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Sie zogen zu Land von Kulm nach Graudenz, wo sie eine Nacht und einen Tag blieben, weil der Großmeister eine Streitfrage zu schlichten hatte, die wegen der Fischereigerechtigkeit zwischen den Burgstarosten des Ordens und den benachbarten Edelleuten, deren Gebiet an die Weichsel grenzte, entstanden war. Dann fuhren sie auf Barken den Fluß entlang nach Marienburg. Zindram aus Maszkowice, Powala aus Taczew und Zbyszko kamen nicht
von der Seite des Großmeisters, war doch letzterer gespannt darauf, was für einen Eindruck die gewaltige Macht der Kreuzritter, in der Nähe besehen, besonders auf Zindram hervorbringen werde. Konrad legte schon deshalb großes Gewicht auf das Urteil Zindrams, weil dieser nicht nur in allen Ritterspielen bekannt und berühmt war, sondern auch als ein außergewöhnlich hervorragender Krieger galt. Kein anderer Kämpe in dem ganzen Königreiche verstand es so wie er, große Kriegsheere zu leiten, die Scharen in Schlachtordnung zu stellen, Burgen erbauen und stürmen, Brücken über breite Flüsse schlagen zu lassen, kein anderer verstand sich so wie er auf die Waffen, auf die Kriegskunst der verschiedenen Völker. Von dem Gedanken ausgehend, daß Zindrams Ansicht in dem Rate des Königs viel gelte, glaubte der Großmeister den Krieg verzögern zu können, wenn es ihm gelingen werde, ersteren von dem unermeßlichen Reichtum, von der gewaltigen Kriegsmacht des Ordens zu überzeugen. Mußte denn nicht schon allein der Anblick von Marienburg das Herz jedes Polen mit Schrecken erfüllen, der Anblick dieser aus dem Hochschloß, dem Mittelschloß und der Vorburg Das völlige Verderben Marienburgs führte der Preußenkönig Friedrich II. herbei nach Niederwerfung der polnischen Republik. bestehenden Veste, mit der keine Burg auf der ganzen Erde auch nur annähernd verglichen werden konnte. Schon aus der Ferne, während sie die Nogat hinabführen, sahen die Ritter die mächtigen Basteien gen Himmel ragen. Der Tag war licht und klar, folglich traten die gewaltigen Bollwerke deutlich hervor, und als nach geraumer Zeit die Barken sich immer mehr ihrem Ziele näherten, da glänzten die Spitzen der Kirche über dem Hochschloß und den gigantischen, über einander getürmten Mauern hervor, die aus roten Ziegelsteinen aufgeführt, aber zum größten Teile mit der berühmten, grauweißen Tünche bestrichen waren, welche nur die Maurer des Ordens herzustellen verstanden. Solch wuchtige Bauwerke hatten die polnischen Ritter noch nie zuvor geschaut. Man hatte den Eindruck, als ob ein Bau aus dem andern hervorwachse, man staunte, inmitten dieser Ebene plötzlich einen Berg vor sich zu sehen, dessen Gipfel das Hochschloß, dessen Seiten das Mittelschloß und die Vorburg bildeten. Dieser riesenhafte Hort der streitbaren Mönche bot einen solch sprechenden Beweis für deren Stärke und Macht, daß sich sogar das düstere Antlitz des Großmeisters erhellte, als sein Blick darauf ruhte.
» Marienburg ex luto – das aus dem Sumpf emporgestiegene Marienburg!« bemerkte er, sich zu Zindram wendend, »doch keine menschliche Macht kann es zermalmen.«
Zindram erteilte keine Antwort; schweigend ließ er seine Augen über die Basteien und über die gewaltigen, durch ungeheure Eskarpen noch mehr befestigten Wälle schweifen.
Nach kurzer Pause fragte daher Konrad von Jungingen aufs neue: »Ihr Herren, die Ihr Euch auf solche Verschanzungen versteht, was sagt Ihr zu dieser Veste?«
»Sie scheint mir uneinnehmbar zu sein!« erwiderte der polnische Ritter wie in Nachdenken versunken, »aber –«
»Was aber? Was habt Ihr einzuwenden?«
»Daß jede Veste den Herrn wechseln kann.«
Der Meister schaute finster darein.
