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Fünftes Kapitel.

Zbyszko führte seine Drohung, Bogdaniec zu verlassen, freilich nicht aus, aber nach Verlauf einer weiteren Woche fühlte er sich so sehr gekräftigt, daß es ihn auch nicht mehr länger auf dem Lager litt. Jetzt erklärte ihm Macko fortwährend, sie müßten sich vor allem nach Zgorzelic begeben, um Jagienka für die erwiesene Fürsorge zu danken. Demzufolge entschloß sich denn Zbyszko eines Tages, nachdem er sich noch zuvor durch ein Bad erfrischt hatte, den Wunsch seines Ohms zu erfüllen. Zu diesem Zwecke ließ er sich aus der Lade ein prächtiges Gewand reichen, das er mit seiner Alltagskleidung vertauschen wollte, und versuchte nun, sein Haar zu kämmen und zu ordnen. Doch dies ließ sich nicht so leicht bewerkstelligen, denn die Schwierigkeit lag nicht allein in der ungewöhnlichen Fülle der Haare, die dem jungen Kämpen gleich einer Mähne über Rücken und Schultern hingen. Im gewöhnlichen Leben pflegten zwar die Ritter ihre Haare in einem Netze zu tragen, das die Form eines Pilzes hatte, was in Kriegskünsten den Vorteil bot, daß die Helme nicht so schwer auf den Köpfen lasteten, dagegen bei Anlaß von Festlichkeiten, bei Vermählungsfeierlichkeiten oder vor dem Eintreffen in irgend einer Burg, in der sich ein Jungfräulein befand, suchten sie die kunstvoll gekräuselten Haare mittelst Eiweiß haltbar zu machen. Diese Sitte wollte nun auch Zbyszko nachahmen. Doch siehe da, die beiden aus der Gesindestube entbotenen Weiber zeigten sich außer stande, die für sie ungewohnte Aufgabe zu erfüllen. Das durch das Bad rauh gewordene Haar stand wie das Stroh eines schlecht gedeckten Hüttendaches nach allen Richtungen hin auseinander und wollte sich selbst nicht durch die von den Friesen erbeuteten, aus Büffelhorn gearbeiteten Kämme bändigen lassen, ja, sogar die Pferdestriegel nützten nichts, welche die eine der Frauen schließlich aus dem Stalle holte. Zbyszko begann allmählich ungeduldig zu werden, da trat unerwartet Macko mit der zu dieser Zeit selten erscheinenden Jagienka in die Stube.

»Gelobt sei Jesus Christus!« lautete der Gruß der Maid.

»In alle Ewigkeit!« antwortete Zbyszko, dessen Antlitz plötzlich strahlte. »Traun, welch merkwürdiger Zufall! Gerade trafen wir die nötigen Vorbereitungen, um Dich aufzusuchen, und nun bist Du hier.«

Mit vor Freude glänzenden Augen saß er nun da, denn so war es stets mit ihm: sobald er sie erblickte, ward ihm so froh zu Mute, als ob er plötzlich die aufgehende Sonne erschaue.

Kaum hatte indessen Jagienka die mit dem Kamme in der Hand ratlos dastehenden Frauen gesehen, kaum hatte sie die auf der Bank neben Zbyszko liegenden Pferdestriegel, sowie dessen nach allen Richtungen auseinander stehenden Haare wahrgenommen, so brach sie in lautes Lachen aus.

»Fürwahr, wie ein Strohwisch, wie ein Strohwisch siehst Du aus!« erklärte sie noch immer lachend, wobei ihre schönen, weißen Zähne zwischen den Korallenlippen sichtbar wurden. »Man könnte Dich in ein Hanffeld oder zwischen Kirschenbäume setzen, um die Vögel zu verscheuchen.«

Zbyszkos Antlitz verdüsterte sich plötzlich und er erwiderte: »Wir trafen Anstalten, Dich in Zgorzelic aufzusuchen. Deinem Gast in Zgorzelic würdest Du wahrlich nicht in solcher Weise begegnen, hier aber magst Du über mich spotten soviel Du willst, denn, bei meiner Treu, Du spottest nur zu gern über mich.«

»Ich über Dich spotten!« rief Jagienka aus. »Ei, barmherziger Gott! Um Dich und Deinen Ohm zum Abendbrote zu mir zu laden, bin ich hierher gekommen, und ich lache nicht über Dich, sondern über diese Frauen. Wenn ich an deren Platz stünde, wüßte ich mir besser Rat.«

»Dazu würdest Du Dich doch nie verstehen.«

»Wer kräuselt denn Jaskos Haar?«

»Jasko ist Dein Bruder!« warf jetzt Zbyszko ein.

