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Sechster Teil.

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Erstes Kapitel.

Wenngleich Glowacz gerne sobald wie möglich nach Zgorzelic gelangt wäre, konnte er dennoch nicht so rasch vorwärts kommen wie er wollte, weil die Wege immer schwieriger wurden. Nach dem harten Winter, der strengen Kälte und dem starken Schneefall, durch den ganze Dörfer wie verschüttet waren, trat heftiges Tauwetter ein. Der Februar Luty, der polnische Name für Februar, heißt auch hart, grausam. war, trotz seines Namens, durchaus nicht rauh. Zuerst erhoben sich dichte, undurchdringliche Nebel, dann kamen wahre Regengüsse, wobei die Schneehaufen zusehends schmolzen. Regnete es nicht, so tobten Stürme, wie sie sonst gewöhnlich im März toben; in Zwischenräumen, ganz plötzlich, wurden dann große Wolken am Himmel hingejagt, zuweilen auch auseinander getrieben, auf der Erde aber fuhr der Wind heulend über die Gesträuche und Bäume und trocknete den geschmolzenen Schnee, unter dem vor kurzem erst die Stämme und Zweige ihren Winterschlaf gehalten hatten.

Die Wälder sahen jetzt dunkel, fast schwarz aus. Auf den Wiesen standen große Wasserlachen, Flüsse und Bäche waren ausgetreten. Dies Ueberwiegen des feuchten Elementes freute nur die Fischer, während die andere, gleichsam in Fesseln geschlagene Bevölkerung sich in ihren Häusern und Hütten verbarg. An vielen Orten konnte man nur mittelst Nachen von einem Dorfe zum andern gelangen. Zwar fehlte es nirgends an Dämmen und Landstraßen, welche durch eingerammte Pfähle hergestellt wurden und durch die morastigen Gegenden führten, aber jetzt waren die Dämme gelockert und an den niedern Stellen versanken die Pfähle in dem Sumpfboden, sodaß der Uebergang gefährlich oder auch ganz unmöglich ward. Besonders in dem an Seen reichen Großpolen konnte der Böhme nur mühsam vorwärtsdringen, da in jedem Frühjahr dort größere Ueberschwemmungen vorkamen als in andern Gegenden des Landes und daher auch die Wege, vornehmlich für Pferde, viel unzugänglicher wurden.

Er mußte häufig anhalten und wochenlang bald in einem Marktflecken oder Dorfe, bald auf einem Gute warten, wo er der Sitte gemäß samt seinen Mannen überall gastfreundlich aufgenommen ward, jedermann begierig seinen Berichten von den Kreuzrittern lauschte und ihm mit Salz und Brot für seine Neuigkeiten lohnte. So hatte denn der Frühling seine Boten in die ganze Welt ausgesendet und der März war zum Teil vorüber, bevor Hlawa sich Zgorzelic und Bogdaniec nähern konnte.

Das Herz schlug ihm bei dem Gedanken, daß er seine Gebieterin bald wieder sehen werde, denn wiewohl er wußte, daß sie ebenso unerreichbar für ihn war wie ein Stern am Himmel, vergötterte und liebte er sie doch von ganzem Herzen. Indessen beschloß er, sich zuerst zu Macko zu begeben, einmal darum, weil er zu ihm geschickt ward, und dann auch, weil er Leute mit sich führte, die in Bogdaniec bleiben mußten. Nach Rotgiers Tode fiel dessen Gefolge, das den Ordensvorschriften gemäß aus zehn berittenen Mannen bestand, Zbyszko zu. Zwei von diesen geleiteten den Leichnam des Erschlagenen nach Szczytno, die übrigen aber sandte Zbyszko mit Glowacz seinem Oheim als Geschenk, weil er wußte, wie eifrig Macko darauf bedacht war, Ansiedler heranzuziehen.

In Bogdaniec angelangt, traf der Böhme den alten Macko nicht zu Hause an und erfuhr, daß er mit seinen Hunden und der Armbrust in den Wald gegangen sei. Doch kehrte er noch bei Tage zurück, und als er hörte, daß sich eine beträchtliche Reiterschar bei ihm aufhalte, beschleunigte er seine Schritte, um die Angekommenen zu begrüßen und ihnen seine Gastfreundschaft anzubieten. Er erkannte Glowacz nicht sofort, und als jener seinen Namen nannte, erschrak er im ersten Augenblick tödlich, er warf Armbrust und Mütze zu Boden und rief aus: »Um Gotteswillen! Sie haben ihn erschlagen. Erzähle, was Du weißt!«

»Er lebt!« entgegnete der Böhme. »Er ist wohl und gesund.«

Als er dies vernahm, fühlte sich Macko ein wenig beschämt, und er ließ ein förmliches Schnauben hören. Schließlich atmete er tief auf.

