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XXXVII

Soviel Äußerungen von Heinrichs heftiger und ungeduldiger Sehnsucht nach Charlotte und seiner zornigen Schwermut darüber, daß sie dort in Brüssel und nicht ihm zur Freude hier sei, auch überliefert sein mögen: es sind Inselchen in der kaum übersehbaren Fülle der Berichte, die von seinem Tun in den letzten Monaten des Jahres 1609 und den ersten von 1610 melden. Wie liebesheftig und närrischsehnlich es auch in seinem Gefühl zugehen mochte – er war ein gut Stück älter geworden seit den Tagen der d'Entragues -Verschwörung. Er rechnete sich die alten Fehler nicht an, von denen er in einem der schönsten seiner Briefe schrieb, es sei nirgends in der Heiligen Schrift geboten, daß der Mensch keine Fehler und Gebrechen haben solle. Er war im Gegenteil bereit, weiter fröhlich darauf loszusündigen, solange nur die Kräfte dazu reichten. Aber die Vernunft, von der er in seinen unvernünftigsten Zeiten so viel Wesens gemacht hatte, zog um immer größere Bereiche Schranken und hielt die süßen Narreteien und Gelüstigkeiten davon ab. So ging es zwiefach in Heinrich zu, indem hier der tobende Verliebte genug Herzensunfug trieb, um den freiwilligen oder aufgehetzten Klatschmäulern von halb Europa Redestoff zu liefern, dort aber das genaue Planen und in jede Einzelheit erwogene Vorbereiten einer gewaltigen Unternehmung seinen unbeirrten Fortgang nahm. Wenngleich Heinrich es noch gerne so zuchtlos weitergetrieben hätte wie die anderen Edelleute, nach deren »freiem und fröhlichem Leben« er jetzt oft sehnlich, ja, neidisch blickte, seine Natur selber bewirkte es, daß ein in einer noch unernsteren Zeit ausgesprochenes, damals ein wenig prahlerisches Wort von ihm immer wahrer wurde: »Daß dieses Leben der Edelleute nicht für die Fürsten gemacht ist, die nicht für sich selber geboren sind, sondern für die Staaten und die Völker, über die sie gesetzt sind; und sie haben auf diesem Meere keinen anderen Hafen als das Grab, und sie müssen tätig und wirkend sterben.«

