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Die meisten Menschen haben von den Gegenständen, zu denen sie die stärkste Leidenschaft ihres Wesens immer wieder drängt, entweder die gute Meinung des Geldgierigen vom Gelde, oder es gelingt ihnen, ihrer Selbstachtung zuliebe ihr besseres Wissen zum Schweigen zu bringen und mit allerlei Poesie das zu umkleiden, was sie nicht entbehren können. So verliebten Wesens und wollüstiger Natur Heinrich aber auch immer war, und so sehr er sich in den Blütezeiten seiner Neigungen manchen in Anbetracht ihrer Gegenstände recht unangemessenen Gefühlsseligkeiten hingab: im Grunde seines Wesens war er, der ohne Frauen und die von ihnen gegebenen Gefühlserhitzungen nicht leben konnte, durchaus weder großer Meinung von den Frauen noch von der Liebe. Er liebte und liebelte, schrieb Bände voll von Briefen, schwärmte und schwor Treue, ließ sich von einem Dichter seine Liebesgedichte schreiben – und war bei alledem durchaus nicht der Überzeugung, die Menschen anderen Ausmaßes so gern von ihren Trieben haben: daß sie die rechten und ihnen gemäßesten seien. Eine bekannte Anekdote verrät in dieser Hinsicht viel von ihm: Nach der Schlacht bei Yvry fragte Heinrich den spanischen Unterhändler, ob sein König Philipp II. denn Liebschaften habe, und erhielt zur Antwort, wenn Philipp wirklich deren habe, stelle er sie wenigstens nicht zur Schau. Worauf Heinrich erwiderte: »Da haben wir es, es gibt eben Leute, die so wenig gute Eigenschaften haben, daß sie ihre Fehler nicht zu zeigen wagen.« Er rechnete diese unausrottbaren und immer wieder so köstlichen Verwirrungen seiner Klugheit sich gar nicht als Sünden an – das winzig wenige, was vom moralistischen Spekulieren der Zeit in ihm gewesen sein mochte, hatten die unendlichen Moralgespräche seiner Hugenottenjahre gründlich zu Ende gebracht –, er sah darin eben einen seiner Fehler und versuchte damit zu rechnen, so gut es ging. Daß er sich dabei in sich und in ansehnlichen Dingen seines Lebens gründlich verrechnen konnte, lag allerdings in der Natur dieses Fehlers, der für ihn vor allem darum einer war, weil er ihm zu Kopf stieg, wie dem Trinker sein Trunk. War er aber nüchtern oder hatte er in der Trunkenheit wache Augenblicke, dann fühlte er und dachte er über Frauen in einer Art, die vielleicht bis in unsere Tage an manchen sehr männlichen Männern höheren Standes noch zu finden ist. Es gilt hier im Grunde nur, was von Mann zu Mann geht. Die Frau ist ein menschenähnliches Genußmittel, an dem Lust zu erwerben man wirbt und schwört, ja dichtet, für das man sehr vieles opfern, ja sich zugrunde richten kann. Aber das heißt dann eben, Tollheiten begehen, und die Frau mag darum nur noch begehrenswerter werden, feenhafter –, hat man sie aber »besessen« (als ob man einen Menschen besitzen könnte wie ein Ding!), dann ist sie trotz allem »entehrt« (als ob man ihr vorher Ehre zuerkannt hätte). Sofern sie sich nämlich nicht klüglich so lange zu bewahren weiß, daß der Kaufpreis die Legitimierung, die Möglichmachung durch die Ehe ist, in welcher die Frau in der Männerwelt ihre einzige Ehrbarkeit erweisen kann, als Frau und Mutter. Aber selbst diese hat kein »Ehrenwort«; wenn sie lügt, wird das als selbstverständlich hingenommen, ja es wird von ihr erwartet, und demzufolge besteht kein Verbot, auch sie nach Herzenslust anzulügen, zumal, wenn es darum geht, den ihr zwar auferlegten, aber gegebenenfalls »unnatürlichen« Widerstand gegen die Hingabe zu besiegen. Daß eben in die Welt einer solchen als natürlich und rational betrachteten Gesinnung die irrationale triebhafte »Schlechtigkeit«, die den Frauen zugebilligt wird, verheerender einbrechen kann als in eine erotische Menschenwelt, daß es eben hier mehr Selbstmorde, Hörigkeit oder sonstige Zerstörung gibt, geht so zu, wie in allen langen Sklavenaufständen, in denen die Aufrührer sich anderer Mittel als der Gewalt bedienen.
