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Die Knechte lösten sogleich seine Bande, doch er, dessen Glieder steif geworden waren, fiel zu Boden. Als sie ihn dann aufhoben, schwanden ihm die Sinne, denn er hatte schreckliche Qualen ausgestanden. Umsonst brachten sie ihn aufs Zbyszkos Befehl an das Feuer, suchten ihm Speise und Trank einzuflößen, rieben ihn mit Talg ein und bedeckten ihn mit warmen Fellen. Sanderus kam nicht zum Bewußtsein und fiel schließlich in so festen Schlaf, daß Hlawa kaum im stande war, ihn um die Mittagszeit des folgenden Tages zu erwecken.
Zbyszko, der von Ungeduld beinahe verzehrt ward, eilte unverzüglich herbei. Anfangs konnte er indessen nichts in Erfahrung bringen, denn war nun das Entsetzen über seine furchtbaren Erlebnisse, war das Gefühl der Hilflosigkeit daran schuld, welches gewöhnlich schwache Naturen überkommt, wenn die drohende Gefahr vorüber ist, genug, Sanderus brach in so heftiges Schluchzen aus, daß er sich vergeblich bemühte, die ihm gestellten Fragen zu beantworten. Der Hals war ihm wie zugeschnürt, seine Lippen zitterten und die Thränen flossen unaufhaltsam, wie wenn sein Leben mit ihnen dahinströme.
Endlich, nachdem er sich ein wenig ermannt und durch Stutenmilch gekräftigt hatte, ein Mittel, dessen stärkende Wirkung durch die Tataren bei den Litauern bekannt geworden war, begann er darüber zu jammern, daß die »Söhne Belials« ihn mit den Lanzen windelweich geschlagen, und daß sie ihm das Pferd genommen hätten, das mit Reliquien von ganz ungewöhnlichem Werte beladen gewesen sei. Schließlich, fügte er hinzu, als man ihn am Baume festgebunden habe, seien ihm von den Ameisen dermaßen die Füße und der ganze Körper zerbissen worden, daß ihn binnen kurzem unfehlbar der Tod ereilt hätte.
Nun aber ward Zbyszko von heftigem Zorn ergriffen, er sprang auf und rief: »Antworte, Du Landstreicher, auf das, was ich Dich frage, und hüte Dich, daß Dir nicht noch Schlimmeres begegne.«
»Herr,« ließ sich nun der Böhme vernehmen, »nicht weit von hier befindet sich ein Ameisenhaufen von roten Ameisen, gebt Befehl, daß man ihn dorthin bringe, und er wird sogleich seine Zunge zu gebrauchen wissen.«
Hlawa sprach freilich nicht im Ernste, ja, er lächelte sogar dabei, denn im Innern war er Sanderus recht gewogen; dieser aber erschrak heftig und rief: »Erbarmen! Erbarmen! Gebt mir noch ein wenig von diesem heidnischen Getränk, und ich sage alles, was ich gesehen habe, und was ich nicht gesehen habe.«
»Wenn Du nur eine einzige Lüge sagst, schlage ich Dir die Knochen entzwei,« versetzte der Böhme.
Aber er führte zum zweiten Mal einen Schlauch mit Stutenmilch an Sanderus' Lippen, und dieser ergriff ihn, setzte den Mund daran wie ein Kind an die Mutterbrust und begann gierig zu trinken, indem er dabei die Augen bald öffnete, bald wieder schloß.
Als er zwei Quart oder auch etwas mehr zu sich genommen hatte, schüttelte er sich, legte den Schlauch auf seine Knie und sagte, wie wenn er sich nur einer unabwendbaren Notwendigkeit gefügt hätte: »Welch ekelhafter Trank!« Zu Zbyszko gewendet, fügte er hinzu: »Nun mögt ihr fragen, o mein Retter!«
»Befand sich mein Weib bei der Abteilung, mit der Du kamst?«
Auf Sanderus' Gesicht drückte sich eine gewisse Verwunderung aus. Zwar wußte er schon, daß Danusia die Ehegemahlin Zbyszkos war, er wußte aber auch, daß die Trauung heimlich vollzogen und die Jungfrau gleich darauf entführt worden war, darum hatte er vornehmlich die Tochter Jurands in ihr gesehen.
Indessen erwiderte er hastig: »Ja, mein allergnädigster Herr, sie befand sich dabei. Aber Zygfryd de Löwe und Arnold von Baden durchbrachen die Reihen des Feindes.«
»Hast Du mein Weib gesehen?« fragte Zbyszko mit klopfendem Herzen.
