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10.

Während Milton so auf der Rückreise nach der Heimath den Stoff zu dem großen Heldengedichte fand, nahmen die Verhältnisse in seinem Vaterlande eine mehr und mehr drohende Gestalt an. Die Parteien standen sich schroffer als je gegenüber, auf der einen Seite das neu berufene Parlament, von religiösen und politischen Schwärmern aufgeregt, auf der andern Seite der verblendete König mit seinem Hof und seinen übermüthigen und sorglosen Anhängern. Zu der letzteren gehörte auch der leichtsinnige Thomas Egerton, welcher in dem Haushalte der Königin eine Anstellung gefunden hatte, und in der neuen Umgebung bald eine hervorragende Stellung als ihr bevorzugter Günstling einnahm. Der kecke Jüngling hatte sich ohne Ueberlegung in den Strudel der Intriguen und Vergnügungen gestürzt, welche der Hof zu jener Zeit ihm darbot. Ein Fest verdrängte das andere, obgleich die Zeit nichts weniger, als günstig für derartige Zerstreuungen war; man tanzte im eigentlichsten Sinne auf einem stammenden Vulkan. Die Stimmung im Volke war eine auf's Aeußerste gereizte. Durch allerlei ungesetzmäßige und despotische Schritte hatte die Krone das Vertrauen und die Liebe der Nation verscherzt, welche sich dagegen um so mehr zu den muthigen Gegnern derselben und den Parlamentsmitgliedern hingezogen fühlte, die rücksichtslos die Regierung angriffen. Männer, wie Pym, Hampden u. s. w. waren die Helden des Tages und genossen die höchste Verehrung.

Sie allein hielt man für treue Patrioten, für Freunde des Vaterlandes, und vor Allem für wahre und aufrichtige Christen. Selbst eine durchaus reine und unverfängliche Anhänglichkeit an den Hof wurde als sclavische Abhängigkeit, die Liebe zum Königshause als servile Schmeichelei, und das Vertrauen auf seine Versprechungen als schamlose Bestechlichkeit angesehen und verschrieen. Diese Strömung der öffentlichen Meinung war die allgemein verbreitete und wurde noch durch die plötzliche Auflösung des Parlaments vermehrt.

Trotz dieser drohenden Anzeichen einer nahe bevorstehenden Revolution überließ sich der Hof und besonders die Königin sorglos dem Taumel des Vergnügens. Karl war zu ernst, fast pedantisch, um an der herrschenden Fröhlichkeit lebendigen Antheil zu nehmen; desto mehr aber liebte die Königin Feste, Tanz und dramatische Vorstellungen. Ein liebenswürdiger Gesellschafter, ein guter Tänzer, ein heiterer Sinn war der lebhaften Französin stets willkommen, und deßhalb hatte auch Thomas, der all diese Eigenschaften in sich vereinte, in kurzer Zeit ihre Gunst erlangt. In auffallender Weise von ihr bevorzugt, erregte er bereits die Aufmerksamkeit und den Neid der übrigen Höflinge. Mit dem feinen Jermyn und dem schönen Perey wurde er öffentlich als ihr erklärter Günstling bezeichnet. Er war darum nicht wenig stolz und seiner Gebieterin fanatisch ergeben. Die Herablassung und Freundlichkeit der hohen Frau erweckten in dem Herzen des Günstlings eine gränzenlose Dankbarkeit, welche bald in die heißeste Liebe überging. Henriette vergaß zwar nie ihre königliche Würde, aber sie war zu sehr Weib, um nicht an den Huldigungen des schönen und gewandten Jünglings Wohlgefallen zu finden. Ein freundliches Lächeln, einen gewinnenden Blick aus ihren feurigen braunen Augen hielt sie nicht für unerlaubt, und mehrte so die verzehrende Glut in seinem Busen. Dafür hätte er gern sein Leben, sein Blut hingegeben und sich aufgeopfert. Seine Liebe zu der armen Lucy Henderson, welche ihm voll Vertrauen nach London gefolgt war, mußte dieser neuen Leidenschaft wohl weichen, denn wie konnte das einfache Landmädchen einen Vergleich mit der Königin von England aushalten? Sie fühlte zwar eine Abnahme seiner Zärtlichkeit, aber in ihrer Einfalt ahnte sie nicht den wahren Grund und schrieb seine sichtbare Kälte den veränderten Verhältnissen, seiner neuen Stellung und den damit verbundenen Beschäftigungen zu. Sie liebte ihn nichts desto weniger mit immer gleicher Innigkeit und begnügte sich wie eine Magd mit den Brosamen und dem Abfall seiner Neigung. Wenn er mit ihr von der Schönheit und der Liebenswürdigkeit der Königin in den enthusiastischen Ausdrücken sprach, überkam sie auch nicht eine Spur von Neid; denn wie hätte sie eine Fürstin beneiden können? sie theilte im Gegentheil seine Gefühle, und obgleich sie Henriette nie gesehen, betete sie dieselbe wie eine Heilige an, ebenfalls bereit, für sie sich aufzuopfern und ihr Leben hinzugeben. Neben der Leidenschaft zu Thomas, war ihr Herz ganz und gar von Liebe und Verehrung für die Königin erfüllt. Diese Empfindung nahm fast den schwärmerischen Ausdruck eines religiösen Kultus an.