Die oft zitierte Äußerung von Bayle über Heinrich, wenn man ihn zum Eunuchen gemacht hätte, hätte er den Ruhm Alexanders und Cäsars verdunkeln können, wird von Voltaire darum eine lächerliche Behauptung genannt, weil Cäsar ja zum Beispiel weit lasterhafter gewesen sei, als Heinrich IV. verliebter Natur. Wir möchten dieser Äußerung, deren Gesinnung zahlreiche auch als ernsthaft geltende Geschichtsschreiber teilen, das Wort von Nietzsche hinzufügen: »Grad und Art der Geschlechtlichkeit eines Menschen reichen bis in den letzten Gipfel seines Geistes hinein.«
Ebenso wie ein Mensch sich durch die Einsicht in seine Fehler und sein Verhalten zu ihnen kundgibt, verrät er sich auch, wenn er äußert, was und wie er sich etwas so recht nach seinem Herzen wünsche. Würde es nicht (außer der sonst damit verbundenen Annehmlichkeit) recht aufschlußreich über uns alle sein, wenn zuweilen in ein Zusammensein mit allen unseren Freunden die bekannte Fee schwebte und jedem von uns drei Wünsche zu äußern freigäbe? Heinrich, der in all seiner Macht stets voll von Wünschen geblieben ist, hat deren einige recht unumwunden und genau geäußert und damit in verschiedenen Lebenszeiten ein gut Teil seiner Lebensmitgift und dessen, was er daraus gemacht hat, kundgetan. Wir halten uns hier zum erstenmal gleich daran, da wir im Verfolg der Andeutungen über sein Grundverhalten zu den Frauen die Wünsche hierhersetzen können, die er hinsichtlich seiner künftigen Frau ausgesprochen hat. Denn er hatte ja nun sich von innen wie außen zu einer Geliebten und zu einer Gattin bereden lassen. Während es um Henriette mit Gefühl und Geschäft hoch herging, geschahen in Rom wie in Florenz Schritt für Schritt die Vorbereitungen, die ihn zum Ehegatten eines anderen Mädchens als dessen machen mußten, dem er eben ein Heiratsversprechen gegeben hatte. Als aber von dieser heraufziehenden Heirat noch lange nicht die Rede gewesen war, hatte Heinrich Sully gegenüber einmal ausgesprochen, was die Eigenschaften wären, die er von seiner Frau verlangen würde. Er hatte deren sieben genannt, nämlich: »Schönheit, Schamhaftigkeit in der Lebensführung, gefälliges Wesen, Gewandtheit des Geistes, Fruchtbarkeit, hervorragende Herkunft und große Besitztümer.« Wie viele unter diesen Wünschen sich in der künftigen Gattin erfüllt finden würden, wird unsere Erzählung erweisen. Hier sei nur noch eine andere Form angeführt, in der Heinrich einem ähnlichen Verlangen Ausdruck gegeben hat: »Einer meiner Wünsche ist auch, daß Gott mich von meiner Frau befreie und ich eine andere gewinnen könne, von einem meiner Geburt angemessenen Stande, die mich liebte, die ich lieben könnte und die mir frühzeitig genug Kinder gäbe, so daß mir noch genugsam Jahre blieben, um sie auf meine Art zu unterrichten und aus ihnen tapfere, ritterliche und gewandte Prinzen zu machen.«
Während Heinrich noch um Henriette warb, war einer dieser Wünsche, der der Ehescheidung von der nun völlig zustimmenden Margarethe, schon auf dem besten Wege zur Erfüllung. Der Papst hatte die rechtliche Prüfung der Sache vorwiegend französischen, also wohlgeneigten Kirchenfürsten übergeben, die in einer für den Zeitbrauch so raschen Prozedur damit zu Ende gelangten, daß, noch bevor dieses Jahr 1599 herum war, die Nichtigkeitserklärung von Heinrichs Ehe ausgesprochen wurde. Daß die Familie d'Entragues trotzdem auf der in Aussicht gestellten Erneuerung des Eheversprechens nicht bestand, hatte wohl seinen Grund darin, daß ihnen das bereits bestehende rechtlich zuverlässig genug erschien, um, damit bewehrt, ruhig einem Ereignisse entgegensehen zu können, das sich ihnen angekündigt hatte: Henriette war schwanger. Da man nun, gottlob, so weit war, brauchte das zu erwartende Kind nur noch ein Knabe zu werden, damit Henrietten der Weg zum Throne offen stünde.
