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Marie war Königin von Frankreich in dem Augenblicke geworden, in dem Heinrich den Herzog von Savoyen besiegt hatte, der im Vertrauen auf die spanische Rückendeckung vertragsbrüchig geworden war. Sie hatte alle die Jahre die von Spanien geschürten und bezahlten Verschwörungen miterlebt. Sie saß im Rate, hörte die Verlesung der Berichte von Gesandten und Agenten mit an, horchte Sullys Vorträgen über die wachsende Kriegsstärke Frankreichs und den Bemerkungen hier und dort, daß die große Auseinandersetzung mit dem Hause Österreich über kurz oder lang kommen müsse. Sie hörte und berichtete Halbverstandenes an Eleonora und Concini weiter und erhielt die Tatsachen dann so zurechtgebogen als Wahrheiten zurück, daß aller politische Sinn Heinrichs und seines auf dem Wege zur Nation gebrachten Volkes daraus fort war. Blicklos für das Werk des Gatten, lebte Marie in ihren Kabalen und Intriguen, die sie für Politik hielt, ohne Ahnung von der Zeit, von den wach gewordenen Kräften des Landes, dessen Königin sie war und dessen Schätze sie an die Kreaturen vergeudete, deren Kreatur sie war. Liest man ein Urteil über Marie, wie das des sonst in historischen Dingen jenes Zeitalters so kompetenten Philippsohn, so fragt man sich, wo er auch nur Spuren von dem sorgfältigen Unterricht gefunden haben könne, den Marie von der feingebildeten Römerin Francesca Orsini empfangen hätte, und wo in ihren (meist von anderen geschriebenen!) Briefen den gewandten und angenehmen Stil und wo irgendeine Wirkung der ihr nachgerühmten Lektüre poetischer und selbst gelehrter Dinge?! Sieht man von ein paar bedeutenden Aufträgen an Künstler, wie Rubens, von Bauten, wie dem Luxembourg-Palast, und ähnlichen Zügen mediceischer Erbschaft ab, so vermöchte man kaum etwas an der Frau und Königin zu entdecken, was das harte Urteil Saint-Simons widerlegen könnte, das er, von seinem Vater genauestens unterrichtet, in seinen Denkwürdigkeiten aufgezeichnet hat: »Marie Medici, herrschsüchtig, eifersüchtig, beschränkt bis zum Äußersten, stets vom Abschaum des Hofes und derer, die sie aus Italien mitgebracht hatte, geleitet, ist das stetige Unglück Heinrichs IV., ihres Sohnes und ihrer selbst gewesen ... Italienerin, Anhängerin Spaniens, ohne irgendwelche Kenntnis, noch die geringste Erleuchtung, hart, schlecht, von Natur aus und durch den Antrieb Anderer, stets dem Interesse und dem Willen dunkler, widerlicher Leute überlassen, die ihr, um herrschen und sich bereichern zu können, Herz und Kopf verdarben und sie hochmütig, eifersüchtig, herrschgierig, unleidlich und der Vernunft unzugänglich machten ...« Fügt man hierzu Bigotterie, gallige Zänkischkeit, Mangel an jeglichem Humor, an Aufrichtigkeit und an Takt, so hat man ein Bild dieser Frau, an der außer ihrem Leibesumfang alles dürr und kümmerlich war. So sah »der glückliche Griff« aus, den Heinrich in der Wahl dieser Gattin gemacht hatte, so die künftige Regentin Frankreichs, das in dem Sohne dieser Frau nur allzuviel von ihrem Blute und in ihren Taten unheilvoll zu fühlen hatte, daß noch eine Medici Königin von Frankreich gewesen war.
Saint-Simon nennt sie nicht Anhängerin Spaniens, wie wir übersetzt haben, sondern geradezu Spanierin, denn er hatte schon die Früchte ihrer Politik erlebt, die vorauszuahnen Heinrich ein gnädiges Schicksal erspart hat. Sie hatte sich in den Gedanken an die »Spanischen Heiraten« festgebissen und wühlte dafür weiter, indes Heinrich die unvermeidliche Auseinandersetzung mit dem Hause Habsburg näher kommen fühlte. Als eine rechte Analphabetin, die kein Zeichen der Zeit zu lesen wußte, unternahm sie es dann, als Heinrich sie nicht mehr hindern konnte, selber, in dieser Richtung Geschichte zu machen.