»Gelobt sei unser Herr Christus!« rief er aus. »Wo aber befindet sich Zbyszko?«

»Nach Marienburg hat er sich begeben, und mich hat er hierhergeschickt, Euch Kunde zu bringen.«

»Und weshalb begab er sich nach Marienburg?«

»Seiner Gattin wegen.«

»Bei den Wundmalen des Heilands, Bursche, welche Gattin meinst Du?«

»Jurands Tochter. Davon wäre die ganze Nacht zu erzählen, aber gestattet, ehrwürdiger Herr, daß ich zuerst Atem schöpfe, denn ich bin lange umhergeirrt und seit Mitternacht nicht vom Pferde gekommen.«

Nun drang Macko nicht weiter mit Fragen in ihn, die Verwunderung hatte ihn auch der Sprache beraubt. Nachdem seine Erregung ein wenig nachgelassen hatte, rief er einem Knechte, damit dieser Holz auf das Feuer im Herde lege und dem Böhmen einen Imbiß bringe, dann ging er in der Stube auf und ab, und die Hand hastig hin und her bewegend, murmelte er vor sich hin: »Kaum kann ich meinen Ohren trauen ... Jurands Tochter ... Zbyszko beweibt!«

»Beweibt und doch auch wieder nicht!« sagte der Böhme.

Jetzt erst begann er zu erzählen, was sich ereignet hatte und wie alles gekommen, und der alte Ritter hörte aufmerksam zu, dann und wann ihn mit einer Frage unterbrechend, da der Bericht des Böhmen nicht ganz klar war. So wußte Glowacz zum Beispiel nicht genau, wann sich Zbyszko vermählt hatte, weil kein Hochzeitsfest gefeiert worden war. »Daß die Trauung stattgefunden und daß die Fürstin Anna Danuta selbst dazu den Anlaß gegeben hat,« erklärte Hlawa weiter, »ist gewiß, wenn schon dies erst nach der Ankunft des Kreuzritters Rotgier bekannt geworden ist, mit dem Zbyszko, nachdem er ihn vor ein Gottesgericht gefordert, angesichts des ganzen masovischen Hofes gekämpft hat.«

»Hei! Einen Kampf hat er bestanden?« rief Macko mit blitzenden Augen und in der größten Spannung. »Nun, und wie ist es ihm ergangen?«

»In zwei Hälften wurde der Deutsche niedergestreckt und auch mir hat Gott dem Knappen gegenüber Glück verliehen.«

Macko begann wieder zu schnauben, diesmal aber schien er befriedigt zu sein. »Nun,« sagte er, »das ist ein Bursche, den man nur bewundern, nicht auslachen kann. Der letzte seines Stammes ist er, aber nicht der schlechteste, so wahr mir Gott helfe. Wie ist es denn damals mit den Friesen gewesen ... Und er war doch noch ein rechter Knabe ...«

Bei diesen Worten blickte Macko den Böhmen aufmerksam an, dann fuhr er fort: »Aber auch Du gefällst mir. Und offenbar lügst Du nicht. Wenn ich einen Lügner vor mir habe, merke ich es sofort. Der Kampf mit dem Knappen war ja nicht von Bedeutung, denn Du sagst ja selbst, Du hättest wenig Mühe dabei gehabt, aber daß Du jenem Hund den Arm ausgerenkt hast und zuvor schon den Auerochsen überwältigtest, muß man Dir als verdienstvolle Thaten anrechnen.«

Plötzlich hielt Macko inne und fragte: »Und die Beute? Ist sie auch beträchtlich?«

»Die Waffen, die Pferde und zehn Mannen fielen uns zu. Acht davon schickt Euch der junge Herr.«

»Was geschah mit den beiden andern?«

»Mit dem Leichnam sandte er sie fort.«

»Hätte nicht der Fürst seine eigenen Mannen mit dem Leichnam ziehen lassen können? Die beiden werden nie zu uns zurückkehren.«

Der Böhme lächelte über die Habsucht, welche Macko gar oft schon an den Tag gelegt hatte.

»Der junge Herr hat nicht mehr nötig, derartige Dinge in Betracht zu ziehen,« sagte er. »Spychow ist ein großes Besitztum.«

»Ein großes Besitztum! Freilich! Aber es gehört noch nicht ihm.«

»Wem sonst?«

Macko fuhr förmlich empor: »Sprich! Es gehört doch Jurand?«

»Jurand liegt in einem unterirdischen Gefängnisse bei den Kreuzrittern und ist dem Tode nahe. Gott weiß, ob er am Leben bleibt; bleibt er aber auch am Leben, und kehrt er zurück, sicher ist jedenfalls, daß der Pater Kaleb schon Jurands Testament vorgelesen und allen angekündigt hat, der junge Herr werde dessen Erbe sein.«

