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Siebentes Kapitel.

Macko und Zbyszko hielten sich lange umfangen, waren sie sich doch stets in zärtlicher Liebe zugethan gewesen, hatten sie sich doch durch die in den letzten Jahren gemeinsam erlebten Schicksale noch inniger an einander angeschlossen. Gleich bei dem ersten Blicke auf seinen Bruderssohn erriet der alte Ritter, daß Danusia nicht mehr unter den Lebenden weilte. So stellte er denn auch keinerlei Fragen, nein, er zog nur Zbyszko fest an seine Brust, wie wenn er damit sagen wolle, der junge Ritter dürfe sich nicht verwaist fühlen, er, sein Ohm, sei ihm ja nahe und sei bereit, alles Leid mit ihm zu tragen.

Erst nach langem Schweigen, nachdem sich ihr Schmerz etwas gelegt hatte, nachdem ihre Thränen versiegt waren, fragte Macko: »Ist sie von neuem ergriffen worden, oder starb sie in Deinen Armen?«

»Sie ist in meinen Armen, nicht weit von Spychow verschieden!« entgegnete Zbyszko.

Und wiederum weinend und schluchzend, schilderte Zbyszko das Ende seines jungen Weibes. Aufmerksam lauschte ihm Macko und fragte schließlich abermals: »Lebt Jurand noch?«

»Als ich Spychow verließ, befand sich Jurand noch am Leben, doch inzwischen wird er wohl das Zeitliche gesegnet haben, und ich glaube kaum, daß ich ihn wiedersehen werde.«

»Hättest Du vielleicht nicht besser daran gethan, in Spychow zu bleiben?«

»Mußte ich mich denn nicht Euretwegen aufmachen?«

»Einige Wochen früher oder später, was hätte dies zu bedeuten gehabt?«

Zbyszko betrachtete aber jetzt aufmerksam seinen Ohm und sagte: »Ihr scheint krank gewesen zu sein! Ihr schaut wie Piotrawin aus.«

»Wohl möglich; denn wenn auch die Sonne die Erde wärmt, unter der Erde ist's stets doch kalt, unter der Erde ist's gar feucht, sind doch alle diese Burgen von Wasser umgeben. Mich dünkte, der Moder werde mich zu Grunde richten. In der schlechten Luft vermochte ich kaum zu atmen, und infolge all dieser Leiden brach meine Wunde wieder auf, die Wunde, weißt Du, welche in Bogdaniec durch Biberfett geheilt worden ist.«

»Ganz genau erinnere ich mich dessen,« erklärte Zbyszko. »Jagienka und ich, wir sind ja auf die Biberjagd gegangen. Hat Euch denn diese Hundsbrut hier in einem unterirdischen Kerker gefangen gehalten?«

Macko neigte bejahend das Haupt, indem er erwiderte: »Um die Wahrheit zu gestehen, sie waren nicht sehr erbaut bei meinem Anblick, und recht schlimm ist's mir ergangen. Die Kreuzritter hassen freilich Witold und die Samogitier unendlich, noch mehr hassen sie aber alle von unserm Volke, welche jenen beistehen. Was nützte es mir, daß ich die Gründe darzulegen suchte, die uns nach Samogitien geführt hatten? Am liebsten hätten sie mir den Kopf abgehauen, und wenn sie es unterlassen haben, geschah es nur deshalb, weil sie des Lösegeldes nicht verlustig gehen wollten. Du weißt ja, Geld geht ihnen über die Rache, und außerdem wollten sie den Beweis in Händen haben, daß König Jagiello den Heiden beisteht. Daß sich die unglücklichen Samogitier nach der Taufe sehnen, dabei aber nichts mit den Deutschen zu thun haben wollen, dies ist uns allen bekannt, die wir in Samogitien gewesen sind, die Kreuzritter leugnen dies jedoch nicht nur, sondern sie verleumden das bedauernswerte Volk an allen Höfen, sie verleumden unsern König Jagiello.«