Da hier der »Spanischen Heiraten« Erwähnung getan wurde, sei die pompöse und ein wenig närrische Form erwähnt, auf die dieses Projekt zum ersten Male mit einem Schein von politischer Ernsthaftigkeit vor Heinrich gebracht wurde. Dieser Plan, die noch so jungen Kinder Heinrichs und Philipps III. füreinander zu bestimmen, war zwischen dem Vatikan, Madrid, Florenz und den Jesuiten ausgeheckt worden, zu deren Sprecher der Beichtvater Heinrichs ausersehen worden war. Der erste Schritt wurde dann von Spanien aus unternommen, aber so hochmütig und täppisch zugleich, daß Heinrich das Ausweichen leicht gemacht wurde. Der dazu entsandte spanische Botschafter war ein sehr großer Herr, Don Pedro von Toledo, den Heinrich schon nach der ersten Audienz einen feierlichen Esel nannte. Er erschien mit gewaltigem Gepränge und zahlreichem Gefolge in Paris. Entschlossen, den Hof durch seine Prächtigkeit ebenso einzuschüchtern wie durch seine kastilianische Grandezza, bestellte er sich eine Menge von Karossen, und wenn er ausfuhr, mußten zwölf Läufer vor dem Wagen und achtzehn Pagen in schwarzem Samte um ihn sein. Don Pedro begann seine Mission, deren Zweck in tiefes Geheimnis gehüllt worden war, mit hochmütigen Klagen darüber, daß Heinrich gegen Recht und Verträge die aufständischen Niederländer weiter unterstütze. Die Einschüchterung, die der Botschafter sich davon versprochen hatte, blieb jedoch völlig aus. Heinrich erwiderte, ob Spanien sich denn nichts vorzuwerfen habe, und wie es sich mit all den Verschwörungen, kleinen Mordplänen und ähnlichen freundnachbarlichen Unternehmungen verhalten habe. Don Pedro spielte den Unwissenden, und, von dem Hinweis auf die vorhandenen einwandfreien Dokumente bedrängt, suchte er die Schuld auf irgendwelche Minister abzuschieben. Worauf Heinrich ihm erwiderte, auch er könnte im Falle der niederländischen Subsidien sich auf die Minister ausreden oder sagen, er gebe nicht Hilfsgelder, sondern zahle alte Schulden zurück. Er fürchte jedoch die Wahrheit nicht und erkläre, er wolle, wie er es versprochen habe, die Vereinigten Provinzen bis zuletzt unterstützen. In der zweiten Audienz, wo es um die Hauptsache gehen sollte, kam es noch schlimmer. Denn Don Pedro begann: Der König von Spanien sei vom päpstlichen Nuntius unterrichtet worden, daß der König von Frankreich dem Papste seinen Wunsch mitgeteilt habe, drei seiner Kinder, den Dauphin und die zwei Töchter, mit den spanischen Königskindern vermählt zu sehen. Und der König von Frankreich habe versichert, wenn Philipp III. seine Zustimmung dazu gäbe, wolle er die Vereinigten Provinzen zur Unterordnung unter den Erzherzog-Statthalter bringen. Der Papst habe sich daraufhin bemüht, den Madrider Hof geneigt zu stimmen. Doch zögere der König von Spanien noch, weil ihm die in die Niederlande geschickten Subsidien, gleicherweise wie die neuerdings angebahnten französischen Allianzen, gegen den Frieden von Vervins zu gehen schienen. Auf dieses Gemenge von Hochmut, Unwahrheit und schlecht verkleideten Wünschen erwiderte Heinrich zornig und von oben herab mehrmals, das sei alles nicht wahr: »Was den Papst anlange, verehre er ihn als Nachfolger des heiligen Petrus und als das Oberhaupt des Glaubens; aber sofern er sich in die weltlichen Geschäfte menge, betrachte er ihn lediglich als einen armen Menschen; und was den gegenwärtigen Umstand betreffe, so habe weder er, noch hätten seine Minister jemals von dieser Sache gesprochen ... überdies seien seine eigene Größe, die Macht Frankreichs, die Ehre seines Hauses und die seiner Person gebührende Achtung genugsam Proben dafür, daß er seine Kinder nur hergäbe, wenn man sie in den üblichen Formen von ihm erbitte, und das sei eine sonderbare Behauptung, daß er sie irgendwem auf Erden angeboten habe.