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Zbyszko fragte hastig, auf welche Weise sie vorrückten, wie viel Reiterei und wie viel Fußvolk es sei, vor allem aber, wie weit entfernt sie sich noch befanden. Aus der Antwort des Samogitiers entnahm er, daß die Abteilung die Zahl von einhundertfünfzig Kriegern nicht überstieg, von denen etliche fünfzig zu Pferd von einem weltlichen Ritter, nicht aber von einem Kreuzritter angeführt wurden, daß sie in Schlachtordnung vorrückten, daß sie eine Anzahl Wagen mit einem Vorrat von Rädern mitführten; daß der ganzen Abteilung in einer Entfernung von zwei Bogenschüssen eine aus acht Mannen bestehende Vorhut vorausgehe, welche die Landstraße häufig verlasse, um das Dickicht des Waldes zu durchsuchen, und schließlich, daß sie eine Viertelmeile entfernt waren.
Daß die Feinde sich in Schlachtordnung vorwärts bewegten, war keine frohe Kunde für Zbyszko. Er wußte aus Erfahrung, welche Schwierigkeiten es hatte, die geschlossenen Reihen der Deutschen zu durchbrechen, und daß eine solche Schar selbst während des Rückzuges sich zu verteidigen und gleich einem von Hunden in die Enge getriebenen Eber um sich zu hauen verstand. Hingegen erfreute ihn die Nachricht, daß sie nicht weiter als eine Viertelmeile entfernt waren, denn er sagte sich, daß jene Mannen, die er vorausgesandt hatte, den Deutschen nun schon in den Rücken gefallen waren, und daß sie, falls diese eine Niederlage erlitten, keine lebende Seele entrinnen lassen würden. Was die der Abteilung vorausziehende Streifwache anbelangte, so machte sie ihm wenig Sorge, da es von Anfang an zu erwarten gewesen war, daß es so kommen könne, und er auch seinen Samogitiern zuvor schon befohlen hatte, entweder jene Vorhut ruhig durchzulassen oder, wenn der Versuch gemacht werde, das Innere des Waldes zu erforschen, in aller Stille jene acht Mannen einen nach dem andern gefangen zu nehmen.
Aber dieser Befehl war ganz überflüssig gewesen. Die Streifwache zog schon heran. Verborgen hinter einigen entwurzelten Baumstämmen, in der Nähe der Landstraße sahen die Samogitier die Kriegsknechte, welche an der Biegung des Weges Halt machten und miteinander sprachen, sehr genau. Nachdem der Anführer, ein starker, rotbärtiger Krieger, durch ein Zeichen Schweigen geboten hatte, begann er angestrengt zu lauschen. Es war klar, daß er schwankte, ob er in den Wald eindringen solle oder nicht.
Schließlich, als er nur das Hämmern der Spechte vernahm, dachte er offenbar, daß die Vögel sich nicht hören lassen würden, wenn jemand im Forste verborgen wäre, daher winkte er mit der Hand und führte seine Untergebenen weiter.
Zbyszko wartete, bis sie an der nächsten Biegung verschwunden waren, dann näherte er sich in aller Stille, an der Spitze der schwer bewaffneten Mannen, der Landstraße. Unter ihnen befanden sich Macko, der Böhme, die beiden Edelleute aus Lekawica, drei junge Ritter aus Ciechanow und mehrere der angesehensten und bestbewaffneten Bojaren aus Samogitien. Sich noch länger zu verbergen, war nicht mehr nötig, daher beabsichtigte Zbyszko sogleich, wenn Deutsche sich zeigten, bis zur Mitte des Weges vorzusprengen, sich auf sie zu werfen, und sie zu zerstreuen. Falls das gelang und falls der allgemeine Kampf sich zu einer Reihe von Einzelkämpfen gestaltete, durfte er sicher sein, daß die Samogitier Meister über die Deutschen wurden.
Und abermals folgte tiefe Stille, welche nur von dem Rauschen und Flüstern des Waldes unterbrochen wurde. Doch bald drangen von der östlichen Seite der Landstraße auch menschliche Stimmen zu den Ohren der Krieger. Anfangs etwas verworren und wie aus der Ferne klingend, schienen sie allmählich näher zu kommen und waren immer deutlicher zu vernehmen.
