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13.

Tief erschüttert verließ der König Westminster-Hall mit dem festen Vorsatze, für die Rettung seines Ministers Alles zu thun, was in seinen Kräften stand. Er rief sogleich seinen geheimen Rath zusammen, um die nöthigen Schritte in Erwägung zu ziehen. Wider Erwarten erhob sich mit Ausnahme des ehrwürdigen Bischofs Juxon auch nicht ein Mann zu Gunsten des verurtheilten Grafen. Mehr oder minder wiesen Alle auf die Nothwendigleit hin, der öffentlichen Meinung ein Opfer zu bringen. Dennoch war der König nicht zu überzeugen und er hoffte noch immer, den traurigen Ausgang abwenden zu können.

Das Volk von London nahm die Verurtheilung Strafford's mit blutgieriger Freude auf, und forderte ungestüm seine Hinrichtung. Eine wilde Menge belagerte den königlichen Palast und begleitete ihr Geschrei nach Gerechtigkeit mit offenen Drohungen, geneigt die Unterschrift des Königs auch mit Gewalt zu erzwingen. Unheimliche Gerüchte liefen durch die Stadt, und die ganze Einwohnerschaft befand sich in einer Aufregung, welche das Allerschlimmste befürchten ließ. Wohin auch der König seine Blicke wenden mochte, sah er keine Hülfe, keine Rettung. Alle seine Diener, mehr auf ihre eigene Sicherheit, als auf die Ehre ihres Gebieters bedachts, lehnten ihre Vermittlung zwischen dem Parlament und dem Könige in dieser Angelegenheit ab. Strafford selbst, von der Unentschlossenheit und der Aengstlichkeit Karls unterrichtet, faßte einen außerordentlichen Entschluß, er schrieb an den König einen Brief, worin er ihn aufforderte, um des öffentlichen Friedens und der eigenen Sicherheit Willen, seinem unglücklichen Leben ein Ende zu machen, und dem ungestümen Drängen des Volkes, welches seinen Kopf verlangte, nachzugeben. »Meine eigene Zustimmung,« schrieb ihm der treue Diener, »wird Euch vor Gott mehr, als Alles, entschuldigen. Einem willigen Mann geschieht kein Unrecht. Bei Gottes Gnade, ich vergebe aller Welt mit Ruhe und Sanftmuth zur innigen Befriedigung meiner scheidenden Seele. So, mein Gebieter, bringe ich Euch freudig mein Leben als ein Opfer dar, als die billige Entschädigung für die reiche Gunst, die Ihr mir stets erwiesen habt.« –

Vielleicht erwartete Strafford von diesem ungewöhnlichen Schritt, daß seine eigene Großmuth den König nur noch anspornen würde, neue Schritte zu seiner Rettung zu thun, vielleicht gab er sich selbst bereits verloren, und dieses Gefühl bewaffnete ihn mit jenem Muthe und der Standhaftigkeit, welche ihn von nun an bis zu seinem Ende nicht mehr verließ. Der König, welcher ihm sowohl mündlich, wie schriftlich bei den verschiedensten Gelegenheiten seinen Schutz zugesichert hatte, befand sich in der furchtbarsten Lage. Gram, Kummer und Furcht nagten an seinem Herzen, und er besaß weder die Kraft, seinen Günstling zu vertheidigen, noch ihn aufzugeben. Brütend saß er in seinem Gemache zu Withehall, als die Königin eintrat und ihn mit ihren Armen sanft umschlang.

– Was fehlt dir? fragte Henriette den betrübten Gatten.

– Ich soll meinen besten Freund, meinen treuesten Anhänger der Volkswuth opfern. Henriette! begreifst du den Schmerz, der mich bei diesem Gedanken erfaßt?

– Karl! Es muß geschehen. Denke an dich, an deine Kinder.

– Du räthst mir, mein königliches Wort zu brechen. Wer wird mir ferner noch vertrauen? Ich stehe dann entehrt vor mir selber, vor meinen Dienern, vor dem ganzen Land. Nein, nein, ich thue es nimmermehr.

– Besser, daß ein Einziger zu Grunde geht, als wir Alle. Er ist dein Diener, und sein Leben gehört dir. Strafford selbst hat sein Haupt dir angeboten.

– Aber ich darf es nicht nehmen. Alle Welt müßte mich verachten, wenn ich das Todesurtheil meines besten Freundes bestätigte.

