Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.

In Madoc's Zelt tönt das Clarin,
Und weit verbreitet sich der Schall
Durch's Echo über Berg und Thal.
Wann wird der Krieger heimwärts zieh'n? –
Du, den die ernste Noth erzeugt,
Mattherz'ger Frieden, dir nur beugt,
Und dir gehorcht das ganze Thal.

Walliser Lied.

Die Feste der alten brittischen Fürsten zeigten gewöhnlich den rohen Glanz und die unbeschränkte Gastfreiheit der Bergbewohner; und Gwenwyn ließ sich bei dieser Gelegenheit mehr als jemals angelegen seyn, die Liebe des Volks durch ungewöhnliche Verschwendung zu gewinnen; denn er fühlte, daß das Bündniß, welches er im Sinne hatte, wohl von seinen Unterthanen und Vasallen geduldet, doch schwerlich gebilligt werden möchte.

Seine Besorgnisse wurden durch den folgenden an und für sich unbedeutenden Umstand bestätiget. Als er eines Abends bei einbrechender Dämmerung an dem offenen Fenster einer Wachstube vorüberschritt, worin sich einige seiner ausgezeichnetsten Krieger, die wechselnd den Palast bewachten, gewöhnlich aufzuhalten pflegten, hörte er, wie Morgan, ein starker, mutiger und wilder Krieger zu seinem an dem Wachtfeuer sitzenden Gefährten sagte:

»Gwenwyn ist ein Pfaff oder ein Weib geworden! Wenn war wohl, außer in diesen letzten Monaten, einer seiner Leute je genöthiget, einen Knochen so abzunagen, als ich den Bissen Fleisch, den ich hier in der Hand habe?«

»Warte nur ein wenig,« erwiederte sein Gefährte, »bis erst die normannische Heirath vollzogen ist! Da wird uns die Beute von den angelsächsischen Schuften so karg zugemessen werden, daß wir froh seyn können, wenn wir, wie hungrige Hunde, die Knochen selbst verschlingen.«

Gwenwyn vernahm nichts mehr von ihrem Gespräche; aber das Gehörte war hinreichend, um seinen Stolz als Krieger und seine Eifersucht als Fürst zu entflammen. Er wußte, daß das Volk, dem er gebot, einen wankelmüthigen Charakter besaß, der langen Ruhe überdrüssig und von Haß gegen seine Nachbarn erfüllt war, und er fürchtete die Folgen der Unthätigkeit, welche ein langer Waffenstillstand nach sich ziehen könnte. Indeß das Wagestück war einmal begonnen, und eine mehr als gewöhnliche Freigebigkeit schien ihm das beste Mittel, die schwankende Neigung seiner Unterthanen wieder zu gewinnen.

Ein Normanne würde die rohe Pracht eines Festes verachtet haben, welches aus unzerlegt gebratenen Kühen und Schafen, aus Ziegenfleisch und Wildpret bestand, welches in den Häuten der Thiere selbst gebraten war. Denn die Normänner hielten mehr auf den Werth, als auf die Menge ihrer Speisen, und mehr einen feinen, als reichlich besetzten Tisch führend, spöttelten sie über den gröbern Geschmack der Britten, obwohl diese bei weitem mäßiger im Zechen waren als die Angelsachsen. Eben so wenig konnten, ihrer Ansicht nach, die Meere von Meth und Crw Ein beliebtes Getränk der alten Britten. [ A. d. Übers.], welche gleich einer Sündfluth die Gäste überschwemmten, einen Ersatz bieten für die zierlichen und kostbaren Getränke, die sie in dem südlichen Europa liebgewonnen hatten. Milch, auf verschiedene Weise zubereitet, bot eine andere Art von Erfrischung dar, die ebenfalls nicht den Beifall der Normannen erhalten haben würde, wiewohl dies Nahrungsmittel öfters unter den alten Britten den Mangel aller übrigen ersetzte, da ihr Land an Heerden reich, nur arm war an Erzeugnissen des Ackerbaues.

