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22.

Ein Mißgeschick nach dem andern hatte den König betroffen; seine Truppen waren geschlagen, seine Anhänger auf der Flucht, oder im Gefängnisse; er selbst irrte mit dem zersprengten Rest eines Heeres von Ort zu Ort. So von aller Welt verlassen, gab er endlich den Rathschlägen des französischen Gesandten Montreville Gehör, und stellte sich selbst freiwillig in dem Lager der Schotten. Er zog es vor, sich seinen alten Feinden eher anzuvertrauen, als seinen eigenen Unterthanen, indem er theils auf ihre Großmuth, theils auf die fortwährende Eifersucht der beiden benachbarten Nationen im Stillen rechnen mochte. Bald mußte er jedoch zu der Ueberzeugung gelangen, daß er sich getäuscht. Die Schotten lieferten den König für eine Summe von viermal hundert tausend Pfund an das englische Parlament aus. Die Presbyterianer, welche noch immer hier die Oberhand hatten, bemächtigten sich ausschließlich der Person des Königs, und brachten ihn nach Holmby, wo er zwar streng von ihnen bewacht, aber noch immer mit allem ihm zukommenden Respekt von ihren Commissionären behandelt wurde. Karl selbst gab sich von Neuem der Hoffnung hin, durch Unterhandlungen mit seinen Gegnern nicht allein seine Krone zu retten, sondern mit der Zeit seine frühere Macht wieder zu gewinnen. Seinem zweideutigen Wesen getreu, schenkte er scheinbar den Bedingungen und Vorschlägen des Parlaments Gehör, während er im Geheimen sich nach einer Befreiung aus ihren Händen umsah. Er glaubte diese bei den schwärmerischen Independenten und bei dem Heere zu finden. Er haßte die gemäßigten .Presbyterianer, welche das constitutionelle und beschränkte Königthum beibehalten wollten, weit mehr als die mehr republikanisch gesinnten Puritaner. Zu allen Zeiten zeigt der Absolutismus eher eine Hinneigung zu der extremen Demokratie, als zu den wirklich constitutionellen Freunden der Freiheit. Es ist dies eine Erscheinung, die sich immer wiederholt.

Sobald der Sieg durch die Gefangennehmung des Königs entschieden und der Kampf beendet war, fiel auch das letzte Band, welches die feindlichen Parteien noch zusammenhielt. Unverhüllt trat jetzt der Zwiespalt zwischen den Presbyterianern und Puritanern hervor. Beide waren auf einander eifersüchtig, die Ersteren hatten das Uebergewicht im Parlament, die Letzteren in der Armee. Um diese einer solchen Stütze zu berauben, beschlossen jene, das Heer theils aufzulösen, theils nach Irland zu entfernen, wo noch immer der Aufstand wüthete. Die Soldaten, deren Tapferkeit allein den Sieg herbeigeführt, waren durch derartige Maßregeln auf das Aeußerste erbittert. Sie rotteten sich zusammen und bildeten besondere Ausschüsse, die damit beauftragt waren, die Rechte der Armee zu wahren. Täglich wurden zu diesem und ähnlichen Zwecken stürmische Versammlungen im Lager abgehalten. Der alte Henderson, der einen bedeutenden Einfluß innerhalb seiner Partei ausübte, stand einige Tage nach der Gefangennehmung des Königs vor seinem Zelte, umgeben von einem Haufen gleichgesinnter Soldaten. Einige hielten die Bibel in der Hand, andere stützten sich auf die Griffe ihrer langen Schwerter. Ihre strengen Gesichter waren noch ernster, als gewöhnlich, fanatischer Eifer röthete ihre Wangen, und blitzte wild unter den buschigen Augenbrauen hervor. Sie glichen weit mehr einer in Verzückung und Exstase befindlichen Kirchengemeinde, als einer Versammlung von Kriegern.