»In welchem Sinne meint Ihr das?«
»Kein Mensch kann Gottes Ratschlüsse und Fügungen erforschen.«
So sprechend, schaute Zindram abermals sinnend auf die Wälle, während ihm Zbyszko, dem Powala die Antwort verdolmetscht hatte, bewundernde und dankerfüllte Blicke zusandte und dabei von der ihm plötzlich auffallenden Aehnlichkeit zwischen Zindram und dem samogitischen Heerführer Skirwoillo in Staunen versetzt ward. Beide hatten ungewöhnlich große Köpfe, die tief zwischen den Schultern staken, beide zeichneten sich durch ihren gewaltigen Brustkasten, durch ihre krummen Beine aus.
Nun hub der Meister, welcher dem polnischen Ritter das letzte Wort nicht lassen wollte, von neuem also zu sprechen an: »Wie die Rede geht, soll unser Marienburg sechsmal größer sein als Wawel.«
»Auf Felsgestein hat man fürwahr nicht so viel Platz wie hier in der Ebene,« entgegnete der Herr aus Maszkowice, »bei uns in Wawel ist jedoch das Herz weit größer.«
Konrad zog die Brauen verwundert in die Höhe.
»Ich verstehe Euch nicht!« erklärte er.
»Was bildet denn das Herz von jeder Burg, wenn nicht die Kirche? Unsere Kathedrale in Wawel jedoch ist dreimal so groß wie Eure hier.«
So sprechend, deutete er auf die tatsächlich nicht sehr große Kirche Marienburgs, an der, in der Höhe des Presbyteriums, auf Goldgrund die aus Mosaik ausgelegte Kolossalfigur der heiligen Jungfrau prangte.
Ueber diese neue Wendung des Gespräches zeigte sich Konrad nicht sehr erbaut.
»Ihr seid stets mit raschen, aber gar seltsamen Antworten bereit, o Herr!« bemerkte er.
Mittlerweile hatten sie ihr Ziel erreicht. Durch die vortreffliche Wache des Ordens war offenbar sowohl in der Stadt, wie in der Burg die Kunde von der Ankunft des Großmeisters verbreitet worden, denn auf die Ankommenden harrten nicht nur eine Anzahl Brüder, sondern sie wurden auch von den Stadttrompeten empfangen, welche herkömmlicherweise den Großmeister stets bei seiner Ankunft mit Fanfaren begrüßten. An dem Ufer standen die Pferde bereit. Dieselben besteigend, ritten der Großmeister und dessen Gefolge durch die Stadt und durch das in der Nähe der Sperlings-Bastei gelegene Schusterthor in die Vorburg, an deren Portal der Großmeister abermals begrüßt ward. Hier hatten sich der Groß-Komtur Wilhelm von Helfenstein eingefunden, der indessen nur dem Titel nach diese Würde bekleidete, da seine Obliegenheiten schon seit Monden von dem gerade nach England entsandten Kuno Lichtenstein erfüllt wurden, sowie der Johanniter Konrad Lichtenstein, ein Blutsverwandter Kunos, dann Rumpenheim, der Großkämmerer, Burghard von Wobecke, der Großschatzmeister, und schließlich der Klein-Komtur, der die Aufsicht über die Werkstätten, über die Verwaltung der Burg zu führen hatte. Außer diesen Würdenträgern waren auch etliche geistliche Brüder anwesend, in deren Händen die Angelegenheiten der Kirche in Preußen lagen und die nicht nur andere Klöster schwer bedrückten, sondern sogar die Geistlichen von Pfarreien zu Wegarbeiten und zum Eisbrechen zwangen. Zu diesen geistlichen Brüdern hatten sich auch viele Laienbrüder gesellt – Ritter, die keine kirchlichen Vorschriften zu erfüllen hatten. Hochgewachsen und kraftstrotzend (der Orden nahm Schwächliche nicht auf), mit den breiten Schultern, den krausen Barthaaren und den ernsten Gesichtern glichen sie weit eher deutschen Raubrittern als Mönchen. Kühnheit, Hochmut und Hoffart sprachen aus ihren Blicken. Für Konrad waren sie nicht sehr eingenommen, wegen seiner Furcht vor einem Kriege mit dem gewaltigen Jagiello. Offen warfen sie ihm zuweilen in den Kapiteln seine Feigheit vor, ja, nicht genug daran, sie bemalten die Mauern mit seinem Bilde, sie stifteten allerlei Narrenspossen an, um ihn lächerlich zu machen. Jetzt aber neigten sie mit scheinbarer Demut das Haupt vor ihm, jetzt aber beeilten sie sich, Zügel und Steigbügel seines Rosses zu halten, befanden sich doch fremde Ritter in dem Gefolge des Meisters.
