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Macko verlebte gar frohe Tage. Mehr als einmal erklärte er den Nachbarn, ihm sei ein größeres Glück zu teil geworden, als er jemals erhofft habe. Wohl hatte ihm das Alter Haar und Bart gebleicht, allein seine Kraft, seine Gesundheit wären ungeschwächt geblieben, heitere Zufriedenheit erfüllte sein Herz. Milde prägte sich jetzt auf seinem früher so strengen Antlitz aus, aus seinen Augen sprach freundliche Anteilnahme an dem Schicksale anderer. Immer mehr gab er sich der festen Ueberzeugung hin, daß er nunmehr gegen Unglück, gegen Sorge gefeit sei, daß sein Leben nunmehr so ruhig dahinfließen werde wie ein klarer Bach. Bis in das hohe Alter wehrhaft zu bleiben, bis in das hohe Alter die Besitztümer bewirtschaften und Reichtümer für die »Enkelkinder« sammeln zu können – das war zu allen Zeiten sein höchster Wunsch gewesen, und nun war mit einem Male dieser Wunsch in Erfüllung gegangen. Was Macko unternahm, gedieh. Die Wälder waren stellenweise ausgehauen und ausgerodet worden, auf den Neuäckern sproßte im Frühling die Saat prächtig hervor, der Viehstand mehrte sich und auf den Wiesen grasten vierzig Stuten mit ihren Fohlen, welche der alte Edelmann tagtäglich besichtigte, Schaf- und Viehherden weideten auf dem Bruchlande und auf den Brachäckern. Bogdaniec hatte sich völlig verändert; nicht mehr öde und verlassen lag das Gut da, nein, Wohlstand und lebhaftes Getriebe waren daselbst zu bemerken. Die Augen eines jeden, der dahin wanderte, wurden geblendet von dem Anblicke des Wartturmes und der noch ungeschwärzten Mauern des Kastells, die im Sonnenglanze golden, in dem Scheine der Abendröte purpurfarbig schimmerten.
Aus vollen Zügen genoß der alte Macko diese Freuden und niemals widersprach er, wenn seine »glückliche Hand« gerühmt ward. Schon ein Jahr nach den Zwillingen kam ein dritter Knabe zur Welt, den Jagienka, zu Ehren ihres Vaters, Zych nannte. Mit großem Entzücken begrüßte Macko auch diesen neuen Ankömmling, ohne sich darob zu sorgen, daß, wenn es so weiter gehe, der mühsam errungene Besitz wieder geteilt werden müsse. »Was besaßen wir denn?« so fragte er, als er mit Zbyszko einmal darüber sprach. »Nichts! Und doch hat sich jetzt durch Gottes Gnade alles zum Guten gewendet. Der alte Pakosz aus Sulislawic besitzt bei zweiundzwanzig Söhnen nur ein Dorf, hast Du aber jemals gehört, daß das Geschlecht Hungers gestorben wäre? Und dann, wenn man das Königreich, wenn man Litauen in Betracht zieht, umfassen diese vielleicht ein kleines Gebiet, besitzen diese Kreuzritter, diese Hundsbrut, vielleicht nicht eine große Zahl von Dörfern und Burgen? Hei! Zahlreiche Burgen aus roten Ziegelsteinen befinden sich darunter, für die unser erlauchter König Kastellane ernennen könnte; wenn daher der Herr Jesus uns weiter seine Gnade angedeihen läßt, wird es Platz genug für alle geben.« Gar bemerkenswert war dieser Ausspruch, denn trotzdem der Orden auf dem Gipfel seines Ruhmes stand, da er über eine unermeßliche Zahl von Kriegsvolk verfügte, da er an Reichtum und Macht alle Königreiche des Westens überragte, betrachtete doch der alte Ritter jetzt schon die Burgen der Kreuzritter als die zukünftigen Wohnsitze der Nachkommen Zbyszkos. Aehnliche Gedanken hegten viele in dem Königreiche Jagiellos, und nicht allein deshalb, weil es die alte polnische Erde war, auf der sich der Orden festgesetzt hatte, sondern weil das Bewußtsein der Kraft, welches die Brust des ganzen Volkes schwellte, nach allen Seiten hin nach Betätigung rang.