Von ganz anderen Gedanken wurde unser Freund Billy Green beseelt. Der freche Bursche gefiel sich in den Straßen London's, weit mehr noch am Hofe, den er in der Eigenschaft des Bedienten seines Herrn betrat. Bald war er auch hier bekannt und wegen seiner lustigen Späße wohlgelitten. So vermehrte er die müßige Dienerschaar, welche sich im Palaste herumtrieb und auf allgemeine Unkosten schmarotzte. In seinem Aeußeren war ebenfalls eine große Veränderung vorgegangen; er bemühte sich, den Ton der großen Stadt und besonders seiner Umgebung mit vielem Glücke nachzuahmen. In den abgelegten Kleidern seines Herrn spielte er mit einiger Uebertreibung den vollkommenen Kavalier aus jener Zeit. Den runden Hut mit der Feder hatte er schief und verwegen nach der Seite sitzen. Ein breiter Spitzenkragen fiel auf das bunte Wamms herab, und überaus weite Pluderhosen bedeckten seine prallen Schenkel, während die weißen Strümpfe ein Paar kräftige Waden hervortreten ließen. An der Seite trug er den unentbehrlichen Raufdegen, auf den er sich zu stützen pflegte. So stolperte er in den Vorhallen und Gängen des Palastes herum, wobei er sich so weit als möglich das Ansehen eines einflußreichen und gewandten Höflings zu geben suchte. In der That gelang es ihm auch, in dieser neuen Gestalt einige einfältige Bittsteller zu täuschen, denen er seine Protektion bei dem Könige und andern bedeutenden Personen am Hofe, natürlich gegen angemessene Belohnung, versprach. Auch beim schönen Geschlechte war Billy Green in dieser Metamorphose mehr als früher angesehen, und manche zärtliche Verbindung mit Kammerzofen und Bürgerstöchtern wurde von ihm angeknüpft, wobei seine Bescheidenheit ihn meist seine eigene Person verleugnen und die Rolle eines wirklichen Kavaliers annehmen ließ; kurz der muntere Geselle gefiel sich überaus in seiner neuen Stellung und segnete den Augenblick, wo er seine heimathlich-ländlichen Fluren mit dem Pflaster London's vertauscht hatte. Seinem Herrn bewährte er die frühere Anhänglichkeit bis auf einen gewissen Punkt. Er verspürte weit weniger die Natur des treuen Hundes, als den Unabhängigkeitssinn der Katze in sich. Wie diese, mauste er auf eigene Hand und bewahrte sich eine gewisse Freiheit. An Schlauheit übertraf er dieses Thier noch bei Weitem, und wo es sich darum handelte, einen pfiffigen Streich auszuführen, war Billy Green noch immer seinem Herrn zur Hand. Heute beschäftigte sich der würdige Geselle, seinen Herrn für den Abend anzukleiden. In den Gemächern der Königin sollte ein Hoffest gegeben werden, zu dem der Hofpoet Davenant eine besondere Maske gedichtet hatte. Henriette liebte es, bei dergleichen Gelegenheiten ihren Gatten durch allerhand geistreiche Spiele und Ausführungen zu unterhalten und zu überraschen. Sie selbst übernahm auch wohl zuweilen zum Aerger ihrer puritanischen Unterthanen eine Rolle in einem solchen Stücke, besonders als Tänzerin. Zu einer Quadrille, worin die Königin mitwirkte, war Thomas Egerton aufgefordert worden, und man kann sich wohl denken, welche Sorgfalt er auf seinen Anzug verwendete, da er wußte, wie viel seine hohe Gönnerin auf geschmackvolle Tracht und schönes Aeußere gab. Mit Hülfe seines Dieners legte er ein Kleid von weißer Seide mit goldener Stickerei an, reich mit den feinsten Brüsseler Spitzen und flatternden Bändern besetzt. Billy Green war ihm bei der Toilette behülflich, und unterhielt dabei seinen Herrn mit allerlei lustigen Geschichten und Einfällen, die seinen feinen Spürsinn und seine scharfe Beobachtungsgabe verriethen.