»Ihr Angesicht habe ich nicht erschaut, o Herr, doch sah ich eine an zwei Pferden befestigte, ganz verhüllte Tragbahre, worin sie jemand gefangen mit sich führten, und diese Tragbahre ward von demselben Weibe bewacht, die, von Danveld geschickt, in den Jagdhof kam. Auch hörte ich ein Lied, ein recht trauriges, und es klang aus der Tragbahre hervor.«
Zbyszko war bleich vor Erregung, er ließ sich auf einem Baumstamm nieder und wußte während eines kurzen Augenblickes nicht, was er noch fragen solle. Macko und Hlawa waren ebenfalls unendlich erregt, als sie diese große, wichtige Kunde vernahmen. Vielleicht dachte der Böhme auch an seine eigene, geliebte Herrin, welche in Spychow zurückgeblieben war und für welche diese Nachricht eine Unglücksbotschaft bedeutete.
Ein tiefes Schweigen folgte. Der schlaue Macko indessen, der Sanderus noch nicht kannte und zuvor kaum von ihm gehört hatte, betrachtete ihn argwöhnisch und fragte: »Was für ein Mensch bist Du denn, und was thatest Du bei den Kreuzrittern?«
»Was ich für ein Mensch bin, großmächtiger Ritter,« antwortete der Landstreicher, »mögen Dir diese sagen, dieser tapfere Fürst (hier wies er auf Zbyszko) und dieser mutige böhmische Graf, welche mich seit langer Zeit kennen.«
Offenbar hatte die Stutenmilch wohlthuend auf ihn eingewirkt, denn er ward ganz lebhaft, und sich zu Zbyszko wendend, begann er mit einer Stimme, die keine Spur mehr von Schwäche zeigte: »Herr, Ihr habt mir zweimal das Leben gerettet. Ohne Euch wäre ich von den Wölfen aufgefressen worden, oder die Strafe der Bischöfe hätte mich getroffen. Denn diese, wohl irre geleitet durch meine Feinde (o wie schlecht die Welt doch ist!), hatten Befehl gegeben, mich zu verfolgen, weil ich Reliquien verkaufte, deren Echtheit sie bezweifelten. Aber Du, Herr, hast mich in Deinen Schutz genommen, dank Dir diente ich den Wölfen nicht zum Fraße, dank Dir konnte mir die Verfolgung nichts anhaben, weil jedermann glaubte, ich gehöre zu Deinem Gefolge. Bei Dir hat es mir auch nie an Speise und Trank gefehlt und sie waren besser als die Stutenmilch hier, welche ekelhaft ist. Ich trinke sie aber doch, um zu zeigen, daß ein armer, gottesfürchtiger Pilgrim vor keiner Buße zurückschreckt.«
»Du Possenreißer, sage rasch, was Du weißt, und halte uns nicht länger zum Narren!« rief Macko.
Doch Sanderus setzte abermals den Schlauch an seine Lippen und leerte ihn ganz, dann wendete er sich, ohne auf Mackos Worte zu hören, wieder zu Zbyszko.
»Weil Ihr mich beschützt habt, bin ich Euch zugethan, Herr. Wie die Schrift sagt, sündigten auch die Heiligen neunmal in der Stunde, daher kommt es vor, daß auch Sanderus zuweilen sündigt, aber undankbar ist auch Sanderus niemals gewesen und wird es auch niemals sein. Als Euch das Unglück traf – erinnert Euch, – da sagte ich: ›Nun wandre ich von Burg zu Burg, und indem ich unterwegs den Leuten gute Lehren beibringe, werde ich die Verlorene suchen.‹ Wen habe ich nicht gefragt! Wo bin ich nicht gewesen! Um dies zu erzählen, wäre viel Zeit erforderlich; genug, daß ich sie fand, und daß ich von diesem Augenblick an wie eine Klette an dem alten Zygfryd hängen blieb. Zu seinem Diener machte ich mich und von Burg zu Burg, von Komturei zu Komturei, von Stadt zu Stadt folgte ich ihm, bis zu dieser letzten Schlacht.«
Zbyszko war unterdessen seiner Erregung Herr geworden und sagte: »Ich bin Dir dankbar, und die Belohnung soll Dir nicht entgehen. Aber jetzt beantworte mir meine Frage: ›Willst Du bei Deinem Seelenheil schwören, daß mein Weib noch am Leben ist?‹«
»Ich schwöre es bei meinem Seelenheil!« entgegnete Sanderus ernst.