– Auf Israel! rief der greise Puritaner, und rüste dich. Gürte deine Lenden mit dem Schwerte und waffne dich gegen die Gottlosen. Der Herr hat dem Löwen von Juda den Sieg verliehen, aber der feige Schakal will ihm den wohlverdienten Lohn versagen, und die ihm allein zukommende Beute heimlich stehlen. Während wir kämpften, haben die losen Schwätzer in Sicherheit geruht, während wir darbten, schwelgten sie im Wein, während wir wachten, schliefen sie auf weichem Pfühle. Statt uns zu danken, verhöhnen und verunglimpfen sie die Streiter Gottes. Wehe, wehe über die Spötter und losen Buben!

– Wehe, wehe! murrten die finsteren Krieger, drohend an den Griff des Schwertes fassend.

– Soll der Schimpf ungerächt bleiben? fragte der fanatische Redner. Dürfen wir dulden, daß dem fleißigen Arbeiter der Lohn versagt, und er um die Früchte seiner Anstrengung betrogen wird? Zephaniah, der Herr schütze uns auf allen Wegen! sage du deine Meinung, denn ich weiß, daß es dir nicht an Erleuchtung fehlt. – Der mit diesem monströsen, biblischen Namen angeredete Soldat fuhr in die Höhe, rollte seine Augen und zog sein Schwert aus der Scheide, mit dem er wie rasend einige Streiche in die Luft führte; dann versank er wieder, wie früher, in ein stumpfes Brüten.

– Ich verstehe deine Meinung, fuhr Henderson fort. Das Schwert soll richten zwischen uns und ihnen, zwischen der siegreichen Armee und dem undankbaren Parlament.

Zephaniah, der Herr schütze uns aus allen Wegen, begnügte sich nur mit dem Kopfe zu nicken, zum Zeichen, daß dies seine Meinung wäre. Auch die übrigen Soldaten pflichteten meist dieser Ansicht bei, mit Ausnahme eines Fähndrichs. Dieser, Namens Joyce, rückte mit einem andern Vorschlage hervor.

– Noch ist die Zeit nicht gekommen, sagte er, um Abrechnung zu halten. Wir haben es mit einem schlechten Schuldner zu thun, und darum wollen wir uns eines Pfandes bemächtigen, damit wir die säumigen Zahler in der Hand behalten. Ein solches Pfand ist der König, den das Parlament bewacht. Wer seine Person hat, hat auch die Macht. Darum rathe ich Euch, sogleich nach Holmby aufzubrechen, und den König mit Gewalt oder durch List in das Lager zu bringen. Wer hat ein größeres Anrecht aus Karl, als die Armee, die ihn besiegt und bezwungen hat? Ihr gehören von Rechtswegen alle Vortheile, welche aus seiner Gegenwart gezogen werden können, und wenn einmal mit ihm unterhandelt werden soll, so ist es besser, daß dies von Seiten des Heeres, als von Seiten des Parlaments geschieht.

– Der Herr spricht aus dir! rief der alte Henderson. Du hast geredet, was der Geist dir eingegeben hat. Nun aber wollen wir nicht säumen, sondern sogleich an's Werk gehen. Schwingt Euch auf Eure Rosse, und du, Fähndrich Joyce, sollst uns führen.

Nach kurzer Zeit machte sich ein Trupp Bewaffneter unter Anführung des Fähndrichs auf den Weg. Gegen Mitternacht langte derselbe in Holmby an und verlangte den König zu sprechen. Die Commissionäre des Parlaments waren nicht wenig überrascht, doch rechneten sie auf die Treue ihrer Soldaten, denen die Bewachung des Königs anvertraut war. Der General Browne und der Oberst Graves, welche den Oberbefehl hatten, fragten den Fähndrich um seinen Namen und um sein Geschäft, ehe sie ihn einlassen wollten.

– Ich bin der Fähndrich Joyce, antwortete er kühn, und will mit dem Könige sprechen.

– In wessen Auftrag? forschten sie.

– In meinem eigenen.

Die Offiziere lachten.

– Da giebt es nichts zu lachen, bemerkte er mit großem Ernst.

Ich habe eben so gut ein Recht, wie irgend ein Mann in England.

Die Offiziere bedeuteten ihm, seine Truppen zu entfernen und sich morgen an die Commissionäre zu wenden.

