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Sie hausten in ihrem Heim zu Moczydoly als ein glücklich verbundenes Paar, während der alte Ritter ihnen die Burg in Bogdaniec erbaute. Dieser Bau verursachte ihm viel Plage, denn er wollte die Grundmauern aus Kalksteinen, die Warte aus Ziegelsteinen aufführen lassen, die nur sehr schwer in dieser Gegend beschafft werden konnten.
Im Laufe des ersten Jahres wurde der Graben fertiggestellt, eine Arbeit, die dadurch unendlich erleichtert ward, weil die Anhöhe, auf welche der Bau zu stehen kommen sollte, schon früher, vielleicht noch in heidnischer Zeit, mit einem Graben umgeben worden war.
An zahlreichen Stellen brauchten daher nur die Bäume und die Weißdornhecken, die nach und nach aus dem uralten Zeiten entstammenden Graben emporgeschossen waren, entfernt und dieser etwas breiter und tiefer gemacht zu werden. Bei dieser Arbeit stießen die Leute auf eine so ergiebige Quelle, daß das Wasser sich rasch verbreitete und Macko einen Abfluß dafür herstellen lassen mußte. Nachdem der Wall mit einem Palissadenringe versehen war, ging der alte Ritter daran, das nötige Holz für den Bau auszuwählen, Eichenstämme, die so umfangreich waren, daß drei Männer sie nicht umspannen konnten, und Lärchenstämme, bei denen man annehmen durfte, daß sie weder unter dem Mörtelbewurfe, noch unter einer Bedeckung mit Rasenstücken faulen würden. Trotzdem ihm aber auch hiefür Leute sowohl aus Zgorzelic wie aus Moczydoly zur Verfügung standen, begann er erst nach einem Jahre mit der Errichtung des Gebälkes, die er jedoch dann um so eifriger betrieb, als Jagienka Zwillingen das Leben schenkte. Der Himmel schien sich vor dem alten Ritter aufzuthun! Jetzt wußte er, für wen er sich mühte, für wen er arbeitete, jetzt wußte er, daß das Geschlecht der »Grady« erhalten bleiben, daß das stumpfe Hufeisen auf dessen Wappen noch mehr als einmal von dem Blute eines Feindes bespritzt werde.
Die Zwillinge erhielten die Namen Macko und Jasko. »Das sind Bursche,« Pflegte der alte Ritter zu sagen, »die sind über alles Lob erhaben. In dem größten Königreiche findet man nicht zwei, die ihnen gleichkämen – und noch ist nicht aller Tage Abend.« Er umfaßte sie sofort mit unermeßlicher Liebe, aber Jagienka selbst galt ihm mehr als die ganze Welt. Wer sie vor ihm pries, der konnte alles bei ihm erreichen. Zbyszko wurde weit und breit seines Weibes halber beneidet, das ihm ja nicht nur großen Reichtum zugebracht hatte, sondern in solch herrlicher Schönheit erstrahlte, wie die schönste Blume auf weiter Flur. Wohl hatte ihr Ehegemahl eine reiche Morgengabe mit ihr bekommen, allein was wollte dies bedeuten gegen die heiße Liebe, die sie ihm schenkte, gegen ihre bezaubernde Schönheit, gegen ihre edeln Sitten und gegen eine Klugheit, derer sich mancher Ritter gar gern gerühmt hätte. Es fiel Jagienka nicht schwer, schon wenige Tage nach der Geburt der Zwillinge dem Hause wieder vorzustehen, mit ihrem Gatten zu jagen oder in der Frühe von Moczydoly nach Bogdaniec zu reiten, um gegen Mittag bei Macko und Jasko Zurück zu sein. War es daher nicht natürlich, wenn ihr Ehegemahl sie wie seinen Augapfel liebte, wenn sie der alte Macko liebte, wenn sie von den Bediensteten, für die sie ein menschliches Herz hatte, angebetet ward, und wenn an jedem Sonntag in Krzesnia bei ihrem Eintritt in die Kirche ein Gemurmel der Bewunderung entstand? Ihr früherer Freier, der händelsüchtige Cztan aus Rogow, welcher sich mit der Tochter eines Großbauern vermählt hatte und welcher nach der Messe fast regelmäßig die Schenke mit dem alten Wilk aus Brzozowa zu besuchen Pflegte, sagte oftmals, nachdem er schon etwas angetrunken war, zu jenem: »Mehr als einmal haben wir uns, Euer Sohn und ich, um ihretwillen die Köpfe blutig gehauen, denn jeder von uns wollte sie zum Weibe, doch eben so gut hätten wir versuchen können, den Mond vom Himmel zu holen.« Allerorts wurde die Meinung laut, eine zweite Frau wie sie könne nur an dem königlichen Hofe in Krakau gefunden werden. Abgesehen von ihrem Reichtum, von ihrer Schönheit und ihrem verfeinerten Wesen, erregten auch ihre unverwüstliche Gesundheit, ihre Kraft das größte Staunen, ja, es herrschte nur eine Stimme darüber, »daß es wohl außer ihr keine Frau gebe, die, mit der Heugabel bewaffnet, gegen einen Bären in den Wald ziehe und welche die Nüsse nicht mit den Zähnen aufbeiße, sondern sie auf den Tisch lege, um sie dann plötzlich mit der Hand in einer Weise zu zerdrücken, als ob sie von einem Mühlstein zermalmt worden wären.« Kurz, Jagienkas Lob verbreitete sich in dem Pfarrsprengel von Krzesnia, in den nahegelegenen Dörfern, ja, selbst in der Wojwodschaft Sieradz. Wie sehr aber nun auch Zbyszko beneidet ward, kein Mensch staunte darüber, daß er ein solches Weib errungen hatte, konnte sich doch keiner in der ganzen Umgegend solcher Kriegsthaten wie der junge Kämpe rühmen.