»Weshalb hat Zygfryd Szczytno verlassen?«
»Das weiß ich nicht, Herr, ich hege nur meine Vermutungen. Er ist ja nie als Starost in Szcyztno gewesen, und er verließ den Ort vielleicht, weil er des Großmeisters Gebote fürchtete, welcher, wie man sagt, an ihn schrieb, er möge der Fürstin von Masovien die Gefangene ausliefern. Vielleicht entfloh er auch schon, ehe jener Brief eintraf, denn seine Seele war verhärtet durch Schmerz und Groll, und er wollte Rache für Rotgiers Tod nehmen. Manche behaupten jetzt, dieser sei sein Sohn gewesen. Ich weiß nicht, ob dem so ist, ich weiß nur, daß irgend etwas seine Sinne verwirrt haben muß, und daß er Jurands Tochter – ich wollte sagen, Euere junge Ehegemahlin – solange er lebt, nicht freilassen wird.«
»Gar wunderlich dünkt mich all dies,« warf Macko plötzlich ein, »denn wenn jener alte Hund so ergrimmt auf Jurands ganzes Geschlecht wäre, so würde er Danusia gewiß getötet haben.«
»Er wollte sie auch töten,« entgegnete Sanderus, »aber da stieß ihm etwas zu, wodurch er schwer erkrankte, und wodurch er beinahe den letzten Atemzug gethan hätte. Unter seinen Leuten wird viel darüber geflüstert. Manche sagen, als er bei Nacht in den Turm gegangen sei, um die junge Herrin zu morden, sei ihm der böse Geist entgegengetreten, wieder andere sagen, es sei ein Engel gewesen. Sicher ist nur, daß man ihn ohne Bewußtsein vor dem Turme im Schnee fand. Noch jetzt, wenn er daran denkt, stehen ihm die Haare zu Berge, deshalb wagt er auch nicht, Hand an die Jungfrau zu legen, und fürchtet sich, jemand dazu zu veranlassen. Er führt den stummen Henker von Szczytno immer mit sich, aber niemand weiß weshalb, denn der Henker hütet sich nicht minder wie alle andern, ihr ein Leid zuzufügen.«
Diese Worte brachten einen tiefen Eindruck hervor. Zbyszko, Macko und der Böhme traten näher zu Sanderus heran, welcher das Zeichen des Kreuzes machte und dann fortfuhr: »Bei den Kreuzrittern ist nicht gut sein. Zuweilen habe ich Dinge gehört und mitangesehen, daß mich schauderte. Euer Gnaden sagte ich schon, daß des alten Komturs Sinne etwas verwirrt sind. Fürwahr, wie könnte es auch anders sein, da ihn Geister aus jener Welt heimsuchen! So oft er sich allein befindet, hört er neben sich ein Schnauben, gerade wie wenn jemand bei ihm stünde, dem der Atem ausgegangen ist. Und das ist jener Danveld, welcher durch den furchtbaren Gebieter von Spychow erschlagen ward. Zygfryd sagt dann zu ihm: ›Was willst Du? Eine Messe kann Dir nicht helfen, weshalb kommst Du?‹ Und jener knirscht nur mit den Zähnen und fängt wieder an zu schnauben. Aber noch häufiger kommt Rotgier, der einen Geruch von Schwefel in der Stube zurückläßt, und mit dem der Komtur noch mehr spricht. ›Ich kann nicht,‹ sagt er zu ihm. ›Ich kann nicht! Wenn es mir später möglich ist, so will ich es thun, aber jetzt kann ich es nicht!‹ Ich hörte auch, wie er ihn fragte: ›Würde es Dir denn Erleichterung bringen, mein Söhnchen?‹ Und so geht es in einem Zuge fort. Gewöhnlich redet er nach einem solchen Besuche zwei oder drei Tage mit niemand ein Wort, auf seinem Gesichte aber drückt sich dann eine furchtbare Pein aus. Die Tragbahre wird von ihm und der Dienerin sorgfältig gehütet, so daß kein Mensch jemals die junge Herrin erblicken kann.«
»Und wird sie nicht von ihnen gequält?« fragte Zbyszko in dumpfem Tone.
»Ich will Euer Gnaden die reine Wahrheit sagen. Schläge und Geschrei habe ich nicht gehört, wohl aber einen wehmütigen Gesang und zuweilen etwas wie das angstvolle Gezwitscher eines Vogels.«
»Wehe ihnen!« stieß Zbyszko zwischen den zusammengepreßten Zähnen hervor.
Doch Macko that seinen weiteren Fragen Einhalt.