– Ich brauche weder einen guten Rath, sagte er, noch habe ich es mit den Commissionären zu thun, sondern nur mit dem Könige. Ich will und muß sogleich mit ihm reden.

Browne und Graves gaben ihren Soldaten den Befehl, ihre Waffen zu ergreifen, doch diese hatten bereits mehrere ihrer alten Kameraden erkannt und sich mit ihnen verständigt. Statt zu gehorchen, öffneten sie selbst das Gitter und hießen ihre Waffengefährten willkommen. Nachdem Joyce Wachen vor den Wohnungen der Commissionäre gestellt hatte, verlangte er mit der gespannten Pistole in der Hand eine Audienz beim Könige. Die vier Kammerherren meldeten Karl den Vorfall, dieser weigerte sich, vor dem nächsten Morgen den Fähndrich zu empfangen, worauf sich Joyce auch vorläufig zufrieden gab. In der Frühe ließ ihn der König kommen. Der Fähndrich erschien vor ihm mit der ganzen Haltung eines hohen Offiziers.

– Was wünscht Ihr von mir, guter Mann? fragte ihn Karl.

– Eure Majestät sollen und müssen mir in das Lager folgen.

– Wo ist Eure Beglaubigung?

– Hier! entgegnete Joyce, indem er durch das geöffnete Fenster auf seine Truppen zeigte, welche den Schloßhof besetzt hielten.

Der König warf einen Blick auf die Soldaten, welche mit den Waffen in der Hand in guter Ordnung aufmarschirt waren.

– Eure Beglaubigung, sagte er mit einem trüben Lächeln, ist so deutlich und leserlich geschrieben, daß ich sie länger nicht bezweifeln kann.

Die indeß herbeigerufenen Commissionäre sahen sich gezwungen, in die Entfernung des Königs einzuwilligen, sie beschlossen, ihn zu begleiten. Karl schien keineswegs seinem Entführer ungern zu folgen. Im Stillen hatte er mehr Zutrauen zu der Armee, als zu dem ihm stets feindseligen Parlament, bald hoffte er, mit den Häuptern des Heeres in unmittelbare Verbindung zu treten und diese für sich zu gewinnen. Er wurde zunächst nach Hampton-Court gebracht. Sein günstiges Vorurtheil schien sich auch anfänglich zu bestätigen. Es wurde ihm gestattet, unterwegs seine Kinder, die Herzöge von York und Glocester, sowie die Prinzessin Elisabeth zu umarmen. Das leicht bewegliche Volk war Zeuge dieses Wiedersehens und tief davon ergriffen. Die Menge streute Blumen und Laub vor der königlichen Familie her und selbst seine Wächter wurden so gerührt von dieser zärtlichen Scene, daß sie ihm gerne gestatteten, die Kinder mehrere Tage bei sich zu behalten. Auch in Hampton-Court lebte er nicht wie ein Gefangener, er bewohnte das prächtige Schloß und ein förmlicher Hofstaat umgab ihn. Von nah und fern strömten seine Anhänger herbei und Keinem wurde der Zutritt zu ihm versagt. –

Presbyterianer und Puritaner, das Parlament und das Heer, jede Partei und Sekte wetteiferten mit einander, um aus der eigenthümlichen Lage des Königs den möglichst größten Nutzen für sich zu ziehen. Alle wünschten ein Abkommen mit Karl zu treffen und seine Wiederherstellung auf den Thron unter möglichst günstigen Bedingungen für sich zu bewerkstelligen. So wurde er der Mittelpunkt der verschiedensten Interessen und der sich kreuzenden Intriguen, von den Häuptern der Parteien und der Armee gesucht und geehrt. Mitglieder des Parlaments, Generäle und Commissionäre drängten sich im Schlosse von Hampton-Court um die Person des gefallenen Monarchen, wie einst in Withehall, als Karl noch auf dem Gipfel seiner Macht stand. Schlaue Zwischenhändler gingen ab und zu, der König brauchte zu diesem Zwecke seine Vertrauten Berkeley und den getreuen Ashburnham. Durch sie verhandelte er bald mit dem Parlament, bald mit dem Heere, beiden Hoffnungen erweckend, Versprechungen gebend und Aussichten auf Belohnungen eröffnend. So groß war der Zauber der Majestät, daß diese selbst, nachdem sie Alles verloren, noch genug besaß, um den Ehrgeiz, die Gewinnsucht und die Eitelkeit der Sieger zu reizen. Selbst der Schatten dieser untergehenden Sonne war noch von einem verführerischen Glanz und einer imponirenden Größe begleitet.

