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In Rom war es bekannt, daß der Cäsar auf seiner Reise den Seehafen Ostia besichtigen wollte, wo das größte Schiff der Welt mit einer riesigen Ladung Korn aus Alexandria eingetroffen war. Von Ostia aus würde er sich dann auf der Via Littoralis nach Antium begeben. An dem Stadttor, das nach Ostia hinausführte, sammelte sich daher schon am frühen Morgen des zur Reise festgesetzten Tages der Pöbel massenhaft an, um am Gefolge des Cäsar seine Schaulust zu befriedigen, die beim römischen Volke fast unersättlich war. Die Reise nach Antium war weder schwierig noch lang. Dort erhoben sich zahlreiche Paläste und Villen, die in der vornehmsten Weise gebaut und ausgestattet waren und alles boten, was die Bequemlichkeit nur verlangen konnte, selbst den ausgesuchtesten Luxus jener Zeit. Der Cäsar pflegte jedoch auf seinen Reisen alles mitzunehmen, woran er irgendein Vergnügen fand, von seinen Musikinstrumenten und Hausgeräten an bis zu Statuen und Mosaikarbeiten; dies geschah selbst dann, wenn er nur kurze Zeit, nur zur Ruhe und Erholung zu bleiben gedachte. Er war daher stets von einer Unmenge Bedienter begleitet, die Abteilungen der Prätorianer und Anhänger nicht miteingerechnet, von denen jeder noch sein besonderes Gefolge von Sklaven hatte.
Am frühesten Morgen dieses Tages kamen Hirten von der Campania mit sonnenverbranntem Gesicht und Ziegenfellen an den Füßen und trieben fünfhundert Eselinnen durch die Tore, damit Poppäa am Tage nach ihrer Ankunft in Antium in deren Milch ihr Bad nehmen konnte. Der Pöbel blickte mit Entzücken und Hohn auf die langen Ohren, die in Wolken von Staub sich hin und her bewegten, und hörte mit Vergnügen auf das Knallen der Peitschen und das wilde Geschrei der Hirten. Nachdem die Eselinnen vorüber waren, stürzten zahlreiche Knaben herbei, reinigten die Straße sorgfältig und bedeckten sie mit Blumen und Piniennadeln. Das Volk flüsterte sich mit einem gewissen Stolze zu, die ganze Straße nach Antium würde so mit Blumen bestreut, die teils aus den umliegenden Gärten genommen, teils von den Händlern an der Porta Mugiones um hohen Preis geliefert worden seien.
Es wurde auch von dem Schiffe gesprochen, zu dessen Besichtigung der Cäsar gehe, ein Schiff, das Weizenvorrat für zwei Jahre gebracht hatte, dabei nicht zu erwähnen der vierhundert Reisenden, einer ähnlichen Anzahl Soldaten und einer Menge wilder Tiere für die Sommerspiele. Dies alles nahm das Volk für den Kaiser ein, der nicht nur für dessen Ernährung, sondern auch für dessen Vergnügen besorgt war. Deshalb wartete seiner eine begeisterte Begrüßung.