Bis auf unsere Tage wird von Buch zu Buch – herabsetzend oder romantisierend, was in diesem Falle aufs Gleiche herauskommt – die Behauptung weitergegeben, Heinrich habe das ganze riesig angelegte kriegerische Unternehmen lediglich zu dem Zwecke beginnen wollen, um die spanischen Niederlande zu überrennen und Charlotte zu befreien. Wenn ein kleiner Teil des Kriegsplanes auch dahin gezielt haben mochte – der Aufmarsch einer Armee durch Luxemburg und die »Abschweifung« nach Flandern –, so war dies nur ein Nebengedanke, der seine Rechtfertigung in der Selbstverständlichkeit hatte, das Haus Habsburg auch in diesem Frankreich zunächst gelegenen Gebiet zu treffen. Daß jedoch dieser Charlotte geltende Nebengedanke zu Sinn und Zweck des bevorstehenden Krieges umgedeutet wurde, war kunstvolle spanische Arbeit. Ihre Aufgabe war nicht nur, den gefürchteten Gegner Heinrich vor aller Welt lächerlich zu machen, sondern vor allem, die Sache dieses Krieges selber um Ehre und Ansehen zu bringen. Mochten auch Fürsten und Herren wissen, worum es bei diesem Kriege eigentlich ging, das Volk sollte überall seine Zweifel und Bedenken haben und gegen einen Herrn zu murren beginnen, der um eines ihm entgangenen Schätzchens willen Elend und Verheerung über Europa zu bringen vorhatte. Wäre diese perfide Deutung nur von den politischen Agenten Spaniens in Umlauf gesetzt worden, so wäre das Übel nicht so groß gewesen. Aber Spanien hatte wirksamere Methoden zu Gebote als politische Schmähschriften und die Gerüchtverbreitung durch bezahlte Sendlinge. Es konnte mit der Erinnerung an die Ligazeiten rechnen, mit unausgetragenem Religionshader, der durch den Hinweis darauf, daß der allerchristlichste König für die Protestanten und gegen die Schützer des katholischen Glaubens Krieg führen wolle, leicht zu neuer Heftigkeit zu entfachen war. Gelang es, Heinrich zugleich lächerlich zu machen und in dem Ketzerfreund den Feind des Glaubens und der Kirche zu zeigen, dann würde es mit dieser verruchten Toleranz bald ein Ende haben, und die dank ihm zum Stillstand gekommene Gegenreformation konnte mit Feuer und Schwert einen neuen Siegeszug beginnen. Die Sprecher Spaniens waren die Jünger Loyolas, die von der Kanzel her und im Beichtstuhl schmetternd oder flüsternd von Heinrichs ehebrecherischer Liebe zu der protestantischen Charlotte, um die er einen furchtbaren Krieg beginnen wolle, und von den Katholiken in Jülich, Cleve und Berg redeten (deren es nur eine Handvoll gab!), die auszurotten er sich anschicke, und von seiner Weigerung, die heilige Inquisition in Frankreich einzuführen, was alles Beweise dafür seien, daß er im Herzen doch ein Ketzer geblieben wäre. Die Zeiten waren vorüber, da der Pater Cotton von Kalvin als Monsieur gesprochen hatte. Jetzt hießen die Protestanten von den Kanzeln herab wieder Ketzerhunde und Kanaillen. Auch Heinrichs Anwesenheit dämpfte den Ton dieser Predigten nicht mehr. Der Marschall Ornano, der an der Seite des Königs eine solche Jesuitenpredigt mitangehört hatte, sagte nachher: hätte in der Hauptstadt seiner Provinz, in Bordeaux, einer so zu predigen gewagt, so hätte er ihn, sobald er von der Kanzel herabgestiegen sei, ohne Prozeß ersäufen lassen. Diese Prediger und Beichtväter waren freilich nicht mehr die gezähmten, vorsichtigen französischen Jesuiten, die nach dem ersten Wiederzulassungsedikt ins Land zurückgekehrt waren und mit denen sich Heinrich so trefflich verstanden hatte. Dank diesem guten Einvernehmen hatte er sich nach langem Drängen bestimmen lassen, im Jahre 1608 die nationale Beschränkung aufzuheben, und mit den zahllosen Spaniern, Belgiern und Italienern waren ebenso viele Sendboten Spaniens und der Gegenreformation ins Land gekommen, Jesuiten von der Art jenes Marriana, dessen Buch schon im Jahre 1606 dank Heinrichs Duldsamkeit in Paris öffentlich verkauft werden konnte. Sein Titel war: »Joannis Marrianae Hispani, e Societate Jesu, de Rege et Regis institutione libri III. Ad Philippum III. Hispaniae Regem Catholicum.« In diesem durch seine Zueignung schon genugsam gekennzeichneten Buche steht die Frage »An tyrannum opprimere fas sit?« (Ob es recht sei, einen Tyrannen zu beseitigen?), die mit der ebenso feurigen wie scholastisch überspitzten Verteidigung Cléments, des Mörders Heinrichs III., beantwortet wird.