Hier mußte Macko, offenbar von heftigen Schmerzen gequält, innehalten, und erst nach einigen Minuten fuhr er, tief Atem holend, wieder fort: »Wenn es noch lange gedauert hätte, wäre ich in dem unterirdischen Kerker zu Grunde gegangen. Arnold von Baden trat freilich für mich ein, wollte er doch des Lösegeldes nicht verlustig gehen, doch Arnold hat hier keinen Einfluß, von allen wird er als ein ungeschlachter Mensch betrachtet. Zum Glücke hörte de Lorche durch Arnold von mir und schlug sofort Lärm. Dir wird er wohl nichts davon gesagt haben, denn traun, er liebt es nicht, viele Worte über seine Thaten zu verlieren. Großes Ansehen genießt er jedoch unter den Kreuzrittern, einesteils weil in früheren Zeiten schon ein de Lorche eine hohe Würde in dem Orden bekleidet hat, andernteils weil er selbst großen Reichtum besitzt und einem mächtigen Geschlechte entstammt. Er wurde nicht müde, darauf hinzuweisen, daß er unser Gefangener gewesen ist, und daß es ihm auch das Leben kosten würde, wenn sie den Tod über mich verhängten, oder wenn ich infolge von Hunger und Kälte stürbe, ja, er drohte dem Kapitel sogar, er werde an allen westlichen Höfen verkünden, auf welche Weise der Orden gegürtete Ritter behandle. Dies machte doch Eindruck und ich ward in ein Hospital überführt, wo ich bessere Nahrung erhielt, wo ich immerhin reinere Luft einatmete.«

»Nicht ein einziges Geldstück werde ich von de Lorche nehmen, so wahr mir Gott helfe.«

»Gern nimmt man von dem Feinde das Lösegeld, aber einen Freund zu plündern, ziemt sich nicht,« warf nun Macko ein. »Doch wie ich hörte, ist mit dem König ein Abkommen getroffen worden. Du wirst daher wohl kaum Lösegeld für mich entrichten müssen.«

»Traun, und unser Ritterwort?« fragte Zbyszko; »Abkommen oder nicht Abkommen – Arnold könnte uns der Treulosigkeit zeihen.«

Als Macko diese Worte vernahm, wurde er sehr nachdenklich, und erst nach einer Weile hub er wieder an: »Vielleicht könnte aber das Lösegeld herabgesetzt werden.«

»Wir haben unsern Wert ja selbst bestimmt. Hat er sich etwa inzwischen verringert?«

Jetzt wurde Macko noch nachdenklicher, schaute aber trotzdem voll Bewunderung, voll Liebe auf seinen Bruderssohn.

»Er hält etwas auf seine Ehre – dieser Zug ist ihm angeboren!« murmelte er vor sich hin.

Als Macko indessen mehrmals tief aufseufzte, schrieb Zbyszko dies dem Bedauern über die große Summe Geldes zu, die an Arnold ausbezahlt werden, sollte und meinte: »Ihr wißt doch, daß wir jetzt über große Reichtümer gebieten – wenn nur unser Los ein glücklicheres wäre!«

»Gott wird für Dich noch alles zum Guten gestalten!« erklärte nun der alte Ritter in bewegtem Tone. »Mein Leben kann ja nicht mehr von langer Dauer sein.«

»Wie könnt Ihr so sprechen! Laßt nur erst wieder einmal den Wind um Euch wehen, dann werdet Ihr bald wieder vollständig gesunden.«

»Den Wind? Der Wind biegt ein junges Bäumchen darnieder, einen alten Baum bricht er.«

»Ach was! Euere Knochen sind noch alle heil, und ein Greis seid Ihr noch lange nicht! Sorgt Euch nur nicht!«

»Lachen wollte ich, wenn Du Dich glücklich fühltest. Allein ganz abgesehen davon, habe ich noch einen andern Grund zum Kummer, ja, um die Wahrheit zu sagen, nicht allein ich, nein, wir alle, alle haben Grund zum Kummer.«

»Sprecht, was meint Ihr damit?« fragte Zbyszko in eifrigem Tone.

