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An den Fenstern der zur Seite gelegenen Gefängnisse erkannte ich sechs andere, die aus politischen Gründen gefangen waren.
Sieh doch, während ich mich auf eine noch weit größere Einsamkeit als vorher gefaßt machte, finde ich mich hier in eine Art von Welt versetzt. Anfangs war mir dies nicht angenehm, sei es, daß mein langes einsames Leben meine Natur etwas ungesellig gemacht hatte, oder sei es, daß ich durch den unangenehmen Ausgang meiner Bekanntschaft mit Giuliano mißtrauisch geworden war.
Allein in dieser unbedeutenden Unterhaltung, die wir teils mit Worten teils durch Zeichen miteinander führten, erkannte ich bald eine Wohltat für mich, und wenn sie mich auch nicht zur Fröhlichkeit stimmte, so diente sie mir wenigstens dazu, mich zu zerstreuen, über mein Verhältnis zu Giuliano erwähnte ich zu keinem etwas. Wir hatten uns gegenseitig das Ehrenwort darauf gegeben, daß die Sache als ein Geheimnis unter uns bleiben sollte. Wenn ich auf diesen Blättern davon spreche, so geschieht es deshalb, weil es keinem, unter wessen Augen sie auch kommen mögen, möglich sein wird, zu erraten, wer unter so vielen, die in diesen Kerkern lagen, Giuliano war.
Zu den neuen, schon von mir erwähnten Bekanntschaften unter den Mitgefangenen gesellte sich eine andere, die mir noch ganz besondere Freude machte.
Von dem großen Fenster aus sah ich über den Vorbau des Gefängnisses, der mir gegenüberlag, hinweg auf eine Reihe von Dächern, abwechselnd mit Straßen, Altanen, Glockentürmen, Kuppeln, bis sie sich endlich mit der Aussicht auf das Meer und den Himmel verlor. In dem mir zunächststehenden Hause, das einen Flügel des Patriarchalgebäudes bildete, wohnte eine wackere Familie, welche sich ein Anrecht auf meine Dankbarkeit erworben hat, da sie mir durch Zeichen des Grußes Beweise von dem Mitleid gab, das ich ihr einflößte. Ein Gruß, ein liebevolles Wort an Unglückliche gerichtet, ist ein großer Liebesdienst!
Von dort erhob ein kleiner Knabe von neun oder zehn Jahren gegen mich seine Händchen, und ich hörte, Wie er rief: »Mama, Mama, da haben sie drüben einen unter die Bleidächer gesteckt. Armer Gefangner, wer bist du?«
»Ich bin Silvio Pellico,« gab ich zur Antwort.
Ein anderer, etwas größerer Knabe, trat ebenfalls ans Fenster und rief: »Du bist Silvio Pellico?«
»Ja, und ihr, liebe Kinder?«
»Ich heiße Antonio S... und mein Bruder Giuseppe.«
Dann wandte er sich um und sagte: »Was soll ich ihn weiter fragen?«
Und eine Frau, die, wie ich vermute, ihre Mutter war, und die etwas hinter ihnen verborgen stand, flüsterte den lieben Kindern freundliche Worte zu, und diese sagten sie mir, wofür ich ihnen mit der lebhaftesten Rührung dankte.
Diese Unterhaltungen waren ganz unbedeutend, und ich durfte sie nicht mißbrauchen, um dem Kerkermeister nicht zum Schreien Veranlassung zu geben; aber jeden Tag wiederholten sie sich, des Morgens, des Mittags und des Abends, sie gewährten mir unendliche Tröstung. Wenn sie drüben Licht anzündeten, schloß die Dame die Fenster, zuvor aber riefen die Kinder: »Gute Nacht, Silvio!« und sie selber, durch die Dunkelheit ermutigt, wiederholte mit bewegter Stimme: »Gute Nacht, Silvio! Mut!«
Wenn die Kinder frühstückten oder ihr Vesperbrot aßen, riefen sie mir zu: »Ach! könnten wir dir von unserem Kaffee oder unserer Milch geben! Ach, könnten wir dir unsere Brezeln geben! An dem Tage, wo du freigelassen wirst, vergiß nicht uns zu besuchen! Wir wollen dir schöne, warme Brezeln geben und so viele Küsse!«