Zbyszko führte nun seine Abteilung in die Mitte der Landstraße und stellte sie in keilförmiger Schlachtordnung auf. Er selbst trieb sein Pferd an die Spitze, unmittelbar hinter ihm befanden sich Macko und der Böhme. In der nächsten Reihe standen drei Reiter, in der darauffolgenden vier. Sie waren alle gut bewaffnet; zwar fehlten ihnen die mächtigen Speere oder Lanzen der Ritter, da diese bei Märschen durch den Wald nur hinderlich gewesen wären, dagegen trugen sie für den ersten Angriff den kurzen und leichteren samogitischen Speer bei sich, Schwert und Beil waren für den Kampf im Handgemenge am Sattel befestigt.
Hlawa horchte aufmerksam und angestrengt, dann flüsterte er Macko zu: »Sie singen!«
»Merkwürdig! Der Weg scheint sich im Walde zu verlieren, weil wir sie von diesem Platze aus nicht sehen können,« sagte Macko.
Da wendete sich Zbyszko, welcher es für nutzlos erachtete, sich noch länger zu verbergen oder auch nur leise zu sprechen, zu ihm und sagte: »Dies kommt daher, daß sich die Landstraße längs des Flusses hinzieht und viele Biegungen macht. Wir werden sie ganz plötzlich zu Gesicht bekommen, und so wird es am besten sein.«
»Wie fröhlich sie singen!« warf der Böhme ein.
In der That sangen die Deutschen durchaus kein frommes Lied, dies war aus der Weise leicht zu erkennen. Bei aufmerksamem Lauschen unterschied man auch, daß kaum mehr als zehn Leute sangen, und daß nur ein Ausruf von allen wiederholt wurde. Dieser Ausruf aber hallte wie Donnerschall weithin durch den Wald.
Und so voll Heiterkeit und Frohsinn, gingen sie dem Tode entgegen.
»Bald werden wir sie sehen,« sagte Macko.
Sein Gesicht verfinsterte sich plötzlich und nahm einen wolfsähnlichen Ausdruck an. War er doch hart und rachsüchtig geworden, und hatte er doch noch nicht Vergeltung für jenen Pfeilschuß geübt, welchen er damals empfing, als er, um Zbyszko zu retten, sich mit einem Briefe der Schwester Witolds zum Großmeister begeben wollte.
In ihm bäumte sich alles auf, und gleich einem unaufhaltsamen Strome riß ihn der Durst nach Rache mit sich fort.
»Dem Manne wird es nicht gut ergehen, mit welchem er zuerst anbindet,« dachte Hlawa, nachdem er einen Blick auf den alten Ritter geworfen hatte.
Mittlerweile trug der Wind ganz deutlich den Ausruf herbei, der von allen im Chore wiederholt ward: »Tantaradei«! – und gleich darauf hörte Hlawa die Worte eines ihm bekannten Liedes:
»Bei den rôsen er wol mac,
Tandaradei!
merken wâ mir'z houbet lac ...«
Da riß der Gesang plötzlich ab, denn zu beiden Seiten des Weges erscholl ein so lautes, durchdringendes Krächzen, wie wenn in diesem Waldwinkel eine große Versammlung von Raben abgehalten worden wäre. Die Deutschen wunderten sich nicht wenig darüber. Unwillkürlich fragten sie sich, woher all diese Vögel kämen und wieso deren Stimmen dicht über dem Erdboden, nicht aber in den Wipfeln der Bäume ertönten.
Die erste Reihe der Kriegsknechte zeigte sich jetzt an der Biegung und blieb beim Anblick der unbekannten Reiter wie versteinert stehen.
In demselben Augenblick neigte sich Zbyszko auf den Sattel herab, gab seinem Pferde die Sporen und sprengte vorwärts.