Die Jüngeren unter den neu- und altgeadelten Edelleuten erzählten sich allerlei Mären von den Deutschen, deren Seelen Zbyszko in den Schlachten unter Fürst Witold und in den Zweikämpfen auf festgetretener Erde »ins Jenseits befördert« hatte. Ihren Aussagen nach war ihm noch kein Gegner entronnen, hatte er nicht weniger als zwölf Ritter, darunter auch Ulryk, den Bruder des Großmeisters, in Marienburg aus dem Sattel gehoben, ja, sie behaupteten, er könne es mit jedem Ritter in Krakau aufnehmen, und selbst der unbesiegbare Zawisza Czarny sei ihm in Freundschaft zugethan.
Freilich gab es auch etliche, die all diese unglaublichen Mären anzweifelten, allein sobald die Frage auftauchte, wen man in der Umgegend zu wählen habe, sollte es zum Wettkampfe zwischen polnischen und fremdländischen Rittern kommen, so pflegten auch diese Zweifler zu sagen: »Keinen andern wie Zbyszko,« und erst in zweiter Linie kam der bärtige Cztan aus Ragow oder sonst einer der ansässigen Kämpen in Betracht, da diese alle, trotz ihrer Tapferkeit, in ritterlichen Künsten weit hinter dem jungen Erben aus Bogdaniec zurückstanden.
Außer durch seinen Ruhm gewann aber Zbyszko auch durch seinen Reichtum großes Ansehen unter den Nachbarn. Jagienka hatte ihm Moczydoly und das ihr von dem Abte zugefallene reiche Erbe in die Ehe gebracht. Dies war nun freilich nicht sein Verdienst, doch längst zuvor hatte er ja schon Spychow mit all den von Jurand angehäuften Schätzen besessen und zudem ging die Rede, daß allein die von den Rittern aus Bogdaniec gewonnene Beute an Rüstungen, Pferden, Gewändern und Kleinodien dazu ausreichen würde, drei oder vier Dörfer zu kaufen.
Man erblickte darin eine besondere Gnade Gottes gegen das im Wappen ein stumpfes Hufeisen führende Geschlecht der »Grady«, das noch vor ganz kurzer Zeit nichts sein Eigen genannt hatte, wie das verödete Bogdaniec und welches nun plötzlich zu solch großem Reichtum gelangt war. »Nach dem Brande ist in Bogdaniec nichts stehen geblieben wie das baufällige Haus,« pflegten die älteren Leute zu sagen, »und aus Mangel an Arbeitskräften mußte das Besitztum verpfändet werden – jetzt aber ist der Ritter Macko im stande, eine neue Burg zu errichten.« Wie groß aber das Staunen war, so gesellte sich ihm doch auch das instinktive Gefühl zu, daß das ganze Volk unaufhaltsam bedeutsamen Ereignissen entgegengetrieben werde, und daß sich alles nach dem Willen Gottes gestalten müsse. Die Bewunderung war daher auch nicht mit Neid gepaart, im Gegenteile, in der ganzen Umgegend schaute man mit Stolz auf die beiden Ritter aus Bogdaniec, welche als lebendiges Beispiel dafür dienen konnten, was ein Edelmann mit starkem Arme, mit tapferem Sinn und mit der Lust an Abenteuern auszurichten vermochte. Gar mancher fühlte sich durch die ihm gesetzten engen Grenzen innerhalb seines Heims und seines Heimatlandes bedrückt, wenn er sich die Erfolge Mackos und Zbyszkos vergegenwärtigte, und unwillkürlich drängte sich ihm der Gedanke auf, daß jenseits der Grenzen großer Reichtum, ausgebreitete Ländereien zu erringen seien, die er zum Ruhme für sich und für das Königreich gewinnen könne. Dieses Kraftbewußtsein, das allmählich in den einzelnen Geschlechtern erstarkte, teilte sich schließlich der Allgemeinheit mit, indem es sich ausbreitete wie das kochende Wasser, das in seinem Gefäße übersiedet. Was nützte es, wenn die klugen Herren in Krakau, wenn der friedliebende König diese Kraft noch für einige Zeit zu unterdrücken und den Krieg mit dem Erbfeinde noch auf lange Jahre hinauszuschieben suchten – keine Macht der Welt konnte dem Drängen des Volkes widerstehen, konnte das Ringen nach Größe eindämmen.