Auf Macko machten diese Neuigkeiten augenscheinlich einen ungeheuren Eindruck, denn sie enthielten so viel Günstiges und Ungünstiges zugleich, daß er sich nicht sofort darein finden und sich auch die Empfindungen nicht klar machen konnte, die abwechselnd auf ihn einstürmten. Die Kunde, daß Zbyszko sich vermählt hatte, berührte ihn im ersten Augenblick schmerzlich. Liebte er doch Jagienka wie eine Tochter, und war es doch sein sehnlichster Wunsch, Zbyszko mit ihr zu vermählen. Auf der andern Seite hatte er sich schon an den Gedanken gewöhnt, daß sein Wunsch ein vergeblicher war, und zudem brachte Jurands Tochter weit mehr mit in die Ehe, als Jagienka jemals im stande war, mitzubringen, denn sie besaß nicht nur des Fürsten Gunst, sondern als einziges Kind auch eine weit größere Mitgift. Im Geiste sah Macko seinen Bruderssohn schon als des Fürsten Comes, als Herrn von Bogdaniec und Spychow, ja in Zukunft sogar schon als Kastellan. Ein Ding der Unmöglichkeit war dies nicht, da man in jenen Zeiten von einem gewissen Edelmann, einem armen Teufel, zu sagen pflegte: »Er hatte zwölf Söhne, sechs fielen in der Schlacht und sechs wurden Kastellane.« Und durch Zbyszko gelangte das ganze Volk, gelangten die beiden Geschlechter sicherlich zu einer gewissen Größe. Auch konnte ein beträchtlicher Wohlstand Zbyszko auf seinem Wege nur förderlich sein, demnach hatte Macko bei seiner Habgier und seinem angeborenen Stolze alle Ursache, sich zu freuen. Gleichwohl hatte der alte Kämpe auch Grund genug, sich zu sorgen. Um Zbyszko zu retten, hatte er sich einst selbst zu den Kreuzrittern begeben, ihm war von dieser Fahrt eine eiserne Pfeilspitze in den Rippen geblieben, und nun ging Zbyszko nach Marienburg, er lief den Wölfen geradezu in den Rachen. Was mochte ihn dort wohl erwarten? Erwartete ihn die Gattin, oder erwartete ihn der Tod? »Gnädig werden sie dort nicht auf ihn blicken«, sagte sich Macko, »vor kurzem erst erschlug er einen angesehenen Ritter, früher schon hatte er Lichtenstein angefallen, sie aber, die Hundsseelen, vergessen nie, sich zu rächen«. Dieser Gedanke beunruhigte den alten Ritter sehr. Er mußte sich sagen, daß Zbyszko, der ja ein hitziger Bursche war, zweifellos noch manchen Deutschen zum Kampfe herausfordern werde. Aber dies war seine geringste Angst. Am meisten befürchtete Macko, man könne seinen Bruderssohn festnehmen. Sie nahmen Jurand und dessen Tochter gefangen, sie scheuten sich nicht, seiner Zeit sogar den Fürsten in Zlotorja festzunehmen, weshalb also sollten sie Zbyszko schonen?

Hier stellte sich Macko unwillkürlich die Frage, wie es sein werde, wenn der Jüngling aus den Händen der Kreuzritter entkäme, aber sein Weib gar nicht finden würde. Wohl tröstete sich der alte Mann mit dem Gedanken, daß dann Spychow seinem Bruderssohn zufalle, aber das war nur ein schwacher Trost. Ihm lag viel am Wohlstand, doch nicht weniger an seinem Geschlecht, an Zbyszkos Nachkommen. »Falls Danuska verschwindet wie ein Stein im Wasser und niemand weiß, ob sie am Leben oder tot ist, kann sich Zbyszko nicht zum zweiten Mal verheiraten – und dann wird es zu Bogdaniec keine Herren mehr geben. Hei! Wie ganz anders wäre es, wenn er Jagienka geheiratet hätte! ... Auch Mocyzdoly ist so groß, daß weder eine Gluckhenne es unter ihre Flügel, noch ein Hund unter seinen Schwanz nehmen könnte, und solch ein Mädchen würde zweifellos jedes Jahr ein Kind zur Welt bringen, gerade wie der Apfelbaum im Garten jedes Jahr Früchte hervorbringt.« Demnach überwog Mackos Kummer die Freude über das Erbgut, und voll schmerzlicher Besorgnis begann er, den Böhmen abermals darüber auszufragen, welche Bewandtnis es mit jener Trauung habe, und wann sie vollzogen worden sei.

Und der Böhme erwiderte: »Ich sagte Euch schon, ehrwürdiger Herr, daß ich nicht weiß, wann sie vollzogen ward, und was ich nur vermute, das vermag ich nicht zu beschwören.«

»Teile mir Deine Mutmaßungen mit.«

»Ich verließ den jungen Herrn doch nicht während seiner Krankheit und schlief in derselben Stube mit ihm. Einmal nun befahl er mir des Abends, mich zu entfernen, und dann sah ich, wie die allergnädigste Herrin und mit ihr die Jungfrau Danusia, Herr de Lorche und der Pater Wyszoniek bei ihm eintraten. Ich wunderte mich sogar, daß die Jungfrau einen Kranz auf dem Haupte trug, allein ich dachte, man werde meinem Herrn das Sakrament reichen ... Vielleicht wurden sie in jener Nacht getraut ... Ich erinnere mich, daß der Herr mir befahl, ihn schön zu kleiden, gerade wie zu einer Hochzeit, doch meinte ich, dies sei, weil er Christi Leib empfangen solle.«

»Und was geschah dann? Blieben sie allein?«

»Sie blieben nicht allein, und wenn sie auch allein geblieben wären ... Damals konnte ja mein Herr nicht einmal ohne meine Hilfe essen. Auch waren Leute da, um die Jungfrau abzuholen, man glaubte, sie kämen von Jurand – und in der Frühe reiste sie ab ...«

»Und hat Zbyszko sie seitdem nicht mehr gesehen?«

»Kein menschliches Auge hat sie mehr gesehen.«

Ein kurzes Schweigen folgte.