»Werft Euch auf sie!«
Die andern folgten ihm. Auf beiden Seiten des Waldes erscholl der furchtbare Ruf der samogitischen Krieger. Ungefähr zweihundert Schritte trennten Zbyszkos Mannen von den Deutschen, welche im nächsten Augenblick einen ganzen Wald von Lanzen gegen die Heranreitenden richteten, während die hintern Reihen sich mit der gleichen Schnelligkeit gegen die beiden Seiten des Waldes wendeten, um sich gegen die Angriffe auf den Flanken zu verteidigen. Ihre Geschicklichkeit wäre von den polnischen Rittern bewundert worden, hätten diese Zeit zur Bewunderung gesunden und hätten deren Pferde sie nicht in rasendem Laufe den erhobenen, glänzenden Lanzen entgegengetragen.
Durch einen für Zbyszko günstigen Zufall befand sich die deutsche Reiterei bei der Nachhut, in der Nähe der Wagen. Zwar rückte sie sofort zu ihrem Fußvolk vor, doch konnte sie sich weder einen Weg durch die Reihen bahnen, noch an ihnen vorbeireiten und sie daher auch nicht gegen den ersten Ansturm decken. Bald sahen sich die berittenen Deutschen umringt von einer Schar Samogitier, welche aus dem Dickicht herausstürzten gleich einem wildgewordenen Wespenschwarm, dessen Nest von einem unbedachten Wanderer beschädigt worden ist. Unterdessen hatte Zbyszko mit seinen Mannen das Fußvolk angegriffen.
Doch dieser Angriff blieb ohne Erfolg. Nachdem die Deutschen ihre schweren Lanzen und Hellebarden in die Erde aufgepflanzt hatten, hielten sie dieselben in einer Linie fest, sodaß die leichte, samogitische Reiterei diesen Wall nicht zu durchbrechen vermochte. Mackos Pferd, durch eine Hellebarde in das Schienbein getroffen, bäumte sich hoch auf und grub sich dann mit den Nüstern in den Grund. Während eines kurzen Augenblickes hing der Tod über des alten Ritters Haupte, aber er, der in allen Kämpfen sehr erfahren und gegen Zufälle gewappnet war, zog die Füße aus den Steigbügeln und griff mit starker Hand nach eines Deutschen scharfem Speere, sodaß dieser, statt seine Brust zu durchbohren, ihm als Stütze diente. Dann sprang er mitten durch die Pferde, und sein Schwert ziehend, begann er damit über die Speere und Hellebarden herzufallen, gerade wie ein raubgieriger Falke wütend über eine Schar langschnäbeliger Kraniche herfällt. Als Zbyszkos Pferd im Laufe zurückgehalten ward, und sich fast ganz auf die Hinterbeine stellte, stützte er sich auf seinen Speer, zerbrach ihn aber und griff nun gleichfalls zum Schwerte. Der Böhme, welcher dem Beile vor allen andern Waffen den Vorzug gab, schleuderte das seine gegen die Feinde und war für einen Augenblick waffenlos. Einer der Edelleute aus Lekawica fiel, den andern ergriff bei diesem Anblick eine so wahnsinnige Wut, daß er heulte wie ein Wolf, und seinem blutüberströmten Pferde die Sporen gebend, es blindlings mitten unter die Feinde trieb. Die samogitischen Bojaren schlugen mit ihren Hirschfängern auf die großen und kleinen Speere, hinter denen die Gesichter der Kriegsknechte hervorschauten, welche gleichsam von Verwunderung durchdrungen zu sein schienen und in deren ganzem Gebaren sich zugleich Haß und Entschlossenheit ausdrückte. Es zeigte sich indessen, daß ihre Reihen nicht durchbrochen werden konnten. Auch die Samogitier, welche die Flanken angriffen, prallten wieder zurück wie vor dem sicheren Verderben. Zwar rückten sie dann abermals mit noch größerem Ungestüm vor, vermochten aber nichts auszurichten.