– Was ist an dem Urtheil gelegen, dessen Vollstreckung noch immer aufgeschoben werden kann. Füge dich dem Willen des Parlaments, und gib dem Drängen des Volks vorläufig nur zum Schein nach. Ueberlasse mir, einen Plan zu ersinnen, der den Grafen sicher retten muß. Karl, mein Herr, mein Geliebter! schicke dich in die Nothwendigkeit, und rette dir und deinen Kindern den bedrohten Thron. Was wir heute verlieren, können wir morgen wieder gewinnen. Es werden bessere Zeiten kommen, wo du dein Ansehen und deine königliche Macht zurückerobern wirst. Du weißt, wie schwankend das Volk in seiner Gesinnung ist, und die sich jetzt gegen deine Herrschaft auflehnen, können dir in wenig Wochen schon wieder zu Füßen liegen. Oft erlangt eine kluge Nachgiebigkeit mehr als Starrsinn und Hartnäckigkeit. Nicht Achilles mit seiner wilden Kraft, sondern der schlaue Odysseus mit seiner Klugheit hat die Trojaner besiegt. – Nimm dir ein Beispiel an dem edlen Dulder, der nach manchem Mißgeschick über seine Feinde triumphirte und die unverschämten Freier aus dem Hause trieb.

So rieth die anmuthige Königin mit Bitten und Schmeicheln, und wo diese nicht ausreichten, nahm sie selbst zu Thränen ihre Zuflucht, bis Karl schwach genug war, ihrem Drängen nachzugehen. In ihrer Gegenwart unterschrieb er das Todesurtheil. Sobald der verhängnißvolle Schritt geschehen war, bedeckte er sein Gesicht mit beiden Händen, als wollte er seine Scham und Reue selbst vor seiner Gattin verbergen. Ihr Lächeln ermuthigte ihn wieder.

– Verlasse dich auf mich, sagte sie, ihm Muth zusprechend. Strafford soll trotzdem nicht sterben.

– Was willst du thun, um das grausame Geschick von seinem Haupte abzuwenden?

– Das soll vorläufig noch mein Geheimniß bleiben, es ist besser, daß du nichts erfährst, da ich deine ängstliche Gemüthsart kenne. Nur soviel will ich dir verrathen, daß ich Freunde besitze, die keinen Augenblick anstehen, ihr Leben für mich hinzugeben.

– Dann bist du glücklicher, als ich, seufzte der unglückliche Monarch.

Sobald Henriette ihren Gatten verlassen hatte, rief sie ihre ergebene Kammerdame, Madame de Motteville, eine Französin, welche sie nach England begleitet hatte, und der sie ein unbedingtes Zutrauen schenken durfte.

– Motteville! sagte sie, nimm dieses Billet und übergib es heimlich an Sir Thomas Egerton, ich erwarte ihn in der Dunkelstunde. Du wirst ihn durch die verdeckte Hintertreppe in mein Kabinet führen.

Die listige Französin, welche an ein unerlaubtes Verhältniß denken mochte, sah ihre Gebieterin fragend an.

– Geh! befahl diese ungeduldig, verliere keine Zeit, und sei stumm, wie das Grab.

Das zierliche, nach Moschus duftende Billet der Königin, welches eine Einladung zur ungewohnten Zeit enthielt, versetzte den leidenschaftlichen Jüngling in keine geringe Aufregung. Hoffnung und Zweifel bestürmten seine Brust, und voll stürmischer Ungeduld zählte er die langsam dahinschleichenden Stunden des Tages, bis der Glück verheißende Abend kam. Vorsichtig näherte er sich der bezeichneten Thür, welche laut Verabredung sich auf drei gethane, leise Schläge öffnete. An der Thür empfing ihn Frau von Motteville, welche ihn in das geheime Kabinet der Königin geleitete. Henriette lag auf einem Divan von rothem Sammt nachlässig hingestreckt. Eine Ampel mit wohlriechendem Oel gefüllt, beleuchtete mit magischem Schimmer ihr reizendes, interessantes Gesicht. Sie streckte dem geblendeten Jüngling mit anmuthigem Lächeln ihre feine Hand entgegen, die dieser knieend an seine brennenden Lippen führte.