»Erinnerst Du Dich, wie ich Dir in Skirwoillos Lager Vorwürfe machte, weil Du die Macht des Ordens so sehr rühmtest? Unerschütterlich stehen zwar unsere Leute in der Schlacht, davon bin ich überzeugt; seitdem ich indessen die Macht und die Stärke dieser Hundsbrut in der Nähe gesehen habe ...«

Hier dämpfte Macko seine Stimme, wie aus Furcht, es könne ihn jemand hören, dann fuhr er fort: »Seitdem weiß ich, daß Du recht hattest, daß ich in einer Täuschung befangen gewesen bin. Gott möge uns schützen, unermeßlich ist ihre Macht, ihre Stärke! Unsere Ritter lechzen freilich geradezu darnach, sich mit den Deutschen zu messen, allein sie wissen nicht, daß alle Völker, daß alle Könige dem Orden Hilfe leisten, sie wissen nicht, über welchen Reichtum, über welche Hilfsmittel die Kreuzritter verfügen, wie stark deren Burgen, wie trefflich deren Kriegswaffen sind. Gott schütze uns! Sowohl bei uns wie auch hier prophezeit man den Krieg und es wird sicherlich dazu kommen, doch wenn es dazu kommt, dann möge sich Gott unseres Königreiches und unseres Volkes erbarmen!«

Nach diesen Worten stützte er die Ellbogen auf die Knie, barg sein graues Haupt in die Hände und versank in Schweigen.

»Traun!« hub aber nun Zbyszko nach einigen Minuten zu sprechen an, »traun, jetzt habt Ihr Euch überzeugt, daß, wenn auch unsere Mannen im Einzelkampfe den Kriegsleuten der Kreuzritter überlegen sind, ein Krieg mit dem Orden doch sehr zu überlegen wäre.«

»Hei, so ist es in der That!« entgegnete hieraus Macko. »Wenn nur die Gesandten des Königs vorsichtig zu Werke gehen, wenn nur besonders Zindram alles wohl bedenkt.«

»Ich bemerkte sehr wohl, welche Niedergeschlagenheit sich seiner nach und nach bemächtigte. Er versteht sich gar gut auf die Kriegskunst, und wie man sagt, soll keiner wie er so geschickt in der Schlacht zu kämpfen verstehen.«

»Ist dies der Fall, so wird vielleicht der Krieg vermieden.«

»Sobald die Kreuzritter sich ihrer Uebermacht bewußt werden, kommt es sicherlich zum Kriege, doch ich gestehe Euch, mein Wunsch ist es, daß uns Gott auf die eine oder auf die andere Weise eine Entscheidung schicken möge, denn in fortwährender Ungewißheit zu leben, ist unerträglich.«

»Große Gefahr droht unserem edlen Königreiche,« ließ sich jetzt Macko vernehmen, als er bemerkte, wie sehr Zbyszko von seinem eigenen Leide, von dem Mißgeschick der Allgemeinheit darniedergebeugt ward, »und ich sehe darin die Strafe Gottes für unsern Uebermut. Gedenkst Du noch der Zeit, in der unsere Ritter vor der Kathedrale zu Krakau – Du solltest enthauptet werden und kamst dann doch mit dem Leben davon – Tamerlan zum Kampfe fordern wollten, Tamerlan, den Gebieter über vierzig Königreiche, der einen Berg aus Menschenhäuptern auftürmte! Nein, sie begnügten sich nicht damit, die Kreuzritter zu fordern, gegen alle Gegner sollte es sofort losgehen! Durch eine solche Ueberhebung aber verletzten sie die Gebote Gottes!«

Kaum hatte Macko jedoch jene Krakauer Zeit erwähnt, so fuhr sich Zbyszko, von Schmerz überwältigt, mit beiden Händen in sein langes, goldblondes Haar, und schrie verzweifelt auf: »Und wer hätte mich aus der Hand des Henkers gerettet, wenn sie nicht gewesen wäre! O Jesus! Meine Danusia! O Jesus!«

Und er raufte seine Haare, ja, er grub seine Zähne in die geballten Fäuste, um den gewaltigen Schmerz zu unterdrücken, der seinen ganzen Körper erschütterte.

