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Sechstes Kapitel.

Gegen die Mittagszeit am folgenden Tage stellten sich die beiden Abgesandten wieder bei Jurand ein und kurze Zeit darauf machten sie sich mit de Bergow, den zwei Knappen und etlichen andern Gefangenen auf die Heimfahrt. Jurand aber ließ Pater Kaleb zu sich entbieten, der an den Fürsten einen Brief des Inhalts schreiben mußte, Danusia sei nicht von den Ordensrittern geraubt worden, er, Jurand, werde jedoch ihren Aufenthaltsort erfahren und hege die Hoffnung, sie schon in wenigen Tagen wieder sehen zu können. Das gleiche teilte er auch Zbyszko mit, welcher sich in der verflossenen Nacht nicht mehr gekannt hatte vor Angst und Sorge. Soviel aber auch letzterer fragte, der alte Ritter erteilte keine Antwort, sondern erklärte nur, Zbyszko müsse sich in Geduld fassen und dürfe nichts zur Befreiung Danusias unternehmen, da dies ganz unnötig sei. Gegen Abend schloß er sich aufs neue mit Pater Kaleb ein, durch den er seinen letzten Willen niederschreiben ließ, um dann bei ihm zu beichten und das heilige Abendmahl zu empfangen. Erst spät beschied er Zbyszko und den alten, stets schweigsamen Tolima zu sich, der ihm bei allen Unternehmungen und Kämpfen ein treuer Gefährte war, und welcher in Friedenszeiten Spychow verwaltete.

»Sieh hier,« sagte, sich zu dem alten Edelmann wendend und die Stimme in einer Weise erhebend, die bewies, daß er zu einem schwerhörigen Menschen sprach, »sieh hier den Ehegemahl meiner Tochter, der mit ihr an dem fürstlichen Hofe getraut ward, und der meine Zustimmung erlangt hat. Nach meinem Tode wird er folglich der Herr über Spychow sein, er wird der Erbe der Burg, der Ländereien, der Wälder, der Sümpfe, der Leute, kurz all des Habes und Gutes sein, das sich in Spychow befindet ...«

Diese Worte versetzten Tolima in großes Staunen. Unablässig wendete er seinen unförmigen Kopf bald zu Zbyszko, bald zu Jurand. Allein er erwiderte nichts, sprach er doch nur ganz selten, dagegen neigte er sich schließlich vor Zbyszko und umfaßte dessen Knie.

Jurand aber fuhr fort: »Pater Kaleb hat meinen letzten Willen niedergeschrieben und dieses Schriftstück mit seinem Siegel aus Wachs versehen, Du aber sollst bezeugen, daß ich Dir dies alles mitgeteilt und Dir befohlen habe, diesem jungen Ritter ein ebenso offenes Ohr zu leihen, wie dies bei mir der Fall gewesen ist. Zeige ihm auch die Beute und das Geld, welche die Schatzkammer birgt, und diene ihm treu bis in den Tod in Friedenszeiten und in Kriegsläuften. Hast Du mich verstanden?«

Tolima legte die Hand ans Ohr, neigte bejahend das Haupt und verließ, von Jurand durch eine Handbewegung entlassen, rasch das Gemach. Letzterer jedoch redete nun in besonders eindringlichem Tone zu Zbyszko: »Für das, was sich in der Schatzkammer befindet, kann man, selbst wenn die Forderung noch so hoch gestellt sein würde, nicht nur einen, sondern hundert Kriegsgefangene loskaufen, dessen gedenke stets.«

»Weshalb habt Ihr mir jetzt schon Spychow verschrieben?« fragte Zbyszko.

»Etwas weit Kostbareres als Spychow habe ich Dir ja bereits überlassen – mein eigenes Kind.«

»Und unsere Todesstunde kennen wir nicht,« warf Pater Kaleb ein.

»Wahrlich, wir kennen sie nicht,« wiederholte Jurand in traurigem Tone. »Aus dem Schnee hat man mich ja erst vor kurzem herausgraben müssen, allein, wenn mir Gott auch einen Retter geschickt hat, die frühere Kraft besitze ich doch nicht mehr.«

»Beim Allmächtigen!« rief Zbyszko, »seit gestern Abend ist irgend etwas mit Euch vorgegangen! Statt von Danusia zu sprechen, redet Ihr vom Tode. Beim allmächtigen Gotte, was bedeutet das?«

»Danusia kehrt zu Dir zurück, sie kehrt zurück!« versetzte Jurand. »Sie steht in Gottes Hand. Sobald sie jedoch zurückgekehrt sein wird – hörst Du – bringe sie unverzüglich nach Bogdaniec. Spychow übergebe Tolima ... Er ist ein treuer Mann ... Hier ist eine schlimme Nachbarschaft ... Von dort wird niemand Dir Dein Weib gebunden hinwegführen ... Dort kannst Du sie vor Gefahr beschützen ...«

»Hei!« schrie nun Zbyszko auf, »Ihr sprecht ja gerade, als ob Ihr schon im Jenseits wäret! Was soll das heißen?«

»Viel hätte nicht mehr gefehlt, und ich wäre aus dieser Welt geschieden! Nun aber ist's mir, wie wenn mich eine Krankheit darnieder beugte. Der Gram ist's um das Kind – ich habe ja nur dies eine. Und Du, obwohl ich weiß, daß Du sie liebst ...«

Hier brach er plötzlich ab, zog das »Misericordia« aus der Scheide und hielt den Griff des kurzen Dolches seinem Eidam mit den Worten entgegen: »Du schwörst mir auf dieses Kreuz, daß Du ihr nie ein Unrecht zufügen, daß Du sie stets in Treuen lieben wirst.«

Dem jungen Ritter standen plötzlich Thränen in den Augen. Auf die Knie fallend und die Finger auf den Dolchgriff legend, rief er: »Bei den Wundmalen des Erlösers, nie werde ich ihr ein Unrecht zufügen, ewig werde ich sie in Treuen lieben!«

»Amen!« sprach der Priester Kaleb.

Das »Misericordia« wieder in die Scheide steckend, breitete Jurand nun die Arme gegen Zbyszko aus und sagte: »In unserer Liebe für dieses Kind sind wir ja eins.«

Dann trennten sie sich, denn es war schon spät geworden, und mehrere Nächte hindurch hatte keiner von ihnen rechten Schlaf gefunden. Trotzdem erhob sich Zbyszko am folgenden Morgen mit Tagesanbruch. Er konnte den Gedanken nicht los werden, Jurand sei krank, es drängte ihn daher, zu hören, wie der alte Ritter die Nacht verbracht habe.

Vor Jurands Gelaß traf er mit Tolima zusammen, der gerade aus der Thüre trat.

»Wie steht es mit dem Herrn? Ist er gesund?« fragte Zbyszko.

Jener verneigte sich tief, führte die Hand an das Ohr und bemerkte: »Was befiehlt Euer Gnaden?«

»Ich frage, wie es mit dem Herrn steht,« wiederholte Zbyszko mit erhobener Stimme.

»Der Herr hat eine Reise angetreten.«

»Wohin?«

»Ich weiß es nicht. Er ist bewaffnet.«


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