– Sir Thomas! sagte die Königin, ich habe Euch rufen lassen, um einem großen Dienst von Euch zu verlangen.

– Fordert mein Leben, mit tausend Freuden gebe ich es hin für Euch, rief der entzückte Thomas.

– Ich habe mich nicht geirrt, als ich aus Euch rechnete. Setzt Euch und hört mich ruhig an, doch wir dürfen keinen Zeugen haben.

Auf einen Wink der Königin entfernte sich die Kammerdame, die Thüren sorgfältig verschließend und die Vorhänge von Purpur niederlassend; dennoch dürfen wir nicht zweifeln, daß Frau von Motteville das folgende Gespräch belauscht hat, indem sie ihr Ohr an die dünne Tapetenwand legte, und von Zeit zu Zeit ihr Auge durch das Schlüsselloch schweifen ließ. In ihren Erwartungen sah sie sich jedoch getäuscht, da weder die Königin noch ihr Anbeter die Schranken der Sitte und des hergebrachten Tones auch nur im Geringsten fallen ließen. In ehrerbietiger Entfernung begnügte sich Thomas stumm, die Reize seiner Gebieterin zu bewundern. Nach einer kurzen Pause ergriff die Königin das Wort.

– Ich bedarf eines entschlossenen und verschwiegenen Mannes, der vor keiner Gefahr zurückschrickt; den glaube ich in Euch gefunden zu haben. Es handelt sich um einen Plan, der nicht nur den Grafen Strafford, sondern die bedrohte Monarchie selbst retten soll. Wer die Ausführung desselben übernimmt, setzt im Fall des Mißlingens vielleicht seinen Kopf auf's Spiel.

– Ich würde ihn für meine Königin ohne Murren auf den Richtblock niederlegen. Gebietet über mich, was soll ich thun?

– Ihr müßt noch diese Nacht in das Lager reisen und das Heer zu gewinnen suchen. Ich weiß, daß Ihr mit dem größten Theil der Offiziere genauer bekannt seid; auch findet Ihr mehrere meiner Freunde dort. O'Neale, Pollard, Ashburham sind mir und dem Könige ergeben. Jermyn, Percy, Wilmot und Goring sollen Euch unterstützen. Sucht zuerst die Anführer und später die Soldaten auf unsere Seite zu ziehen; ich werde Euch mit dem nöthigen Gelde zu diesem Zwecke versehen.

– Und was soll geschehen, wenn mir mein Auftrag gelingt?

– Zunächst handelt es sich darum, das Parlament einzuschüchtern. Laßt daher zu diesem Zwecke die Armee eine energische Petition aufsetzen und unterschreiben, worin sie ernstliche Abhülfe der bestehenden Uebelstände verlangt. Diese Vorstellung muß mit großer Vorsicht abgefaßt sein, und besonders auf die großen und beispiellosen Concessionen Bezug nehmen, welche der König in Rücksicht auf den Frieden und die Sicherheit des Landes gewährt hat; dann kann sie die endlosen Unruhen im Volke und das ausschweifende Treiben der Parteien berühren, welche die Freiheit des Königs und des Parlaments beschränken. Lediglich zum Schutze des Letzteren soll das Heer das Verlangen stellen, nach London berufen zu werden, um die Versammlung zu bewachen und vor jedem Einflusse zu schützen.

– Wäre es nicht besser, sogleich und ohne Umschweife die Armee hierher zu führen, und mit ihrer Hülfe das Parlament auseinander zu treiben?

– Gewiß, doch ich fürchte dann die Bedenklichkeit so mancher Offiziere und der Soldaten, welche noch an den hergebrachten Vorurtheilen der Constitution hängen; auch das Volk würde sofort zu den Waffen greifen und Widerstand leisten. Wir müssen vorläufig den Schein des Rechtes zu wahren suchen, und das Parlament mit gleichen Waffen bekämpfen. Wie dieses durch Petitionen und Aufstände die Regierung bedroht und einschüchtert, so soll ihm jetzt von unserer Seite geschehen. Sieht das Haus der Gemeinen erst das Heer auf unserer Seite, so wird es nachgiebiger werden und sich unserm Willen fügen. Wir können von ihm die Freilassung Strafford's und noch weit mehr verlangen. Ihr seht daher, wie viel von einer schnellen und genauen Ausführung dieses Plans abhängt.