Inzwischen zeigte sich eine Abteilung numidischer Reiter, die der prätorianischen Wache angehörten. Sie trugen gelbe Gewänder, rote Gürtel und große Ohrringe, die auf die dunklen Gesichter einen goldigen Schimmer warfen. Die Spitzen ihrer Bambusspeere glitzerten wie Feuerflammen im Sonnenlicht. Es kamen jetzt Wagen mit pupurroten und violetten Zelten, mit schneeweißen Byssuszelten, ferner Wagen mit orientalischen Teppichen, mit Tischen von kostbarem Holz, mit Mosaiktafeln, mit Küchengeräten, mit Käfigen voll Vögel des Ostens, Nordens und Westens, deren Hirn und Zungen für die kaiserliche Tafel bestimmt waren, mit Tonkrügen voll Wein, mit Körben voll Früchten. Alle anderen Gegenstände jedoch, die wegen ihrer Zerbrechlichkeit auf Wagen nicht befördert werden konnten, wurden von Sklaven getragen. Hunderte von Leuten zogen vorüber, die allerlei Kunstgeräte, Statuen aus korinthischem Erz trugen. Kleine Abteilungen von Prätorianern zu Pferde und zu Fuß bildeten den Schutz dieser Sklaven, die von zahlreichen Aufsehern bewacht wurden; jeder von diesen hielt eine Peitsche, an der Blei- oder Eisenstückchen befestigt waren, in der Hand. Der lange Zug dieser Männer machte den Eindruck einer religiösen Prozession, und dieser Eindruck wurde noch verstärkt, als die Musikinstrumente des kaiserlichen Hofes vorübergebracht wurden. Was war da nicht alles zu sehen! Dann kamen prächtige Karossen mit malerischen Gruppen von Akrobaten, Tänzern, Tänzerinnen, Thyrsusstäbe in der Hand; dann folgten die Sklaven, die zum Luxus auf die Reise mitgenommen wurden, nämlich eine große Zahl Knaben und kleine Mädchen aus Griechenland und Kleinasien, letztere mit langen Haaren oder Locken in goldenen Netzen, alle schön wie Amoretten. Wieder kam eine Abteilung Prätorianer: riesenhafte, bärtige Sigamber vom Niederrhein mit blauen Augen und rotblonden Haaren. Bannerträger mit dem römischen Adler, mit Tafeln voll Inschriften, mit Bildsäulen der germanischen und römischen Götter und mit Statuen und Büsten des Kaisers schritten voran. Die sonnenverbrannten Glieder dieser Söldner ragten mächtig unter dem Fell und Panzer hervor und schienen so recht dazu geeignet, die dieser Schutztruppe zugeteilte schwere Rüstung zu tragen. Kaum waren die Sigamber vorüber, so wurden die gefesselten Löwen und Tiger des Nero vorüber geführt, damit er jederzeit in der Lage war, sie an seinen Wagen zu spannen. Hindu und Araber führten diese wilden Tiere an Stahlketten, die aber derart mit Blumen umwunden waren, daß sie wie Blumengewinde aussahen; jedes dieser Tiere hatte zwei Führer. Die durch Tierbändiger gezähmten Bestien schauten mit ihren grünlichen Augen auf die Menge, fletschten ihre Zähne, richteten zuweilen ihre mächtigen Häupter empor und zogen schnaubend die Nüstern ein, wobei sie beständig ihre rauhen Zungen in dem gewaltigen Rachen hin und her bewegten.
Unter den Zuschauern war auch der Apostel Petrus, der den Cäsar sehen wollte, Lygia, das Gesicht von einem dichten Schleier verhüllt, und Ursus, der beste Schutz für das junge Mädchen in dieser zügellosen, unbändigen Volksmenge. Ohne sich lange zu besinnen, hatte der Lygier einen der Steine ergriffen, die zum Bau eines Tempels benützt werden sollten, und ihn dem Apostel gebracht, damit dieser sich darauf stellen und alles besser sehen konnte. Wohl murrten die Leute, als Ursus sich zwischen ihnen Bahn machte; als er jedoch ohne Anstrengung einen Stein herbeitrug, den sonst kaum vier der stärksten Männer emporzuheben vermochten, wich die Empörung einer großen Bewunderung.
Jetzt kam der Kaiser in Sicht. Er saß in einer Karosse, die von sechs weißen Hengsten gezogen wurde, und die so überdacht war, daß die Menge ihn sehen konnte.
Obwohl die Karosse geräumig genug war, um mehrere Personen aufzunehmen, saß der Kaiser nur allein darin, um die Aufmerksamkeit der Menge auf sich allein zu lenken. Nur zwei mißgestaltete Zwerge kauerten zu seinen Füßen. Er trug eine weiße Tunika und eine amethystfarbige Toga. Ein Lorbeerkranz schmückte sein Haupt. Um den Hals hatte er wie gewöhnlich ein seidenes Tuch geschlungen, das er zeitweise mit seiner fetten, durch rötliche Häarchen bedeckten Hand zurechtrückte. Ein Gemisch von bodenloser Eitelkeit, von Ermüdung und Langweile malte sich wie immer auf seinem Gesicht, das furchterregend und lächerlich zugleich war.