Vom Pferde steigend, wandte sich der Großmeister sofort zu Helfenstein.
»Ist Kunde von Werner von Teltingen eingetroffen?« fragte er, da dieser als Groß-Marschall oder Befehlshaber über die Streitmacht des Ordens auf einem Zuge gegen die Samogitier und Witold begriffen war.
»Entscheidendes ist nichts geschehen,« entgegnete Helfenstein, »doch gar viel Schaden ward angerichtet. Das Gesindel hat die Ansiedelungen in der Nähe von Ragneta und viele bei andern Burgen gelegene Städte niedergebrannt.
»Auf Gott setzen wir unser Vertrauen! In einer großen Schlacht kann ihre Widerspenstigkeit, ihre Verstocktheit gebrochen werden!« erklärte der Meister, indem er, die Augen gen Himmel erhebend, die Lippen in kurzem Gebete für den Sieg des kreuzritterlichen Heeres bewegte.
Dann deutete er auf die polnischen Ritter und sagte: »Diese hier, die Gesandten des Königs von Polen – der Ritter aus Maszkowice, der Ritter aus Taczew und der Ritter aus Bogdaniec – sind behufs Auswechslung der Gefangenen mit uns gekommen. Möge sie der Komtur der Burg in die für Gäste bestimmten Räume geleiten und sie bewirten und Sorge für sie tragen, wie es sich gebührt.«
Auf diese Worte hin richteten die Kreuzritter voll Neugierde ihre Blicke auf die Gesandten, vornehmlich jedoch auf Powala aus Taczew, dessen Ruhm als bewährter Kämpe etlichen von ihnen bekannt war. Diejenigen jedoch, welche nichts von dessen Thaten an dem burgundischen, an dem böhmischen und an dem polnischen Hofe wußten, bewunderten seine mächtige Erscheinung und ganz besonders sein Streitroß, das durch seine gewaltige Größe alle die, welche schon im heiligen Lande und in Aegypten gewesen waren, an Kamele und Elephanten erinnerte.
Wer aber von den Kreuzrittern Zbyszko erkannte, welcher ja seiner Zeit innerhalb der Schranken in Marienburg gekämpft hatte, der begrüßte ihn auf zuvorkommende Weise, indem er sich ins Gedächtnis zurückrief, wie ehrend und freundschaftlich diesem jungen Kämpen von Ulryk von Jungingen, dem einflußreichen und in dem Orden großes Ansehen genießenden Bruder des Großmeisters begegnet worden war. Doch nicht geringere Aufmerksamkeit, nicht weniger Staunen wurde durch den erweckt, der in nicht allzu ferner Zeit der furchtbarste Besieger des Ordens werden sollte, nämlich durch Zindram aus Maszkowice, denn nachdem er vom Pferde gestiegen war, hatte es durch die außergewöhnliche Gedrungenheit des Ritters und dessen hohe Schultern den Anschein, als ob er einen Höcker habe. Seine auffallend langen Arme und seine krummen Beine riefen auf dem Gesichte manch jüngeren Bruders ein Lächeln hervor, und einer von ihnen, ein bekannter Spottvogel, näherte sich ihm sogar in der Absicht, mit allerlei Stichelreden über ihn herzufallen, kaum sah er indessen in die Augen des Herrn aus Maszkowice, so verlor er jede Lust dazu und zog sich schweigend zurück.