Erst im vierten Jahre nach Zbyszkos Vermählung ward die Burg vollendet, und dies konnte nur dadurch erreicht werden, daß außer den Dienstleuten aus Bogdaniec, aus Moczydoly und aus Zgorzelic auch eine Anzahl von Knechten, welche von den Nachbarn geschickt worden waren, an dem Bau mithalfen. Der alte Wilk aus Brzozowa erwies sich dabei vornehmlich als guter Nachbar, hatte er doch, nach dem Tode seines Sohnes ganz allein in der Welt stehend, treue Freundschaft mit Macko geschlossen und demzufolge auch Zbyszko und Jagienka sein Herz zugewendet. Macko schmückte die Wohngelasse der Burg nicht nur mit der Beute aus, die teils er, teils sein Bruderssohn im Kriege gewonnen, oder die letzterer von Jurand ererbt hatte, sondern auch mit allerlei Gegenständen, die von dem Abte auf Jagienka übergegangen waren oder aus Zgorzelic herrührten. So schuf er nach und nach einen gar prächtigen Wohnsitz, dessen Fenster sogar Glasscheiben aus Sieradz aufwiesen. Im fünften Jahre nach seiner Vermählung siedelte Zbyszko mit Weib und Kindern in die Burg über, denn erst dann waren alle andern Bauten, wie die Stallungen für die Pferde, die Ställe für das Vieh, die Küchen und die Bäder fertig gestellt, die unterirdischen Gewölbe nicht zu vergessen, welche der alte Ritter aus Kalkstein hatte ausführen lassen, damit sie, in ihrer Unzerstörbarkeit, allen Zeiten trotzen konnten. Er selbst aber blieb in dem alten, baufälligen Hause, ohne den Bitten von Zbyszko und Jagienka Gehör zu schenken, die ihn zu einer Uebersiedelung veranlassen wollten.
»Ich will hier sterben, wo ich geboren bin!« Pflegte Macko auf alle Einwendungen des jungen Paares zu antworten. »Seht Ihr, als in den früheren Kämpfen Bogdaniec verheert, als alles niedergebrannt ward – bei meiner Treu, da trotzte dieses alte Haus dem Schwerte und dem Feuer. Die Leute behaupten zwar, das Feuer habe ihm nichts anhaben können, weil das Dach ganz mit Moos bedeckt gewesen ist – ich aber glaube, daß es durch die Gnade, durch den Willen Gottes verschont geblieben ist, damit wir hierher zurückzukehren vermochten, damit unser Geschlecht aufs neue wachse und gedeihe. Keinen Zufluchtsort haben wir mehr, so klagte ich oftmals auf unsern Fahrten, doch ich hatte unrecht, dies zu thun. Traun, nichts fanden wir freilich hier vor, womit wir hätten wirtschaften, womit wir unsern Hunger hätten stillen können, aber wir fanden doch ein Dach, das uns schützte. Für Euch junge Menschenkinder kommt all dies wahrlich nicht mehr in Betracht, mich dünkt jedoch, daß es mir nicht geziemt, das alte Haus zu verlassen, welches so getreu mit uns ausgehalten hat.«
Und so blieb er denn in dem alten Hause. Allein gar oft erschien er in der neuen Burg, um sich an deren Größe, an deren Pracht zu werden, und um gleichzeitig nach Zbyszko und Jagienka, sowie nach seinen »Enkelsöhnen« zu sehen. Stolz und Freude schwellten jedesmal die Brust des alten Ritters, wenn er die Burg betrat, die ja zum größten Teile sein eigenes Werk war. Gern verlieh er auch dieser Freude dem alten Wilk gegenüber Ausdruck, der ihn zuweilen aufsuchte, oder zu dem er sich hie und da nach Brzozowa begab. Als die beiden daher wieder einmal am Feuer beisammen saßen, um ein Stündchen mit einander zu schwätzen, da schilderte Macko dem Nachbarn die neue Lebensweise, indem er sagte: »Seht Ihr, oftmals glaube ich, meinen eigenen Augen nicht trauen zu dürfen. Bekanntermaßen ist ja Zbyszko nicht nur in Masovien, in Marienburg und bei dem Fürsten Janusz gewesen, sondern er hat sogar schon in Krakau in dem Schlosse des Königs geweilt – traun, es hätte nicht viel gefehlt und sein Haupt wäre gefallen – und wie Ihr wißt, ist Jagienka im Reichtum aufgewachsen, von einer eigenen Burg hat sich indessen weder der eine noch die andere träumen lassen. Nun aber erweckt es den Anschein, als ob sie es nie anders gewöhnt gewesen. Sie wandeln in den Wohngelassen umher, ich sage Euch, in den Wohngelassen wandeln sie einfach umher, erteilen den Dienstleuten ihre Befehle und setzen sich nieder, wenn sie müde sind. Man glaubt fürwahr einen Burgvogt mit seiner Ehegemahlin vor sich zu sehen. Und in einem eigens dafür bestimmten Gemache speisen sie mit den Vögten und den Bediensteten, wobei sie auf erhöhten Sitzen Platz nehmen, während die andern tiefer sitzen und erst dann zu essen beginnen, wenn der Gebieter und die Herrin bedient sind. So will es freilich die höfische Sitte, ich aber muß es mir immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen, daß ich nicht vor einem mir fremden, hohen Herrn und dessen Ehegemahlin, sondern vor meinem Bruderssohn und dessen Weib stehe, die mich alten Burschen an der Hand fassen, an den Ehrensitz geleiten und ihren Wohlthäter nennen.«
»Dafür wird sie der Herr Jesus segnen!« bemerkte der alte Wilk.
