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VI

Als Marie Medici die Gattin Heinrichs wurde, stand sie in ihrem siebenundzwanzigsten Jahre, so daß sie in einer Zeit, in der die Nachkommen fürstlicher Häuser oft noch im Kindesalter verheiratet wurden, kaum mehr als jung betrachtet wurde. So sehr Heinrich aber sonst eben erblühte Jugend als ein wesentliches Ingredienz seiner Verliebtheiten empfand, hatte er sich doch, als es um die Gattin ging, zumal da die Auswahl für ihn gering war und sonst alles hier nach Wunsch zu sein schien, gerne davon überzeugen lassen, daß dieses Alter zu dem seinen so recht stimme, daß es reichere Fruchtbarkeit verspreche und zudem ein gereifteres Naturell, wie es einer Königin anstünde. Marie Medici war von mittlerer Größe. Ihr Haar wird bald als dunkles Blond, bald als hellkastanienbraun bezeichnet. Ihr Kopf war im Verhältnisse zu dem ein wenig zur Üppigkeit neigenden Körper klein, und die Gelenke ihrer Hände und Füße blieben fein, auch als ihr Körper immer schwerer und gröber wurde. Das Porträt von Scipione Gaetano in Florenz, aus der Zeit ihres Brautstandes stammend, zeigt ein angenehm geformtes Gesicht mit feiner Nase, ein wenig starren Augen, über denen die Brauen fast völlig fehlen, und einen wenig ausdrucksvollen schwachen Mund. Das Bildnis scheint wie beherrscht von dem königlichen Putze, dem roten Brokat des Kleides, den vier Perlenreihen mit der Diamantenschließe, den birnenförmigen Perlenohrgehängen und der großen hohen Nackenkrause. Spätere Bildnisse fügen dem physiognomischen Eindrucke aus diesem wenig hinzu, es sei denn, daß sich Unsicherheit und Gezwungenheit des Gesichtes noch verstärken, und noch mehr eine eigensinnige Schwäche hervorzutreten scheint. Doch ist es schwer, das Wissen um einen Menschen beim Anblicke seines Porträts auszuschalten und dabei auch noch der Empfindlichkeit des Vorbildes und der Absicht des Malers eingedenk zu sein, der seinen Kunstwillen mit der von der Zeit an das Bildnis einer Königin gestellten Forderung in Einklang zu bringen hatte. Dieses Wissen um Marie Medicis Wesen beginnt freilich nicht viel früher, als da sie schon zur Königin von Frankreich bestimmt war. Was uns an Berichten über ihr Leben in der Zeit vorher vorliegt, scheint uns sehr arm an bezeichnenden Einzelheiten zu sein oder gar solche zu enthalten, die sich zu ihrem nachmaligen Sein gar nicht fügen wollen, wie etwa, daß sie von ihrem Oheim, dem Großherzoge, der nach dem in ihrem vierzehnten Jahr erfolgten Tode ihres Vaters, des vormaligen Großherzogs, ihre Erziehung leitete, mit allen Regierungsgeschäften vertraut gemacht worden sei und sich darin als verständig und anstellig erwiesen habe. Sonst wird überliefert, daß die Großherzogin sie als »düster und eigensinnig« bezeichnet habe, und daß sie die Musik stets gern gemocht habe; diese Vorliebe bestand wohl allerdings mehr darin, daß Marie früher wie später das Spiel der Theorben, Lauten und Geigen als geeignet empfunden hatte, sie zu ehrgeizigen oder nachher sonderbar morosen Träumereien zu begleiten. Die einzige sichere und starke Vorliebe galt einer Person. Weil aber diese schicksalsvolle Neigung eng mit dem Gange unserer Erzählung verflochten ist und über deren Ende hinaus das Leben und Tun Maries bestimmte, soll an gesondertem Orte, doch bald davon berichtet werden. Da aber nach der Verheiratung eiligst der von dithyrambischen Schmeichlern erzeugte Nimbus besonderer Tugenden und Vorzüge von Marie abging und ihr Wesen und Charakter nur allzubald sichtbar wurde, erübrigt sich, von ihr jetzt noch anderes auszusagen, als daß sie die lange Mädchenzeit hindurch (hierin wie in fast allem Heinrichs erster Gemahlin ungleich) keusch geblieben war und daß sie als fromm geschildert wurde, worein sich aber von früh an allerlei Aberglauben gemischt hat.