So unzweifelhaft im übrigen auch nun dank Heinrich Frankreichs Hegemonie in Europa geworden sein mochte, hatte Spanien neuerdings doch da und dort wieder ein wenig an Boden gewonnen, darunter an einer Stelle, die Heinrich für die Gegenwart und mehr noch für die Zukunft Besorgnis und dazu erneuten häuslichen Verdruß schuf. Zu Anfang des Jahres 1609 war der Großherzog Ferdinand von Toskana, der Oheim Maries, gestorben. Sein Nachfolger, Cosimo II., hatte eine österreichische Erzherzogin zur Frau, welche die schon stark habsburgisch beeinflußte Florentiner Politik vollends unter die Abhängigkeit von Madrid brachte. Marie hatte nun in der Heimat einen kräftigen Rückhalt für ihre spanienfreundlichen Neigungen, und Philipp III. hatte neben den Jesuiten jetzt auch die Königin von Frankreich zur Bundesgenossin. Während Heinrich die Vorbereitungen zu dem Kriege vollendete, der ein neues, gesundes, tolerantes Europa schaffen und die im eigenen Lande erprobten Ideen zur Weltgeltung bringen sollte, empfing Marie Weisung um Weisung aus Florenz. Und was nicht direkt kam, ging ihr in den Ratschlägen Concinis und Eleonoras zu. Da war immer wieder von den Spanischen Heiraten die Rede und von der doch höchst unsicheren Zukunft, nun der König einen Krieg – und gar einen solchen, auf dem kein Segen sein konnte – zu beginnen sich anschickte. Wenn ihm in Anbetracht seines Alters und der Gefahren eines Feldzuges etwas zustieße, was sollte aus der Königin werden, was aus den Kindern? Wie die Dinge stünden, sei ihre Stellung eine so ungewisse, daß sie dem Ehrgeize und der Machtgier der dann Herandrängenden gewiß nicht würde widerstehen können. Man sorgte ja dafür, daß der König aus seiner neuen wütenden Verliebtheit in die kleine Condé nicht am Ende die verbrecherische Narretei mache, von der das junge Ding in Brüssel vielleicht träumen mochte: daß er nicht etwa daran denken könne, seine Ehe zu lösen und eine neue mit der Condé einzugehen. Zum Glück war der König so durchdrungen von der Überzeugung, daß seine Interessen stets die seiner ganzen Umgebung sein müßten, daß er bedenkenlos der Königin alles erzählte, was er hinsichtlich der kleinen Condé zu unternehmen gedachte; so blieb immer noch Zeit genug, schnell Vernünftiges ins Werk zu setzen, um gefährliche Torheiten zu verhindern, wie das mit dem zur rechten Stunde unschädlich gemachten Entführungsversuche gelungen war. Die Rechtlichkeit des Erzherzogs und der Infantin, ihr Pflichtgefühl gegen die »schutzlose junge Prinzessin« boten vorderhand Gewähr genug, daß der König von der hübschen Montmorency-Tochter ferngehalten und nicht dazu gelangen könne, sich mit ihr über gefährliche Entscheidungen zu beraten. Zudem war Condé auf spanischem Boden, und man hatte die Möglichkeit, ihm eine etwaige Anwandlung, einer Scheidung zuzustimmen, auszutreiben. Diese Gefahr also wurde durch kluge Wachsamkeit gebannt. Aber gegen die größere und vielleicht in naher Zukunft drohende mußte schnell die einzig mögliche Sicherung geschaffen werden! Was würde aus Marie und den Kindern (von Concini und Eleonora nicht zu reden), wenn der König stürbe? Das bekam die Königin immer wieder zu hören, und verdoppelt schallte es als Echo aus ihr selber zurück. Sie mußte, wenn der König wirklich in diesen unseligen Krieg ginge, als Regentin zurückbleiben, gekrönt und in alle Macht gekleidet. Das war die einzige Lösung, welche die Freunde sahen und die ihr selber süß und herrlich klang.