»Freilich, das ist wahr!«

Nun entschloß sich der alte und erfahrene Macko, den beiden zu Hilfe zu kommen.

»Wenn sich in irgend einem Geschlechte der edelgeborene Knabe nach der Wehrhaftmachung die Haare wachsen läßt, ordnet sie ihm die Schwester, kommt er in das reifere Alter, dann tritt an die Stelle der Schwester das Eheweib, und besitzt ein Ritter weder Eheweib noch Schwester, so leistet ihm eine edelgeborene Maid diesen Dienst, ob sie ihm nun blutsverwandt sei oder nicht.«

»Besteht in der That eine solche Sitte?« fragte Jagienka, die Augen niederschlagend.

»Ja, und diese Sitte herrscht nicht nur auf den Edelsitzen und in den Burgen, sondern selbst an dem Hofe des Königs!« versetzte Macko. »Ihr beide,« wandte er sich hierauf an die Weiber, »könnt in die Gesindestube zurückkehren, da Ihr hier doch nichts zu thun habt.«

»Laßt mir durch sie heißes Wasser bringen!« bat jetzt Jagienka.

Macko verließ mit den Frauen die Stube, um darauf zu achten, daß das Gewünschte rasch besorgt werde, und nachdem das heiße Wasser gebracht worden war, blieben die beiden jungen Menschenkinder allein. Jagienka machte sofort ein Tuch naß, befeuchtete damit das starke Haar Zbyszkos, das durch den feuchten Dampf geschmeidig wurde, und setzte sich dann mit einem Kamme in der Hand auf die Bank, um ihr Werk zu beginnen.

Und so saßen sie nun, Seite an Seite, beide über die Maßen schön, beide von heißer Liebe zu einander entbrannt, aber beide verwirrt und schweigsam. Jagienka begann schließlich, die Arme erhebend, Zbyszkos goldblondes Haar zu kämmen, dieser aber erbebte an allen Gliedern als sie ihm so nahe kam, und mußte seine ganze Willenskraft aufbieten, um die geliebte Maid nicht zu umfassen und an seine Brust zu drücken.

Nichts war hörbar als das schwere, rasche Atmen der beiden.

»Bist Du krank?« fragte endlich Jagienka, das Schweigen brechend. »Was versetzt Dich denn in solche Erregung?«

»Nichts!« entgegnete der junge Ritter.

»Weshalb atmest Du dann so schwer?«

»Ich höre auch Deine mühsamen Atemzüge.«

Und wieder verstummten die beiden. Jagienkas Wangen glühten, fühlte sie doch, daß Zbyszkos Blick unaufhörlich auf ihr haftete. Dies ward ihr allmählich geradezu peinlich und so fragte sie abermals: »Warum blickst Du mich so eigentümlich an?«

»Ist es Dir lästig?«

»Nein, lästig ist es mir nicht. Ich frage Dich ja nur.«

»Jagienka!«

»Was willst Du?«

Zbyszko holte tief Atem, seufzte und bewegte immer wieder vergeblich die Lippen, um etwas zu sagen, allein es gebrach ihm offenbar an Mut dazu, denn er wiederholte nur: »Jagienka.«

»Was willst Du?«

– – – – – –

»Ich möchte Dir etwas sagen. Doch ich ängstige mich zu sehr.«

»Weshalb denn? Ich bin kein Drache, sondern ein einfaches Mägdlein.«

»Fürwahr, ein Drache bist Du nicht! Doch der Ohm Macko deutete mir an, daß er Dich erwählt habe!«

»Freilich hat er mich erwählt, aber nicht für sich selbst!« rief nun Jagienka, hielt aber dann plötzlich inne, wie erschreckt über ihre eigenen Worte.