– Es wird wieder heut hoch hergehen, sagte der schlaue Bursche. Ich bin schon in der Küche gewesen. Herr du mein Gott! was wurde da gekocht und gebraten. Das Wasser läuft mir gleich im Mund zusammen, wenn ich nur daran denke. Und die Weine, die ihr trinken werdet. Der Kellermeister hat das Beste und Schönste hergeben müssen. Ach! nur einmal in meinem Leben möchte ich an so einer Hoftafel essen und trinken, ich hätte dann genug für alle Ewigkeit. Was werden wieder die geistlichen Schwarzröcke schimpfen und donnern, wenn ihnen der Bratengeruch aus der königlichen Küche in die Nase steigt. Glaubt mir, Sir Thomas, die ganze Unzufriedenheit der Pfaffen kommt aus einem leeren Magen.

– Du kannst Recht haben, entgegnete der Jüngling zerstreut, indem er noch eine Nestel an seinem Gewande beseitigte und die nach Bisam duftenden Handschuhe anlegte.

– Neulich, fuhr Billy fort, bin ich zum Spaß in einer solchen Kirche gewesen und habe einer Predigt beigewohnt. Wenn ich der König wäre, ließ ich den Schuft hängen. Ihr hättet hören sollen, wie er loslegte. Der König wurde mit Saul verglichen, der zu Grunde ging, weil er nicht auf die Stimme Samuels hören wollte. Natürlich war Samuel Niemand anders als der rund geschorne Pfaffe selber. Weit schlimmer kam noch die Königin fort, er schimpfte sie das babylonische Weib, eine andere Jesabel, das Verderben Englands, die Pest der Welt.

– Hätte ich den Schurken hier, ich wollte ihm den ungewaschenen Mund mit meinem Degen stopfen und ihn das kalte Eisen kosten lassen.

– Ich konnte mich nicht länger halten und fing laut zu grunzen an. Da ging der Spektakel erst recht los. »Hinaus mit dem Baals sohn,« schrie der Prädikant und die ganze Gemeinde warf sich auf mich und puffte und stieß, bis ich vor die Thüre kam, ich wußte selbst nicht wie. Eine Beule hatte ich an meinem Kopf so groß wie eine Melone, Alles zu Ehren unserer Königin, die Gott beschützen möge.

– Da nimm! diese Dublone als Pflaster und zur Entschädigung, sagte der Jüngling, indem er die schwere Börse öffnete und dem Diener ein Goldstück hinreichte.

– Es lebe die Königin! rief der Bursche und schwang seinen Hut, zufrieden mit dem Erfolge seiner erheuchelten Loyalität.

Thomas verließ sein Gemach und begab sich in die strahlende Säle von Withehall. Dort war bereits ein großer Theil. der eingeladenen Gäste versammelt. Höflinge, Staatsmänner und schöne Frauen drängten sich durch die Hallen und Galerien, welche mit Gemälden von den berühmtesten niederländischen Meistern geschmückt waren. Karl der Erste liebte die Kunst und Maler wie Rubens und Van Dyk wurden von ihm mit Reichthümern und Ehren überhäuft. Der Hof bot in diesem Augenblick das glänzendste Schauspiel dar. Wie die Sonne vor dem Untergang, flammte das Leben daselbst vor seinem Erlöschen noch einmal im höchsten Glanze auf. Alle Pracht und Schönheit des ganzen Königreichs schien hier auf einem einzigen Punkt vereint. Es herrschte ein Luxus, wie er nie in späterer Zeit wiederkam, zumal die Ausschmückung des königlichen Palastes, wie die reichen Trachten jener Tage, gewährten ein entzückendes Bild. Was ihm an Einfachheit gebrach, wurde reichlich durch üppige Fülle und Pracht aufgewogen. Die Säle und übrigen Räume, in denen sich die Gesellschaft versammelte, starrten von vergoldeter Stückarbeit, kostbaren Tapeten, Gobelins und Schmuck. An den Pfeilern lehnten riesige Spiegel von venezianischem Glase, in den Ecken standen große Kredenztische mit silbernen Gefäßen, Trinkbechern, kunstvolle Schalen und massiven Schüsseln beladen, so daß sie unter der theueren Last zu seufzen schienen. Die Decken waren mit Fresken geziert, welche in glühenden Farben Darstellungen aus der griechischen Mythologie enthielten. Unzählige Kandelaber und schwebende Leuchter mit tausenden von Kerzen besteckt, verbreiteten das hellste Tageslicht. Der Renaissancestyl, welcher damals in seiner größten Blüthe stand, feierte hier seinen höchsten Triumph. Ganz geeignet für einen üppigen und lebenslustigen Hof, verschmolz er mit den Sitten, der Lebensart und den Trachten der damaligen Zeit zu einem harmonischen Ganzen. Er war wie die Zeit selbst verschwenderisch, Pracht liebend, üppig, schimmernd, gleißend und genußsüchtig.