Es hatten sich für Marie Medici, um ihrer Herkunft aus dem unermeßlich reichen »fürstlichen Bankhause« willen, um so mehr mancherlei versprechensvolle Heiraten geboten, als nicht wenige Herrscher, wie auch Heinrich IV., die Schuldner der Medicis waren; es waren sogar mit dem Kaiser weit gediehene Verhandlungen über eine etwaige Eheschließung gepflogen worden, und es hatte nicht viel gefehlt, daß Marie Kaiserin geworden wäre, worauf ihre Tante, eine Habsburgerin, hingearbeitet hatte, – und was Marie weit besser angestanden hätte. Obgleich aber diese Medici-Tochter nun schon seit Jahren in der Sicherheit gelebt hatte, daß ihr Gatte ihr unter den Größten und Mächtigsten der Erde erwählt werden würde, trieb das Königinwerden gleich zu Anfang ein geiles Wachstum von Stolz und Hoffart in ihr empor, so daß sie vom Tage des Angelöbnisses an, gegen allen florentinischen Brauch, nur noch in vierspänniger Prunkkarosse ausfahren wollte und es mit dem Vortritte und dem Platze bei den Mählern sehr genau nahm. Noch ehe sie von der Sprache und den Sitten des Landes, dessen Königin sie sein sollte, auch nur das Nötigste wußte, zog sie schon Erkundigungen ein, wie es dort mit ihrem Range etwa gegenüber Margarethe von Valois bestellt sein würde. Und als es beinahe dazu gekommen wäre, daß der Papst selber sie dem Könige von Frankreich angetraut hätte, schrieb sie das ihren eigenen Vorzügen und Verdiensten zu, von denen sie so viel reden gehört hatte. Daß dann, als diese Trauung heranrückte, um ihretwillen solch ein festliches Getriebe unter Franzosen, Toskanern, Römern und sogar Maltesern (der Ritterorden sollte Geleitgaleeren für die Reise beistellen) anhob, war auch nicht dazu angetan, sie an den virtutes atque merita der Lobgesänge zweifeln zu machen.

Margarethe von Valois
Portraitsammlung der Nationalbibliothek, Wien

Die hochzeitlichen Feste und prunkvollen Feierlichkeiten begannen am 4. Oktober 1600 mit dem Einzuge des Kardinal-Legaten Aldobrandini in Florenz, der mit einem großen und prangenden Gefolge römischer Edelleute ankam, mit Prälaten, Priestern und Mönchen, mit Schutzmannschaft zu Pferde und zu Fuß, alle so prächtig herausstaffiert, wie die drei von aldobrandinischen Lakaien am Zügel geführten Pferde des Kardinal-Legaten, die ganz in rotem Sammet gewandet waren. Daß der Kardinal auf einundzwanzig Saumtieren das Mobiliar eines Schlaf- und Ankleidezimmers samt den Truhen voll Gewändern mit sich führte, sei nur nebenbei angemerkt. Der gewaltige Zug der Römer und Florentiner machte vor dem Baptisterium halt, wo der Kardinal vom Pferde stieg und niederkniete, dann begab er sich allen voran in den Dom und von hier zur Signoria und über den Ponte Vecchio zum Palazzo Pitti. Indessen war Bellegarde, der Großstallmeister des Königs von Frankreich, mit bedeutendem Gefolge an französischen Edelleuten, als Überbringer der Vollmacht in Florenz eingetroffen, kraft deren der Großherzog bei der Trauung Heinrichs Stelle einnehmen konnte. Die Anwesenheit des päpstlichen Stellvertreters hatte den Großherzog bestimmt, auch noch eine andere sakramentale Festlichkeit dieser aufwandreichen Hochzeit hinzuzufügen, nämlich die Taufe eines ihm kürzlich geborenen Sohnes. Diesen hielten Gesandte der Signoria von Venedig über das Taufbecken, was einen weiteren Zustrom von Festgästen aus dieser Stadt mit sich brachte. Feierlich verschnörkelte juristische Akte gingen der Trauungszeremonie voraus, zu der die mit Schmuck beladene Marie am Arme des Herzogs von Bellegarde schritt. Hernach folgte ein Bankett von solchen Ausmaßen, daß seine Beschreibung hier besser durch eine Ziffer ersetzt wird: nach zeitgenössischen Angaben soll es zusammen mit der darauffolgenden Opernaufführung und den sonstigen Bewirtungen über zweihunderttausend Livres gekostet haben. Zwischendrein läuteten alle Glocken, und Kanonenschüsse erdröhnten, um die Untertanen auf diese Art an der kostspieligen Ehre teilhaben zu lassen, daß das Haus Medici Frankreich noch eine Königin gegeben habe. Die Feste (von denen wir im Interesse der Florentiner hoffen, daß ihre Kosten in jener genannten Summe mitinbegriffen waren) gingen dann noch fast zehn Tage hindurch weiter. Als Höhepunkt all der Jagden, Turnierspiele, der mythologischen Opern- und Ballettaufführungen wird der Abend des 13. Oktober geschildert. An ihm »erschien inmitten des Festsaales ein Berg, auf dessen Gipfel der Große Name (eine allegorische Gestalt) saß; daneben sprach ein Redner das Lob des Großherzogs. Auf jeder Seite versinnbildlichten acht Gestalten mit ihren Wappen die hauptsächlichsten der ihm untertanen Städte. Allmählich verschwand der Berg, der Große Name erhob sich zum Himmel, während die sechzehn Darsteller sich vor der Königin verneigten und vom Gipfel des verschwindenden Berges sich eine Lilie erhob und wuchs, über welcher eine goldene Krone schwebte, wie um die Geburt des künftigen Erbens der Krone von Frankreich anzukündigen.« Auch geistig stärkeren Frauen, als Marie Medici eine war, hätte ein solcher Aufwand an Gepränge und Symbolik aus Himmel und Erde den Kopf mit einem goldenen mythischen Rauche erfüllen und das Wissen um das eigene Menschen-Ich gründlich umnebeln können.