Trotz seines Falles befand sich Karl in einer günstigeren Lage, als während des ganzen Krieges, aber er verstand nicht, Geringes aufzugeben, um Großes damit zu gewinnen. Sein alter Starrsinn erwachte von Neuem und er täuschte sich wieder über seine Macht. Die Stellung, welche er den Verhältnissen und der Eifersucht der sich befeindenden Parteien verdankte, schrieb er in trauriger Verblendung seiner eigener Person und der nach seinen Begriffen ihm angeborenen und vom Himmel selbst ihm verliehenen königlichen Würde zu. Seine alte Zweideutigkeit und Doppelzüngigkeit gesellte sich dazu, er wollte die Presbyterianer durch die Puritaner, das Parlament durch das Heer und so auch umgekehrt stürzen, sich eines Gegners durch den andern entledigen. Aus diesem Grunde schenkte er allen Parteien zugleich Gehör, unterhandelte er mit Allen, bald mit den Schotten, bald mit den Engländern, mit den Commissionären des Parlaments, wie mit den Führern der Armee. An der Spitze der Letzteren standen die Generäle Fairfax und Cromwell. Vorzugsweise mit dem Letzteren und dessen Schwiegersohn Ireton knüpfte Karl eine geheime Verbindung an. Er ließ es nicht an den größten Versprechungen fehlen, die wohl geeignet waren, Cromwell's Ehrgeiz zu befriedigen. Die Unzufriedenheit des Generals mit dem Parlament mochte wohl dazu beitragen, daß er ihnen ein geneigtes Ohr schenkte; dennoch behielt er ein wohlgegründetes Mißtrauen gegen den König bei.

Cromwell und Ireton hatten durch einen Kundschafter erfahren, daß der König in einem fortdauernden Briefwechsel mit seiner Gattin stand, welche sich nach Frankreich geflüchtet hatte. Es war ihnen verrathen worden, daß ein wichtiges, auf sie Bezug habendes Schreiben in einem Pferdesattel versteckt heimlich von einem Reitknecht aus dem Schlosse befördert werden sollte. Henriette hatte ihrem Gatten früher Vorwürfe gemacht, weil er sich mit den »Schurken« Cromwell und Ireton in Verhandlungen eingelassen und ihnen Titel und Ordensbänder versprochen habe. Karls Brief enthielt seine Antwort und es lag den beiden Generälen jetzt vor Allem daran, seine wahre Meinung zu erfahren.

Zu diesem Zwecke lauerten sie um Mitternacht dem Boten am Thore des Schlosses auf. Nichts ahnend, erschien der Mann zur bestimmten Stunde, den Sattel auf seinem Kopfe tragend.

– Steh', Schurke! donnerte ihm Cromwell entgegen.

– Was wollt Ihr von mir? fragte der Knecht, indem er auf die Knie fiel.

– Was trägst du da auf deinem Kopf?

– Einen Sattel, Herr! erwiederte der Bursche mit angenommener Einfalt. Es ist ein simpler Pferdesattel, an dem der Gurt gerissen ist; ich will ihn zum Sattler tragen.

– Um diese Stunde? Gieb ihn her, wir wollen dir die Mühe ersparen.

– Das wäre schön. Nein, das geht nicht. Ich kann Euch den Sattel nicht lassen.

– Du mußt, rief Cromwell, indem er ihm mit Gewalt das Polster zu entreißen suchte.

– Zu Hülfe, zu Hülfe! schrie der Knecht, der sich zur Wehre setzte.