»Bei dem barmherzigen Gotte! Meine Jagus! Und was denkst Du darüber, Jagus?« schrie Zbyszko auf.

Da füllten sich Jagienkas Augen mit Thränen, ihre Lippen begannen zu beben und sie erwiderte mit einer so leisen Stimme, daß Zbyszko sie kaum verstehen konnte: »Es war der Wunsch meines Väterchens, der Wunsch des Abtes – und ich – nun – Du weißt es ja!«

Diese Worte erregten eine unaussprechliche Wonne in Zbyszkos Herz. Mit seiner Selbstbeherrschung war es zu Ende. Er umfaßte die Maid und, sie wie eine Feder emporhebend, rief er ganz fassungslos vor Glück: »Jagus! Jagus! Du mein alles. Du meine Sonne! Hei! hei!«

Und er schrie dermaßen, daß der alte Macko, in der Meinung, es sei ein Unglück geschehen, in die Stube gestürzt kam. Als er indessen Jagienka in den Armen seines Bruderssohnes erblickte, ward er von Staunen darüber ergriffen, daß sich alles so unerwartet rasch abgewickelt hatte, und rief: »Im Namen des Vaters und des Sohnes! Mäßige Dich, Bursche!«

Blitzschnell eilte Zbyszko auf seinen Ohm zu und ließ dann Jagienka zur Erde gleiten. Beide wollten sich hierauf vor dem alten Ritter auf die Knie werfen, doch bevor sie ihre Absicht ausführen konnten, hatte sie jener mit seinen sehnigen Armen umfaßt, und sie mit aller Macht an seine Brust drückend, sagte er voll Rührung: »Gelobt sei Gott! Wohl hoffte ich, daß es so kommen werde, allein trotzdem überwältigt mich die Freude. Gott segne Euch! Nun kann ich ruhig sterben. Dies Mägdlein ist dem reinsten Golde zu vergleichen. Vor Gott und der Welt will ich es bezeugen. Nun lasse ich geduldig alles über mich ergehen, nun, da mir solch ein Glück zu teil geworden ist. Gott hat uns zwar schwer geprüft, aber Gott hat uns nun auch Trost verliehen. Wir müssen uns sofort nach Zgorzelic begeben. Jasko soll gleich alles erfahren. Hei! wenn jetzt der alte Zych noch lebte! Und der Abt! Doch ich werde bei Euch die Stelle beider vertreten, denn ich liebe Euch so unendlich, daß ich mich schäme, davon zu sprechen.«

Wenn nun auch im Laufe der Jahre durch das Leben das Herz des alten Ritters hart geworden war, überkam ihn jetzt doch eine solche Rührung, daß er kaum mehr zu reden vermochte. So küßte er denn Zbyszko und dann Jagienka auf beide Wangen, indem er mit von Thränen erstickter Stimme stammelte: »So süß wie Honig ist die Maid!« um gleich darnach die Stube zu verlassen.

Die Pferde sollten gesattelt werden, deshalb wollte er sich in den Stall begeben. Er war indessen so von Freude berauscht, daß er, wie ein Trunkener dahin taumelnd, gegen die Sonnenblumen stieß, die vor dem Hause wuchsen.

»Traun,« sagte er zu sich selbst, während er auf die dunkeln mit goldenen Blättern umrahmten Scheiben blickte, »traun, gar reich sind sie an Frucht, doch wenn es Gottes Wille ist, werden sie von dem Geschlechte der Grady in Bogdaniec noch übertroffen werden.«

Sich dem Stalle zuwendend, fuhr er in seinen Betrachtungen fort. »Bogdaniec, die von dem Abte zugefallene Erbschaft, Spychow, Moczydoly,« murmelte er vor sich hin. »Gott weiß doch stets alles zum Guten zu lenken. Die Tage des alten Wilk sind gezählt und Brzozowa ist wohl eines Kaufes wert – mit seinen trefflichen Wiesen.«

Inzwischen waren auch Jagienka und Zbyszko aus dem Hause getreten, fröhlich, glücklich, strahlend wie die Sonne.

»Ohm!« rief Zbyszko schon von weitem.

Der alte Ritter wandte sich um, streckte die Arme aus, wie er im Walde zu thun Pflegte, und rief: »Kommt her zu mir!«

– – – – – –


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