»Vertraue auf Gott, fasse Dich, Bursche!« rief Macko. – »Komme zu Dir, bezwinge Dich! Gieb Dich nicht allzusehr Deinem Schmerze hin.«

Doch es dauerte geraume Zeit, bis der junge Ritter sich zu fassen vermochte, ja, er wurde erst dann wieder vollständig Herr seiner selbst, als der schwer leidende Macko plötzlich auf seinen Füßen schwankte und völlig bewußtlos auf die Bank niederfiel. Rasch bettete nun Zbyszko den Ohm auf dessen Lager flößte ihm von dem Weine ein, den der Komtur der Burg geschickt hatte, und legte sich erst selbst zur Ruhe, nachdem der alte Ritter fest eingeschlummert war.

Am nächsten Morgen erwachten beide frischer und gestärkter.

»Traun,« meinte Macko, »meine Zeit scheint noch nicht gekommen zu sein, und ich glaube jetzt auch, daß ich mein Ziel erreichen werde, wenn in Wald und Feld mich erst wieder der Wind umweht.«

»Die Gesandten gedenken noch einige Tage hier zu verweilen,« erklärte Zbyszko, »da sich Leute bei ihnen eingestellt haben, mit der Bitte um Auswechslung von Gefangenen, welche in Masovien oder Groß-Polen einfach auf den Straßen ergriffen worden sind. Wir aber können uns auf den Weg machen, wenn Ihr wollt, so Ihr Euch kräftig genug dazu fühlt.«

In diesem Augenblick trat Hlawa ein.

»Weißt Du, wo die Gesandten jetzt sind?« fragte ihn Macko.

»Sie besichtigen die Kirche und das Hochschloß,« antwortete der Böhme. »Der Komtur der Burg führt sie selbst umher. Später begeben sie sich in das Haupt-Refektorium zu dem Mahle, zu dem der Großmeister auch Euch, wohledle Herren, bitten läßt.«

»Was hast aber Du seit dem frühen Morgen gethan?«

»Ich habe mir das Fußvolk der Deutschen, ihre Söldlinge angesehen, die von einem Hauptmann eingeübt wurden, und habe sie mit unserem böhmischen Fußvolke verglichen.«

»Erinnerst Du Dich denn noch an die böhmischen Mannen?«

»Wohl war ich ein ganz junger Fant, als mich der Ritter Zych aus Zgorzelic gefangen nahm, trotzdem ist mir noch alles in guter Erinnerung, denn von frühester Jugend an beachtete ich all diese Dinge.«

»Nun, und was hältst Du von dem deutschen Fußvolke?«

»Viel und auch nicht viel! Das Fußvolk der Deutschen ist zwar tüchtig und trefflich eingeschult, aber diese Mannen sind den Ochsen, unsere Böhmen den Wölfen zu vergleichen. Kommt es zum Zusammenstoße – nun, Ihr wohledle Herren wißt ja selbst am besten, daß Ochsen keine Wölfe aufzufressen pflegen, daß hingegen für Wölfe die Ochsen einen gar verlockenden Fraß bilden.«

»Das ist die Wahrheit,« bemerkte nun Macko, der augenscheinlich darüber unterrichtet war, »ein jeder, der einem von Deinem Volke etwas anhaben will, der zieht sich, wie vor einem Stachelschweine, nur zu bald wieder zurück.«

»In der Schlacht wiegt zudem ein Ritter zu Pferde zehn Mann Fußvolk auf!« warf hier Zbyszko ein.

»Doch nur durch Fußvolk kann Marienburg genommen werden!« antwortete Hlawa.

Das Gespräch nahm aber nun mit einemmale eine andere Wendung, da Macko, seinem eigenen Gedankengange folgend, also anhub:

»Höre, Hlawa! Noch heute machen wir uns, so meine Besserung anhält, auf die Fahrt!«

»Und wohin soll's gehen?«

»Wohin denn sonst, als nach Masovien, als nach Spychow!« rief der junge Ritter.