Der Komtur der Burg bat nun die Gäste, ihm zu folgen. Er führte sie zuvörderst in einen nicht allzugroßen Vorhof, in dem sich außer einer Schule, einem alten Vorratshause und der Werkstätte eines Sattlers die Kapelle des heiligen Nikolaus befand, und erst dann traten sie, die Nikolaus-Brücke überschreitend, in die Vorburg ein. Während einer geraumen Zeit geleitete sie der Komtur zwischen gewaltigen Wällen hindurch, die da und dort mittelst größeren oder kleineren Bollwerken noch stärker befestigt waren. Zindram aus Maszkowice konnte alles um so genauer betrachten, als der Führer, ohne daß er darum gefragt worden wäre, den Zweck eines jeden Baues erklärte, offenbar von dem Wunsche beseelt, die Gäste über die kleinsten Einzelheiten zu unterrichten.
»Jenes ungeheuer große Gebäude, das Ihr rechts vor Euch liegen seht,« bemerkte er, »sind die Stallungen. Wir sind zwar arme Mönche, nichtsdestoweniger behaupten jedoch die Leute, anderswo seien sogar die Ritter nicht so gut untergebracht, wie bei uns die Pferde.«
»Kein Mensch wird Euch jemals der Armut zeihen!« bemerkte Powala. »Dies hier kann aber doch nicht nur der Pferdestall sein, denn der Bau ist ungewöhnlich hoch, und auch Ihr vermögt wohl kaum, Euere Pferde Treppen hinaufzuführen.«
»Ueber den Stallungen, die zu ebener Erde stehen, und in denen Raum für vierhundert Pferde ist, befinden sich Kornspeicher. Vorräte auf zehn Jahre hinaus liegen darin aufgespeichert. Zu einer Belagerung wird es ja hier nie kommen, wenn dies aber jemals der Fall sein sollte, wird uns kein Feind durch Aushungern besiegen.«
Nach diesen Worten wandte er sich nach rechts und abermals ging es über eine Brücke zwischen den Basteien des heiligen Laurentius und der Panzer-Bastei hindurch in einen zweiten, unermeßlich großen Hof, der inmitten der Vorburg lag.
»Seht, wohledle Herren.« Hub nun der Komtur von neuem an, all das, was gen Norden vor Euch liegt, ist, obgleich durch die Gnade Gottes uneinnehmbar, doch nur die Vorburg, deren Befestigungen in keiner Weise mit denen des Mittelschlosses, zu dem ich Euch nun geleiten werde, noch weniger aber mit denen des Hochschlosses verglichen werden können.«
Thatsächlich trennte auch ein Wallgraben und eine besondere Zugbrücke das Mittelschloß von jenem Hofe und erst von dem beträchtlich höher liegenden Schloßthore aus, wo die Ritter sich auf Veranlassung des Burgvogtes umwendeten, konnten sie jenes ungeheure, die Vorburg genannte Viereck überschauen. Eine solche Unzahl von Gebäuden reihte sich an einander, daß es Zindram dünkte, er sehe eine ganze Stadt vor sich. Unerschöpfliche Vorräte an Holz waren haushoch aufgeschichtet, Pyramiden gleich ragten die in Haufen zusammengelegten steinernen Kanonenkugeln empor, Gottesäcker, Krankenhäuser und Vorratshäuser waren zu sehen. Etwas abseits, doch nahe bei dem in der Mitte gelegenen Teiche, erhoben sich die riesigen roten Mauern des »Tempels«, eines ungeheuren Lagerhauses mit einer Speisehalle für die Söldlinge und Bedienstete. An dem nördlichen Walle befanden sich weitere Ställe für die ausgewählten Pferde des Großmeisters und für die der Ritter, dann kamen die Behausungen für die Knappen, sowie für die Kriegsknechte, und auf der entgegengesetzten Seite des Vierecks standen nicht nur die Wohnstätten der verschiedenen Verwalter und der Officiale des Ordens, sondern wiederum Lagerhäuser, Kornspeicher, Backstuben, Rüstkammern, die Glockengießerei, ein unermeßliches Arsenal, auch »Korwan« genannt, Gefängnisse und die alte Waffenschmiede – ein jedes dieser Gebäude aber war derart geschützt, daß es wieder für sich eine kleine Veste bildete, und um alle zog sich ein Wall, zogen sich ungeheure Bastionen, um die wiederum ein Graben lief, den ein Palissadenring umzäunte. Jenseits dieser Palissaden, gen Westen, floß das gelbliche Gewässer der Nogat dahin, im Norden und Westen schimmerte der glänzende Wasserspiegel eines breiten Sees, während sich im Süden die noch weit mehr befestigten Burgen: das Mittelschloß und das Hochschloß auftürmten.