Die Tafel war in einer langen niedrigen Halle gedeckt, die von roh bearbeitetem Holze erbaut und mit Schindeln gedeckt war. An jedem Ende des Gemachs brannte ein Feuer, dessen Rauch, unvermögend durch die kleinen Oeffnungen des Daches sich Bahn zu machen, in dicken Wolken über die Häupter der schmausenden Gäste dahinwogte, welche auf sehr niedrigen Sesseln saßen, um vermuthlich auf diese Weise den erstickenden Dünsten zu entgehen.

Die Mienen und Geberden der Gesellschaft waren wild und selbst in ihrem traulichen Beisammenseyn beinahe furchtbar. Ihr Fürst besaß das riesenmäßige Ansehen und feurige Auge, welches sich dazu eignet, ein gesetzloses Volk zu beherrschen, das nur auf dem Schlachtfelde seine Lust findet; und die langen Schnurbärte, welche er und die meisten Krieger trugen, vermehrten die furchtbare Würde seines Aeußern. Gwenwyn war wie die meisten Anwesenden in eine einfache Tunika von weißem leinenem Zeuge gekleidet, einem Ueberreste der Tracht, welche die Römer in diesem Theile Brittanniens eingeführt hatten. Er unterschied sich nur von den Uebrigen durch die Eudorchawg, eine Kette von geflochtenen goldenen Gliedern, womit die celtischen Stämme ihre Häuptlinge stets schmückten. Dieser Halsschmuck war zwar auch bei Häuptlingen von geringerem Range gewöhnlich und ihnen durch die Rechte der Geburt oder als kriegerische Auszeichnung verliehen. Allein ein goldner Ring, der das Haupt umgab, prangte in Gwenwyns Haaren, weil er noch immer seine Ansprüche auf den Rang eines dreifach gekrönten Fürsten behauptete, und seine Arm- und Kniebänder, ebenfalls von Gold, waren eine eigenthümliche Zierde des Fürsten von Powys, als eines unabhängigen Herrschers.

Zwei Leibknappen, welche ihre ganze Aufmerksamkeit auf seine Bedienung richteten, standen hinter ihm, und zu seinen Füßen saß ein Page, dem das Amt oblag, sie durch Reiben und Einhüllen in seinen Mantel warm zu erhalten. Eben das oberherrliche Recht, welches Gwenwyn das goldne Diadem ertheilte, gab ihm Ansprüche auf die Bedienung des Fußträgers oder Knaben, der auf der Matte lag, und des Fürsten Füße in seinem Busen oder Schoße wärmen mußte.

Ungeachtet der kriegerischen Stimmung der Gäste und der Gefahr, welche aus den unter ihnen obwaltenden Fehden entspringen konnte, trugen wenige von den Theilnehmern des Festes irgend eine Vertheidigungswaffe, ausgenommen den leichten Schild von Ziegenleder, der hinter dem Sitze eines Jeden hing. Dagegen waren sie wohl versehen mit einem Vorrathe von Angriffswaffen; denn das breite, kurze, zweischneidige Schwert war ebenfalls ein Vermächtniß der Römer. Viele trugen noch ein Jagdmesser oder einen Dolch; und es befanden sich in der Halle Vorräthe von Wurfspießen, Bogen und Pfeilen, Piken, Hellebarden, dänischen Streitäxten und Walliser Beile und Messer, so daß, falls sich während des Mahls ein Zwist entspann, es nicht an Waffen fehlte, um Unheil anzurichten.