»Was glaubst Du,« fragte Macko nach einer Weile, »werden die Kreuzritter sie wieder freilassen oder nicht?«

Der Böhme schüttelte den Kopf und machte eine abweisende Handbewegung.

»Bei meinem Haupte,« sagte er langsam, »sie ist verschwunden für alle Ewigkeit.«

»Weshalb meint Ihr das?« fragte Macko erschreckt.

»Weil noch Hoffnung vorhanden wäre, wenn sie sagen würden, die Jungfrau befinde sich bei ihnen ... Man könnte sich beklagen, entweder ein Lösegeld bezahlen oder das Mägdlein gewaltsam fortbringen. Aber sie sagen folgendes: ›Wir hatten eine Jungfrau aus Räuberhänden befreit und gaben dies Jurand kund, er aber wollte sie nicht als seine Tochter anerkennen und zum Dank für unsere Güte erschlug er uns so viele Leute, daß wir auch nach einem richtigen Treffen kaum mehr Verluste zu verzeichnen gehabt hätten‹.«

»So haben sie Jurand thatsächlich ein Mägdlein vorgeführt?«

»Sie sagen es. Gott allein weiß, ob es sich so verhält. Vielleicht ist es nicht wahr, vielleicht auch zeigten sie ihm eine andere Jungfrau statt seiner Tochter. Das nur ist wahr, daß er viele Leute totschlug, und daß die Kreuzritter bereit sind, es zu beschwören, Jurands Tochter sei nicht von ihnen entführt worden. Ja, es ist eine furchtbar schwierige Sache. Der Meister mag ihnen befehlen, was er will, sie werden ihm antworten, die Jungfrau befinde sich nicht bei ihnen, und wer kann ihnen das Gegenteil beweisen? Umsoweniger ist dies möglich, als unter den Hofherren in Ciechanow vielfach von einem Briefe Jurands gesprochen wurde, worin steht, seine Tochter sei nicht bei den Kreuzrittern.«

»Vielleicht ist sie in der That nicht bei den Kreuzrittern?«

»Ich bitte, allergnädigster Herr! ... Wenn Räuber sie entführt hätten, wäre es doch aus keiner andern Ursache als des Lösegeldes wegen geschehen. Und zudem hätten Räuber weder jenen Brief schreiben, noch das Siegel des Herrn von Spychow nachmachen, noch ein großes Gefolge schicken können.«

»Das ist richtig. Doch weshalb sollten die Kreuzritter das Mägdlein gewaltsam festhalten?«

»Wollen sie denn Jurands Blutthaten nicht rächen? Ihnen gelüstet mehr nach Rache als nach Meth und Wein, und wenn sie einen Grund haben, so ist es dieser. Fürchterlich wütete der Herr aus Spychow gegen sie, und was er zuletzt that, das steigerte ihren Grimm aufs Aeußerste ... Auch hat mein Herr, wie ich hörte, gegen Lichtenstein die Hand erhoben, Rotgier getötet ... Und mir hat Gott beigestanden, daß ich jenem Hund den Arm ausrenken konnte. Hei! ... Was glaubt Ihr wohl! Vier sind es gewesen, verflucht seien ihre Mütter, und jetzt lebt nur noch einer und der ist alt. Ja, wir können auch die Zähne zeigen, gnädigster Herr Ritter!«

Wieder folgte ein langes Schweigen.

»Du bist ein kluger Bursche,« sagte schließlich Macko. »Was aber glaubst Du, wird des Mägdleins Schicksal sein?«

»Fürst Witold ist ein mächtiger Fürst, man sagt, daß auch der deutsche Kaiser sich bis zum Gürtel vor ihm neigte, und wie verfuhren die Kreuzritter mit Witolds Kindern? Haben sie nicht genug Burgen und unterirdische Gefängnisse? Nicht genug Brunnen, Stricke und Schlingen zum Erdrosseln?«

»Allmächtiger Gott!« rief Macko aus.