– Ich will sogleich an's Werk gehen, noch in dieser Stunde reite ich.

– Rechnet auf meine unbegränzte Dankbarkeit. Diese Briefe nehmt noch an Jermyn und Percy mit, um Euch zu beglaubigen. Laßt jedoch die Zeilen sogleich und in Eurer Gegenwart verbrennen.

Thomas nahm die Briefe aus der Hand der Königin, obgleich er lieber ganz allein die Gefahr und Ehre des Unternehmens getragen hätte. Zugleich händigte ihm Henriette eine bedeutende Geldsumme ein, die sie aus dem Erlös einiger verkauften Juwelen sich verschafft hatte. Nach einem überaus gnädigen Abschiede verließ der Jüngling das Kabinet, um möglicher Weise sein Leben für seine angebetete Gebieterin zu opfern. In größter Eile ließ er von Billy Green sein Roß satteln, und eilte noch in dieser Nacht, in Begleitung des verschmitzten Dieners, in das Lager. Hier entledigte er sich ohne Versäumniß seines Auftrages. Die meisten Offiziere sicherten ihm ihre Beihülfe zu, und vermittelst des mitgebrachten Geldes, das er mit reichen Händen ausstreute, hoffte er auch die Mehrzahl der Soldaten zu gewinnen, welche ohnehin aus mannigfachen Gründen mit dem Parlamente unzufrieden waren.

Der arglistige Jermyn heuchelte gegen Thomas die größte Ergebenheit, und schien den neulichen Streit vollkommen vergessen zu haben. In seinem Zelte fand die Zusammenkunft der Offiziere statt, welche sich durch einen Eid verpflichteten, die größte Verschwiegenheit zu beobachten, und den Plan der Königin nach besten Kräften zu fördern. Ein üppiges Gelage der ausgelassenen Cavaliere schloß die Berathung. Der Wein wurde nicht geschont, und in der allgemeinen Trunkenheit so mancher Becher auf das Wohl der Königin und den baldigen Untergang des Parlaments ohne die nöthige Vorsicht geleert. Billy Green, welcher hinter dem Stuhle seines Herrn stand, hatte darüber seine eigenen Gedanken. – Am nächsten Morgen eilte Thomas nach London zurück, um die Königin von dem Erfolge seiner Sendung zu benachrichtigen. Jermyn hatte ihm versprochen, die Petition sogleich unterschreiben zu lassen, und selbst in London an der Spitze der Offiziere dem Parlamente zu übergeben. Kaum hatte Thomas jedoch, durch dies Versprechen bestimmt, das Lager verlassen, als der hinterlistige Höfling seine Freunde Wilmot, O'Neale, Pollard und Goring um sich versammelte. Er mißbilligte zwar, wie er ihnen auseinandersetzte, keineswegs den Plan der Königin, aber wohl die Wahl des Vertrauten, dessen sie sich zu diesem Zwecke bediente.

– Wie ich glaube, sagte er von Neid erfüllt, so gibt es noch andere Männer, um ein solches Unternehmen zu leiten, als ein unreifer, unbärtiger Jüngling, der kaum seit einigen Monaten am Hofe lebt. Wir dürfen eine solche Bevorzugung nicht dulden. Außerdem kann uns seine Unvorsichtigkeit in die größte Gefahr stürzen. Wenn das Parlament von der Verschwörung Wind bekommt, sind wir verloren und dem Untergang geweiht.

– Was sollen wir thun? fragte ängstlich Lord Goring, der für seinen Kopf zu fürchten begann, das Geheimniß hat bereits zu viele Mitwisser.

– Deswegen wird es am Besten sein, wenn wir die Sache in unserer Hand nehmen und Egerton fallen lassen. Wir entwerfen die Bittschrift und statt sie selber zu unterschreiben, legen wir sie dem Könige zur Unterzeichnung vor. Wenn sein Name an der Spitze steht, so haben wir nichts zu fürchten, unter seiner Sanction können wir ungestraft dem Parlament die Petition überreichen.