Aber wenn auch das Aeußere des Festes keinen zierlichen Anstrich hatte und die Gäste völlig unbekannt waren mit den strengern Regeln der feinen Lebensart, welche die Gesetze des Ritterthums auferlegten, so besaß doch das Ostergastmahl Gwenwyns durch die Gegenwart von zwölf ausgezeichneten Barden eine Quelle des ausgesuchtesten Vergnügens in einem viel höhern Grade, als sich die stolzen Normannen selbst dessen rühmen konnten. Auch die letztern besaßen zwar ihre Minstrels, diese der Dichtkunst, dem Gesange und der Musik geweihte Klasse. Aber wenn man auch diese Künste hoch ehrte, und ihre Geweihten, wenn sie sich auszeichneten, oft reich belohnte, so ward doch der Stand der Minstrels als solcher nur wenig geachtet, da er gewöhnlich aus unwürdigen, nichtsnutzigen Herumtreibern gebildet ward, die sich nur dieser Kunst widmeten, um sich der nothwendigen Arbeit zu entziehen und ein wanderndes zerstreutes Leben führen zu können. So hart sind zu allen Zeiten diejenigen beurtheilt worden, welche sich ihrem Berufe nach dem öffentlichen Vergnügen weihten; die Einzelnen, durch persönliche Vortrefflichkeit ausgezeichnet, werden mitunter in den geselligen Kreisen sehr hoch gestellt, während bei weitem die Mehrzahl ihrer Kunstgenossen in den Staub hinabsinkt.

Dies war jedoch nicht der Fall mit den Walliser Barden, welche den Druiden in ihrer Würde folgend, unter denen sie ursprünglich eine untergeordnete Brüderschaft gebildet, manche Vorrechte besaßen, sehr geachtet und verehrt wurden und vielen Einfluß auf ihre Landsleute ausübten. Ihre Gewalt über die öffentliche Meinung wetteiferte selbst mit dem Einflusse der Geistlichen, mit denen sie in der That einige Aehnlichkeit hatten. Denn nie trugen sie Waffen und wurden durch geheime mystische Feierlichkeiten in ihren Orden eingeweiht. Auch huldigte man ihrem Awen, oder dem Strome ihrer poetischen Begeisterung, als ob er in der That von einer Gottheit herrühre. Auf diese Weise mit Macht und Einfluß begabt, waren die Barden nicht abgeneigt, ihre Vorrechte geltend zu machen, und mitunter trug ihr Benehmen fast das Gepräge des Eigensinns und der Laune.

Das war vielleicht eben jetzt der Fall bei dem Hauptbarden Gwenwyns, Cadwallon, welcher in der festlichen Halle seines Fürsten den Strom seines kraftvollen Gesanges fließen lassen sollte. Allein weder die gespannte ängstliche Erwartung der versammelten Häuptlinge und Ritter, noch die Todtenstille, welche sich in der geräuschvollen Halle verbreitete, als seine Harfe ehrerbietig von seinem Diener vor ihn hingestellt ward, noch selbst die Befehle oder Bitten des Fürsten selbst vermochten Cadwallon mehr als ein kurzes, abgebrochenes Vorspiel abzuzwingen, dessen Töne unwillkürlich in eine unaussprechlich traurige Melodie über gingen und bald darauf schwiegen. Der Fürst warf einen finstern Blick auf den Barden, der selbst zu tief versunken schien in düstere Gedanken, als daß er irgend eine Entschuldigung hätte vorbringen, ja nur Gwenwyns Unzufriedenheit bemerken sollen. Er entlockte abermals dem Instrumente einige wilde Gänge, und den Blick emporrichtend schien er eben im Begriff, sich in jenem Strome des Gesanges zu verlieren, womit er, ein Meister in seiner Kunst, seine Zuhörer zu bezaubern pflegte. Allein seine Anstrengung war fruchtlos; er erklärte, es fehle seiner rechten Hand an Kraft und stieß die Harfe von sich.

Ein Gemurmel verbreitete sich in der Versammlung, und Gwenwyn las in ihren Zügen, daß sie dies ungewöhnliche Schweigen Cadwallons bei einer so feierlichen Gelegenheit für eine böse Vorbedeutung hielten. Er rief schnell einen jungen und ehrgeizigen Barden, Caradoc von Menwygent mit Namen, dessen steigender Ruf vielleicht bald mit dem anerkannten Ruhme Cadwallons wetteifern konnte, und forderte ihn auf, etwas zu singen, was auf den Beifall seines Monarchen und auf den Dank der Gesellschaft Anspruch machen könne.