Sully – so wollen wir Rosny von nun ab nennen, seine Herzogwerdung um etliche Jahre vorwegnehmend –, um das Königreich gleicherweise besorgt wie um seinen Herrn und aus kalvinischer Sittenstrenge wie aus Sparsamkeit Heinrichs Liebschaften gleich abhold, hatte vielen Eifer darauf gewandt, die Eheschließung des Königs so schnell als möglich zu fördern. Denn indessen war mancherlei Gerede zu ihm gelangt und hatte ihm bestätigt, daß die d'Entragues das Heiratsversprechen tatsächlich in Händen hatten. Sobald die Nichtigkeitserklärung von Heinrichs Ehe als nah und sicher erwartet werden konnte, waren mit dem großherzoglichen Hofe von Florenz die Bedingungen eines Ehevertrages auf eine Art festgelegt worden, die Heinrichs Heiratsbereitschaft nach Sullys Meinung nur noch steigern und seine etwaigen Bedenken vollends entkräften mußte. Diese richteten sich vor allem dagegen, daß die künftige Königin von Frankreich aus demselben Hause stammte wie Katharina, »die Frankreich so viel Übles getan habe und ihm insbesondere«. Ein anderer Einwand war, daß es mit der großen Herkunft nicht so sehr nach dem Wunsche des Königs stand. In der Tat war die Familie Medici das neueste unter den regierenden Häusern in Europa: Cosimo, mochte er auch nun der Große genannt werden, war noch nicht hundertvierzig Jahre lang tot, und dieser Stammvater der Dynastie war rechtens gar nicht Herrscher, sondern nur das Oberhaupt einer Republik gewesen. Erst 1531 hatte Karl V. dieser nach Gewohnheitsrecht weitergegebenen Herrschaft einer vormaligen Kaufmannsfamilie die Souveränität nach Recht und Gesetz verliehen. Daß man unter diesen Umständen auf weitestes Entgegenkommen des Großherzogs Ferdinand rechnen dürfe, war um so mehr vorauszusehen gewesen, als die erste Annäherung hinsichtlich dieser Heirat von ihm ausgegangen war (was zusammen mit dem Rufe der Mediceer als Giftmischer zur Verbreitung des Gerüchts beigetragen hatte, die Urheber des jähen Todes der Gabriele seien in Florenz zu suchen, wo man eine Prinzessin für den Thron Frankreichs bereit halte). Zu dem Ehrgeiz des neuen Herrscherhauses, noch eine Medicitochter als Königin von Frankreich zu sehen, hatte sich noch ein geringerer Beweggrund für den Großherzog gesellt, die höchst ehereife Nichte dringlich, wenn auch in aller Dezenz, anzubieten: die Tatsache nämlich, daß Heinrich Ferdinand mehr als eine halbe Million Taler schuldete, die einzutreiben schwer sein würde.