»Um dort zu bleiben?«

Nun schaute Macko fragend auf seinen Bruderssohn, war doch bis jetzt zwischen ihnen auch nicht ein Wort über die Zukunft gewechselt worden. Zbyszko freilich hatte schon seine Entscheidung getroffen, da er indessen seinen Ohm nicht betrüben wollte, erteilte er diesem eine ausweichende Antwort, indem er sagte: »Zuvörderst müßt Ihr Euch völlig erholen.«

»Und was dann?«

»Dann kehrt Ihr nach Bogdaniec zurück. Ich weiß, wie sehr Euch Bogdaniec ans Herz gewachsen ist.«

»Und Dir vielleicht nicht?«

»Mir ist Bogdaniec unendlich teuer.«

»Ich will durchaus nicht sagen, daß Du von Jurand fern bleiben sollst,« Hub Macko nun bedachtsam an, »denn wenn er stirbt, muß ihm ein ehrenvolles Begräbnis werden. Doch Du bist jung, Dir fehlt noch die Erfahrung, darum achte auf meine Worte. Nur Unheil birgt für Dich Spychow. Was Dir an Glück zu teil geworden ist, an andern Orten hast Du es gefunden, nur Leid, nur Schmerz erlebtest Du in Spychow.«

»Ihr sprecht wahr, allein Danusias sterbliche Ueberreste befinden sich in Spychow.«

»Schweig still! schweig still!« rief Macko, von Furcht erfüllt, sein Bruderssohn könne wie am Tage vorher wieder aus Schmerz ganz außer sich geraten.

Allein dem war nicht so. Nur weiche Zärtlichkeit, nur Rührung malten sich auf den Gesichtszügen des jungen Ritters, als er nach einer kleinen Weile erwiderte: »Uns bleibt noch Zeit genug zum Ueberlegen. Ihr müßt ja doch in Plock rasten.«

»Dort wird es Euch nicht an Pflege fehlen, gnädigster Herr!« warf hier Hlawa ein.

»Gewiß nicht!« rief Zbyszko. »Wißt Ihr denn nicht, daß sich Jagienka in Plock befindet? Sie ist Hoffräulein bei der Fürstin Alexandra. Doch meiner Treu, das müßt Ihr wissen, denn Ihr brachtet sie ja selbst dahin. Und in Spychow ist sie auch gewesen. Heute noch setzt es mich in Staunen, daß Ihr mir nichts von ihr gesagt habt, als wir in Skirwoillos Lager zusammentrafen.«

»Nicht nur in Spychow ist sie gewesen, nein, ohne sie würde sich vielleicht Jurand noch immer mit seinem Stabe tastend den Weg suchen, oder wäre längst irgendwo an einem Zaum zu Grunde gegangen. Wegen der Hinterlassenschaft des Abtes, der sie zu seiner Erbin eingesetzt hat, brachte ich sie nach Plock, Dir aber sprach ich nicht von ihr, denn wenn ich es auch gethan hätte, würdest Du es doch nicht gehört haben. Du achtetest auf nichts zu jener Zeit, Du armer Bursche.«

»Sie ist Euch von ganzem Herzen zugethan!« ergriff nun Zbyszko wieder das Wort. »Gott sei gepriesen, daß wir keiner Briefe bedurften, durch ihre Vermittlung erhielt ich aber nicht nur von der Fürstin Alexandra, sondern auch durch die Fürstin von den Gesandten des Ordens verschiedene Schreiben mit Fürbitten für Euch.«

»Gott segne diese Maid!« warf Macko ein. »Fürwahr, keine bessere giebt es auf der ganzen Erde als sie.«

Die weitere Unterredung zwischen Ohm und Bruderssohn wurde durch Zindram und Powala unterbrochen, die von dem Schwächeanfall Mackos gehört hatten und sich nun einstellten, um sich nach dessen Befinden zu erkundigen.