In diesen mit Gold, Marmor, Stuck und Bildern überdeckten Hallen wandelte ein eben so reich gekleideter Hof in der Erwartung des königlichen Paares auf und nieder. Die Anzüge der Männer von buntem Sammt, oft mit Perlen und Edelsteinen so bedeckt, daß man kaum den ursprünglichen Stoff erblickte, die schweren Gewänder der Frauen von golddurchwirkter Seide in allen Farben des Regenbogens schimmernd, stimmten mit der glänzenden Umgebung vollkommen überein. Es hatten sich einzelne Gruppen gebildet, Befreundete und Gesinnungsgenossen trafen, begrüßten sich und besprachen die Ereignisse des Tages und der Politik. Auch unter den Anhängern des Königs gab es verschiedene Parteien und Abstufungen. Eine Anzahl seiner Freunde, die sich vorzugsweise um Henriette schaarten, waren blind in ihrem Hasse gegen das Parlament und die bestehenden Gesetze, welche die Willkür der Regierung beschränkten; sie riethen zur offenen Gewalt, zu kühnen und entscheidenden Maßregeln. Meist waren es junge Leute von lockerem Lebenswandel, den Frauen und dem Spiel ergeben, mehr Höflinge als Politiker, mehr Soldaten als Staatsmänner, wilde Gesellen und Lebemänner, denen jeder Zwang verhaßt und die den religiösen Eifer, die rauhe Einfachheit und Sittenstrenge der Puritaner verspotteten. Es fehlte ihnen nicht an Muth und ungestümer Tapferkeit, wohl aber an Ernst, Beharrlichkeit und Einsicht in die Verhältnisse. Sie waren unter dem Namen der Kavaliere bekannt und vom Volke wegen ihres Uebermuths und ihres Lebenswandels verabscheut. – Eine andere Partei bildeten einige tüchtige und ehrenwerthe Freunde des Königs, an deren Spitze der edle Lord Falkland stand, sie waren nicht verblendet genug, um nicht die kommende Gefahr zu sehen, aber sie hofften noch immer dieselbe abzuwenden. Vermittelnd zwischen der Krone und dem Parlament, zwischen der Regierung und dem Volke wollten sie weder das königliche Ansehen geschmählert noch auch die Rechte des Landes verletzt wissen, sie theilten das gewöhnliche Schicksal einer derartigen Stellung und wurden von allen Seiten zugleich angefeindet. In den Augen der Kavaliere galten sie für halbe Verräther und von den Volksfreunden wurden sie für Gegner der Freiheit angesehen. Selbst der König ließ ihnen keine Gerechtigkeit widerfahren und wendete sich meist von ihnen nach der extremen Seite hin. – Auch an heimlichen und offenen Feinden des Hofes fehlte es in der Versammlung nicht. Da, wo so viele leicht verletzte Interessen sich kreuzten, verschiedene Leidenschaften auf einander prallten, konnte ein Zusammenstoß unmöglich ausbleiben. Ehrgeiz und Eitelkeit, der Hang zur Intrigue und das ganze Heer böser Geister fanden hier ein reiches Feld für ihre verderbliche Thätigkeit.

Zwischen diesen verschiedenen Gruppen bewegte sich Thomas mit angeborener Leichtigkeit, bald fand er einen Kreis, dem er sich zugesellte. Eine Anzahl junger Männer, die sich durch ihre elegante Kleidung und den vorlauten, fast lärmenden Ton auszeichnete, hieß ihn willkommen.