Der Vorschlag fand allgemeinen Anklang. Dieselben Kavaliere, welche einige Monate später mit der größten Tapferkeit und Todesverachtung sich im freien Felde für den König schlugen, und an Muth keinem ihrer Gegner wichen, waren fast von feiger Angst vor dem Ansehen des Parlaments erfüllt. Aus diesem Grunde zogen sie sich furchtsam hinter den Schutz des königlichen Namens jetzt zurück. – Indeß sollte ihnen ihre Vorsicht durchaus keinen Nutzen bringen, Billy Green hatte nicht umsonst am Hofe gelebt und die dort herrschende Gesinnungslosigkeit, Perfidie und den allgemein verbreiteten Eigennutz kennen gelernt. Durch die Verurtheilung Strafford's wurde sein Vertrauen zu der Macht des Königs bedeutend erschüttert und ihm sowohl die Gewalt des Parlaments, wie die Gesinnung des Volkes klar gemacht. Der schlaue Bursche hatte einen gewissen politischen Instinkt und wäre vielleicht unter andern Verhältnissen ein bedeutender Staatsmann geworden; er witterte mit seiner feinen Nase den Verwesungsgeruch der monarchischen Partei. Auf Seiten des Königthums blühten, wie er richtig ahnte, keine besondere Aussichten mehr für ihn, und wenn ihm auch im Grunde der Seele die herrschende Partei wegen ihrer puritanischen Sittenstrenge und tieferer Lebensanschauung zuwider war, so neigte er sich doch zu ihr nach Art gemeiner Seelen, die dem Strome folgen und dem Sieger sich anschließen. Auch wußte er, daß hinter der Maske der Tugend ein Schalk und Heuchler ungestört oder nur um so besser sein Wesen forttreiben durfte, und daß am Ende auch die grimmigsten Puritaner Menschen blieben, ihren Wein heimlich tranken, ihre Mädchen im Verborgenen küßten. Das Alles reizte den verschmitzten Gesellen schon lange Zeit und er wartete nur auf die passende Gelegenheit, um seinen Herrn zu verlassen und eine kleine politisch-religiöse Schwenkung zu machen, wie sie zu jenen Zeiten nicht eben selten vorkam. Die Sympathie für seinen bisherigen Herrn war nie so stark gewesen, daß er seinen Nutzen und die Aussicht auf eine angemessene Belohnung darum aufgeopfert hätte.

Derartige Gedanken beschäftigten den Burschen auf dem ganzen Wege aus dem Lager nach London. Er war durch Zufall in den Besitz eines Geheimnisses gelangt, das er auszubeuten und für den höchsten Preis an die Feinde der Regierung zu verkaufen beschloß. Es war damals eine Zeit der gegenseitigen Spionage und Angeberei, der Hof wie das Parlament bedienten sich der niedrigsten Werkzeuge, um sich zu überwachen und auszukundschaften. Das Gewissen der Parteien pflegt nie allzustreng in der Wahl der Mittel zu verfahren, wenn sie nur zum Zwecke führen. In Gedanken zählte bereits Billy Green die Goldstücke, welche er für seinen Verrath zu erhalten hoffte.

So bald er in London angekommen war, suchte er den Leiter der Opposition, den bekannten Pym auf.

– Was gebt Ihr mir, fragte der freche Geselle, wenn ich Euch ein Geheimniß anvertraue, von dem das Schicksal des Parlaments abhängt?

Der bedächtige Pym maß den Burschen mit seinen kalten, durchbohrenden Augen.

– Du siehst nicht darnach aus, als ob dir Jemand ein so wichtiges Geheimniß anvertraut hätte, doch laß hören, was du weißt.

– Nicht eher, bevor ich meinen Lohn erhalten habe.

– Wenn deine Nachrichten von Wichtigkeit sind, so soll dir derselbe nicht entgehen.

– Ich habe Euer Wort. Gut! so will ich Euch denn sagen, daß mein Herr und mit ihm die vornehmsten Offiziere sich vereinigt haben, um mit Hülfe des Heeres das Parlament unter dem Vorwande es zu beschützen, auseinander zu treiben.

– Hast du Beweise?

– Ich wußte, daß Ihr meinen Worten nicht trauen würdet und habe mich daher vorgesehen. Lest diese Briefe von der Hand der Königin.

– Und wie bist du dazu gekommen?

– Auf. die einfachste Weise von der Welt. Ich war beauftragt, sie in's Feuer zu werfen, habe es aber vorgezogen, sie heimlich zu unterschlagen.