Der junge Mann war ehrgeizig und ein gewandter Höfling. Er begann ein Gedicht, worin er, wiewohl unter falschem Namen, eine so poetische Schilderung von Evelinen Berengar entwarf, daß Gwenwyn ganz außer sich war, und während alle diejenigen, welche das schöne Original gesehen hatten, sogleich die Aehnlichkeit erkannten, lag in den Augen des Fürsten das Geständniß seiner Leidenschaft und die Bewunderung des Dichters. Die an und für sich phantasiereichen Gebilde der celtischen Poesie genügten doch kaum der Begeisterung des ehrgeizigen Barden, der seinen Ton noch steigerte, als er den Eindruck, den er hervorgebracht, bemerkte. Das Lob des Fürsten vereinigte sich mit dem Preise der normannischen Schönen.

»Wie ein Löwe,« sagte der Dichter, »sich allein von der Hand eines keuschen und schönen Mädchens leiten läßt, so kann ein Fürst nur der Macht der Tugendhaftesten, Liebenswürdigsten ihres Geschlechts huldigen. Wer fragt die Mittagssonne, in welchem Theile der Welt sie geboren ward? Und wer wird Reize wie die ihrigen fragen, welcher Gegend sie ihren Ursprung verdanken?«

Schwärmerisch begeistert für die Freude, wie für den Krieg, und mit einer Phantasie begabt, die dem Fluge der Dichter willig folgt, äußerten alle Walliser Häuptlinge ihren lauten Beifall, und der Gesang des Barden hatte mehr dazu beigetragen, ihnen die beabsichtigte Verbindung des Fürsten wünschenswerth zu machen, als alle ernsten Beweggründe seines geistlichen Vermittlers.

Gwenwyn selbst riß im Uebermaße seines Entzückens seine goldenen Armbänder herab, um sie einem Barden zum Geschenk zu machen, der durch seinen Gesang eine so wünschenswerthe Wirkung hervorgebracht hatte, und einen Blick auf den mürrisch schweigenden Cadwallon werfend, rief er:

»Die schweigende Harfe ward nie mit goldenen Saiten bezogen!«

»Fürst,« versetzte der Barde, der wenigstens keinen geringern Stolz besaß, als Gwenwyn selbst, »Ihr habt das Sprichwort Taliessins Taliesin, auch Taliessin (6. Jh.), ein vermutlich historischer Barde in Britannien; gilt als Verfasser der frühesten überlieferten Werke in walisischer Sprache. verdreht: Der schmeichelnden Harfe fehlt es nie an goldenen Saiten.«

Gwenwyn, sich finster nach ihm umwendend, war eben im Begriff, ihm eine zürnende Antwort zu ertheilen, als er über der plötzlichen Erscheinung Jorworths, des an Raymund Berengar abgesandten Boten, seinen Plan aufgab.

Dieser rohe Abgesandte trat barfuß in die Halle, und trug nur Sandalen von Ziegenleder an seinen Füßen, einen Mantel von gleichem Felle über der Schulter und einen kurzen Wurfspieß in der Hand. Der Staub, womit seine Kleider bedeckt waren und sein glühendes Angesicht bewiesen den emsigen Eifer, womit er sich seines Auftrags entledigt hatte.

Gwenwyn fragte schnell: »Was bringst Du für Nachrichten von Garde Doloureuse, Jorworth?«

»Ich trage sie in meinem Busen,« sagte der Sohn Jevans, und übergab mit vieler Ehrfurcht dem Fürsten ein in Seide gebundenes Packet, mit einem Siegel versehen, auf dem man einen Schwan, das alte Wappen des Hauses Berengar, erblickte. Des Lesens und Schreibens selbst unkundig, reichte Gwenwyn den Brief mit ängstlicher Hast Cadwallon hin, der, wenn der Kapellan nicht gegenwärtig, wie es jetzt der Fall war, das Amt eines Sekretärs zu versehen pflegte.

Den Brief flüchtig anblickend, sagte Cadwallon kurz: »Ich lese kein Latein. Weh über den Normannen, der einem Fürsten von Powys in einer andern Sprache, als der Brittanniens zu schreiben wagt! Eine glückliche Zeit, wo sie allein von Tintadgel Die Burg Tintagel an der Westküste Cornwalls spielt in den Sagenkreisen um König Artus und um Tristan eine Rolle. bis Carlisle gesprochen ward!«

Gwenwyns ganze Antwort war ein zürnender Blick.