»Gott gebe nur, daß es ihnen nicht gelinge, meinen jungen Herrn in irgend ein Verließ zu werfen. Doch bringt er einen Brief des Fürsten Janusz mit, und Herr de Lorche, der sehr mächtig und vielen Fürsten verwandt ist, begleitet ihn. Ei, mein Wunsch war es nicht, mich hierher zu begeben, denn dort kann es leicht zu einem Treffen kommen, aber er befahl es mir. Ich hörte, wie er einmal zu dem alten Herrn aus Spychow sagte: ›Seid Ihr schlau? Ich bin es nicht, aber den Kreuzrittern gegenüber muß man es sein. Mein Oheim Macko‹, fügte er hinzu, ›ist der richtige Mann, es mit ihnen aufzunehmen.‹ Und aus diesem Grund sandte er mich hierher. Aber auch Ihr, Herr, könntet Jurands Tochter nicht finden, denn sie ist vielleicht jetzt schon in jener Welt, und gegen den Tod vermag selbst die größte Schlauheit nichts auszurichten ...«

Macko versank in Nachdenken, und erst nach langem Schweigen sagte er: »Ja! Da giebt es keinen Rat. Gegen den Tod vermag auch Schlauheit nichts auszurichten. Doch wenn ich hinginge und wenigstens in Erfahrung brächte, daß sie jenes Mägdlein aus dem Wege geräumt haben, dann würde Spychow an Zbyszko fallen, er könnte allein zurückkehren und ein anderes Weib nehmen.«

Hier atmete Macko tief auf, wie wenn ihm eine Last von der Seele genommen wäre, und Glowacz fragte in schüchternem, leisem Tone: »Die Jungfrau aus Zgorzelic?«

»Ja!« antwortete Macko, »es wäre umso besser, als sie Waise ist und Cztan aus Rogow sowie Wilk aus Brzozowa ihr immer mehr nachstellen.«

»Eine Waise? Und Zych?«

»So hast Du also nichts gehört?«

»Beim ewigen Gott! Was ist vorgefallen?«

»Fürwahr, wie könntest Du etwas wissen, Du bist ja geradewegs hierhergekommen, und wir haben ja bis jetzt nur von Zbyszko gesprochen! Sie ist eine Waise. Die Wahrheit zu sagen, hielt Zych den Platz an seinem Herde niemals warm, es sei denn, daß er Gäste bei sich hatte. Sonst ward ihm die Zeit lang in Zgorzelic. Nun schrieb der Abt an ihn, er werde den Fürsten Przemko von Oswiecim besuchen und bitte den Ritter, ihn zu begleiten. Und dieser Vorschlag gefiel Zych, denn er kannte den Fürsten wohl und hatte schon mehr als einen vergnügten Tag mit ihm verlebt. Daher kommt Zych zu mir und spricht folgendermaßen: »Ich gehe nach Oswiecim und dann nach Glewice; wollt Ihr ein wachsames Auge auf mein Haus haben?« Mich aber ergreift sofort ein eigentümliches Vorgefühl, und ich sage: »Geht nicht fort! Bewacht Euer Gut und Jagienka, denn ich weiß, daß Cztan und Wilk etwas Schlimmes im Schilde führen.« Und Ihr solltet doch wissen, daß der Abt aus Aerger über Zbyszko anfangs die Werbung von Wilk und von Cztan begünstigte; erst später, als er die beiden besser kannte, hat er sie mit seinem Stocke bearbeitet und aus Zgorzelic hinausgeworfen. Und dies war gut, aber auch wieder nicht gut, denn daraufhin waren sie furchtbar erbost. Jetzt waltet Frieden, denn sie sind auseinander losgegangen und können das Lager nicht verlassen, aber zuvor war man keinen Augenblick vor ihnen sicher. Gar viel lastet jetzt auf mir, ich soll alles verteidigen und unter meine Obhut nehmen. Und jetzt wünscht Zbyszko auch noch, daß ich fortgehe ... Wie es dann hier mit Jagienka sein wird, weiß ich nicht, doch wollte ich Dir ja von Zych erzählen. Er achtete nicht auf meine Worte – er machte sich auf die Fahrt. Nun, sie veranstalteten Feste, sie ergötzten sich. Von Glewice begaben sie sich zu dem Vater des Fürsten Przemko, dem alten Nosak, der in Cieszyn herrscht. Da schickte Jasko, Fürst von Ratibor, aus Haß gegen den Fürsten Przemko, Räuber unter der Anführung des Böhmen Chrzan gegen sie aus. Fürst Przemko fiel und mit ihm auch Zych aus Zgorzelic, der von einem Pfeil in die Luftröhre getroffen ward, den Abt schlugen sie dermaßen mit einem eisernen Knüttel, daß sein Kopf jetzt noch zittert, daß er nichts von seiner Umgebung weiß und die Sprache vielleicht für immer verloren hat. Doch der alte Fürst Nosak kaufte Chrzan von dem Herrn auf Zampach und ließ ihn derart martern, daß die ältesten Leute sich nicht erinnerten, je von ähnlicher Tortur gehört zu haben – aber dadurch konnte er seinen Kummer um den Sohn nicht lindern, noch Zych vom Tode erwecken, noch Jagienkas Thränen trocknen. Auf diese Weise gingen ihre Vergnügungen zu Ende ... Vor sechs Wochen wurde Zych hierhergebracht und bestattet.«

»Solch ein starker Mann!« sagte der Böhme traurig. – »Ich bin auch keiner der Schwächsten gewesen, damals als ich bei Boleslawice kämpfte, und er brauchte nicht soviele Zeit als nötig gewesen wäre, ein Vaterunser zu beten, um mich zum Gefangenen zu machen. Allein diese Gefangenschaft war derart, daß ich sie nicht für die Freiheit eingetauscht hätte. Ein guter, redlicher Edelmann! Gebe ihm Gott das ewige Heil! Ach, es thut mir leid um ihn! Aber am meisten der Jungfrau wegen, die Arme!«