Ehe ihn jedoch noch Jemand hören konnte, hatte Ireton sein Schwert gezogen und ihn durchbohrt. Lautlos sank der Bote zur Erde nieder. Mit ihrer Beute entfernten sich die Generäle eilends, der Sattel wurde aufgetrennt und folgendes Schreiben von der Hand des Königs, im Futter eingenäht, von ihnen gefunden: »Sei ganz unbesorgt, du kannst getrost mir die Verhandlungen überlassen, da ich die Verhältnisse genau kenne und weiß, was ich unter den gegebenen Umständen zu thun habe. Ich habe mich mit den Schurken Cromwell und Ireton nur in Verbindung gesetzt, um sie für einige Zeit und für meine Pläne zu gewinnen. Ich bin weit entfernt, meine Versprechungen ernstlich zu nehmen und statt eines seidenen Ordenbandes wartet ihrer der hänfene Strick, der allein für sie paßt.

Nachdem Ireton diese Zeilen laut vorgelesen, brach er in wilde Verwünschungen gegen den König und dessen Treulosigkeit aus. Cromwell blieb ruhig, nur ein wildes Gelächter verrieth seinen tiefen Haß.

– Ich glaube, setzte er finster hinzu, daß sein Nacken in größerer Gefahr wie der unsrige jetzt schwebt. Den Verräther schlägt die eigene Hand. Der Mann soll in kurzer Zeit vor den Schurken zittern.

Seit diesem Vorfall trat eine plötzliche Veränderung in der Lage des Königs ein; er wurde wieder in strengerer Gefangenschaft gehalten, seine Wachen verdoppelt, seine Anhänger entfernt und ihm so manche gestattete Freiheit entzogen. Diese Veränderung schien Karl unerträglich und er beschloß, zu fliehen. Zu diesem Entschlusse bestimmte ihn vorzugsweise jedoch eine geheimnißvolle Warnung, daß sein Leben bedroht sei. – Eine neue, halb politische, halb religiöse Sekte, die sogenannten Levellers oder Gleichmacher, war im Heere aufgetaucht. Die Anhänger derselben verlangten Theilung der Güter, Aufhebung aller Standesunterschiede und vor Allem Abschaffung des Königthums. Der fanatische Henderson, Cromwell's alter Freund, bekannte sich offen zu dieser extremen Partei, ebenso noch einige höhere Offiziere, wie der bekannte Oberst Harrison, der außerdem von dem tausendjährigen Reiche Gottes und von einer Republik der Heiligen träumte. Diese Schwärmer stießen laut Drohungen gegen das Leben des Königs aus und verriethen die Absicht, sich seiner Person zu bemächtigen. Das Gerücht von diesen Umtrieben war bis zu Karl gedrungen und der eigentliche Grund seiner Flucht.

In einer Verkleidung war es ihm gelungen, unentdeckt und nur in Begleitung eines treuen Dieners die Wachen zu täuschen und zu entkommen. Aus dem Wege gesellten sich seine Kammerherren Berkeley und Ashburnham zu ihm, die von Allem unterrichtet, ihn bereits erwarteten. Karl selbst war unentschlossen, wohin er sich wenden wollte. Anfänglich gedachte er nach London zu gehen und sich der Stadt oder dem Parlamente anzuvertrauen, doch dieser Schritt schien ihm selber zu gewagt; dann wieder beabsichtigte er nach Jersey zu entfliehen. In dieser Verlegenheit machte ihm Ashburnham den Vorschlag, auf der Insel Wight eine Zuflucht zu suchen, wo er an dem Gouverneur derselben, Sir Hammond, einen alten Bekannten und Freund zu finden glaubte. Dem König gefiel dieser Vorschlag und er sandte seinen Kammerherrn an Hammond ab, um die Gesinnungen desselben genauer zu erforschen. Dieser zeigte sich anscheinend bereit, Karl den nöthigen Schutz gewähren zu wollen. Er versprach, den König selbst abzuholen. Kaum war jedoch Ashburnham zurückgekehrt, als Karl Reue empfand und seine Besorgnisse wegen der Treue des Gouverneurs äußerte.

– Ich fürchte, sagte er, daß Hammond mich verrathen wird.