In diesem schreckenerregenden Hort, der unbezwingbar erschien, hatten sich die beiden größten Mächte jener Zeit zusammengefunden: die Macht der Kirche, und die Macht des Schwertes. Wer der ersteren widerstand, wurde von dem letztern vernichtet, wer sich gegen beide auflehnte, gegen den erscholl ein Schrei der Entrüstung in der ganzen Christenheit, gegen den wurde der Vorwurf laut, er habe die Hand gegen den Gekreuzigten erhoben.
Und dann stellten sich aus aller Herren Länder die Ritter zur Hilfe ein. In Marienburg wimmelte es daher beständig von Kriegsknechten, von Handwerksleuten, und es ging stets so geschäftig zu, wie in einem Bienenstocke. Vor den mächtigen Gebäuden, auf den Durchgängen, an den Thoren, in den Werkstätten – allüberall herrschte ein Leben wie auf einem Jahrmarkte. Weithin hallten die Hammerschläge, welche auf den, die Steinkugeln bearbeitenden Meißel fielen, weithin tönten das Sausen der Mühlen, der Lärm der Tretwerke, das Wiehern der Rosse, das Geklirr der Rüstungen und Waffen, der Klang der Trompeten und Pfeifen, der Rufe und der Befehle. In den Burghöfen konnte man jede Sprache sprechen hören, Krieger aus allen Weltgegenden sehen, so die nie ihr Ziel verfehlenden englischen Bogenschützen, welche auf hundert Schritte eine auf einem Pfahle festgebundene Taube zu treffen verstanden, und deren Pfeile einen Brustharnisch ebensoleicht wie ein wollenes Gewand durchbohrten, dann das Fußvolk der schweizerischen Kriegsknechte, die mit zweischneidigen Schwertern kämpften, sowie die zwar tapferen, aber im Essen und Trinken unmäßigen Dänen, die gleichmäßig zum Scherz wie zum Streit geneigten französischen Ritter, die wortkargen und hochmütigen spanischen Edelleute, die glänzenden, durch ihre Fechtkunst berühmten Ritter aus Italien, welche in Samt und Seide gekleidet einhergingen, im Kriege dagegen undurchdringliche, in Venedig, Florenz oder Mailand geschmiedete Rüstungen trugen, die burgundischen und friesischen Ritter, und endlich die aus allen deutschen Landen herbeigeströmten Deutschen. Allerwärts aber zeigten sich die als Gastgeber und Gebieter auftretenden »Weißmäntel«. »Ein Turm mit Geld gefüllt,« oder besser gesagt, ein besonders in dem Hochschlosse nächst den Räumen des Großmeisters erbautes Gelaß, angefüllt von unten bis oben mit Geld und mit Barren aus Edelmetallen, machten es dem Orden möglich, nicht nur »Gäste« würdig zu empfangen, sondern auch Söldlinge anzuwerben, welche sowohl auf, Unternehmungen ausgeschickt, wie auch in die verschiedenen Burgen zur Unterstützung der Vögte, der Starosten und der Komture gesandt wurden. So hatte sich denn zu der Macht des Schwertes und der Kirche auch noch die Macht des Reichtums, die Macht einer eisernen Zucht gesellt, denn obgleich sich im Laufe der Zeit durch das allzugroße Vertrauen, durch das Pochen auf die eigene Gewalt mancherlei Mißstände eingeschlichen hatten, wurde doch durch die althergebrachte Gewohnheit im großen und ganzen die Ordnung streng aufrecht erhalten. So stellten sich denn Fürsten und Herrscher in Marienburg nicht allein deshalb ein, um gegen die Heiden zu kämpfen, oder um Geld zu leihen, sondern auch um die Einrichtungen daselbst kennen zu lernen, so stellten sich die Ritter dort ein, um sich in der Kriegskunst zu vervollkommnen, verstand es doch der Orden am besten auf der ganzen Welt, seinen Satzungen Geltung zu verschaffen und Krieg zu führen. Als er sich in dieser Gegend niederließ, besaß er außer einem winzigen Gebiete und einigen Burgen, die durch die Unbedachtsamkeit eines polnischen Fürsten auf ihn übergegangen waren, auch nicht die kleinste Spanne Erde, jetzt