Seitdem dieser Krieg mehr war als eine Befürchtung und Hoffnung, umfloß unablässig – wie die Seine um ihre Insel rinnt – Heinrich dieses Reden und Murmeln, Bitten und Beschwören, Keifen und Schmeicheln: daß Marie Regentin werden müsse. Er begann sich an den Gedanken zu gewöhnen, so wenig wohl ihm dabei auch war. Zwar war er weit davon entfernt, auch nur zu ahnen, wie spanisch es in dem trüben, dumpfen Seelenreiche dieser Frau herging, die fast ein Jahrzehnt seine Gattin gewesen, die Bett und Tisch und Atemluft mit ihm geteilt, sein Werk wachsen und seine Ideen Wirklichkeit werden gesehen hatte. So wenig er aber auch geneigt war, seine vielen Erfahrungen an Marie zum Bilde eines Charakters oder gar zum Urteil über ihren Verstand und ihre Wesenheit zusammenzunehmen, so standen doch, seinem antipsychologischen Grundverhalten gegen Frauen zum Trotz, drohende und warnende Bilder in ihm auf, so oft er Marie als Regentin denken wollte: die dünnlippigen Gesichter der Concinis, mit ihren kalten, eiligen Vogelaugen, oder wie Marie mit diesem aufgeblähten Idioten Don Pedro zusammen gesessen hatte und ein Herz und eine Seele mit ihm gewesen war. Freilich, sie war die Königin und die Mutter des künftigen Königs und also nach Natur und Recht die Wahrerin der Krone, bis der Sohn nicht nur König heißen, sondern auch Herrscher sein konnte. Zwar dachte Heinrich mit keinem ernsthafteren Gedanken daran, dieses gute Erdenzuhause bald zu verlassen, das er sich mit so vieler Mühe so schön zurechtgebaut hatte und in dem er sich mit und trotz allem immer köstlicher heimisch fühlte. Aber da er alle seine Kräfte daran gewandt hatte, das stolze Bauwerk dieses Königtums aufzurichten und Erben gezeugt hatte, damit sie und ihre Nachkommen darin wohnten und herrschten, mußte auch dieses Künftige bedacht werden. Er empfand dunkel die Gefahren, die Maries Regentschaft bergen konnte – aber er sah klar, was drohte, wenn er, der Bändiger all dieser Prinzen und Großen, nicht mehr wäre und sich auch nur der Schein eines Rechtstitels böte, die Weiterführung der Herrschaft durch die Königin anzufechten. Allem Überlegen und Beraten wollte sich endlich keine andere unanfechtbare Form einer Sicherung für die Zukunft des Sohnes darbieten, als diese so unerwünschte: Marie die Regentschaft zu übertragen. Heinrich würgte an diesem Entschluß. Als er aber seine Unausweichlichkeit begriffen hatte, war auch schnell die Form gefunden, die am meisten Sicherheit für den Sohn, das Land und die Regentin versprach. Es wurde ihr ein Regentschaftsrat von fünfzehn weltlichen und geistlichen Herren beigegeben, durchaus erprobte und erfahrene Männer, deren Mehrzahl einen besonderen Teil der Regierungsgeschäfte von Grund auf verstand, während die übrigen sich wieder durch einen Überblick über größere Gruppen der Geschäfte auszeichneten. Außerdem wurden für jede Provinz Provinzialräte aus je fünf angesehenen Männern ernannt, die in steter Verbindung mit dem Regentschaftsrat zu bleiben hatten. Alle Entscheidung sollte durch Abstimmung beschlossen werden, bei welcher die Regentin nur eine Stimme hatte. Überdies behielt sich der König für die Zeit des Krieges, um die es vorerst bei dieser ganzen Regentschaft ging, stets vor, daß bedeutsamere Angelegenheiten vor ihn gebracht und von ihm selber entschieden werden mußten.

Wie wenig diese Einschränkungen auch nach Maries Geschmack sein mochten, sie sah doch vor allem, daß sie Regentin sein würde, und das ließ sie sogar diesen ihr so verhaßten Krieg milder betrachten. Nur wollte sie sich keineswegs mit dem Titel und der Ernennung begnügen, sondern es verlangte sie nach aller daraus zu holenden Feierlichkeit, nach Glockengeläute, der Krone und dem Mantel, dem heiligen Salböl und nach vor Ehrfurcht erschauernden Menschenmassen. Solch eine prunkvolle Krönung, wie Marie sie forderte, war keineswegs nach Heinrichs Wunsch. Nicht nur, daß all das Gepränge eine Menge Geld kosten würde, das man jetzt wahrhaftig besser anwenden konnte, die Vorbereitungen dazu würden mehr Zeit in Anspruch nehmen, als er mit seinem Feldzugsplane in Einklang bringen konnte, gar nicht zu reden davon, daß diese große Zeremonie Marie erheblich zu Kopf steigen würde. Aber Concini und Eleonora, der Florentiner Hof und dahinter der spanische, redeten ihr als unerläßlich ein, wozu sie ohnedies Lust genug hatte. Und Heinrich mußte endlich dareinwilligen.