Im Nu kletterten nun etliche auf die Fichtenbäume am Wege und schossen ihre Pfeile mitten unter die Kriegsknechte hinein, deren Anführer daraufhin den Befehl gaben, den Rückzug gegen die Reiterei anzutreten. Die deutschen Armbrustschützen erwiderten indessen die Schüsse der Feinde, sodaß von Zeit zu Zeit manch unter den Baumzweigen verborgener Samogitier gleich einem reisen Fichtenzapfen zu Boden fiel und sich im Todeskampfe mit den Händen in das Moos des Waldes eingrub oder emporschnellte wie ein aus dem Wasser geworfener Fisch. Umringt auf allen Seiten, konnten die Deutschen nicht auf Sieg rechnen, da sie jedoch sahen, daß ihre Schutzwehr nicht vergeblich war, wähnten sie, wenigstens eine kleine Schar von ihnen sei vielleicht im stande, noch aus der Umgarnung zu entkommen und zum Flusse zu gelangen.
Keinem kam es in den Sinn, sich zu ergeben, denn da sie selbst ihre Gefangenen niemals schonten, wußten sie, daß sie auch nicht auf das Mitleid der zur Verzweiflung und Empörung getriebenen Feinde rechnen dursten. So zogen sie sich denn in der Stille zurück. Mann für Mann, Schulter an Schulter, bald die Lanzen und Hellebarden erhebend bald sinken lassend, Hiebe und Stiche austeilend, ihre Pfeile gebrauchend, so gut das Getümmel der Schlacht es gestattete, und sich fortwährend ihrer Reiterei nähernd, die mit anderem feindlichem Kriegsvolk um Leben und Tod kämpfte.
Da geschah etwas ganz Unerwartetes, etwas, wodurch der Ausgang dieses verzweifelten Kampfes entschieden wurde. Jener Edelmann aus Lekawica, welcher durch den Tod seines Bruders von Wahnwitz ergriffen worden war, neigte sich, ohne von seinem Rosse zu steigen, herab, und hob den Leichnam vom Boden auf, offenbar in der Absicht, ihn vor den Hufschlägen der Pferde zu retten und an einem sicheren Orte niederzulegen, wo er ihn dann nach der Schlacht finden konnte. Aber in demselben Augenblicke überkam ihn ein neuer Wutanfall und raubte ihm völlig jedes klare Bewußtsein, denn anstatt vom Wege abzulenken, griff er die Feinde an und warf den Leichnam mit aller Kraft auf die scharfen Lanzenspitzen, welche, in dessen Brust, Leib und Hüften eindringend, sich unter der Last förmlich bogen. Bevor aber die Kriegsknechte imstande waren, ihre Lanzen herauszuziehen, sprengte der Wahnsinnige durch die entstandene Bresche in ihre Reihen hinein, gleich einem Sturmwinde die Menschen über den Haufen werfend.
Im nächsten Augenblick streckten sich zehn Hände gegen ihn aus, zehn Lanzen durchbohrten die Flanken seines Rosses, aber die Reihen waren nun durchbrochen, und bevor sie sich wieder ordnen konnten, warf sich einer der samogitischen Bojaren, der sich am nächsten befand, in die Bresche, ihm folgte Zbyszko sowie der Böhme, und das furchtbare Getümmel ward mit jedem Augenblicke größer. Wieder andere Bojaren ergriffen nun gleichfalls die Leichname von Gefallenen und warfen sie auf den Wall von Lanzenspitzen. Auf den Flanken machten die Samogitier einen neuen Angriff. Die ganze bisher wohlgeordnete Heerschar der Deutschen geriet ins Wanken, gleich einem Hause, dessen Mauern geborsten sind, sie teilte sich gleich einem Baumstamme, in den ein Keil eingetrieben ist, und zerstreute sich schließlich.