– Hierher zu uns, rief ihm einer dieser Stutzer zu. Zum Teufel! Freund Thomas, wo habt Ihr gestern gesteckt? Ihr habt uns nur noch gefehlt, um die lustige Compagnie vollzumachen. Wir waren im Anker und haben bis zum Morgen gespielt. Percy wurde gerupft, seht nur das jämmerliche Gesicht, das er macht.

– Ich hatte Dienst bei der Königin, entgegnete der Angeredete.

– Das macht einem Andern weiß, aber nicht mir. Man kennt schon Eure Schliche. Ihr habt ein heimliches Schätzchen, bei dem Ihr Eure Abende zubringt; das ist aller Welt bekannt. Wenn Ihr einmal Eurer Eroberung überdrüssig seid, so gebt mir einen Wink, ich will mich der verlassenen Dido gern annehmen.

– Natürlich, spottete ein Anderer. Villiers kauft seine Kleider und seine Liebschaften auf dem Trödelmarkt, wo er beide am billigsten bekommt. Er ist geizig wie ein Schotte.

– Apropos! schaltete ein Dritter ein. Wie steht es mit dem schottischen Heer? Wie ich höre, soll Lord Strafford noch heute hier eintreffen, um die rebellischen Ohnehosen zu Paaren zu treiben.

– Da wird sich Lady Karliske freuen, sie begleitet ihn gewiß in's Lager, entgegnete der Erste in diesem Kreise.

Den zweideutigen Witz belohnte ein lautes Gelächter der Anwesenden. Ein neuer Ankömmling gab der Unterhaltung einen wo möglich noch frivoleren Anstrich. Es war dies der Hofpoet Davenant, eben so geistreich und witzig, als sittenlos. Sein ausdrucksvolles Gesicht trug deutlich die Spuren des Lasters zur Schau, durch eine ansteckende Krankheit hatte er seine Nase eingebüßt, aber seine dunklen Augen funkelten von Geist und übersprudelndem Muthwillen. Wie er selber behauptete, war er ein unehelicher Sohn Shakespeares und seine Mutter die Wirthin einer Taverne.

– Nun, Sohn des Apollo, rief ihm Lord Wilmot, einer der ausgelassensten jungen Leute, entgegen, wie geht es Eurer Dichterschaft?

– Ich danke Eurer Herrlichkeit und freue mich, daß Ihr noch nicht gehangen seid.

– Davenant ist nicht der Sohn Apollo's, sondern ein Bastardkind Shakespeares, bemerkte der schöne Percy.

– Da habt Ihr ganz Recht, entgegnete der Dichter. Meine Mutter hat mehr für mich gesorgt, als die Eurige, sie gab mir einen geistreichen Mann zum Vater, und ich bin lieber der Bastard eines Genies, als der rechtmäßige Sohn eines Dummkopfs. Wir können Beide zufrieden sein, da wir unsere Väter beerbt haben.

Der schöne Percy fand es für gerathen, den Wettkampf mit dem boshaften und rücksichtslosen Dichter abzubrechen, in welchem er zum Gespött seiner Freunde den Kürzeren zog. Er wendete sich deshalb ab und begrüßte einen jungen Mann, der soeben in den Saal trat. Derselbe war das Musterbild eines vollendeten Hofmannes, der erklärte Günstling der Königin und ihr Stallmeister, Lord Jermyn. War er auch minder schön, als Percy, so zeichnete sich seine ganze Figur durch die höchste Eleganz und Feinheit aus. Sein Anzug von braunem gerissenen Sammet, reich mit Gold gestickt, hob die schlanke zierliche Figur äußerst vortheilhaft hervor. Die Züge seines Gesichts trugen einen ächt aristokratischen Typus, blonde, sorgfältig gepflegte Locken fielen bis auf seine Schultern nieder, seine Augen waren glänzend blau, aber auch kalt wie Stahl, um die feingeschnittenen Lippen spielte ein halb übermüthiges, halb treuloses Lächeln. Nicht nur die Königin, sondern fast alle Damen des Hofes schwärmten für den zierlichen, glatten Höfling und je mehr weibliche Herzen er bisher gebrochen hatte, desto mehr Frauen begehrten nach einem ähnlichen Geschick. Es war Mode geworden, sich von Jermyn betrügen und unglücklich machen zu lassen.

