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Am 27. September schrieb Heinrich an Sully die folgenden Zeilen: »Ich habe es nicht länger aufschieben wollen, Ihnen meine Befriedigung darüber kundzutun, daß die Königin, meine Gemahlin, gerade eben mit einem Sohne niedergekommen ist, damit Sie sich mit mir freuen ...«
Die Geburt dieses Kindes, hernach Ludwig XIII. genannt, ist in etlichen Zeugnissen mit vielen Einzelheiten aufgezeichnet, worunter ein Bericht der Hebamme erhalten ist. Diese, Pourcier geheißen, war, von Eleonora ausersehen, an Stelle der vom Könige bestimmten Geburtshelferin getreten, ohne daß Heinrich, der jetzt ganz Fürsorge für Marie war, sich mit einem Worte widersetzt hätte. Diese Berichte zeigen Heinrich von einer Seite, die so sehr mit zu seinem Wesen gehörte, daß ein paar Einzelheiten daraus in dieser Darstellung Platz finden müssen.
Nach altem Brauche mußten dem Geburtsakte die Prinzen und eine Anzahl von Hofwürdenträgern als Zeugen dafür beiwohnen, daß das Kind wahrhaftig lebendig aus dem Leibe der Mutter gekommen und nicht etwa ein anderes an die Stelle einer totgeborenen Frucht gebracht worden sei. Heinrich war sehr besorgt, daß diese unumgängliche Gepflogenheit Marie in ihrem Schamgefühle verletzen könne – an andere Gefühle dachte er dabei nicht – und gab sich redlich Mühe, die Gattin auf die Gegenwart all der Zuschauer vorzubereiten. Er ließ sie in den letzten Tagen kaum eine Stunde mehr allein. Als sich die ersten Anzeichen zeigten, eilte er selber, die Hebamme herbeizuholen. Während der ganzen langen Wehen ging er nur zu kurzem Mahl aus dem Zimmer der Königin und schickte dann jeden Augenblick um Neuigkeiten. Wenn Scham oder Schüchternheit Marie verhindern wollten, zu schreien, ermahnte er sie dazu, »aus Furcht, daß ihre Brust nicht aufschwölle von den Anstrengungen des Zurückhaltens«. Es vergingen mehr als zweiundzwanzig Stunden bis zur Entbindung, während welcher Heinrich unaufhörlich Marie Mut zusprach und sie über die Schmerzen hinwegzutrösten suchte. Als die Hebamme ihm dann endlich das vereinbarte Zeichen machte, daß das Kind ein Sohn sei, wollte er es nicht glauben, beschwor sie, ihm nicht »eine kurze Freude« machen zu wollen und gab sich seiner Freude erst ganz hin, als die Hebamme ihm selber das Geschlecht des Kindes hatte sehen lassen. Dann bereitete er Marie mit größter Vorsicht vor, ehe er ihr sagte: »Meine Freundin, Sie haben sehr viel Wehe ausgestanden. Aber Gott hat uns eine große Gnade erwiesen und uns gegeben, worum wir ihn gebeten haben: wir haben einen schönen Sohn.« Dann umarmte Heinrich alle Welt und eilte durch die Gemächer der Königin, um herbeizuholen, wer sich dort fände, damit alle den neugebornen Dauphin sehen könnten. Endlich war eine solche Menge von Menschen vor dem Zimmer der Königin, daß Heinrich in ihr seinen Hut verlor. Als die Hebamme bemerkte, die Hereindrängenden würden die Königin ermüden, schlug ihr der König auf die Schulter und sagte: »Schweig, Hebamme, dieses Kind gehört allen, so soll jeder es sehen und sich daran erfreuen.« Dann aber ließ Heinrich sich ein Bett neben dem Lager der Königin aufschlagen, in dem er so lange jede Nacht schlief, bis Marie wieder völlig wohl war.
Als Geschenk zur Geburt des Thronerben gab Heinrich seiner Gemahlin Schloß und Ländereien von Monceaux, einen Besitz, den er einst Gabrielen geschenkt hatte und den er nun von deren Kindern zurückkaufte. Außerdem erhöhte er das Jahrgeld der Königin um achtzehntausend Taler, zur nicht geringen Freude Eleonoras und Concinis.