Obgleich Heinrich in diesem Herbst schon geäußert hatte, daß er mit der tugendhaften Prinzessin von Florenz bald Kinder zu haben hoffe und, nach der Tilgung der Schuld an ihren Oheim, aus der Mitgift noch ein hübsches Stück Geld für seine Geschäfte und zur Befreiung des Königreiches von den dringendsten Schulden erwarte, war er doch aufs äußerste betroffen, als er so schnell vor die Tatsache gestellt wurde, daß Maria Medici in sehr naher Zeit seine Gattin sein würde. Als Sully ihm diese Nachricht überbrachte, »lief er mit großen Schritten durchs Zimmer, biß an seinen Nägeln, kratzte sich den Kopf und schien ins tiefste Nachdenken versunken, ohne ein Wort auszusprechen. Endlich sagte er, mit der einen Hand in die andere schlagend: ›So sei es in Gottes Namen, es gibt kein Mittel dagegen; da Sie sagen, daß ich mich für das Wohl meines Königreiches verheiraten müsse, muß ich mich also verheiraten!‹«.
So rasch die Ehescheidung vor sich gegangen und die neue Ehe grundsätzlich beschlossen worden war, verging doch noch eine geraume Weile, bevor der Heiratsvertrag ausgearbeitet war und festgelegt wurde, wann Marie Medici mit dem von Heinrich zu entsendenden Vertreter in Florenz vermählt werden würde. Indessen war das Jahr 1600 herangebrochen, das als kirchliches Jubeljahr innerhalb von Italien gelten sollte – für die anderen Länder war das folgende Jahr dazu bestimmt. Da Heinrich jetzt zu der neuen Ehe ja gesagt hatte, ließ er sich genau über den Fortschritt aller Vorbereitungen unterrichten, über die Verhandlungen des Großherzogs mit dem Papste, der sich bereit erklärte, die Trauung zu vollziehen, sofern sie in Rom stattfände, dann den Beschluß, daß der Kardinal Aldobrandini – dem nun auch schon eine andere Mission an den König von Frankreich bevorstand – den Papst in Florenz vertreten würde, und endlich die Festsetzung des Vermählungstages auf den 15. Juli. Nun diese Heirat solcherart aus den abstrakten Plänen immer mehr in nahe Wirklichkeit wuchs, war Heinrich nicht nur bald ganz an den Gedanken daran gewöhnt. Die zu ihm gelangenden immer neuen Lobpreisungen der Braut entzündeten allmählich seine Phantasie, und ein Porträt der Marie Medici tat das übrige, daß er die aus Staatsklugheit Erwählte alsbald auch recht begehrenswert fand. Daß aber diese sinnliche Umdichtung des Unausweichlichen in diesen Frühlingsmonaten beinahe zu einer Verliebtheit in die Unbekannte, jedenfalls aber zur Sehnsucht nach Verkürzung der Wartezeit wurde, hängt mit Henriette zusammen. Im Laufe seiner reiferen Jahre bildete es sich dem König immer mehr zur Lebenseinrichtung aus, für etwaige mit einer Frau entstehende verdrießliche Situationen bei einer anderen Frau Trost zu suchen. Und mit der hübschen Henriette gab es jetzt solcher Verdrießlichkeiten die Fülle. Seit die Heirat mit Marie Medici aus dem vormaligen Hofmunkeln in die nicht abzuleugnende Wirklichkeit gewachsen war, hatte Heinrich mit Henriette nicht viele gute Stunden mehr. Die Schwangerschaft trug noch das ihrige dazu bei, daß die Wütende Augenblicke lang ihr wirkliches Gesicht zeigte, in dem Heinrich mit allen seinen Illusionen wenig Spuren von Gegenliebe oder auch nur einfach Sympathie zu finden vermochte. Sie drängte, forderte, drohte. Während Heinrich ausweichen, versöhnlich hinziehen, zärtlich beschwichtigen wollte, wartete die Familie d'Entragues nicht einmal die Geburt des Kindes ab, die dem von Heinrich schon verfluchten Heiratsversprechen erst seine Rechtskraft gegeben hätte. Die d'Entragues hielten jetzt lange Familienberatungen ab, Juristen und skrupellose Skribenten wurden in Sold genommen. Nicht nur wurden alle erreichbaren Leute von Stand mündlich oder in Briefen von dem »verräterischen Tun« des Königs gegen die arme, mißbrauchte Henriette unterrichtet, die doch rechtens seine Verlobte sei, sondern es wurden zugleich Briefe nach Rom und nach Florenz gesandt, die von der Existenz dieses Heiratsversprechens berichteten, welches Henriette doch so oft eine bedeutungslose Formalität genannt hatte, und unter Aufzählung von allen Vorzügen der Herkunft und Person der »gesetzlichen Braut des Königs« zugleich um Hilfe flehten und mit unbeugsamer Verfolgung der Rechtsansprüche drohten.
