort sah ich auch Lygia, die Pflegetochter der Pomponia Graecina, die sich rühmte, die kleine göttliche Augusta, deine Tochter, Osiris, und die deine, Isis, berufen zu haben.«

»Hörst du es, mein Kaiser!« rief Poppäa.

»Sollte das möglich sein?« rief Nero.

»Als ich diese frevelhaften Worte vernahm,« fuhr Chilon fort, »da übermannte mich der Zorn, und ich sprang auf die Lygierin zu, um sie mit meinem Messer zu durchbohren. Vinicius aber hinderte mich daran, weil er sie liebt. Sie flüchtete zwar, er suchte sie aber wieder auf. Ich war dabei, als Kroton von Ursus, dem Sklaven Lygias, erwürgt wurde!«

»Beim Herkules!« rief Nero, »wer den Kroton erwürgte, ist wert, daß ihm eine Bildsäule auf dem Forum gesetzt werde. Aber entweder lügst du, Alter, oder du irrst dich, denn ich weiß, daß Vinicius den Kroton erstach.«

»So werden die Götter von den Menschen belogen! Ich war Augenzeuge, als Ursus dem Kroton die Rippen eindrückte. Auch den Vinicius hätte er getötet, hätte Lygia nicht für ihn gebeten. Der Tribun war lange krank, so sehr haben ihn die Christen zugerichtet; jetzt ist er selbst Christ geworden.«

»Vinicius?«

»Jawohl!«

»Und vielleicht auch Petronius?« fragte Tigellinus.

»Ich bewundere deinen Scharfblick, Herr! Es wäre nicht unmöglich,« rief Chilon, sich die Hände reibend und wie ein Aal sich biegend. Dann fuhr er weiter fort: »Das vergesse ich nicht, was die Christen getan, ich habe es beim Hades geschworen. O Göttlicher, räche die Grausamkeiten! Ich liefere sie alle aus, alle!«

Poppäa vergaß ihre Feinde nicht. Ihre Begierde nach Vinicius war zwar nichts als eine augenblickliche Laune gewesen, aber die Weigerung des schönen Mannes hatte sie doch schwer beleidigt. Lygia hatte sie vom ersten Augenblick an als eine ungewöhnliche Schönheit erkannt und darum tief gehaßt. Ihr Untergang war bei Poppäa beschlossen.

»Ja, räche unser Kind, Herr!« rief sie aus.

»Beeilt euch,« rief Chilon, »Eile tut not.«

»Wäre es nicht angebracht, Göttlicher, sich auch gleich Onkel und Neffen vom Halse zu schaffen?« fragte Tigellinus.

Nero dachte einen Augenblick nach. Dann aber sagte er: »Nein, jetzt nicht! Das Volk würde doch nicht glauben, daß Petronius, Vinicius oder Pomponia Graecina Rom in Brand steckten; sie hatten zu schöne Besitzungen. Zuerst brauchen wir andere Opfer; jene kommen später an die Reihe.«

»Chilon, du sollst vorderhand bei mir wohnen,« sagte der Präfekt.

»Ich liefere sie alle aus, aber beeilt euch, bevor sie entwischen!«

 


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