– Wenn Eure Majestät kein Vertrauen haben, entgegnete der treue Diener, so brauchen Sie ihn nicht vorzulassen.

– Außerdem habe ich in deiner Abwesenheit Berkeley nach Hampton geschickt, um ein Schiff zu suchen, das mich nach Frankreich bringen soll. Ich erwarte jeden Augenblick seine Rückkehr. Was sollen wir nun mit dem Gouverneur anfangen, wenn er kommt?

– Wenn Eure Majestät befiehlt, so werde ich ihn tödten. Ich will mich hinter dem Vorhange verborgen halten und auf einen Wink von Eurer Majestät ihn niederschießen.

– Wir wollen sehen, entgegnete Karl mit gewohnter Unentschlossenheit.

Hammond ließ sich melden und wurde angenommen. Er gab dem Könige so bestimmte Versicherungen von seiner Treue und Ergebenheit, daß dessen Bedenklichkeiten schwanden. Vergebens harrte Ashburnham auf das verabredete Zeichen, es wurde nicht gegeben.

Karl schiffte sich in Begleitung des Gouverneurs nach der Insel Wight ein und folgte diesem nach Carisbrook-Castle, wo er sich vollkommen sicher hielt und gerettet glaubte. Seine treuen Diener Ashburnham und Berkeley verließen ihn nicht. Auch hier schien seine Lage anfänglich durchaus nicht ungünstig. Sowohl das Parlament wie die Schotten schickten ihre Commissionäre, um mit ihm zu unterhandeln. Mit den Letzteren schloß er heimlich einen Vertrag, worin er ihre Rechte anerkannte, wogegen sie selbst mit den Waffen in der Hand sich für seine Wiederherstellung auf den Thron verpflichten. Minder geneigt zeigte er sich, die Wünsche des Parlaments zu erfüllen. An die Führer der Armee schickte er den getreuen Berkeley, um die abgebrochenen Verbindungen wieder anzuknüpfen. Dieser fand aus begreiflichen Gründen eine sehr kühle Aufnahme.

Unterdeß hatte die religiöse und politische Schwärmerei der Levellers einen Grad erreicht, welcher die nöthige Disciplin in der Armee vollkommen zu erschüttern drohte. Mit gewohntem Scharfblick erkannte Cromwell die verderblichen Folgen dieses aufrührerischen Geistes, dem er selbst anfänglich Vorschub geleistet hatte. Er erließ einen Befehl, durch den er den Soldaten jede Versammlung und Ueberreichung von Petitionen verbot. Nichtsdestoweniger hielten diese im Geheimen ihre Zusammenkünfte ab und einige Regimenter lehnten sich offen auf.

– Wir müssen ein strenges Beispiel geben, sagte er zu Ireton.

Die Anarchie greift immer weiter und der Staat geht durch diese Levellers zu Grunde.

– Sind sie nicht unsere Freunde? fragte sein Schwiegersohn verwundert. Haben Sie nicht den König nach Wight getrieben, wo er uns nicht mehr entgehen kann, und das Parlament eingeschüchtert?

– Auch Freunde können uns zur Last fallen und uns mehr schaden als nützen. Länger dürfen wir nicht zusehen, sonst wächst uns dieser Aufruhr über den Kopf. Diese Heiligen schaden der guten Sache und wenden die ruhigen Bürger von uns ab. Sie verlangen Theilung der Güter, Abschaffung der Standesunterschiede. Ich bin weder gesonnen, mit ihnen zu theilen, noch ein Titelchen von meinen wohlerworbenen Rechten aufzugeben.

– Was willst du mit ihnen beginnen?

– Ich werde sie zu Boden schlagen, ehe sie die Kraft gewinnen, mir zu widerstehen. Geh' Ireton und lass' das Heer zur Revue aufmarschieren.

Auf freiem Felde hatte die Armee sich aufgestellt. Cromwell erschien bald darauf von sämmtlichen Generälen und Führern begleitet. Mit gewohnter Ruhe und undurchdringlichem Gesicht ritt er längst der Heeresfront. Vor den aufrührerischen Regimentern hielt er still. Er kannte die Rädelsführer und ließ sie vortreten, unter ihnen befand sich der alte Henderson.