Schließlich ging Heinrich die Geduld aus, und wenige Tage vor der Unterzeichnung des Ehevertrages in Florenz versuchte er es mit seiner königlichen Autorität, um aus dieser beschämenden Verwirrung herauszufinden. Er hatte sich mehrmals schon mündlich bemüht, sein Heiratsversprechen zurückzuerhalten, aber den d'Entragues erschien dieses Dokument als der große Glücksfall, der noch lange nicht hergegeben hatte, was daraus zu holen war. So konnte für sie von Herausgabe dieser Kostbarkeit so einfach nicht die Rede sein. Da schrieb Heinrich am 21. April an Tochter und Vater Briefe, an deren Wirkung er nicht zweifelte. An Henriette: »Mein Fräulein, die Liebe, die Ehre und die Wohltaten, die Sie von mir empfangen haben, hätten der leichtfertigsten Seele der Welt Einhalt geboten, wenn sie nicht eben mit einer schlimmen Natur wie der Ihren gepaart wäre. Ich werde Ihnen nicht weiter zusetzen, obwohl ich es könnte und sollte, das wissen Sie. Ich bitte Sie, mir das bewußte Versprechen zurückzusenden und mir nicht den Kummer zu bereiten, daß ich es auf anderem Wege zurückholen muß. Schicken Sie mir auch den Ring zurück, den ich Ihnen neulich gegeben habe. Das ist der Gegenstand dieses Briefes, auf den ich heute abend Antwort haben will. Henry.« Der Brief an den Vater lautete: »Herr d'Entragues, ich schicke Ihnen den Boten, damit er mir das Versprechen zurückbringe, das ich Ihnen in Malesherbes übergeben habe. Ich bitte Sie, verfehlen Sie nicht, es mir zurückzuschicken. Wenn Sie es mir selber zurückbringen wollen, werde ich Ihnen die Gründe, die mich dazu drängen, sagen: es sind häusliche Gründe und nicht solche des Staates. Auf diese hin werden Sie sagen, daß ich recht habe, und erkennen, daß Sie getäuscht worden sind und daß ich eine Natur habe, von der ich sagen kann, daß sie eher zu gut als anders ist. In der Gewißheit, daß Sie meinem Befehle gehorchen werden, schließe ich mit der Versicherung, daß ich Ihr guter Herr bin. Henry.«
Henriette hatte es mit der Antwort darauf leichter als ihr Vater, da sie sich immer hinter ihn als den Verwahrer des Versprechens verbergen konnte. Wie aber dieser es angestellt hat, solchem Königsbefehl nicht Folge zu leisten, ist nicht aufzufinden. Wir wissen jedoch, daß d'Entragues auch entschiedeneren Forderungen zu widerstehen verstanden hat und noch jahrelang im Besitze dieses Versprechens geblieben ist. Wenn auch der unmittelbare Nutzen, den er in der Folge daraus zog, nicht mehr so beträchtlich war, als seine Gier sich ausgemalt hatte, fiel noch immer allerlei Vorteil aus diesem Besitztum für die Familie ab, gar nicht zu reden von dem Genusse, der sich aus den mannigfachen Quertreibereien und aus den dem Könige bereiteten Peinlichkeiten und Verlegenheiten holen ließ. Solang d'Entragues nämlich dieses Papier vorweisen konnte, fand er immer Bundesgenossen, Mißmutige, Aufrührer von Natur und offene und versteckte Feinde