Allmählich ward die Schlacht zu einer Metzelei. Die langen, deutschen Speere und Hellebarden waren nutzlos in diesem Handgemenge, dagegen drangen die Hirschfänger der Reiter tief in die Hirnschalen und Nacken der Deutschen ein, die Pferde jagten in das dichteste Menschengewühl, die unglücklichen Kriegsknechte zu Boden werfend und zerstampfend. Den Reitern fiel es leicht, von oben herab die Feinde zu treffen, daher schlugen sie unaufhörlich drein, ohne abzulassen. Von den Seitenwegen strömten immer neue Scharen wilder Krieger in Wolfsfellen und mit der Blutgier von Wölfen herbei. Ihr Heulen übertönte die flehentlichen Bitten um Erbarmen und das Aechzen der Sterbenden. Die Besiegten warfen ihre Waffen nieder, etliche versuchten, in den Wald zu entkommen, einige warfen sich zu Boden und stellten sich tot, manche standen wie erstarrt da, mit bleichen Gesichtern und geschlossenen Augen, wieder andere beteten, einer, dessen Sinne sich offenbar vor Schrecken verwirrt halten, begann auf einer Pfeife zu spielen, wobei er lächelnd emporschaute, bis eine samogitische Keule ihm den Schädel zerschmetterte. Der Fichtenwald stellte sein Brausen ein, wie erschreckt über dies Blutbad.
Mehr und mehr schmolz die kleine Schar der Ordensknechte zusammen. Nur im Dickicht erscholl noch von Zeit zu Zeit der Lärm des Kriegsgetümmels und der durchdringende Schrei der Verzweifelten. Zbyszko, sowie Macko und hinter diesen alle Reiter sprengten jetzt gegen die feindliche Reiterei heran.
In einem Kreise ausgestellt, kämpfte diese. Es war die gewöhnliche Art der Deutschen, sich zu verteidigen, wenn der Feind ihnen mit großer Uebermacht entgegentrat. Die gut berittenen Krieger, die auch besser gewappnet waren als das Fußvolk, stritten tapfer und mit bewunderungswürdiger Verwegenheit. Kein Träger des weißen Mantels war unter ihnen zu sehen, sie gehörten meist den mittleren und weniger angesehenen preußischen Adelsgeschlechtern an, deren Obliegenheit es war, auf Geheiß des Ordens ins Feld zu ziehen. Auch ihre Pferde waren zum größten Teil gewappnet, manche mit Panzern aus Draht und alle mit eisernen Stirnbinden, an denen in der Mitte ein Horn aus Stahl hervorragte. Den Oberbefehl hatte ein hochgewachsener, schlanker Ritter in dunkelblauem Panzer und gleichfarbigem Helm mit herabgelassenem Visier.
Aus der Tiefe des Waldes wurde ein Hagel von Pfeilen auf sie abgeschossen, aber deren Spitzen prallten von den Helmen, den Panzern und harten Armschienen ab, ohne eine Spur zurückzulassen. Eine dichte Mauer von Samogitiern zu Fuß und zu Roß umgab sie, doch sie verteidigten sich, indem sie wütend um sich schlugen und mit ihren langen Schwertern solche Hiebe anstellten, daß die Getroffenen scharenweise vor den Hufen ihrer Rosse lagen. Die vordersten Reihen der Angreifer wollten sich zurückziehen, aber sie wurden von hinten vorgeschoben, und waren deshalb nicht im stande dazu. In dem dichten Gedränge entstand ein grenzenloser Wirrwarr, die Augen wurden geblendet von dem Flimmern der Lanzen, dem Funkeln der Schwerter. Die Pferde wieherten, bissen um sich, schlugen mit den Hinterfüßen aus. Da sprengten die samogitischen Bojaren, da sprengten Zbyszko, der Böhme und die Masuren in den Kreis. Unter ihren gewaltigen Streichen geriet die ganze Schar ins Wanken und bewegte sich hin und her wie ein Wald, dessen Stämme und Zweige vom Sturme gepeitscht werden, jene Angreifer jedoch rückten schweißtriefend von der Mühseligkeit des Kampfes nur langsam vorwärts, dabei wie die Holzhauer verfahrend, welche die Tannen fällen, wo sie am dichtesten stehen.