indessen gebot er über eine, manches Königreich an Größe überragende Länderstrecke, innerhalb derer fruchtbare Gefilde, wohlbefestigte Städte und unbezwingliche Burgen lagen. Gleich einer Spinne, die in ihrem Netze, dessen einzelne Fäden sie unter sich festhält, lauert und wacht, so lauerte und wachte der Orden in diesem seinem Horte. Von hier aus, von dem Hochschlosse aus, von dem Großmeister und den »Weißmänteln« wurden durch Postboten nach allen Richtungen Befehle an die Lehensvasallen, an die Ratsherren der Städte, an die Bürgermeister, an die Vögte und Untervögte, an die Befehlshaber des Kriegsheeres entsandt, und all das, was hier ausgesonnen und ausgedacht worden war, das wurde in der Ferne unverweilt von tausenden und abertausenden eisenumpanzerter Hände vollbracht. Hierher floß das Geld aus dem ganzen Lande, hier wurde das Korn, hier wurden die Vorräte aufgespeichert, hierher kamen die Abgaben der unter dem strengen Joche seufzenden Weltgeistlichen und der verschiedenen Klöster, gegen welche der Orden feindlich gesinnt war. Von hier aus endlich streckten sich räuberische Hände nach allen benachbarten Gebieten und Völkern aus.
Alles Volk, das in Preußen die litauische Sprache gesprochen hatte, war zu jener Zeit von der Oberfläche der Erde verschwunden. Rücksichtslos hatten vor nicht gar zu langer Zeit die Kreuzritter Litauen niedergetreten, und so schwer war das Land von jedem Schritt bedrückt worden, daß es mit jedem Atemzuge, den es zu thun wagte, ein Teil seines Herzblutes vergoß. Polen hatte trotz seines Sieges in der furchtbaren Schlacht bei Plowce unter Lokietek seine Besitzungen auf dem linken Ufer der Weichsel verloren, zusammen mit Danzig, Dirschau, Mewe und Schwetz. Der Orden der Livländischen Ritter hatte in Rußland erfolgreiche Einfälle gemacht, so daß sich die beiden Orden immer mehr ausbreiteten gleich den Wogen eines unermeßlichen deutschen Gewässers, das die slavische Erde mehr und mehr überschwemmt.
Da mit einemmale senkte sich eine Wolke über den Glücksstern der Deutschen Kreuzritter. Die Litauer erhielten durch die Polen die heilige Taufe, und Jagiello erhielt mit der Hand der wunderbar schönen Jadwiga den Thron in Krakau. Wohl hatte der Orden durch diese Vorgänge weder ein Stück Land noch eine einzige Burg eingebüßt, aber es war klar, daß sich seiner Macht nun eine andere Macht entgegensetzte, und daß für sein Verbleiben in Preußen kein Grund mehr vorhanden war. Nachdem alle Litauer die heilige Taufe empfangen hatten, wäre es für den Orden am ratsamsten gewesen, nach Palästina zurückzukehren, um die Pilgrime auf ihrem Wege in die heilige Stadt zu beschützen. Das hätte aber für die Kreuzritter nichts anderes bedeutet als die Verzichtleistung auf Reichtum, auf Macht und auf die Herrschaft über Städte, Länder, ja über ganze Königreiche. So krümmte sich denn der Orden vor Wut und Schrecken gleich einem ungeheuren Drachen, den ein spitzer Pfeil getroffen hat. Der Großmeister wagte es nicht, alles auf einen Wurf zu setzen, und zitterte daher bei dem Gedanken an einen Krieg mit Jagiello, dem Herrscher über Polen und Litauen und über jenes große russische Gebiet, das durch Olgierd den Klauen der Tataren entrissen worden war. Die Mehrzahl der Kreuzritter dagegen drängte zu dem Kriege, weil die meisten die Notwendigkeit erkannten, gleich jetzt, also noch in der Fülle ihrer Macht, den Kampf auf Leben und Tod aufzunehmen, ihn zum Austrag zu bringen, so lange die ganze Welt noch bestrebt war, ihnen Hülfe zu leisten, also bevor der Glanz des Ordens erblich, bevor der Papst seine Donnerstimme gegen den festen Hort ertönen ließ.