»Genug davon,« sagte er. »Erzähle jetzt von der Schlacht. Hast Du sie mitangesehen? Wie sind die Feinde entkommen und was ist aus ihnen geworden?«
»Ich habe alles mitangesehen,« erwiderte Sanderus, »und will es getreulich berichten. Sie kämpften anfangs mit wahrer Wut, aber als sie erkannten, daß sie von allen Seiten umringt waren, da überlegten sie, auf welche Weise sie sich durchschlagen könnten. Der Ritter Arnold, welcher ein wahrer Riese ist, durchbrach zuerst den Ring und machte für sich, den alten Komtur, sowie für einige Kriegsknechte und für die zwischen zwei Pferden befestigte Tragbahre die Bahn frei.«
»Und fand keine Verfolgung statt? Wie kommt es, daß sie nicht eingeholt wurden?«
»Eine Verfolgung fand statt, aber sie fruchtete nichts, denn sobald die Verfolger dem Ritter Arnold zu nahe kamen, wandte er sich um und kämpfte Mit allen. Gott behüte jeden vor einem Tressen mit ihm, denn er hat eine so furchtbare Kraft, daß es ihm ein Leichtes ist, den Kampf mit hundert Mannen allein aufzunehmen. Dreimal wandte er sich um, und dreimal mußten sich die Verfolger zurückziehen. Die Kriegsknechte, welche sich bei ihm befanden, kamen alle um. Er selbst war meines Erachtens auch verwundet, doch er rettete sich und gab auch dem alten Komtur Gelegenheit zu einer glücklichen Flucht.«
Während Macko diesem Berichte lauschte, sagte er sich, Sanderus müsse die Wahrheit sprechen, denn er erinnerte sich, daß von dem Platze an, wo Skirvoillo die Schlacht geliefert hatte, der ganze Weg mit Leichen von Samogitiern bedeckt gewesen, von denen eine jede so furchtbar verstümmelt war, als ob die Hand eines Riesen hier gewütet hätte.
»Wie hast Du es aber zu stande gebracht, daß Du all dies mitansehen konntest?« fragte er.
»Ich sah alles mit an,« antwortete der Landstreicher, »weil ich mich hinter den Schwanz eines der Pferde verborgen hatte, an denen die Tragbahre befestigt war, und ich lief hinter diesen her, bis mich ein Hufschlag an den Bauch traf. Da fiel ich in Ohnmacht, und dadurch geriet ich in die Hände von Euer Gnaden.«
»So mag es sich wohl zugetragen haben,« bemerkte Hlawa, »aber hüte Dich, zu lügen, denn es würde Dir sonst übel ergehen.«
»Die Spuren jenes Schlages sind noch an mir wahrzunehmen,« erwiderte Sanderus, »wer den Wunsch hegt, kann sich davon überzeugen, indessen ist es besser, meinen Worten zu glauben, als wegen Unglauben verdammt zu sein.«
»Wenn schon Du auch zuweilen unwillkürlich die Wahrheit sagst, wirst Du doch durch Heulen und Zähneklappern für Deinen Reliquienhandel büßen müssen,« setzte Hlawa hinzu.
Und sie ergingen sich in Spottreden, wie es früher ihre Gewohnheit gewesen, doch ihr Gespräch ward durch Zbyszko unterbrochen. »Du bist durch dies Land gezogen, daher mußt Du es kennen. Was für Burgen befinden sich in der Umgegend, und wo glaubst Du, können sich Zygfryd und Arnold verborgen halten?«
»Burgen giebt es nicht in dieser Gegend, alles ringsumher ist Wüstenei, durch welche die erst vor kurzem angelegte Landstraße führt. Dörfer und Ansiedelungen giebt es ebensowenig, denn alles, was früher hier gegründet ward, haben die Deutschen niedergebrannt und zwar aus der alleinigen Ursache, weil die hier ansässigen Leute, welche dem nämlichen Volke entstammen wie das einheimische, sich bei Ausbruch des Krieges gleichfalls gegen die Herrschaft des Ordens auflehnten. Ich glaube, daß Zygfryd und Arnold jetzt im Walde umherwandern, und daß sie entweder dahin zurückkehren, woher sie kamen, oder sich heimlich nach jener Feste begeben wollen, nach der wir vor der unglückseligen Schlacht auszogen.«
»So verhält es sich gewiß!« sagte Zbyszko.