– Du hast wohl daran gethan und verdienst dafür eine angemessene Belohnung. Vorläufig nimm diesen Beutel aus Abschlag. Das Parlament wird ferner für dich Sorge tragen. Einstweilen kannst du zu deinem Herrn zurückkehren und wenn du neue, wichtige Nachrichten mir zu bringen hast, so weißt du jetzt, wo du mich findest.

Hocherfreut entfernte sich Billy Green, zufrieden mit der Belohnung und der Aussicht auf eine einträgliche Stellung, die ihm von Pym zugesichert war. Unterwegs empfand er jedoch eine Anwandlung von Gewissensbissen und er beschloß seinem Herrn einen warnenden Wink zu geben.

Jeder Mensch, philosophirte der Bursche, hat die Aufgabe für sich selbst zu sorgen. Erst wenn er mit sich selber fertig ist, kann er an Andere denken. Mein Herr, über den ich mich eigentlich nicht zu beklagen habe, soll sehen, daß ich dankbar bin. So schlage ich zwei Fliegen mit einem Schlage. Ich erfülle meine Pflicht gegen mich selber und gegen meinen Nebenmenschen. Eigentlich muß es mir Sir Thomas danken, daß ich ihn vor einem dummen Streich bewahre. Die Luft taugt nichts für ihn und je zeitiger er fortkommt, desto besser. Ich will ihm einen Brief schreiben, daß er am Besten thut, wenn er sich auf die Strümpfe macht.

Mit diesem Vorsatz begab sich Billy Green in die nächste Taverne, wo er sich bei einem Glase Wein gütlich that, dann ersuchte er einen aufwartenden Knaben einen mit verstellter Hand gekritzelten Brief an Sir Egerton zu besorgen, worin er mit Verschweigung seines Namens ihm die Anzeige machte, daß Alles verrathen und schnelle Flucht die einzige Rettung für ihn sei.

Noch an demselben Tage zeigte Pym dem Parlamente die Verschwörung der Offiziere an. Die Nachricht wurde mit allgemeiner Entrüstung aufgenommen und sogleich der Beschluß gefaßt, gegen die Schuldigen mit der äußersten Strenge zu verfahren. Constabler wurden ausgeschickt, um sich ihrer zu bemächtigen und sie zur Haft zubringen. Thomas hatte indeß die warnenden Zeilen erhalten und konnte noch zur rechten Zeit sich retten. Er schlug den Weg nach Wales ein, wo seine Schwester Alice an der Seite ihres Gatten lebte. Dort hoffte er verborgen zu bleiben. Auch Percy gelang es einen sicheren Versteck zu finden, Jermyn hielt es für gerathen, vorläufig nach Frankreich zu gehen, um den Sturm in Sicherheit abzuwarten. Dagegen wurde Goring ergriffen und von einem Ausschusse des Parlaments vernommen. Voll Furcht machte er die umfassendsten Geständnisse und verrieth seine Freunde, so wie die Mitwirkung der Königin, welche ohnehin durch die überlieferten Briefe von ihrer Hand nicht länger bezweifelt werden konnte.

Das Scheitern dieses Planes schadete dem Königthum weit mehr, als ihm vielleicht das Gelingen desselben genützt haben würde. Lauter als je erhoben sich die Anschuldigungen gegen Karl und seine Gattin. Die nächsten Folgen fielen aber auf das Haupt des unglücklichen Strafford zurück. Mit Ungestüm forderte jetzt das Volk seinen Kopf und von allen Kanzeln wurde gegen seine Anhänger in wüthenden Ausdrücken gepredigt. So oft der König sich öffentlich zeigte, wurde er von einer lärmenden, aufrührerischen Volksmenge empfangen, welche mit wüstem Geschrei Gerechtigkeit gegen den Verräther Strafford forderte. So von allen Seiten gedrängt, von den Räthen vielfach angegangen, von den Bitten und Thränen der Königin bestürmt, entschloß sich der König endlich nachzugeben und in die Hinrichtung seines treuesten Dieners zu willigen. Bis zum letzten Augenblicke hoffte er jedoch noch, daß das Parlament nachgeben und nicht auf Strafford's Tod bestehen würde. Zu diesem Zweck ließ er sich zu neuen Concessionen herbei, aber ohne seine Absicht zu erreichen. Die Gemüther waren einmal unversöhnlich gegen den unglücklichen Minister gestimmt und man mißtraute dem König jetzt um so mehr, da sein Antheil an der Verschwörung der Offiziere zum Sturze der bestehenden Verfassung nicht bezweifelt wurde.