»Wo ist der Pater Hugo?« rief der ungeduldige Fürst.

»Beim Gottesdienst in der Kirche,« versetzte einer seiner Begleiter; »es ist das Fest des Sanct –«

»Und wenn es das Fest Sanct Davids wäre!« rief Gwenwyn, »und wenn er die Monstranz in der Hand hätte – er soll augenblicklich kommen!«

Einer seiner ersten Diener sprang auf, um ihn herbeirufen. Indessen heftete Gwenwyn fortwährend seine Augen auf den Brief, der sein Geschick enthielt, zu dessen Enthüllung er eines Dolmetschers bedurfte. Er benahm sich so ängstlich und unruhig, daß Caradoc, durch den früheren Beifall ermuthigt, einige Töne erklingen ließ, um wo möglich seines Gebieters Gedanken in der Zwischenzeit zu zerstreuen. Eine leichte, fröhliche Melodie, wie es schien, mit zagender Hand den Saiten entlockt, gleich der demüthigen Stimme eines Dieners, welcher das Nachdenken seines Herrn zu stören fürchtet, begleitete einige auf den Gegenstand sich beziehende Strophen.

Seine Worte an den Brief richtend, der vor seinem Herrn auf dem Tische lag, sang er:

»Warum, o Schrift, redest du uns mit der Sprache des Fremden an? Tönt nicht das Lied des Kukuks rauh, und gleichwohl verkündet er uns die grünenden Knospen, die keimenden Blumen! Wenn deine Sprache die des geweihten Priesters ist, ist sie nicht dieselbe, welche Herz und Hand am Altare vereinigt? Und wenn du auch zögerst, uns deine Schätze mitzutheilen, wird nicht jede Freude doppelt süß, wenn die Erwartung sie erhöht? Was wäre die Jagd, wenn der Hirsch zu unsern Füßen niederstürzte, in dem Augenblicke, wo er aus dem Dickicht hervorspringt? Oder welchen Werth hätte die Liebe der Jungfrau, wenn sie ohne züchtige Zurückhaltung gewährt würde?«

Der Gesang des Barden wurde hier durch das schnelle Eintreten des Priesters unterbrochen, der dem Befehle seines ungeduldigen Gebieters schnell gehorchend, sich kaum Zeit genommen hatte, die Stola abzulegen, die er beim Gottesdienst getragen; und viele der älteren Personen hielten es für kein gutes Omen, daß ein Priester in diesem Gewande bei einem Festgelage mitten unter profanen Minstrels erschien.

Der Geistliche öffnete den Brief des normannischen Freiherrn, und höchlich erstaunt über den Inhalt, hob er schweigend die Augen zum Himmel empor.

»Leset!« rief der ungestüme Gwenwyn.

»Erlaubt,« entgegnete der vorsichtige Kapellan, »ein engerer Kreis würde sich besser dazu eignen.«

»Leset ihn laut!« wiederholte der Fürst mit zunehmender Heftigkeit; »hier ist Niemand, der nicht die Ehre seines Fürsten zu schätzen weiß, oder sein Vertrauen nicht verdient. Leset ihn laut vor, sag ich, und bei St. David, wenn der Normanne Raymund es gewagt hat –«

Plötzlich kurz abbrechend und auf seinen Sessel sich lehnend, nahm er eine ruhige und aufmerksame Stellung an; allein seine Anhänger konnten leicht in seinem Ausrufe die Lücke ausfüllen, welche die Klugheit ihm empfohlen hatte.