Während der Fahrt wendete Nero fortwährend den Kopf nach beiden Seiten, schloß zuweilen die Augen und achtete dann wieder auf die Begrüßungen.
Fortwährend ertönten Rufe: »Sei gegrüßt, Göttlicher, Cäsar, Imperator, du Unvergleichlicher, du Apollo!« Nero lächelte.
Plötzlich zog eine Wolke über sein Antlitz. Zum Spotte war das römische Volk stets geneigt, und auch jetzt hörte man mitten unter dem Beifallsrufen die Worte: »Feuerbart, Feuerbart, was hast du mit deinem roten Barte gemacht? Fürchtest du, Rom könne sich an ihm entzünden?« Hinter Steinhaufen und Tempelvorsprüngen verborgene Personen riefen: »Muttermörder!« Und Poppäa, die dicht hinter dem Kaiser in einer Sänfte getragen wurde, wurde eine Straßendirne genannt. Dem feinen Ohr des Kaisers entging nichts. Langsam hob er seinen geschliffenen Smaragd an das Auge und suchte nach den Rufern, um sich deren Aussehen in das Gedächtnis einzuprägen. Unwillkürlich blieb sein Blick auf dem Apostel haften, der noch immer auf dem Steine stand. Während einiger Augenblicke schauten sich diese beiden Männer fest in die Augen, der gewaltige Herrscher, der gleich einem blutigen Traume dahingehen sollte, und der schlichte in unscheinbare Gewänder gehüllte Greis, der mit seiner Lehre auf ewige Zeiten Besitz ergriff von der ganzen Erde.
Hinter der prunkvollen Sänfte der Poppäa, die von acht Afrikanern getragen wurde, kam wiederum ein ganzer Hofstaat von Dienerinnen und Dienern, und wieder eine Reihe Wagen mit allerlei Sachen zum täglichen Gebrauch.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als die Augustianer in einer endlos scheinenden Reihe vorüberzogen und dabei eine Pracht und einen Glanz entfalteten, daß sie mit ihren Wagen und Sänften einer schillernden Schlange zu vergleichen waren. Der nachlässig dasitzende Petronius wurde mit seiner schönen Sklavin in einer Sänfte getragen, und das Volk jubelte ihm zu, Tigellinus dagegen fuhr in einer von Ponys gezogenen Karosse. Das Gefolge war geradezu endlos. Es schien, als ob alles, was reich, glänzend und von irgendwelcher Bedeutung in Rom war, nach Antium auswandern wolle.
Endlich kam Vinicius in einer Karosse. Bei dem unerwarteten Anblick des Apostels und Lygias sprang er aus dem Wagen und begrüßte die beiden mit vor Glück strahlendem Antlitz.
»Lygia! Wie soll ich dir danken, daß du gekommen bist!« rief Vinicius. »Nun kann ich dich nochmals begrüßen, ehe wir scheiden, doch nicht auf lange. Ich werde auf dem ganzen Wege parthische Pferde unterbringen, um an den freien Tagen recht schnell zu dir gelangen zu können. Lebe wohl!«
»Lebe wohl, Markus! Möge Christus mit dir sein,« entgegnete Lygia.
Vinicius führte noch Lygias Hand an seine Lippen, zum großen Erstaunen der Umstehenden, die sich nicht erklären konnten, daß einer der glänzenden Augustianer einem gleich einer Sklavin gekleideten Mädchen eine solche Ehrenbezeugung erweise.
»Lebe wohl!«
Rasch setzte Vinicius dem Gefolge nach, das einen kleinen Vorsprung gewonnen hatte.