Drei Tage vor der Hinrichtung des Grafen sandte ihm Karl seinen Secretair Carleton, um ihn mit seinem Schicksal bekannt zu machen und sich gleichsam durch die Nothwendigkeit zu entschuldigen. Trotzdem Strafford wenig Hoffnung hatte und mit dem schwankenden Charakter seines Gebieters hinlänglich bekannt war, schien er doch schmerzlich erstaunt, er starrte wie aus einem Traum empor und brach in die Worte der heiligen Schrift aus: »Vertraut nicht den Fürsten und Menschenkindern, denn in ihnen ist kein Heil.« Dann versank er in ein tiefes, schmerzliches Stillschweigen. Sein ganzes vergangenes Leben zog an seiner Seele vorüber und er gedachte wohl mit Bitterkeit der schlecht vergoltenen Treue, die er dem Könige stets bewahrt hatte. Drei Tage waren ihm noch zur Vorbereitung auf den Tod gegönnt. Unterdeß verlebte auch Karl die traurigsten Stunde seines Daseins. Noch einen Versuch wollte er machen, um den Grafen zu retten, er sandte einen Brief durch den jungen Prinzen an das Haus der Lords, worin er sie ersuchte, mit den Gemeinen noch einmal das Urtheil Strafford's in Erwägung zu ziehen und dasselbe zu mildern, schließlich forderte er wenigstens den Aufschub der Hinrichtung. Beide Anträge wurden von den Pairs nicht bewilligt.

An einem freundlichen Frühlingsmorgen verließ der Gefangene seinen Kerker, um das Schaffot zu besteigen. Sein Weg führte ihn an dem Fenster des Erzbischofs Laud vorüber, der ebenfalls im Tower saß. Seit längerer Zeit sahen sich die vieljährigen Freunde wieder. Der greise Priester streckte dem Scheidenden die zitternden Arme entgegen, in Thränen aufgelös't rief er den Segen des Himmels auf den Verurtheilten herab, dann sank er von seinem Schmerze überwältigt in die Arme des Zunächststehenden.

Welch ein Wiedersehen! Die beiden mächtigsten Männer des Königreichs, welche vor wenig Monaten noch England fast unumschränkt beherrschten, standen einander jetzt hülflos gegenüber, der Eine im Begriff sein Haupt auf den Block zu legen, der Andere mit der nahen Aussicht auf ein ähnliches Geschick.

Mit dem alten, unbefangenen Muthe betrat Strafford das Blutgerüst; nach der Sitte der Zeit hielt er eine Anrede an die zahlreichen Zuschauer, welche sich eingefunden hatten, um ihn sterben zu sehen.

– Ich halte es für ein schlimmes Zeichen, sagte er mit fester Stimme, daß die Reform des Staates mit Vergießung von unschuldigem Blut beginnt.

Hierauf umarmte er seinen anwesenden Bruder und die wenigen Freunde, welche ihn in der letzten Stunde nicht verlassen hatten, dann segnete er in Gedanken seine Kinder, deren Gegenwart er nicht gewünscht hatte.

– Und nun, fügte er hinzu, ist bald Alles abgethan. Ein einziger Streich wird mein Weib zur Wittwe, meine Kinder zu vaterlosen Waisen machen, meine treuen Diener eines nachsichtigen Herrn berauben und mich von der Seite eines geliebten Bruders und meiner Freunde reißen. Gott möge sie und Alle in seinen Schutz nehmen.

Er kleidete sich selber aus und traf die nöthigen Vorbereitungen ohne die Hülfe des Henkers anzunehmen, der sich ihm darbot.

– Ich danke Gott, sprach er laut, daß ich vor dem Tode keine Furcht habe und die Aussicht auf die Ewigkeit mich nicht erschreckt. Ich lege mein Haupt so ruhig aus den Henkerblock, als wäre es das Kissen, worauf ich zu ruhen pflege.

Leise sprach er hinknieend sein Gebet. Es herrschte ein ernstes Schweigen, eine feierliche Stille im weiten Kreise des Towers.

Das Beil des Henkers blitzte im funkelnden Sonnenschein, ein dumpfer Schlag erdröhnte und das Haupt des großen Staatsmannes fiel auf einen Streich.


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