Unter denen, welche die Königin ein größeres Stück Wegs begleiten sollten, war ihre Tante, die Großherzogin, und ihre Schwester, die Herzogin von Mantua. Außer diesen und etlichen anderen Personen hohen Ranges gab es ein florentinisches Gefolge, das nach Frankreich mitzunehmen Marie nicht ohne Schwierigkeit durchgesetzt hatte. Es heißt, daß Heinrich besonders zwei dieser Mitkömmlinge, namens Eleonora Galigai und Concino Concini, von vorneherein als unerwünscht erschienen seien und er gegen seinen Instinkt dem Florentiner Drängen nachgegeben habe, ohne jedoch den beiden widerwillig Zugelassenen erst irgendeinen Rang am Hofe zuzuerkennen. Wir haben an dieser Stelle Mühe, ein »hätte Heinrich doch ...« zu unterdrücken.

Die Reise ging erst nach Livorno, wo sich Marie mit den Anverwandten und dem Gefolge auf die reich geschmückte großherzogliche Führergaleere begab, die eine Flotte von siebzehn Schiffen anführte, deren sechs toskanisch, sechs päpstlich und fünf maltesisch waren. Phantastische Summen werden genannt, die zur Ausschmückung dieser Prunkgaleere aufgewandt worden seien. Das Schiff war »siebzig Fuß lang, es war über der Wasserlinie völlig vergoldet und zählte siebenundzwanzig Ruder auf jedem Bord. Der Bug war eine kostbare Einlegearbeit aus indischen Hölzern, Zitronen- und Ebenholz, aus Perlmutter, Elfenbein und Lapislazuli. Im Inneren, gegenüber dem Sitze der Königin, erhob sich das Wappen von Frankreich mit den Lilien aus Diamanten und daneben das des Großherzogs ... Die Rundungen auf diesem waren von fünf großen Rubinen dargestellt, mit einem Saphir von der Größe einer Pistolenkugel; eine große Perle darüber, ein großer Smaragd darunter begleiteten dieses reiche Juwel. Man schätzte diese Wappen auf siebzigtausend Taler. Zwei Kreuze aus Rubinen und Diamanten trennten die beiden Schilde. Die Scheiben der Schiffsgalerie waren aus Kristall, die Vorhänge aus Goldstoff mit Fransen, auf gleiche Art waren die Schlafzimmer bespannt.« Doch diese Brautfahrt ging über ein wild aufgewühltes Meer, und die schöne Flotte war weit über die vorgesehene Zeit hinaus unterwegs. Genuesischen Gesandten, welche die Gastfreundschaft ihrer Stadt anboten, bis das Meer ruhiger werden würde, lehnte Marie die Landung ab, und sie verließ das Schiff in der Tat zum ersten Male, um französischen Boden zu betreten.

In dem letzten Briefe, den Marie vor der Einschiffung von Heinrich erhalten hatte, steht: »Meine Gattin, lieben Sie mich recht sehr, und wenn Sie das tun, werden Sie die glücklichste Frau sein, die es unter dem Himmel gibt.« – Marie war in all ihrem unfreudigen Hochmut doch eine Jungfrau und hatte noch keinen Mann geliebt, so ging alle Wärme, deren ihre Natur fähig sein mochte, in diese Erwartung und Bereitschaft ein.


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