Heinrichs, die gierig nach dem diesem Dokumente anhaftenden Schein von Recht griffen und daraus ihren Feindseligkeiten eine Legitimität zu geben suchten. Mit einem Male hatte die »Bande d'Entragues« statt der vormals so gern und pfiffig geübten Hofschliche und kleinen gehässigen Intriguen ein herrlich weites Theater vor sich, auf dem sie mit allen Mitteln kleiner und großer Politik sich wichtig machen, agieren, stören und schaden und mit dem Pathos gekränkter Ehre Mächte ins Spiel führen konnte, die sich zwar um die Urheber dieses bettpolitischen Rumorens wenig scheren wollten, sich aber um so mehr davon versprachen, Heinrichs verliebte Leichtfertigkeit zu wahrhaftigen Haupt- und Staatsaktionen auszunutzen. Das alles begann in diesem Frühsommer des Jahres 1600 ein giftiges Wachstum, dessen Ausbreitung auch dadurch nicht unterbrochen wurde, daß ein Ereignis den aus diesem Heiratsversprechen hergeleiteten Rechtsansprüchen tatsächlich ein jähes und völliges Ende bereitete. Im Entsetzen über einen ins Haus einschlagenden Blitz kam Henriette im Juli vor ihrer Zeit nieder, und das Kind, wirklich ein Knabe, ging aus dem Mutterschoße in einen kleinen Sarg ein, ohne das Licht dieser Welt erblickt zu haben. Aber nun waren von den d'Entragues schon so viele Öhre für ihre Fäden gefunden worden, daß sie sich von diesem kleinen Mißgeschicke nicht weiter zurückhalten ließen; wie es Heinrich selber kaum ganz zu Bewußtsein gekommen zu sein scheint, daß sein so bedingtes und befristetes Versprechen nunmehr wertlos geworden sei, hielten die d'Entragues sich weiter an die Tatsache, daß das Versprechen gegeben worden sei, wenngleich sie es wohl von da ab lieber als eine Waffe benutzten, die man nur zeigt, wenn es nicht zu umgehen ist.
Der Ehevertrag zwischen Heinrich und Marie Medici war am 25. April im Palazzo Pitti zu Florenz zwischen Sillery, dem Bevollmächtigten Heinrichs, und dem Großherzog Ferdinand abgeschlossen worden. Die Mitgift wurde auf sechshunderttausend Goldtaler in Florentiner Münze, zum Werte von siebeneinhalb Livres jeder, festgesetzt, von denen zweihundertfünfzigtausend auf Heinrichs alte Schulden verrechnet wurden; der Rest sollte nach Abschluß der Ehe in Marseille oder Lyon zu Gebote stehen. Ferner erhielt Marie »große Mengen von edlen Steinen, Ringen, Möbeln usw. nach ihrem Stande«. Von Heinrichs Seite wurde die Sicherstellung dieser Mitgift in Hypotheken auf Landbesitz sowie die Aussetzung eines Wittums von sechzigtausend Livres zugestanden, ferner das freie Verfügungsrecht über die Diamanten und Schmuckgegenstände, sofern diese nicht dem unveräußerlichen Kronschatze gehörten. Doch wenn auch der Vertrag nun abgeschlossen und mit einem großen Tedeum gefeiert worden war, Marie Medici, die sich schon sehr als Königin fühlte, hatte noch länger, als ihr lieb war, zu warten, bis sie nach allem Rechte Heinrichs Gattin und die Königin von Frankreich war.