« Traf diese Antwort Heinrichs den Spanier schon genug in seinem Hochmute, so war er dann völlig verbittert, als er merkte, daß Heinrich alle Einzelheiten dieser Audienz kräftig kommentiert weiter erzählt hatte und der ganze Hof davon wußte. Er flüchtete sich zu Marie und hatte lange Gespräche mit ihr; er fand sich mit ihr in Hochmut, Bigotterie und Herzensöde und machte Projekte mit ihr, ungeachtet dessen, daß Heinrich Marie hatte wissen lassen, »sie solle sich um diese Angelegenheit nicht kümmern, die er allein behandeln wolle«. Einflüsse aller Art, eine Verständigung zwischen dem König und Spanien herbeizuführen, hatten ebensowenig Erfolg, wie des Botschafters Drohung, sein Herr werde Frieden mit den Niederlanden machen, um Frankreich von allen Seiten anzugreifen. Heinrichs Antwort darauf war: »Er werde im Sattel sein, bevor der König von Spanien noch den Fuß im Steigbügel habe.« Im übrigen hatte Heinrich nunmehr seine besonderen Gründe, sich auf keine Weise Spanien gegenüber zu binden, Gründe, die alsbald ausgeführt werden sollen. So schied der Botschafter ohne ein Ergebnis, es sei denn, daß er und sein Gefolge beträchtliche Schulden in Paris hinterließen und daß ihrer etliche im Zweikampf auf dem Platze geblieben waren.
Marie aber brütete weiter an dem Plane, und Concini und Eleonora redeten da und dort davon, als ob es sich um eine beschlossene Sache handle. Sie redeten jetzt überhaupt schon von vielem und mit vielen recht munter, vor denen sie sich ein paar Jahre zuvor noch sehr geduckt hatten. Zwar hielten sie ihre Kabalenwerkstätte, darin sie ihre Königin in Gold ausmünzten, auch noch weiter im Dunkeln. Aber wenn sie hervorkamen, blinzelten sie nicht mehr lichtscheu, sondern sahen jedem kühnlich ins Gesicht, mochte es auch der gefürchtete Sully oder der König selber sein. Der Beweise, daß sie es sich erlauben konnten, wurden freilich mehr und mehr. Da war zum Beispiel die Sache nach dem Tode des Zivilleutnants Miron, des Mannes, der der eifrigste Vollstrecker von Heinrichs Anordnungen zur Sanierung und Verschönerung von Paris gewesen war. Als diese hochwichtige Stellung der Zivilgerichtsbarkeit frei wurde, beeilten sich Sully und andere einflußreiche Männer, dem Könige den Bruder des Verstorbenen, einen geschäftserfahrenen und ehrenhaften Mann von größten Verdiensten als Nachfolger vorzuschlagen. Heinrich entgegnete jedoch, er habe auf die Bitte der Königin es ihr überlassen, dieses Amt zu vergeben. Nun wandte sich der jüngere Miron an Marie, doch er wurde von ihr kurz und hochfahrend abgewiesen. Das Amt erhielt Concinis Schützling Le Geay, ein Mann von übelstem Leumund, gegen den mehrere Prozesse wegen gemeiner Verbrechen anhängig gewesen waren, die Concini mit vieler Mühe unterdrückt hatte. Dieser Le Geay ließ sich mit allem Pomp feierlich einkleiden und bei Hof vorstellen. Tags darauf jedoch verkaufte er sein noch nicht ausgeübtes Amt für vierzigtausend Taler. Wieviel Concini von dieser Summe erhielt, ist nicht überliefert, noch auch, wie der Käufer die Justiz gehandhabt hat, um diese ungeheure Summe auch nur hereinzubringen. Marie aber lächelte dünn und verschmitzt, weil sie ihren armen Freunden wieder einen Brocken Dankbarkeit für ihre Treue hatte zukommen lassen können.