»Gelobt sei Jesus Christus!« ergriff Zindram, die Schwelle überschreitend, das Wort. »Wie steht es heute mit Euch?«

»Gott lohne Euch Eure Anteilnahme. Es geht so langsam vorwärts. Zbyszko meint, meine Gesundheit werde sich sofort vollständig heben, wenn mich wieder der Wind, wenn mich ein frischer Luftzug umweht.«

»Das unterliegt ja keinem Zweifel. Ihr werdet rasch hergestellt sein. Alles wird sich zum Guten wenden!« erklärte Powala.

»Gar gut und gar lange habe ich geruht. Ihr, edle Herren, habt Euch aber, wie mir gesagt ward, sehr früh erhoben.«

»Zuerst hatten wir wegen Auswechslung der Gefangenen zu verhandeln,« entgegnete Zindram, »und dann ließen wir uns verschiedene Einrichtungen des Ordens erklären und besichtigten die Vorburg und die beiden andern Schlösser.«

»Treffliche Einrichtungen und trefflich befestigte Schlösser!« murmelte Macko vor sich hin.

»Da habt Ihr recht. Die Kirche ist gar schön mit Verzierungen in arabischer Weise ausgeschmückt, haben sich doch die Kreuzritter diese Kenntnisse, nach ihrer eigenen Aussage, bei den Sarazenen in Sicilien erworben; in den Schlössern aber befinden sich sogar besondere Gelasse, die, auf Pfeilern ruhend, entweder ganz allein für sich oder mit mehreren solcher Einzelgelasse zusammenstehen. Das Haupt-Refektorium werdet Ihr ja selbst zu sehen bekommen. Ein jeder Teil dieser Veste ist in seiner Art furchterregend, nirgendwo in der Welt findet sich etwas Aehnliches. Selbst die größte der Geschützkugeln würde solche Mauern nicht zu durchbohren vermögen. Bei meiner Treu, eine Lust ist es, all dies zu sehen.«

Zindram sprach in solch fröhlichem Tone, daß Macko, ihn voll Verwunderung anblickend, fragte: »Und ihren Reichtum, ihre Kostbarkeiten, ihr Kriegsvolk und die fremden Gäste, habt Ihr dies alles gesehen?«

»Sie führten uns überall umher, wie sie behaupteten aus Freundschaft, thatsächlich aber nur, um uns einzuschüchtern.«

»Traun, und was denkt Ihr?«

»Daß es uns Gott vergönnen wird, sie beim Ausbruche eines Krieges weit fort von hier zu treiben, weit fort über die Berge und über die Meere – dahin, woher sie gekommen sind.«

Seine Leiden vergessend, sprang Macko voll Staunen empor.

»Wie meint Ihr das, o Herr?« fragte er. »Die Leute sagen, Ihr besäßet einen scharfen Verstand. Was mich betrifft, mir wurde es schlimm zu Mute, als ich mich von der gewaltigen Macht des Ordens überzeugte. Beim barmherzigen Gotte, was berechtigt Euch zu dieser Hoffnung?«

Hieraus wendete er sich an seinen Bruderssohn.

»Zbyszko,« sagte er, »laß von dem Weine bringen, der uns geschickt ward. Nehmt Platz, Ihr Herren, und leistet uns noch eine kleine Weile Gesellschaft, denn wahrlich, ein besseres Mittel für meine Heilung als ein Gespräch mit Euch könnte kein Arzt ausdenken.«

Zbyszko, der auch voll Spannung Zindrams weiterer Rede entgegensah, stellte selbst den Wein und etliche Becher auf den Tisch, und nachdem sich alle niedergelassen hatten, hub Zindram also an: »Diese Beste kann mir keine Furcht einflößen, denn was von Menschenhänden errichtet ward, das kann von Menschenhänden auch wieder zerstört werden. Ihr wißt doch, womit die Ziegelsteine zusammengehalten werden? Durch Mörtel! Wißt Ihr aber was ein Volk zusammenhält? Die Liebe!«

»Bei den Wundmalen des Heilandes, von Euren Lippen fließt eitel Honig!« rief jetzt Macko aus.