Heinrich hatte es nicht nötig, diesen Aufschub, der ihm das Abklingen des Henriette-Unwetters versprach, mit Vorwänden zu begründen. Ereignisse, die König und Staat nahe angingen, verlangten nach ihm und zogen, wenn auch nur zum Teil, sein Interesse von den beiden Frauen ab. Im übrigen war Heinrich seiner Natur nach alles eher als nachträgerisch. Die Fülle des mit Menschen gelebten und erlebten Lebens ließ ihn zwar nicht das Geschehene, wohl aber seine Gefühle dabei bald vergessen, so daß aus Schlimmem zwar kein Groll, aus Gutem aber auch wenig Dankbarkeit in ihm blieb. So vergaß er seinen Unmut über die hübsche Henriette und ihren Anhang allmählich, zumal in diesen Monaten vorerst von deren Tun nicht allzuviel zu ihm gelangte. Und wunderlicherweise stimmte ihn seine Phantasieverliebtheit in die Braut in Florenz immer nachsichtiger gegen Henriette.
Am 24. Mai schrieb Heinrich seinen ersten Brief an die ihm nun angelobte Marie Medici: »Die Tugenden und Vollkommenheiten, die in Ihnen leuchten und um deretwillen Sie von der ganzen Welt bewundert werden, haben in mir schon lange den Wunsch entzündet, Sie zu ehren und Ihnen zu dienen, wie Sie es verdienen. Aber, was mir Halincourt« (einer der Gesandten) »von Ihnen berichtet, hat diesen noch anwachsen lassen. Und da ich Ihnen nicht selber meine unzerstörbare Zuneigung darbieten kann, habe ich in Erwartung dieser Genugtuung (die mir bald zuteil werden wird, wenn der Himmel meinen Wünschen günstig ist!) diesen meinen getreuen Diener Frontenac erwählt, um solches Amt in meinem Namen zu erfüllen, sicher, daß er sich treulich seines Auftrages entledigen wird, als Einer, den ich auferzogen habe und der besser als jeder Andere von meinen Absichten Kenntnis hat. Er wird Ihnen mein Herz enthüllen, und Sie werden es nicht nur erfüllt finden von einem leidenschaftlichen Willen, Sie lieb zu haben und zu lieben all mein Leben lang als Herrin meiner Zuneigungen, sondern auch mich hinfürder zu beugen unter das Joch Ihrer Befehle und Ihnen meinen Gehorsam zu leisten, als der Dame meiner Wünsche; das hoffe ich Ihnen eines Tages beweisen zu können und in Person Ihnen die Zusicherung bekräftigen zu können, die er, Frontenac, Ihnen auf meine Treue hin bringt, wenn Sie ihm gleichen Glauben schenken wie mir selber. Ich bitte Sie darum und daß Sie ihm erlauben, nachdem er Sie von mir gegrüßt und Ihnen die Hände geküßt hat, Ihnen den Dienst eines Fürsten darzubieten, den der Himmel Ihnen zugeeignet und einzig für Sie hat geboren werden lassen, wie er für mich Ihre Verdienste erschaffen hat.« Dieser Brief ist mit einem ineinanderverschlungenen H und M unterzeichnet, wie jugendliche Verliebte ihre Initialen vereinigt zu sehen lieben. Auf diesen im Urtext recht geschraubten und Heinrichs originellem und lebhaftem Stil ganz unähnlichen Brief folgten alsbald andere, weit natürlichere. Daß der übernächste, der als ein rechter Brief Heinrichs in diese Geschichte gehört, nicht hier schon seinen Platz findet, liegt nur daran, daß in ihm der oben angedeuteten Ereignisse genauer Erwähnung getan wird, welche die Vermählung hinausschoben, und daß eben diese Ereignisse erst berichtet werden müssen.