Nach der Ekstase des Vaterstolzes und dem Triumphe des Königs, dem tausend feierliche und bescheidene Zeichen zu weisen schienen, daß Frankreich sein Frohlocken über die Sicherung der Nachfolge für das Haus Bourbon teile, nach diesem großen Festtage fing allmählich wieder der Alltag des Königs und des Mannes an. Ein paar Tage danach schrieb Heinrich aus Fontainebleau in einem Briefe an Sully schon, daß er einen Hirschen gehetzt und verfehlt habe. Eine Woche nach der Geburt des Dauphins begannen die zärtlichen und sehnsüchtigen Briefe an Henriette wieder, die zwar längst ihre Gemächer im Louvre hatte, aber die er während dieser Tage nicht gesehen hatte. Neben diesen häufigen zärtlichen Billetten, denen bald das Wiedersehen folgte, fing auch das gewaltige Briefeschreiben in alle Welt wieder an, dessen Vielseitigkeit der Interessen, Schärfe des Urteils und genaues Eingehen auf die mannigfachsten Gegenstände den Leser der unerschöpflichen Briefbände Heinrichs zuweilen mit Verwunderung erfüllen mögen, daß all das neben so viel Privatleben Raum gehabt haben könne. Liest man zum Beispiel zwischen zwei Briefen an Henriette den schönen, klug toleranten Brief an den (nachmals heiligen) Franz von Sales über die Religionsfragen in dem zur Genfer Diözese gehörigen neuen Gexer Lande, so mag man erstaunt sein, daß die Historiker Lust an Urteilen über vereinzelte, zum Teil recht zeithörige Menscheneigenschaften Heinrichs gefunden haben – man fühlt die ganze von weitgespanntem Leben erfüllte Gestalt wieder und ist dankbar, daß so viel von ihr wißbar geblieben ist.
Herbstfeurige Unrast ist jetzt wieder in Heinrich. Jeden Tag sitzt er auf langen Ritten zu Pferd, fast jeden Tag gibt es Hirschhetzen, und er schläft selten zwei Nächte nacheinander im gleichen Bett. Er hatte eine Weile eine gute Zeit nach seinem Herzen. Allerlei Tun ging vorwärts, die Jagd war ergiebig, und an den Abenden gab es gute Kumpane zu Speise und Trank und Spiel in der schönen Leibesmüdigkeit, ausruhend von allen Aufgaben, fröhlich vor gesundem Schlafe. Es wurde November, es regnete, Nebel hingen über den Wäldern und den Parken von Fontainebleau und Verneuil. Aus den Fenstern des Arbeitszimmers im Louvre waren oft keine Dächer mehr zu sehen, noch die Bäume in den Tuileriengärten. Die Kerzen brannten den größeren Teil des Tages, in den Kaminen glosten die großen Kloben Buchenholzes, und man mußte sich nah daranhalten. Vor den Türen war es gruftkalt, die Wände und Geländer der Treppenhäuser tropften. Aber wenn am Morgen der Wind die Nebel zerriß, hieß es schnell: satteln! Im Ehrenhofe unten jaulte die berühmte Meute Montmorencys, und dann krachten die glasigen Eisschichten der Pfützen unter den Hufen, und das Fieber flog durch die Adern. Erst im Heimreiten wurde die Zügelhand steif, die Füße schmerzten in den umwickelten Bügeln, und das Gesicht glühte vom scharfen Winde. Marie ritt nun auch manchmal Jagden mit, sie saß ganz leidlich zu Pferde, aber das Rechte war's doch nicht mit ihr, es war kein Feuer in ihr, sie hatte das Ohr nicht für die Hunde, und so fehlte sie mehrmals, wenn der Hirsch endlich gestellt war. Und dann war ihr kalt, und sie lachte nicht über die Späße des Connétables, die sie wohl gar nicht verstand. Nur bei Tisch tat sie kräftig mit, und mancherlei französische Gerichte schmeckten ihr, als wären sie die Festtagsspeisen ihrer Kindheit gewesen. Sie hatte nichts dagegen, wenn die Gerichte recht gewürzt und schwer waren, und aß tüchtig von den vielen kräftigen Winterspeisen aus allen Gauen von Frankreich, vor allem aber aus Heinrichs heimatlichem Südwesten. Natürlich