Hocherfreut über dieses Lob, fuhr Zindram nach kurzer Pause fort: »Gar mancher aus den hier seßhaften Geschlechtern schmachtet bei uns in Fesseln, von dem befindet sich ein Bruder oder ein Sohn, von jenem irgend ein anderer Blutsverwandter oder ein Eidam bei uns in Gefangenschaft. Ihr wißt ja, daß die Komture an der Grenze beständig ihre Leute gegen uns auf Raub aussenden, was Wunder also, daß viele erschlagen werden, daß viele in unsere Gefangenschaft geraten. Seitdem aber die Leute hier von dem Abkommen zwischen dem Großmeister und dem Könige in Betreff der Auswechslung der Gefangenen gehört haben, stellen sie sich schon am frühen Morgen bei uns ein und nennen uns die Namen der Gefangenen, die dann von dem Schreiber niedergeschrieben werden. Als erster kam ein Böttcher, der, von Geburt ein Deutscher, als reicher Bürger in Marienburg ein Haus besitzt und der zum Schlüsse also sprach: ›Gern würde ich meinen Reichtum, gern würde ich selbst mein Leben dahingeben, wenn ich damit Eurem Könige, Eurem Königreiche nützen könnte.‹ Rasch schickte ich ihn hinweg, hielt ich ihn doch für einen Judas. Da, bald nach ihm, erschien ein Weltgeistlicher aus der Nähe von Oliva, um seinen Bruder frei zu bitten, und auch er ließ sich also vernehmen: ›Ist es wahr, o Herr, daß Ihr mit unsern preußischen Gebietern den Krieg beginnt? denn seht, ein jeder, der hier sagt: dein Reich komme – der denkt in seinem Innern an Euern König.‹ Und es kamen zwei Edelleute wegen ihrer Söhne, zwei Edelleute, die auf ihren Lehngütern, nahe bei Stuhm leben, es kamen Handelsleute aus Danzig, es kamen Handwerker, es erschien ein Glockengießer aus Marienwerder, kurz, eine Unzahl der verschiedensten Menschen suchte uns heim, und alle, alle sagten sie das Gleiche.«

Hier hielt der Herr aus Maszkowice inne, und sich erhebend, eilte er an die Thüre, um sich zu vergewissern, daß kein Lauscher nahe sei. Dann erst fuhr er, auf seinen Platz zurückgekehrt, in gedämpftem Tone fort: »Schon seit langer Zeit suche ich mir Kunde über alles zu verschaffen. In ganz Preußen sind die Kreuzritter bei den Geistlichen, den Edelleuten, den Bürgern und den Bauern verhaßt. Aber nicht nur die hassen sie, welche unsere, oder die Sprache der Preußen sprechen, nein, auch die Deutschen sind ihnen feindlich gesinnt. Fürwahr, wer dazu gezwungen wird, der tritt in ihre Dienste allein selbst ein Pestkranker erweckt den Abscheu nicht so sehr, als wie ein Kreuzritter. So steht die Sache.«

»Das mag wohl sein. Doch dies thut der Macht, der Stärke des Ordens keinen Abbruch!« bemerkte Macko ängstlich.

Mit der Hand über seine breite Stirn fahrend, sann Zindram eine Weile nach, gerade als ob er nach einem Vergleiche suche, und fragte dann: »Habt Ihr jemals innerhalb der Schranken gekämpft?«

»Gewiß, und mehr als einmal.«

»Traun, was denkt Ihr also? Wird nicht jeder Ritter, sogar der stärkste, aus dem Sattel fliegen, wenn man Sattelgurt und Steigbügel unter ihm zerschneidet?«

»So wahr ich lebe – ja!«

»Bei meiner Treu, merkt Ihr es jetzt? Der Orden ist ein solcher Ritter.«

»Bei Gott, so ist es!« rief Zbyszko. »Selbst in einer Schrift könnte dies nicht bestritten werden.«

Macko aber war so erregt, daß er mit zitternder Stimme sagte: »Gott lohne Euch! Für Euer Haupt, o Herr, muß der Waffenschmied einen ganz besondern Helm schmieden, denn keiner der vorhandenen Helme ist Eurer würdig.«


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