– Greift sie! befahl er mit lauter Stimme.

Sogleich wurden die eilf Männer umringt und einer Wache übergeben. Er ließ ein Kriegsgericht abhalten, welches die Aufrührer zum Tode verurtheilte.

Cromwell näherte sich ihnen und musterte sie mit seinen strengen, festen Blicken. Seine Augen fielen auf den Puritaner, seinen früheren Freund; er that, als ob er ihn nicht kannte. Nachdem er einige Zeit nachdenklich so gestanden, deutete er auf Zwei der heftigsten Levellers.

– Nehmt sie und vollzieht ihr Urtheil, sagte er dann mit lauter Stimme.

Beide mußten niederknieen und wurden sogleich vor Angesicht des ganzen Heeres erschossen. Niemand wagte zu murren, ein heilsamer Schrecken verbreitete sich in allen Reihen. Noch standen die übrigen Deliquenten und harrten eines ähnlichen Looses. Der nächste war der finstere Henderson, er erwartete gefaßt den Tod. Schon waren die Musketen von Neuem geladen, um das Urtheil auch an ihm zu vollziehen; schon kniete der unerschrockene Puritaner nieder, um zu beten, da winkte Cromwell mit der Hand.

– Es genügt, rief er mit eigenthümlichem Lächeln. Möge der heutige Tag Allen eine Warnung sein. Ich dulde unter meinen Soldaten keinen Ungehorsam.

Schweigend und erschüttert zog das Heer an dem General vorüber, der durch seine Energie und seinen Muth den Aufstand so erstickt und die Disciplin wiederhergestellt hatte. Nur der alte Henderson blieb ungebeugt und seine bisherige Zuneigung für Cromwell verwandelte sich in einen glühenden, unauslöschlichen Haß.

Gleich nach diesem Sieg im Innern war Cromwell genöthigt das Heer gegen einen äußern Feind zu führen. In Schottland war ein Aufstand zu Gunsten Karls ausgebrochen, auch in den übrigen Theilen Englands und besonders in Süd-Wales erhoben sich seine Anhänger von Neuem. Mit gewohnter Umsicht und Tapferkeit unterdrückte der General diese Versuche für den unglücklichen König. Alle die Umstände trugen dazu bei, Karls Lage nur zu verschlimmern. Cromwell gelangte immer mehr zu der Ueberzeugung, daß die Ruhe nur durch einen kühnen Schlag wieder hergestellt werden könnte. Sowohl er wie seine Freunde und Parteigenossen faßten den Entschluß, den König zu vernichten und das Königthum abzuschaffen. Auch im Parlament gewann diese Ansicht immer mehr die Oberhand, man war es müde geworden, mit Karl zu unterhandeln, dessen Falschheit alle Parteien erfahren und ihm entfremdet hatte.

Der Gouverneur Hammond, mit dem Cromwell im Briefwechsel getreten war, erhielt den Befehl, den König dem Oberst Cobbet auszuliefern, der ihn zunächst nach Hurst und von da nach London bringen sollte. Unterwegs gesellte sich Oberst Harrison, ein Schwärmer für das tausendjährige Reich, zu der Escorte hinzu. Erst beim Anblick des gefürchteten Fanatikers verließ Karl die heitere Sorglosigkeit, welche er bisher gezeigt hatte. Der Oberst begegnete indeß dem Könige mit soldatischer Höflichkeit und sein zwar rauhes aber offenes Benehmen flößte ihm nach und nach Zutrauen ein. Er nahm ihn beim Arme und unterhielt sich mit ihm längere Zeit.

– Man hat mir gesagt, begann Karl, daß Ihr Willens seid, mich heimlich aus dem Weg zu schaffen.

– Dann hat man Eure Majestät falsch berichtet, entgegnete der Oberst. Ich kann dreist wiederholen, was ich häufig gesagt habe, daß das Gesetz für alle Welt gilt, für Niedrig und Hoch, für Reich und Arm und daß die Gerechtigkeit kein Ansehen der Person haben darf.