Und er versank in tiefes Sinnen. An seiner gerunzelten Stirne, an seinem Gesichtsausdruck war leicht zu erkennen, wie angestrengt er nachdachte, aber dies währte nicht lange. Nach einer Weile erhob er das Haupt und sagte: »Hlawa, sorge, daß Pferde und Mannen bereit sind, denn wir brechen sogleich auf.«
Der Knappe, welcher nicht die Gewohnheit hatte, nach dem Grund eines Befehles zu fragen, erhob sich und eilte auf die Pferde zu, ohne ein Wort zu sprechen. Macko hingegen blickte mit weitaufgerissenen Augen auf seinen Bruderssohn und fragte voll Verwunderung: »Aber Zbyszko! Wohin willst Du Dich denn wenden? Wie? Was hast Du vor?«
Doch Zbyszko antwortete wieder mit einer Frage: »Was denkt Ihr denn? Thue ich denn nicht meine Pflicht?«
Der alte Ritter verstummte. Er schaute jetzt nicht mehr verwundert darein, sondern schüttelte nur den Kopf. Schließlich atmete er tief auf und sagte gleichsam zu sich selbst: »Wohlan! Mag es denn so sein. Anders geht es nicht!«
Und er begab sich ebenfalls zu den Pferden. Zbyszko indessen wendete sich an Herrn de Lorche, und indem er sich mit Hilfe eines Masuren, welcher der deutschen Sprache mächtig war, verständlich machte, sagte er zu ihm: »Von Dir kann ich nicht verlangen, daß Du mir gegen Leute beistehst, mit denen Du unter derselben Fahne dienst, daher bist Du frei. Gehe, wohin Du willst.«
»Ich kann Dir jetzt nicht mit dem Schwerte beistehen, weil es meiner Ritterehre widerstreitet,« entgegnete de Lorche, »aber meiner Freiheit bediene ich mich jetzt auch nicht. Dein Gefangener bleibe ich auf Ehrenwort und auf Deine Aufforderung werde ich mich stellen, sobald Du mich berufst. Und im Notfalle vergiß nicht, daß für mich der Orden jeden Gefangenen auswechseln wird, da ich einem mächtigen Geschlechte entstamme, das zudem dem Orden treu gedient hat.«
So sagten sie sich denn Lebewohl, wie es Brauch war, einer die Hände auf des andern Schultern legend und sich auf die Wange küssend, wobei de Lorche hinzufügte: »Ich gehe nach Marienburg oder an den Hof von Masovien, Du weißt also, daß Du mich da oder dort finden kannst. Dein Gesandter mag mir nur zwei Worte sagen: ›Lothringen – Geldern‹.«
»Gut,« antwortete Zbyszko, »ich gehe zu Skirwoillo, damit er Dir das Losungswort gebe, das alle Samogitier kennen und ehren.«
Er begab sich zu Skirwoillo. Der alte Heerführer gab das Losungswort und widersetzte sich auch dem Aufbruch Zbyszkos nicht, denn er wußte, um was es sich handelte. Er liebte den jungen Kämpen, war ihm dankbar für die letzte Schlacht und hatte zudem kein Recht, einen Ritter zurückzuhalten, der aus fremdem Lande war und sich nur aus eigenem Antriebe zu ihm gesellt hatte. Indem er daher Zbyszko für den bedeutenden, ihm geleisteten Dienst dankte, versorgte er ihn mit Nahrungsmitteln, die ihm in dieser verwüsteten Gegend von Nutzen sein konnten, und nahm mit dem Wunsche von ihm Abschied, ihn noch einmal im Leben bei einem großen, entscheidenden Kampfe mit den Kreuzrittern zu treffen.
Zbyszko aber war in Eile, ein inneres Feuer verzehrte ihn. Bei seinem Gefolge angelangt, traf er alles bereit und mitten unter den Mannen auch seinen Oheim schon zu Roß in einem Ringelpanzer, mit dem Helm auf dem Haupte. Sich ihm nähernd fragte er daher: »So wollt Ihr mit mir ziehen?«
»Was soll ich machen?« versetzte Macko etwas ingrimmig.
Darauf erwiderte Zbyszko nichts, er küßte nur die geharnischte Rechte seines Oheims, dann bestieg er sein Pferd, und sie ritten davon.
Unter ihrem Gefolge befand sich auch Sanderus. Zbyszko und sein Oheim kannten den Weg bis zum Schlachtfelde genau, aber von dort an sollte er ihnen als Führer dienen. Sie rechneten auch darauf, im Forste einheimische Bauern zu treffen und dachten, diese Leute, welche ihre Herren, die Kreuzritter, aus tiefster Seele haßten, würden ihnen beistehen, die Spur des alten Komturs und jenes Arnold von Baden zu verfolgen, von dessen übermenschlicher Kraft und Tapferkeit Sanderus so viel erzählt hatte.