Der kaiserliche Zug entschwand immer mehr den Blicken der Zuschauer; eine goldschimmernde Staubwolke verhüllte ihn. Der Apostel, Lygia und Ursus sahen ihm lange nach, bis Demas, der Müller, bei dem Ursus des Nachts arbeitete, sich näherte. Er küßte dem Apostel die Hand und bat ihn, in seiner Wohnung eine Erfrischung zu nehmen; sie müßten hungrig und müde sein, da sie den größten Teil des Tages am Tore zugebracht hätten.
Sie gingen mit ihm und kehrten, nachdem sie in seinem Hause geruht und sich erquickt hatten, erst gegen Abend nach dem Stadtteil jenseits des Tiber zurück. Sie wollten den Fluß auf der ämilianischen Brücke überschreiten und gingen deshalb durch den Clivus Publicus über den Aventin. Von dieser Höhe aus sah der Apostel auf die ihn umgebenden und die in der Ferne verschwindenden Gebäude. In Schweigen versunken, erwog er die riesige Ausdehnung und gewaltige Macht dieser Stadt, der das Wort Gottes zu verkünden er gekommen war. Bisher hatte er wohl die Herrschaft Roms und seiner Legionen in den verschiedenen Ländern, die er durchreist hatte, gesehen; aber das waren nur vereinzelte Glieder jener Macht, die ihm heute zum erstenmal in der Gestalt Neros verkörpert erschienen war. Was war Rom? Eine riesenhafte, räuberische, beutegierige, ungezügelte, bis ins Mark verderbte, doch in ihrer außergewöhnlichen Kraft unangreifbare Stadt. Was war der Cäsar? Ein Brudermörder, ein Muttermörder, ein Frauenverführer, den eine Schar blutiger Schatten verfolgte, die seinem Hofe an Zahl durchaus nicht nachstand. Dieser Verworfene, dieser Komiker, aber auch dieser Herr von dreißig Legionen, und durch sie der Herr der Welt, diese mit Gold und Scharlachmänteln bedeckten Höflinge, die des nächsten Morgens ungewiß waren, aber bis zu ihrem Ende doch mächtiger als Könige, sie alle zusammengenommen bildeten eine Art höllischen Reiches voll Ungerechtigkeit und Bosheit. In der Einfalt seines Herzens wunderte sich Petrus, daß Gott dem Satan so unbegreifliche Gewalt gegeben habe, die Erde zu bedrücken, zu verkehren, zu zertreten, ihr Blut und Tränen auszupressen, sie fortzureißen wie ein Wirbelwind, auf ihr zu toben wie ein Orkan. Sein Herz ängstigte sich bei diesem Gedanken, und er sprach im Geiste zu seinem Meister: O Herr, wo soll ich anfangen in dieser Stadt, in die du mich gesandt hast? Ihr gehören Meere und Länder, die Tiere des Feldes und alle Wesen des Wassers, sie besitzt Königreiche und Städte und dreißig Legionen, die sie bewachen; ich aber, o Herr, bin ein Fischer auf einem kleinen See! wie soll ich ihre Bosheit besiegen?
»Die ganze Stadt scheint in Brand zu stehen,« unterbrach jetzt Lygia.
Die Sonne neigte sich eben in wunderbarer Pracht zum Untergang. Ihre Scheibe war schon halb hinter dem Janiculus verschwunden, und der Horizont schimmerte in rötlichem Glanz. Etwas rechts sahen sie die langgezogenen Mauern des Circus Maximus; darüber die hohen Paläste des Palatin, und vor sich, jenseits des Forums Boarium und des Velabrum, den Gipfel des Kapitols mit dem Tempel des Jupiter. Die Mauern und Säulen alle, die höchsten Spitzen der Tempel waren wie eingetaucht in das goldene und purpurne Abendlicht. Die aus der Ferne sichtbaren Teile des Flusses schienen in Blut verwandelt, und in dem Maße wie die Sonne sank, wurde der Schimmer röter und röter.
»Die ganze Stadt scheint in Brand zu stehen!« wiederholte Lygia.
Petrus hielt die Hand vor die Augen und sagte: »Der Zorn Gottes ruht auf ihr!«