Nun befahl Macko, die langen Hellebarden der Deutschen auf dem Schlachtfelde zu sammeln, und nachdem sich ungefähr dreißig wilder Krieger damit bewaffnet hatten, bahnten sie sich einen Weg damit bis zu den Deutschen. Als sie bei diesen angelangt waren, schrie er: »Schlagt los auf die Füße der Pferde!« und sofort zeigten sich die entsetzlichen Folgen dieses Befehles. Die deutschen Ritter konnten ihre Feinde nicht mit den Schwertern erreichen, während die Schienbeine der Pferde furchtbar durch die Hellebarden zerschmettert wurden. Da erkannte der blaue Ritter, daß das Ende der Schlacht herannahe, und daß nichts übrig blieb, als sich entweder durch die Feinde durchzuschlagen, welche ihm und seiner Schar den Rückweg abschnitten, oder mit ihr zu Grunde zu gehen.
Er wählte das erstere – und im Nu machte auf seinen Befehl die ganze Reihe der Ritter Front nach der Richtung, aus der sie gekommen waren. Die Samogitier waren ihnen sofort auf dem Nacken, allein die Deutschen hingen ihre Schilder um die Schultern, durchbrachen den sie umzingelnden Ring, spornten ihre Pferde an und jagten der Windsbraut gleich gen Osten.
Doch nun trafen sie mit jener Heeresabteilung zusammen, welche gerade herbeisprengte, um in die Schlacht einzugreifen, aber den besseren Waffen unterliegend, von den Pferdehufen zermalmt, wurden die Mannen dieser Abteilung hingemäht wie Ackerfelder vom Sturmwinde. Der Weg zur Burg war frei, aber die Rettung unsicher, denn die Pferde der Samogitier waren schneller als die der Deutschen. Der blaue Ritter begriff dies nur zu wohl.
»Wehe!« sagte er sich im Innern, »kein einziger wird entrinnen, wenn schon ich mit meinem eigenen Blute ihr Leben erkaufen mochte.«
Nach diesen Erwägungen gebot er den Reitersmännern, die sich in seiner Nähe befanden, ihre Pferde anzuhalten, er selbst wandte das seine, und ohne darauf zu achten, ob jemand seiner Aufforderung gehorchte, bot er dem Feinde die Stirn.
Zbyszko sprengte zuerst heran, daher schlug ihm der Deutsche auf den schützenden Helm, traf aber nur die vortretende Kante, zerschmetterte sie jedoch nicht und verletzte auch das Antlitz nicht. Da faßte Zbyszko,» anstatt Hieb mit Hieb zu vergelten, den Ritter um den Leib, rang mit ihm und, vor allem darauf bedacht, ihn lebend in seine Gewalt zu bekommen, bemühte er sich, ihn vom Sattel zu reißen. Aber seine Steigbügel brachen von dem allzu starken Druck und die Kämpfer fielen zu Boden. Während eines kurzen Augenblickes wälzten sie sich auf der Erde, mit Händen und Füßen um sich schlagend, bald jedoch erlangte der junge Kämpe durch seine ungewöhnliche Kraft die Uebermacht über seinen Gegner und sich mit seinen Knien auf dessen Leib stemmend, hielt er ihn fest, wie etwa ein Wolf einen Hund festhält, der es gewagt hat, ihn im Dickicht zu stellen.
Und er hielt ihn unnötigerweise fest, denn der Deutsche war bewußtlos geworden. Mittlerweile sprengten auch Macko und der Böhme heran. Als Zbyszko sie erblickte, rief er ihnen zu: »Kommt und bindet ihn! Das ist ein angesehener Ritter – ein gegürteter!«
Der Böhme sprang vom Pferde, da er indessen sah, wie hilflos der Besiegte dalag, band er ihn nicht, sondern öffnete seinen Panzer und seine Armschienen, nahm seinen Gürtel nebst dem daranhängenden Misericordia, durchschnitt den Riemen, womit der Helm befestigt war und machte schließlich die Schraube auf, welche das Visier zusammenhielt.
Doch kaum hatte er des Ritters Antlitz erschaut, als er emporsprang und rief: »Herr! Herr! Seht nur!«
»De Lorche!« schrie Zbyszko auf.
Und de Lorche lag mit bleichem, schweißbedecktem Antlitz und geschlossenen Augen da, regungslos, einem Toten ähnlich.