Dann ließ er das Haupt traurig sinken, nahm einen Schluck Met und mit einem eisernen Haken das Feuer aufschürend, fügte er hinzu:
»Mein Sohn aber ist tot!«
»Das war der Wille Gottes!«
»Bei meiner Treu! Seine älteren Brüder, fünf an der Zahl, sind ihm schon längst vorausgegangen. Ihr wißt dies ja. Das ist auch der Wille Gottes gewesen. Aber dieser jüngste ist der beste von allen gewesen. Ein echter Wilk! Hei, wenn er nicht gefallen wäre, säße er heute auch auf seiner eigenen Burg.«
»Der Tod Cztans würde weniger zu beklagen sein.«
»Ach, was ist denn Cztan? Freilich ist er so stark, daß er Mühlsteine auf seinen Schultern tragen könnte. Doch wie häufig hat ihn mein Sohn darnieder geworfen! Hei, dieser wußte, was die ritterliche Sitte erheischte, Cztan aber läßt sich von seinem Weibe auf die Schnauze hauen, denn obgleich er ein starker Bursche ist, gebricht es ihm doch an Verstand.«
»Hei, mit ihm läßt sich so wenig reden, wie mit dem Hinteren eines Pferdes!« warf Macko ein.
Sofort ergriff er aber auch die Gelegenheit, um nicht nur das ritterliche Wesen, sondern auch den Verstand Zbyszkos in den Himmel zu heben, indem er erklärte, sein Bruderssohn habe in Marienburg mit den berühmtesten Rittern innerhalb der Schranken gekämpft, und ihm falle es ebenso leicht mit Fürsten zu reden, wie Nüsse aufzuknacken. Nicht minder rühmte er die Klugheit und Geschicklichkeit Zbyszkos im Wirtschaften, wodurch der reiche Besitz gesichert sei. Damit jedoch der alte Wilk ja nicht denken konnte, Zbyszko drohe in dieser Hinsicht irgend welche Gefahr, fuhr Macko in gedämpftem Tone fort:
»Traun, durch die Gnade Gottes ist er mit großem Reichtum gesegnet, mit einem größeren Reichtum, als die Leute glauben. Doch,« fügte er vertraulich hinzu, »sprecht mit niemand von dem, was ich Euch sagte.«
Die Leute wurden jedoch nicht müde, allerlei Betrachtungen anzustellen und sich Wunderdinge von den Reichtümern zu erzählen, welche der Gebieter und die Herrin von Bogdaniec aus Spychow mitgebracht halten, ja, es ging sogar die Rede, es sei Geld für sie aus Masovien in Salztonnen angelangt. Als es aber gar bekannt ward, Macko habe sich die mächtigen Herren aus Koniecpole durch ein Darlehen verpflichtet, da steigerte sich noch die hohe Meinung, die man von den in Bogdaniec aufgehäuften Schätzen hegte. Selbstverständlich stieg daher das Ansehen Zbyszkos und Mackos immer mehr, selbstverständlich gewannen sie immer größern Einfluß auf ihre Nachbarn, und infolgedessen mangelte es in der Burg auch niemals an Gästen, die auch der alte Ritter, trotz seines Hanges zur Sparsamkeit, stets freundlich empfing, weil dadurch der Ruhm des Geschlechtes vermehrt ward.
Ganz besonders herrlich wurden die Tauffeierlichkeiten begangen, und jedes Jahr nach dem Feste Maria Himmelfahrt veranstaltete Zbyszko eine glänzende Gasterei für die ganze Nachbarschaft, an der auch die Edelfrauen teilnahmen, um den Ritterspielen zuzuschauen, den Sängen zu lauschen und bis zum frühen Morgen beim Fackelscheine mit den jungen Rittern zu tanzen. Wie leuchteten die Augen Mackos vor Freude, wie schwoll ihm die Brust vor Entzücken, wenn er dann auf Zbyszko und Jagienka blickte, die sich so würdig und edel zu bewegen wußten. Zbyszko war viel größer und männlicher geworden, und obgleich sein Gesicht für die mächtige Gestalt selbst dann zu jung aussah, wenn er sein üppiges Haar mit einem purpurnen Bande zusammenhielt, wenn er in die prächtigsten, mit Gold- und Silberfäden bestickten Gewänder gekleidet war, so sagte nicht nur Macko, sondern auch manch anderer Edelmann von ihm: »Bei Gott! Gleich einem Fürsten sitzt er auf seiner Burg.« Vor Jagienka aber beugten die Ritter, denen die Sitten des Westens bekannt waren, mit der Bitte die Knie, sie zu ihrer Herrin wählen zu dürfen – derart erstrahlte sie in Gesundheit, Jugendfrische, Kraft und Schönheit. Sogar der in höherem Alter stehende Herr aus Koniecpole, welcher die Würde eine Wojwoden in Sieradz bekleidet hatte, wußte sich nicht vor Staunen zu lassen bei ihrem Anblicke und verglich sie mit der Morgenröte, ja, sogar mit der Sonne, »welche der Erde Licht verleiht und sogar in alten Knochen neue Lebenskraft erweckt.«