fehlte auch, da nun im November die Gänse fett waren, das Cassoulet nicht, das heute noch in der ganzen Gaskogne so geliebte und die Speise Gottes geheißene Gericht aus den kleinen Bohnen, mit eingemachtem Gänsefleisch, Wurst und viel Knoblauch darin. Aber wie sehr Heinrich es auch freute, die ihn um der neuen Mutterschaft willen doppelt liebe Gattin an seinen Freuden teilnehmen zu sehen, das Rechte war es erst mit den Männern, den gespäßigen, gefräßigen Kumpanen, in deren Kehlen die Kannen Weins verschwanden, als wären es Gläschen. Ein paar der Besten freilich waren den Königsweg nicht mit heraufgekommen, so der alte Graf Schomberg, der Reiterführer, der so vielen Schlachten entgangen war und dem dann nach einem ungeheuren Mahl das Herz stehenblieb. Das war freilich ein Edelmannstod, den viele starben, die nicht auf den Schlachtfeldern oder in den seit dem Frieden immer mehr überhandnehmenden Zweikämpfen blieben, sofern man diese Kämpfe noch so nennen kann, zu denen sie jetzt schon in ganzen Rudeln vor die Mauern hinauszogen, oft fünfzehn gegen fünfzehn, von welchen dreißig dann selten mehr als sechs am Leben blieben. Das war eine ganze Seuche geworden, und Heinrich dachte immer wieder daran einzugreifen, aber noch vergingen Jahre, ehe er das auch dann nicht sehr wirksame Duellverbot erließ. Indessen begnügte er sich zu schlichten, wo er es vermochte, und hat so nicht wenige Zweikämpfe verhindert, die allerdings eine kleine Zahl darstellen, angesichts der Tatsache, daß seit seinem Regierungsantritt an viertausend Edelleute im Duell getötet wurden, und daß die Parlamentsgerichtshöfe bis gegen das Ende dieser Regierungszeit mehr als siebentausend der Tötung im Zweikampfe Angeklagte freisprachen. »Die vom Wohlleben überhitzten, kraftstrotzenden Leute waren zum Kriege aufgezogen worden, so saß ihnen der Degen eben auch im Frieden locker in der Scheide.« Ganz seltene Ausnahmen, wie Sully, nicht mitgerechnet, kannten sie Arbeit irgendwelcher Art überhaupt nicht; die Güter hatten, ließen sie von anderen besorgen, und meist jagten sie dort nur oder kamen zu Gastereien dahin. Die jüngeren Söhne mußten eben, sofern nicht noch ein Erbteil auf sie fiel, ihren Namen zuliebe eine möglichst fette Pfründe von der Kirche oder irgendein Hofamt finden, von dem sich's leben ließ. Freilich gab es über solchem Durchschnitt da und dort vernünftige Verwalter ihrer Habe, lerneifrige Bücherleser und geistigere Genießer, wie der alte Ronsard oder Montaigne bewiesen, die aus diesem Stande kamen. Aber den heraufziehenden Sommer französischen Geistes kündeten sie nur an, und andere machten ihn. Heinrich, so sehr ein Edelmann seiner Zeit und doch ein Arbeiter, war unter diesen.
»Am vierten November, Sonntag – der König war tags zuvor nach Verneuil gekommen –, kam die Frau Marquise hier mit einem Sohne nieder, den der König recht herzte und küßte, ihn seinen Sohn nannte und von ihm sagte, er sei schöner als der der Königin, seiner Gemahlin, von dem er sagte, er gleiche den Medici, da er schwarz und dick sei wie sie ...«, schreibt l'Estoile, und er fügt hinzu, daß die Königin, der diese Worte zugetragen worden seien, sehr geweint habe. Bei Henriette mischte sich in das Stück einfache Mutterfreude schnell und heftig das Bedauern, daß dieses Kind nicht sechzehn Monate früher gekommen war, um der Dauphin zu sein und nicht nur einer unter des Königs Bastarden. So gab es Kränkung und Groll um die beiden Neugeborenen. Aber Heinrich freute sich, und er suchte auf diese Weiberempfindlichkeiten nicht zu achten, solange es anginge. Es ging aber nicht mehr lange an.