Silvio Pellico
Meine Gefängnisse
Silvio Pellico

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54.

Diejenigen, welche vor uns verurteilt worden, waren schon nach Laibach oder nach dem Spielberg in Begleitung eines Polizeikommissars aufgebrochen. Jetzt erwartete man die Rückkehr desselben Kommissars, damit er auch uns nach unserem Bestimmungsort führte. Bis dahin verging ein Monat.

Währenddessen verbrachte ich meine Zeit damit, daß ich, um mich zu zerstreuen, viel erzählte oder mir erzählen ließ. Außerdem las mir Maroncelli seine literarischen Arbeiten vor, und ich las ihm die meinigen. Eines Abends trug ich Canova, Rezia und Armari die Esther von Engaddi vom Fenster aus vor, und am nächsten die Iginia von Asti.

Aber während der Nacht murrte und weinte ich und schlief wenig oder gar nicht.

Voll Sehnsucht, aber zugleich nicht ohne Bangen wünschte ich zu erfahren, wie von meinen Eltern die Nachricht von meinem Mißgeschick aufgenommen wäre.

Endlich kam ein Brief von meinem Vater. Wie groß war mein Schmerz, als ich daraus ersah, daß das letzte von mir an ihn gerichtete Schreiben nicht sogleich abgesandt worden, obwohl ich den Untersuchungsrichter so dringend darum gebeten hatte! Der arme Vater, der sich noch immer mit der Hoffnung geschmeichelt, daß ich ohne Strafe loskommen würde, hatte eines Tages die Mailänder Zeitung in die Hand genommen und meine Verurteilung darin gefunden! Er selbst erzählte mir diesen grausamen Zufall, und aus seiner Darstellung konnte ich mir von der Größe des Schmerzes, welcher seine Seele zerrissen, eine Vorstellung machen.

Ach, wie loderte bei all dem unsäglichen Mitleid, das ich mit ihm, mit der Mutter und mit der ganzen Familie empfand, der Unwille in mir auf, daß mein Brief nicht sogleich befördert worden war! Es mag bei dieser Verzögerung keine Bosheit vorgelegen haben, ich aber setzte eine solche in nichtswürdiger Weise voraus; ich meinte eine ausgesuchte Barbarei darin zu erkennen und die berechnete Absicht, mit dieser Strafe alle nur mögliche Härte auch für meine unschuldigen Verwandten zu verbinden. Ein ganzes Meer von Blut hätte ich vergießen mögen, um für diese vermeintliche Unmenschlichkeit Rache zu nehmen.

Jetzt wo ich ruhig urteile, halte ich dieselbe nicht für wahrscheinlich. Diese Verzögerung rührte ohne Zweifel nur aus einer Nachlässigkeit her.

Wütend wie ich war, knirschte ich, als ich hörte, daß meine Gefährten sich vorgenommen hätten, vor ihrer Abreise am Osterfeste das heilige Abendmahl zu nehmen, ich fühlte wohl, daß ich dies in solcher Stimmung, ohne Lust, Verzeihung zu üben, nicht tun durfte. Hätte ich dies Ärgernis geben können!


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