Die Vorbereitungen zu dem Kriege waren so gut wie beendet, die Bundesgenossen ebenso bereit wie Frankreich. Eine Enttäuschung war es freilich gewesen, daß das reiche Toskana nicht nur Frankreich im Stiche ließ, sondern sogar an Spanien bedeutende Hilfsgelder zahlte. Während der Regentschaftsrat fast nur aus Katholiken gebildet worden war, waren die Oberbefehlshaber der aufgestellten Armeen durchwegs Hugenotten: so der Marschall Lesdiguière, der mit dem jetzt zum Bundesgenossen gewordenen Savoyer zusammen gegen Mailand vorrücken sollte, so La Force, der Spanisch-Navarra nehmen und mit Unterstützung der aus der Heimat vertriebenen Morisken den Krieg auf die Pyrenäen-Halbinsel tragen sollte. Ein aus Graubündnern und Franzosen zusammengesetztes Heer sollte Tirol im Schach halten und nötigenfalls durch das Veltlin die gegen Mailand operierende Armee unterstützen. Die Hauptarmee aber, fünfunddreißigtausend Mann stark und mit einer bis dahin unerhört gewesenen Artilleriemenge ausgerüstet, wollte Heinrich selber führen. Sie sollte von Châlons an der Marne aufbrechen und sich vor der Festung Jülich mit den deutschen, holländischen und englischen Heeren vereinigen. (Daß diese Armee auch gegen Belgien operieren sollte und die Spanier das als das Hauptziel Heinrichs darzustellen suchten, ist schon erwähnt worden.) Diesen mit solchen Kräften geführten Stößen würden die Habsburger nicht standhalten können. Wäre ihre Macht erst gebrochen, dann könnte eine Neuordnung in Europa anfangen. Wenn sich auch, wie die Menschen eben waren, kein wahrhaftes Reich der Vernunft würde errichten lassen, vernünftiger, verträglicher und duldsamer sollte es jedenfalls zugehen können, dafür würde Heinrich schon sorgen. Das Wie würde sich nachher weisen, jetzt galt es erst, diesen großen Krieg zu führen und zu siegen.

Indessen gingen Brief auf Brief und Botschaft nach Botschaft an Charlotte, und jede Antwort erfüllte Heinrich mit noch heftigerer Ungeduld, sie da zu haben, nahe zu haben, diese ganze süße Jugend mit allen Sinnen in sich einzutrinken und mit ihr sein zu dürfen. So närrisch verlangte es ihn nach Charlotte, wie nach dem Mädchen vor vierzig Jahren in Pau. So gleich war dieses Gefühl, so sehr gleich, wie der frühe Krokus der Herbstzeitlose ist.

Für den 13. Mai des Jahres 1610 war die Krönung Maries in Saint-Denis angesetzt, drei Tage später sollte die Regentin feierlich in Paris ihren Einzug halten, und weitere drei Tage darauf wollte Heinrich bei seiner Armee sein. Der Gedanke an diese Krönung machte ihn mürrisch. Kostbare Zeit ging damit hin, und er redete so oft davon, wie trüb und verdrießlich ihm davon zumute sei, daß endlich etliche Vertraute ihm rieten, doch vor der Krönung, bei der seine Gegenwart ja nicht unumgänglich sei, zur Armee aufzubrechen. Er sprach auch mit Marie von dieser Möglichkeit, doch sie widersetzte sich heftig und zeigte sich so sehr beleidigt, daß er nachgab, um ihr ihren Festtag nicht zu trüben.

In einem alten Buche steht: jede Stunde des Aufschubs sei dem Könige wie ein Jahr erschienen. Und Himmel und Erde hätten mit ihren voraussagenden Zeichen diesem Gefühle recht gegeben. Eine sehr große Sonnenfinsternis habe die Sonne zur Gänze verdeckt, im Jahr vorher schon sei ein schrecklicher Komet erschienen, es hätte Erdbeben gegeben, und in manchen Landstrichen Frankreichs seien Ungeheuer geboren worden, Blutregen seien gefallen, Phantome erschienen, und furchtbare Seuchen als schlimme Boten durch das Land gegangen. Auch hätten Menschen warnende Träume und Vorgefühle voll Entsetzens gehabt, und manche hätten in Worten und Briefen ihrem Könige davon mahnend Mitteilung gemacht.

Heinrich hat in der Tat solcher Mitteilungen nicht wenige empfangen, und sie haben ihn nur noch ungeduldiger gemacht; als aber der Freund Sully dringlicher wurde im Mahnen, zuckte er die Achseln und lächelte, schlau, ein wenig schwermütig und undurchdringlich. Er war sehr ungeduldig.


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