Der König schien durch diese freimüthige Aeußerung verletzt und brach das Gespräch mit Harrison bald wieder ab. – Kaum war Karl in London angelangt, als er durch Parlamentsbeschluß in Anklagezustand versetzt wurde. Die denkwürdige Verhandlung fand in Westminsterhall statt. Der Gerichtshof bestand aus hundert und dreiunddreißig Mitgliedern, unter denen Cromwell, Ireton und Harrison sich befanden. Die Anklage wurde verlesen und der König aufgefordert sich zu vertheidigen. Er that es mit Würde und Mäßigung, ohne jedoch den Gerichtshof anzuerkennen. Vor allen Dingen berief er sich auf seine Unverletzlichkeit als König, der nach englischen Gesetzen niemals Unrecht thun und deshalb auch nicht bestraft werden könnte. Nichtsdestoweniger wurde er schuldig befunden und zum Tode verurtheilt. In drei Tagen sollte das Urtheil vollzogen werden Alle Schritte zu seiner Befreiung, welche seine Verwandten und Freunde noch thaten, waren vergebens. Das Volk verhielt sich theilnahmlos und zeigte weder Haß noch Neigung, vielleicht durch die Anwesenheit zahlreicher Truppen in London eingeschüchtert. Kurz vor seinem Tode wurde ihm gestattet, seine Familie zu sehen, nur die Prinzessin Elisabeth und der Herzog von Glocester waren zugegen, alle übrigen befanden sich auf der Flucht. Karl tröstete und ermahnte sie, er schloß seine weinende Tochter in die Arme.

– Sage deiner Mutter, rief der unglückliche König, wenn du sie wieder sehen solltest, daß ich sie stets geliebt und ihr immer die größte Treue bewahrt habe.

Seinen kleinen Sohn setzte er auf sein Knie.

– Sie wollen, sagte er, deinem Vater den Kopf abhauen.

Bei diesen Worten starrte ihn das Kind erschrocken an.

Horch auf, mein Kind! fuhr er fort. Sie werden mir bald das Haupt abschlagen und dich vielleicht zu ihrem König machen wollen. Aber höre, was ich dir sage. Du darfst nicht König werden, so lang noch deine Brüder Karl und Jacob am Leben sind. Sie wollen auch die Köpfe deiner Brüder abhauen, wenn sie diese bekommen und zuletzt werden sie auch deinen Kopf nehmen. Deshalb befehl ich dir, dich nicht von ihnen zum König machen zu lassen.

– Lieber will ich mich in Stücke zerreißen lassen, entgegnete der Knabe, welcher nur halb die Rede seines Vaters verstanden hatte.

Am Morgen seiner Hinrichtung stand Karl zeitig auf und verrichtete wie gewöhnlich sein Gebet in Anwesenheit seines getreuen Dieners Herbert und des Bischofs Juxon, dem das Parlament gestattet hatte, dem Könige den Beistand der Religion zu leisten. Aus dem Palast von Withehall schritt er auf das Schaffot. Hier sprach er nur noch einige Worte, er rechtfertigte sein Benehmen und vergab hiermit seinen Feinden. Dann kniete er nieder, um das Haupt auf den Block niederzulegen. Der Bischof, welcher nicht von seiner Seite wich, suchte ihn noch im letzten Augenblicke durch seinen Trost auszurichten.

– Ich vertausche, sagte der König ruhig, die irdische mit einer himmlischen, die befleckte mit einer reineren Krone, die keinen Wandel kennt.

Darauf beugte er sich nieder, um den tödtlichen Streich zu empfangen. Er selbst gab das Zeichen, indem er seine Hand bewegte.

Ein Scharfrichter mit einer schwarzen Maske vor dem Gesicht schwang das Beil und der Kopf des Königs fiel auf einen einzigen Streich. In demselben Augenblicke ertönte ein lautes, tausendstimmiges Geschrei, das eben so sehr Mitleid, wie Beistimmung bedeuten konnte.

Der Henker nahm den blutigen Kopf vom Boden auf und rief mit lauter Stimme: Dies ist das Haupt eines Verräthers! –


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