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Im Jahre 1825 erhielt Schiller, weil man der Meinung war, daß er durch sein hohes Alter zu schwerfällig und zu schwach geworden sei, die Aufsicht über andere Gefangene, bei denen eine geringere Aufsicht erforderlich zu sein schien. Ach, wie wehe tat es uns, daß er sich von uns trennen mußte, und wie sehr betrübt war auch er, uns verlassen zu müssen!
Zum Nachfolger erhielt er zuerst Kral, einen Mann, der an Güte ihm nicht nachstand. Aber auch dieser erhielt binnen kurzem eine andere Verwendung, und so bekamen wir einen Aufseher, der nicht eben schlimm, aber mürrisch war und keine Regung des Mitgefühls äußerte.
Diese Veränderungen betrübten mich aufs tiefste. Schiller, Kral und Kubitzky, hauptsächlich die beiden ersteren, hatten uns in unseren Krankheiten beigestanden, wie nur ein Vater oder ein Bruder es hätten tun können. Obwohl sie die Pflicht ihres Amtes nie versäumten, verstanden sie dieselbe doch stets ohne Härte auszuüben. Lag aber in den Formen hier und da einige Rauhigkeit, so war diese doch niemals von ihrer Seite eine freiwillige, und die liebenswürdige Art ihres Benehmens, welches sie gegen uns an den Tag legten, glich dieselbe vollständig wieder aus. Manchmal war ich gegen sie aufgebracht, aber ach, wie leicht verziehen sie mir dies von Herzen! Wie waren sie bemüht, uns zu der Überzeugung zu bringen, daß sie nicht ohne Zuneigung für uns wären, wie freuten sie sich, wenn sie sahen, daß wir davon überzeugt waren, und daß wir sie für brave Männer hielten.
Seitdem Schiller von uns entfernt worden, ward er mehrmals krank und erholte sich auch wieder. Mit der Besorgnis von Söhnen um ihren Vater erkundigten wir uns nach seinem Befinden. Öfter, wenn er sich in der Besserung befand, ging er unter unseren Fenstern auf und ab. Wir husteten dann, um ihn zu begrüßen, und er blickte wehmütig lächelnd zu uns herauf und sagte zu der Schildwache, so daß wir es hören konnten: »Da sind meine Söhne!«
Armer Alter! wie wehe tat es mir, mühsam dich die matten Füße hinschleppen zu sehen, ohne dich mit meinem Arme stützen zu können!
Hin und wieder setzte er sich ins Gras und las. Es waren Bücher, die er mir geborgt hatte. Und damit ich sie wiedererkennen möchte, sagte er wohl der Schildwache den Titel oder las ihr ein Stück daraus vor. Meist waren es Kalendergeschichten oder Romane von geringem literatischen Werte, aber moralischen Inhalts.
Nach verschiedenen Schlaganfällen ließ er sich in das Militärlazarett bringen. Sein Zustand hatte sich schon sehr verschlimmert, und bald darauf starb er dort. Er besaß ein kleines Vermögen von einigen hundert Gulden, die Frucht seiner Ersparnisse: Diese hatte er einigen seiner Kameraden vorgeschossen. Da er sein Ende vor sich sah, ließ er diese Freunde zu sich rufen und sprach zu ihnen: »Verwandte habe ich nicht mehr: behalte ein jeder von euch, was in seinen Händen ist. Nur dies eine bitte ich von euch, daß ihr für mich betet.«
Einer von diesen Freunden hatte eine achtzehnjährige Tochter, die Schillers Pate war. Wenige Stunden vor seinem Tode ließ sie der gute Alte an sein Bett rufen. Schon konnte er keine verständlichen Worte mehr hervorbringen; da zog er einen silbernen Ring von seinem Finger, seine letzte Habe, und steckte ihn an den ihrigen. Darauf küßte er sie unter Tränen. Das Mädchen schluchzte laut und überschüttete ihn mit ihren Tränen. Er trocknete dieselben mit seinem Tuche, dann ergriff er ihre Hand und legte sie auf seine Augen. – Diese Augen waren für immer geschlossen.