»Eine Arme in der That! Gar manche liebt ihre Mutter nicht so sehr, wie sie ihren Vater liebte. Und zudem ist es gefährlich für sie, in Zgorzelic zu bleiben. Nach der Bestattung – noch lag kein Schnee auf Zychs Grabhügel – zogen Cztan und Wilk sofort gegen Zgorzelic aus. Glücklicherweise hatten meine Leute schon zuvor davon gehört, daher konnte ich dem Mägdlein mit einigen Mannen zu Hilfe kommen, und Gott gab, daß wir sie gründlich schlugen. Nach dem Kampfe umfaßte Jagienka meine Knie: »Zbyszko kann ich nicht angehören,« sagte sie, »und ich werde niemand angehören, doch rettet mich vor diesen beiden Menschen, denn lieber will ich sterben, als einem von ihnen angehören!« Und ich versichere Dich, Du würdest jetzt Zgorzelic nicht wieder erkennen, weil ein wahres Kastell daraus gemacht worden ist. Noch zweimal zogen sie dagegen aus, aber sie konnten nichts ausrichten, das darfst Du mir glauben. Jetzt herrscht für einige Zeit Ruhe, denn wie ich Dir schon sagte, sie haben sich gegenseitig derartig zugesetzt, daß keiner von ihnen Hand oder Fuß zu bewegen vermag.«

Glowacz erwiderte nichts, doch während er dem Berichte über Cztan und Wilk lauschte, knirschte er mit den Zähnen, sodaß es klang, wie wenn jemand eine knarrende Thüre öffne und wieder schließe. Dann rieb er seine Schenkel mit seinen mächtigen Händen, in denen er offenbar ein Zucken verspürte. Schließlich entrangen sich seinen Lippen mühsam die Worte: »Die Verruchten!«

In diesem Augenblick ließen sich Stimmen im Hausflur vernehmen, die Thüre öffnete sich plötzlich, und Jagienka stürzte mit ihrem ältesten Bruder, dem vierzehnjährigen Jasko herein, der ihr so ähnlich war wie ein Zwillingsbruder.

Die Jungfrau, welche durch Bauern aus Zgorzelic gehört hatte, daß ein Gefolge von Mannen auf der Landstraße gesehen worden sei und unter der Anführung des Böhmen Hlawa nach Bogdaniec ziehe, war von dem gleichen Schrecken erfaßt worden, wie Macko, und als sie weiter in Erfahrung gebracht hatte, daß Zbyszko sich nicht dabei befinde, glaubte sie, irgend ein Unglück müsse sich ereignet haben, und eilte unverzüglich nach Bogdaniec, um die Wahrheit zu erfahren.

»Was ist geschehen? Um Gottes willen!« rief sie schon an der Schwelle.

»Was soll geschehen sein?« antwortete Macko. »Zbyszko ist wohl und gesund.«

Der Böhme eilte seiner Gebieterin entgegen, und sich auf ein Knie niederlassend, küßte er den Saum ihres Gewandes, sie aber achtete gar nicht darauf, denn als sie die Antwort des alten Ritters vernommen hatte, wandte sie ihr Antlitz vom Feuer ab in den Schatten, und wie wenn sie sich plötzlich erinnere, daß sie niemand einen Gruß geboten, sagte sie erst nach einer Weile: »Gelobt sei Jesus Christus!«

»In Ewigkeit, Amen!« erwiderte Macko.

Und sie, die jetzt den vor ihr knieenden Böhmen gewahrte, neigte sich zu ihm herab mit den Worten: »Ich freue mich von ganzem Herzen, Dich zu sehen, Hlawa, aber warum hast Du Deinen Herrn verlassen?«

»Er sandte mich hierher, gnädigste Herrin!«

»Wie lautete sein Befehl?«

»Er befahl mir, mich nach Bogdaniec zu begeben.«

»Nach Bogdaniec? Und was befahl er Dir weiter?«

»Er sandte mich ab, um Bericht zu erstatten ... um seinen Gruß zu entbieten ...«

»Nach Bogdaniec nur? Nun – gut! Und wo befindet er sich?«

»Zu den Kreuzrittern nach Marienburg begab er sich.«

Bestürzung malte sich auf Jagienkas Angesicht.

»So ist das Leben ihm nicht mehr lieb? Warum that er das?«

»Um das zu suchen, was er niemals finden wird, gnädigste Herrin!«

»Wahrlich, er wird es niemals finden!« warf Macko ein. »Wie Du keinen Nagel ohne Hammer einschlagen kannst, so vermag auch der menschliche Willen nichts ohne den göttlichen.«

»Was meint Ihr?« fragte Jagienka.