Leise und unsicher war die Stimme des Kapellans, als er nachfolgenden Brief las:

»Raymund Berengar, der edle normännische Ritter, Seneschall von Garde Doloureuse, sendet an Gwenwyn, Fürsten von Powys, Gunst und Heil! (Friede sey zwischen ihnen)

Euer Brief, worin Ihr um die Hand unserer Tochter Eveline Berengar bietet, ward uns richtig überbracht durch Euren Diener Jorworth, und wir danken Euch herzlich für die gute Meinung, die Ihr von uns und den Unsrigen hegt. Aber die Verschiedenheit des Stammes und Bluts erwägend, so wie die Hindernisse und das Unheil, welches öfters Verbindungen dieser Art zur Folge haben, halten wir es für passender, unsere Tochter mit Einem aus unserem Volke zu vermählen. Dies soll in keinem Falle eine Kränkung für Euch seyn, und nur Euer eigenes Wohl, das unsrige und das Wohl unserer Unterthanen befördern, die um so sicherer der Gefahr eines Streites zwischen uns entgehen, wenn wir es nicht versuchen, die Bande unserer Vertraulichkeit enger zu knüpfen, als es sich ziemt. Schafe und Ziegen weiden friedlich auf einer und derselben Weide, aber sie vermischen sich weder im Blut noch Geschlecht mit einander. Ueberdies ist die Hand unserer Tochter Eveline von einem edlen und mächtigen Gränzlord, Hugo von Lacy, dem Konstabel von Chester, begehrt worden, dessen ehrenvoller Werbung wir eine günstige Antwort ertheilt haben.

Daher ist es unmöglich, Euch das zu gewähren, wonach Ihr strebt; nichts desto weniger sollt Ihr uns zu allen Zeiten bei jeder anderen Veranlassung bereit finden, Euch gefällig zu seyn. Deß rufen wir zu Zeugen an: Gott, die heilige Jungfrau und St. Maria Magdalena von Quatford, in deren Schutz wir Euch von Herzen empfehlen.

Geschrieben auf unseren Befehl, auf unserem Schlosse Garde Doloureuse, an den Gränzen von Wales, durch Se. Wohlehrwürden, den Pater Aldrovand, einen schwarzen Mönch aus dem Hause Wenlock, und haben wir diesem Schreiben unser Siegel beigefügt, am Abend des heiligen Märtyrers St. Alphegius, dem Ruhm und Ehre sey.«

Pater Hugo's Stimme zitterte, wie der Brief, den er in seiner Hand hielt, als er damit zu Ende war; denn er wußte nur zu gut, daß viel geringere Beleidigungen, als das geringste Wort darin in Gwenwyns Augen erschien, offenbar jeden Tropfen seines britischen Bluts in die heftigste Gährung versetzen mußten. Auch unterblieb dies nicht. Der Fürst hatte sich allmälig aus der ruhenden Stellung aufgerichtet, zu der er, um den Brief anzuhören, sich vorbereitet hatte. Als er indeß zu Ende war, sprang er empor wie ein aufgeschreckter Löwe, und schleuderte den Fußträger von sich, der weithin auf den Boden rollte.

»Pfaff!« rief er,«hast Du die verfluchte Schrift unentstellt gelesen? Falls Du nur ein Wort hinzugefügt, nur einen Buchstaben verändert oder weggelassen hast, so will ich Deine Augen so zurichten lassen, daß Du nie mehr eine Zeile lesen sollst!«

Der Mönch, der wohl wußte, daß die geistliche Würde nicht allgemein von den sehr reizbaren Wallisern geachtet wurde, entgegnete zitternd: »Bei meinem Ordenseide, mächtiger Fürst, ich las Wort für Wort, Buchstaben für Buchstaben.«

Ein augenblickliches Schweigen erfolgte, während Gwenwyns Wuth über die unerwartete Schmach, die ihm angethan ward in Gegenwart aller seiner Uckelwyrs Die edlen Häuptlinge; wörtlich Männer von großer Gestalt., zu stark für jeden Ausdruck schien. Aber die Stille ward plötzlich unterbrochen durch einige Klänge von Cadwallons Harfe, die bisher geschwiegen hatte. Im ersten Augenblicke sah der Fürst ihn unwillig an, da er im Begriffe war, zu sprechen. Als er aber den Barden mit Begeisterung die Harfe ergreifen sah, und ihn mit beispielloser Gewandtheit die wildesten und höchsten Töne kunstvoll verschmelzen hörte, ward er selbst Zuhörer statt Sprecher, und Cadwallon, nicht der Fürst, schien jetzt der Mittelpunkt der Versammlung zu seyn, auf dem ein jedes Auge weilte, dem jedes Ohr mit gespannter Aufmerksamkeit lauschte, als sollten seine Saiten einen Orakelspruch verkünden.

