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Ich segnete in Wahrheit aufs neue die Einsamkeit, und wieder verlebte ich meine Tage für einige Zeit ohne Abwechslung.
Der Sommer ging zu Ende; in der letzten Hälfte des September ließ die Hitze nach. Der Oktober kam; jetzt freute ich mich ein Zimmer zu haben, welches für den Winter angenehm sein mußte. Da trat eines Morgens der Kerkermeister ein und sagte mir, daß er Befehl habe, ich solle mein Gefängnis wechseln!
»Und wohin geht es?«
»Nur ein paar Schritte weit, in ein kühleres Gemach.«
»Und warum hat man daran nicht gedacht, als ich vor Hitze fast umkam, und die Luft von Mücken, das Bett von Wanzen wimmelte?«
»Der Befehl ist eben nicht früher gekommen.«
»Gut, lassen Sie uns gehen.«
Obschon ich in diesem Kerker viel gelitten, so konnte ich ihn jetzt doch nicht ohne Betrübnis verlassen; nicht bloß weil er in der kalten Jahreszeit besser sein mußte, sondern wegen vieler anderer »Weils«. Meine Ameisen waren hier, die ich so sorgsam gefüttert hatte, wäre der Ausdruck nicht lächerlich, so würde ich sagen, so sorgsam wie ein Vater. Seit einigen Tagen war die nette Spinne, von der ich vorher erzählte, aus einem mir unbekannten Beweggrunde ausgewandert; aber, sagte ich, wer weiß, ob sie sich nicht meiner wieder erinnert, und ob sie nicht wieder zurückkommt? Und jetzt, wo ich fortgehe, kehrt sie am Ende zurück, und findet das Gefängnis leer, oder wenn ein anderer Gast hier einziehen sollte, so dürfte der vielleicht den Spinnen feindlich sein, mit dem Pantoffel dies herrliche Gewebe herunterreißen, und das arme Tier zerquetschen! War ferner dies traurige Gefängnis nicht auch durch Zanzes Mitleid verschönert worden? Auf dies Fenster stützte sie sich so oft und streute wohltätig den Ameisen die Krümchen ihrer Brezeln hin. Hier saß sie gewöhnlich; dort erzählte sie mir diese, dort jene Geschichte; da beugte sie sich über meinen Tisch und ließ ihre Tränen darauf rinnen!
Der Ort, wohin ich jetzt gebracht wurde, war ebenfalls unter dem Bleidache, aber er lag nach Norden und Westen zu, mit zwei Fenstern, auf jeder Seite eins, ein Aufenthalt, wo man beständig Erkältungen ausgesetzt war, und wo in den rauhen Monaten ein eisiger Frost herrschte.
Das Fenster nach Westen war sehr groß; das andere auf der Nordseite war klein und befand sich hoch oben über meinem Bette.
Zuerst stellte ich mich an jenes und sah, daß es die Aussicht nach dem Palaste des Patriarchen zu hatte. Neben dem meinigen waren andere Gefängnisse, und zwar in einem Seitenflügel von geringer Ausdehnung zur Rechten, ebenso in einem neu aufgeführten Vorbau, der mir gegenüberlag. In diesem letzteren befanden sich zwei Kerker, einer über dem anderen. Der untere davon hatte ein ungeheures Fenster, durch das ich drinnen einen fein gekleideten Herrn auf und ab gehen sah. Es war Herr Caporali von Cesena. Er erblickte mich, machte mir ein Zeichen, und wir sagten uns unsere Namen.
Darauf wollte ich untersuchen, wohin mein anderes Fenster hinaussähe. Ich stellte den Tisch aufs Bett und auf den Tisch einen Stuhl, kletterte dann hinauf und sah, daß es in gleicher Höhe mit einem Teile des Daches von dem Palaste lag. Über dieses hinweg hatte man einen herrlichen Blick auf ein gutes Stück der Stadt und der Lagune.
Ich blieb oben, um diese schöne Aussicht zu betrachten, und obwohl ich die Tür öffnen hörte, rührte ich mich nicht von meinem Platze. Es war der Gefängniswärter; als der mich dort oben schweben sah, vergaß er, daß ich eine Maus hätte sein müssen, um durch das Gitter zu entschlüpfen, und weil er meinte, ich wollte einen Versuch zur Flucht machen, so sprang er, von plötzlicher Bestürzung erfaßt, auf das Bett, trotz des Hüftwehs, das ihn plagte, hielt mich an den Beinen fest und schrie dabei wie ein Löwe.
»Aber,« sagte ich, »sehen Sie denn nicht, gedankenloser Mensch, daß es hier wegen der Gitter unmöglich ist, zu entfliehen? Begreifen Sie denn nicht, daß ich aus bloßer Neugierde hinaufgestiegen bin?«
»Ja, ich seh's ja, mein Herr, ich begreif's; aber kommen Sie herunter, sage ich Ihnen, kommen Sie herunter: das ist ein Versuch zu entwischen.«
Ich mußte heruntersteigen und lachen.