Macko beantwortete ihre Frage mit einer andern Frage: »Sprach Dir Zbyszko schon von Jurands Tochter? Ich meine, gehört zu haben, daß er schon von ihr sprach.«

Jagienka antwortete nicht sogleich, erst nach einiger Zeit erwiderte sie, einen Seufzer unterdrückend: »Ja, er sprach mir von ihr! Was hätte ihn daran hindern können?«

»Das ist gut, denn dadurch wird es mir auch leichter zu reden,« bemerkte der alte Ritter.

Und er erzählte ihr, was er von dem Böhmen gehört hatte, während er sich selbst dabei wunderte, daß seine Worte zuweilen etwas verworren waren und ihm nur mühsam über die Lippen kamen. Weil er indessen ein kluger Mann war, und weil er Jagienka keinenfalls täuschen wollte, hob er besonders hervor, daß – wie er selbst glaube – Zbyszko tatsächlich niemals Danusias Ehegemahl gewesen, und daß sie wohl für immer verschwunden sei.

Der Böhme bestätigte dann und wann seine Aussagen, indem er bald zustimmend mit dem Kopfe nickte, bald sagte: »Beim lebendigen Gott!« oder: »So ist es, nicht anders!« Das Mägdlein hingegen lauschte mit gesenkten Augenwimpern, ohne ein Wort zu fragen, und war so stille, daß Macko schließlich unruhig ward.

»Nun, und was sagst Du dazu?« fragte er, nachdem er seine Erzählung beendigt hatte.

Sie gab keine Antwort, aber zwei große Thränen drangen unter den gesenkten Lidern hervor und rollten langsam über ihre Wangen.

Nach einer Weile näherte sie sich Macko, und dessen Hand küssend, sagte sie: »Sein Name sei gepriesen!«

»Von Ewigkeit zu Ewigkeit!« entgegnete der alte Mann. »Hast Du so sehr Eile nach Hause zu kommen? Bleibe bei uns!«

Doch sie wollte nicht bleiben und erklärte, sie habe zu Hause das Abendbrot noch nicht zubereiten lassen.

Obwohl nun Macko wußte, daß eine alte Edelfrau, Sieciechowa genannt, in Zgorzelic weilte, welche Jagienka ganz gut hätte ersetzen können, drang er doch nicht weiter in diese, da er sich sagte, daß die Bekümmerten gern ihre Thränen verbergen, und daß die Menschen den Fischen gleichen, welche sich auf dem tiefsten Grunde verbergen, wenn sie den Angelhaken im Innern spüren.

So strich er denn der Jungfrau nur sanft über die Haare und geleitete sie mit dem Böhmen zusammen in den Vorhof. Hlawa aber führte sein Pferd aus dem Stalle, bestieg es und ritt hinter dem Mägdlein her.

In die Stube zurückgekehrt, seufzte Macko tief auf und murmelte kopfschüttelnd vor sich hin: »Ein rechter Thor, dieser Zbyszko! ... Es ist, als ob dies Mädchen einen Duft von Jugendfrische zurückgelassen habe.«

Und dem alten Kämpen ward recht wehmütig zu Mute. Er sagte sich, wenn Zbyszko sie sogleich nach seiner Rückkehr zum Weibe genommen hätte, würde jetzt nur eitel Freude und Wonne bei ihnen herrschen. Aber wie ist es jetzt? So oft sie an ihn denkt, kommen ihr die Thränen in die Augen, dachte er, und dieser Bursche wandert in der weiten Welt umher und wird sich noch seinen Schädel an den Mauern Marienburgs einrennen. Aber in unserm Hause ist es leer, und die Wände starren von alten Rüstungen. Was nützt denn die Bewirtschaftung des Gutes, was nützt meine Thätigkeit, was nützt der Besitz von Spychow und Bogdaniec, wenn niemand da ist, der uns beerben wird?

Hier begann es förmlich in Mackos Seele zu stürmen.

»Warte, Du Landstreicher!« sagte er laut, »nachlaufen werde ich Dir nicht, Deinem Schicksale werde ich Dich überlassen.«

Doch wie zum Hohn überkam ihn in demselben Augenblick eine tiefe Sehnsucht nach Zbyszko. »O nein, ich werde ihm nicht nachlaufen,« dachte er, »aber soll ich hier still sitzen? Eine Strafe Gottes ist all dies! ... Denn daß ich den Bösewicht in meinem ganzen Leben nicht mehr sehen soll – das vermag ich mir nicht vorzustellen! Wieder hat er einen solchen Lotterbuben zerhauen – und Beute gewonnen. Ein anderer wäre grau geworden, bevor er den Rittergürtel erworben hätte, und ihn hat der Fürst schon gegürtet ... und mit Fug und Recht, denn es giebt zwar viele lobenswerte Männer unter den Edelleuten, aber einen zweiten wie Zbyszko giebt es nicht!«

Und allgemach vollständig von Rührung übermannt, untersuchte er die Rüstungen, Schwerter und Beile, die im Rauch schwarz geworden waren, wie wenn er erwäge, was er mit sich nehmen, was er zurücklassen solle. Dann verließ er die Stube, zuvörderst, weil es ihm zu enge darin ward, und zweitens, weil er die Wagen schmieren und den Pferden eine doppelte Portion Hafer geben lassen wollte.