»Nicht mit Fremden vermählen wir uns!« so entströmte der Gesang des Dichters Lippen. »Vortiger wählte eine Fremde zu seiner Braut; das brachte das erste Weh über Britannien, das Schwert über den Nacken der Edlen, den Donnerkeil über ihre Palläste. Wir vermählen uns nicht mit den sklavischen Angelsachsen – der freie königliche Hirsch erwählt zu seiner Braut nicht die Färse, deren Nacken schon das Joch getragen hat. Wir vermählen uns nicht mit den räuberischen Normannen. Der edle Jagdhund verschmäht es, sich eine Gefährtin unter einer Heerde räuberischer Wölfe zu suchen. Wann hat man gehört, daß die Cymbrier, die Abkömmlinge Brute's, die ächten Kinder des alten britischen Bodens, ihrer Geburtsrechte beraubt, geplündert, unterdrückt und beschimpft wurden, selbst in ihren letzten Zufluchtsörtern? Seit wann, als seitdem sie nach dem Fremden ihre Hand freundlich ausstreckten, und die Töchter der Angelsachsen an ihre Brust schloßen? Welches von beiden fürchtet man? Dies leere Wasserbette des Baches im Sommer, oder den Sturz des brausend herabströmenden Winterstromes? Die Jungfrau lächelt am Rande des versiegten Sommerbaches, leicht hinüberhüpfend; aber Roß und Reiter scheuen sich bei der Winterfluth, seinem Strome zu nahen. Ihr Männer von Mathraval und Powys, Ihr seyd die furchtbare Winterfluth Gwenwyns, Sohn des Cyverliock! Deine wallende Feder sey die erste ihrer wogenden Wellen!«

Jeder Gedanke des Friedens, an und für sich schon der Brust des kriegerischen Britten fremd, verschwand vor dem Gesange Cadwallons, wie der Staub, den ein Wirbelwind verjagt, und mit einstimmigem Jubel erklärte sich die Versammlung für augenblicklichen Krieg. Der Fürst selbst schwieg, aber stolz um sich her blickend, schwang er kühn den Arm, wie ein Feldherr, der seine Getreuen zum Angriffe ermuntert.

Der Geistliche, falls er es anders gewagt, hätte eigentlich Gwenwyn erinnern müssen, daß das auf seine Schulter geheftete Kreuz seinen Arm dem heiligen Kriege weihte, und ihm verbot, sich in weltlichen Streit zu begeben. Allein dieser gefährlichen Aufgabe war Pater Hugo's Muth nicht gewachsen, und er zog sich aus dem Gewühl in die Einsamkeit seines Klosters zurück.

Auch Caradoc, dessen kurze Herrlichkeit schnell vorüber war, entfernte sich mit demüthigen und niedergeschlagenen Blicken, nicht ohne einen Blick der Verachtung auf seinen Nebenbuhler, der so klug seine Kunst für ein kriegerisches Thema aufgespart hatte, das stets am meisten Beifall zu finden pflegte.

Die Häuptlinge nahmen ihre Sitze wieder ein, doch nicht zu fernerer Festlichkeit, sondern, um auf hastige Weise, wie es diesen Kriegern eigen war, den Ort zu bestimmen, wo ihre Macht sich vereinigen sollte, welche bei einer solchen Gelegenheit fast alle kampffähigen Männer des Landes umfaßte: denn alle, Priester und Barden ausgenommen, waren Krieger. Die Art des Angriffs der bedrohten Gränzen ward ausgemittelt, und man war entschlossen, den Zorn über die Schmach, welche dem Fürsten durch die zurückgewiesene Bewerbung zugefügt war, durch allgemeine Verheerung an den Tag zu legen.



 << zurück weiter >>