War es daher nicht auch eine Lebensfrage für den Orden, gegen die Ausbreitung des Christentums und für die Aufrechterhaltung des Heidentumes zu wirken?
So erhob er denn auch bei allen Völkern und an allen Höfen die Klage, daß sowohl Jagiello wie die Litauer sich nur zum Scheine hätten taufen lassen, indem er es für eine Unmöglichkeit erklärte, in einem einzigen Jahre das zu stände zu bringen, was das Schwert der Kreuzritter Jahrzehnte hindurch nicht hatte vollbringen können. Letztere ließen daher selbstverständlich nichts unversucht, um Könige und Ritter gegen die Polen und deren Herrscher als Schützer und Verteidiger des Heidentums aufzuwiegeln, und ihre Beschuldigungen, welche nur in Rom keinen Glauben fanden, erweckten einen Widerhall in der ganzen Welt und führten Fürsten, Grafen und Ritter aus dem Süden und aus dem Westen nach Marienburg. Der Orden faßte frischen Mut, die Kreuzritter fühlten sich von neuem allmächtig. Marienburg mit seinen beiden Furcht erregenden Schlössern, mit seiner Vorburg wurde mehr denn je von den daselbst Versammelten angestaunt, mehr denn je wußten die Kreuzritter die Welt durch ihren Reichtum, durch ihre scheinbar eiserne Zucht zu blenden, und die Macht des Ordens, der Bestand des Ordens schien für alle zukünftigen Zeiten gesicherter zu sein, als je zuvor. Nicht einer unter den Fürsten, nicht einer unter den ritterlichen Gästen, ja sogar nicht ein einziger unter den Kreuzrittern – außer dem Großmeister – machte es sich klar, daß seitdem das Christentum Eingang in Litauen gefunden hatte, eine Umwälzung vorgegangen war, gerade wie wenn die Wogen der Nogat, welche auf der einen Seite der ungeheure Veste zum Schutze dienten, mit einemmale, aber insgeheim und unaufhaltsam deren Wälle unterspülen würden. Keinem einzigen kam es zum Bewußtsein, daß trotz der Macht, welche dieser gewaltige Körper noch auszuüben schien, die Seele aus ihm entflohen war; einen jeden, der als Neuling nach Marienburg ex luto kam und dessen Wälle sah, die Bastionen, die schwarzen Kreuze auf den Thoren, die Rüstkammern und die Vorratshäuser, den mußte vor allem die Ueberzeugung erfassen, daß dieser im Norden gelegenen Hauptstätte der Kreuzritter selbst die Hölle nichts anhaben konnte.
Ein ähnlicher Gedanke beseelte jetzt nicht nur Powala und Zbyszko, die doch zuvor schon in Marienburg gewesen waren, sondern auch den ihnen an Scharfsinn überlegenen Zindram aus Maszkowice. Sogar sein Antlitz verdüsterte sich, als er durch die gewaltige Veste schritt, in der es von Söldnern wimmelte, als er die gewaltigen Bastionen, die gigantischen Palissadenringe erschaute, und unwillkürlich kamen ihm die hochmütigen Worte in Erinnerung, mit denen die Kreuzritter einstens den König von Polen bedroht hatten: »Unsere Macht ist die größere, und so Du nicht nachgiebst, werden wir Dich mit unsern Schwertern nach Krakau jagen.«
Inzwischen hatte der Komtur der Burg die Ritter in das Mittelschloß geleitet, in dessen nach Osten zu gelegenem Flügel die Gasträume lagen.