Im Hofe schon gedachte er wieder Jagienkas, welche hier kurz zuvor ihr Pferd bestiegen hatte, und plötzlich ward er tief traurig.

»Wenn es sein muß, so gehe ich,« sagte er sich, »aber wer wird das Mägdlein vor Cztan und Wilk schützen? Gott gebe, daß ein Blitzstrahl die beiden erschlüge!«

Indessen ritt Jagienka mit ihrem Bruder auf dem Waldwege gen Zgorzelic, und der Böhme folgte ihnen schweigend, das Herz von Liebe und Leid erfüllt. Er hatte der Jungfrau Thränen wohl gesehen, jetzt schaute er unablässig nach ihrer dunklen Gestalt aus, deren Umrisse in der Dämmerung, inmitten des Waldes, kaum sichtbar waren, und er erriet ihre Pein und ihren Schmerz. Ihn dünkte, jeden Augenblick könnten sich die Räuberhände Wilks oder Cztans aus dem finsteren Dickicht nach ihr ausstrecken –und bei diesem Gedanken ergriff ihn eine wilde Kampfgier. Diese Kampfgier ward zuweilen so groß, daß ihn die Lust anwandelte, sein Beil oder Schwert zu ergreifen und irgend eine Fichte am Wege zu fällen. Fühlte er doch, daß es ihm Erleichterung bringen würde, wenn er zu einem Schlage ausholte. Schließlich wäre er froh gewesen, sein Pferd wenigstens zum Galopp anspornen zu können, aber Jagienka und ihr Bruder ritten langsam weiter. Schritt für Schritt, fast ohne ein Wort zu sprechen, denn auch Jasko, der sonst sehr gerne plauderte, war nach einigen vergeblichen Versuchen, die Schwester zum Reden zu bringen, in Schweigen versunken.

Als sie Zgorzelic näher kamen, gewann das Leid in des Böhmen Herzen die Oberhand über den Groll gegen Cztan und Wilk.

»Ich würde mich nicht scheuen, um Deinetwillen auch Blut zu vergießen, wenn ich Dir dadurch Trost bringen könnte,« dachte er, »aber was vermag ich Unglücklicher zu thun? Was soll ich Dir sagen? Doch wissen mußt Du wenigstens, daß Zbyszko mir befahl, mich vor Dir zu neigen, und Gott gebe, daß Dir dies Trost gewähre!«

Nach diesen Erwägungen drängte er sein Pferd zu dem Jagienkas heran.

»Gnädigste Herrin!« begann er.

»So bist Du hinter mir hergeritten?« fragte das Mädchen, wie aus einem Traume erwachend. »Und hast Du mir etwas mitzuteilen?«

»Ja, ich vergaß, Euch mitzuteilen, was mir der Herr befohlen hat. Bevor ich Spychow verließ, rief er mich zu sich und sagte: ›Umfasse die Knie der Jungfrau in Zgorzelic, denn wie sich mein Schicksal auch gestalten mag, ich werde sie niemals wiedersehen, und für das‹, sagte er, ›was sie an dem Oheim und mir gethan hat, möge Gott ihr lohnen und ihr Gesundheit verleihen‹!«

»Gott lohne auch ihn für die guten Worte!« antwortete Jagienka.

Dann fügte sie in einem so eigentümlichen Tone, daß des Böhmen Herz vollständig schmolz, hinzu:

»Und Dir, Hlawa!«

Für eine Weile stockte das Gespräch, aber der Knappe freute sich über sich selbst und über das, was er der Jungfrau berichtet hatte, denn im Innern sagte er sich: »Wenigstens denkt sie jetzt nicht, daß ihr mit Undankbarkeit gelohnt wird!« In seinem redlichen Sinne suchte er nun noch etwas ausfindig zu machen, was er ihr erzählen könne, um sie zu trösten, und nach einiger Zeit begann er abermals: »Gnädigste Herrin!«

»Was ist Dein Begehr?«

»Dies ... nun ... ich wollte sagen, was ich schon dem alten Herrn in Bogdaniec sagte: daß jene andere ihm für alle Ewigkeit verloren ist, und daß er sie niemals finden wird, selbst wenn der Großmeister ihm behilflich wäre.«

»Sie ist sein Weib!« entgegnete Jagienka.

Der Böhme schüttelte den Kopf.

»Wohl, sie ist sein Weib, und doch auch nicht ...«

Jagienka gab keine Antwort, aber zu Hause, nach der Abendmahlzeit, als Jasko und der jüngere Bruder schlafen gegangen waren, ließ sie einen Krug Met bringen und sagte zu dem Böhmen gewendet: »Vielleicht möchtest Du lieber schlafen, ich aber würde gerne noch ein wenig plaudern.«

Trotz seiner Müdigkeit war Hlawa bereit, sogar bis zum Morgen zu plaudern. Daher unterhielten sie sich noch lange miteinander, oder vielmehr er erzählte abermals ausführlich von den Schicksalen Zbyszkos, Jurands, Danusias und von seinen eigenen Erlebnissen.


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