Bei seinem Erscheinen wurde er von den jungen Leuten mit einer gewissen Ehrfurcht begrüßt, so weit dieselbe in einem solchen Kreise sich überhaupt äußern konnte. Er genoß hier wenigstens einen Grad von Achtung, der ihm von würdigeren Männern versagt wurde, denn er war gleichsam der Anführer und das Vorbild dieser jungen Leute. Mit einer affektirten Herablassung behandelte er seine Satelliten.

– Guten Abend, Goring, Percy, Wilmot, Egerton, rief er ihnen kopfnickend zu. Sieh da, Davenant! Die Königin hat soeben mit mir von Eurer Maske gesprochen und sich sehr gnädig über Stoff und Inhalt geäußert. Nun, meine Herren, wißt Ihr schon die Neuigkeit des Tages?

– Daß alle Frauen keusch und alle Männer vernünftig leben, spottete der Hofpoet, daß Percy nicht mehr spielt, Villiers nicht mehr lügt, Egerton nicht mehr schwärmt und Jermyn nicht mehr unschuldige Mädchen berückt.

– Fehlgeschossen, mein wackerer Poet! Ich kann Euch eine bessere Mittheilung machen. Der Lord Lieutenant von Irland, Graf Strafford, ist soeben in London eingetroffen und befindet sich in diesem Augenblick mit dem Könige in dessen Kabinet. So viel ich erfahren habe, räth er zu den kräftigsten und energischsten Maßregeln, und er ist der Mann darnach, um seinem Wahlspruch »Durch« unter allen Verhältnissen treu zu bleiben. Er räth von jeder Schonung ab und will sowohl die rebellischen Schotten, wie das aufsässige Volk von England durch die Waffen wieder zur Vernunft bringen. Aus Irland bringt er Geld genug mit, um den leeren Schatz zu füllen und was die Hauptsache ist, zehntausend Mann wohlgeübter Truppen, die unter einem gleichen Führer den Teufel selber nicht fürchten. Sobald er mit den Convenanten – fertig ist, wird er auch in London aufräumen und ein Ende mit dieser parlamentarischen Wirthschaft machen. Bei Gott! ich hätte selbst fast Lust, unter Strafford einem kleinen Feldzug beizuwohnen, länger wie vierzehn Tage kann die ganze Geschichte doch nicht dauern. Was meint Ihr, meine Herren, zu einem solchen Ausflug nach der Gränze? Es wäre das eine Abwechslung in unserem Leben.

– Eine Frühstückspartie, wobei Jeder von uns zehn Schotten verzehrt, prahlte der schöne Percy.

– Die Kerls sind nur zu zäh und unverdaulich, bemerkte Goring.

– Darum wollen wir sie so lange klopfen, bis sie genießbar werden, scherzte Egerton.

– Thut das, entgegnete Jermyn mit spöttischem Lächeln, Ihr werdet Euch dadurch die besondere Gnade des Königs erwerben, auch hättet Ihr da die schönste Gelegenheit, Euch auszuzeichnen.

– Das heißt mit anderen Worten, entgegnete Thomas lächelnd, lieber Egerton, thut mir den Gefallen und laßt Euch von einem nacktbeinigen Schotten den Hals brechen, damit Ihr mir nicht länger im Wege seid.

Die Lippen des verzogenen Günstlings kräuselten sich zu einem verächtlichen Lächeln und mit stolzen Blicken maß er seinen Nebenbuhler von Oben bis Unten.

– Ich fürchte mich vor keinem Mann und noch weniger vor einem unbärtigen Knaben, fügte Jermyn übermüthig hinzu.

– Nehmt Euch vor dem unbärtigen Knaben in Acht, drohte Thomas gereizt, er könnte Euch ein Loch in Euer schönes Wamms und in Euer Milchgesicht reißen.

Eine neue beleidigende Aeußerung schwebte bereits auf der Zunge des Höflings, als die Flügelthüren sich öffneten und der Thürsteher die Ankunft des königlichen Paares mit lauter Stimme verkündete. Die Gegner hatten nur noch Zeit sich wüthende Blicke zuzuwerfen, da sie ihre Stellung in die Nähe des Fürsten führte. Ihre Rache mußten sie auf gelegenere Zeit aufschieben. Auch die übrige Versammlung stellte sich in der Ordnung auf, welche Rang und Geburt dem Einzelnen anwies und erwartete so die Nähe der Monarchen.


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