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Den ganzen Morgen lief ich wütend auf und nieder. – Was für eine Sorte von Menschen ist eigentlich dieser Giuliano? Warum meinen Brief einen Scherz nennen? Warum lachen und mit ihm Ball spielen? Warum mir nicht einmal eine Zeile antworten? Alle Ungläubigen sind so! Sie fühlen die Grundlosigkeit ihrer Ansichten, und wenn dann einer sich daran macht, sie zu widerlegen, hören sie nicht auf ihn, lachen, tragen eine geistige Überlegenheit zur Schau, die nicht mehr nötig hat, irgend etwas zu prüfen. Die Unglücklichen! Wann gab es je eine Philosophie ohne Prüfung, ohne Ernst? Wenn es wahr ist, daß Demokritus beständig lachte, so war er ein Narr! – Aber mir geschieht schon ganz recht: weshalb mußte ich mich auf diesen Briefwechsel einlassen? Daß ich mich einen Augenblick täuschte, war verzeihlich. Aber als ich sah, daß er unverschämt war, war ich nicht ein Tor, ihm noch einmal zu schreiben?
Ich war entschlossen, nicht mehr zu schreiben. Zur Mittagszeit nahm Tremerello meinen Wein, goß ihn in eine Flasche, und indem er sie in die Sacktasche steckte, sagte er: »Da fällt mir ein, daß ich Papier für Sie habe.« Darauf gab er's mir.
Er ging alsdann hinaus. Als ich dies weiße Papier ansah, fühlte ich, wie die Versuchung über mich kam, ein letztes Mal an Giuliano zu schreiben, ihm mit einer derben Lektion über die Schändlichkeit der Unverschämtheit den Abschied zu geben.
»Eine schöne Versuchung!« sagte ich gleich darauf, »Verachtung mit Verachtung zu vergelten! ihm das Christentum noch gehässiger zu machen, indem ich als Christ an mir Unduldsamkeit und Hochmut zeigte? Nein, das geht nicht an. Lassen wir den Briefwechsel gänzlich ruhen. – Aber wenn ich ihn so trocken aufhören lasse, wird er nicht ebenfalls sagen, Unduldsamkeit und Hochmut hätten mich bezwungen? – Noch einmal muß ich ihm schreiben, aber ohne Bitterkeit. – Aber wenn ich ohne Galle zu schreiben vermag, wäre es nicht auch gut, wenn ich mir den Anschein gäbe, als hätte ich von seinem Lachen und von der Bezeichnung eines Scherzes, womit er meinen Brief beehrt hat, gar nichts erfahren? Wäre es nicht das beste, in aller Güte meine Verteidigung des Christentums fortzusetzen?«
Eine Weile dachte ich noch hierüber nach, dann blieb ich bei diesem Entschlusse stehen.
Am Abend schickte ich mein Paket ab und empfing dafür am anderen Morgen ein paar Zeilen des Dankes, und zwar sehr frostiger Natur, doch ohne beißende Ausdrücke, aber auch ohne das geringste Zeichen von Beifall oder Aufforderung fortzufahren.
Dies Billett behagte mir nicht, trotzdem war ich entschlossen, bis zum Ende auszuhalten.
Meine Aufgabe ließ sich nicht in der Kürze behandeln und bildete den Gegenstand für fünf oder sechs weitere lange Briefe, auf jeden derselben erhielt ich eine lakonische Danksagung zur Antwort, begleitet von irgendeiner rhetorischen Auslassung, die mit dem eigentlichen Thema gar nichts zu tun hatte; bald verwünschte er seine Feinde; bald lachte er darüber, daß er sie verwünscht habe, indem er sagte, es sei ganz natürlich, daß der Starke den Schwachen unterdrücke, und er bedaure nur, nicht stark zu sein; bald vertraute er mir seine Liebeshändel an und gestand die Gewalt ein, welche diese über seine gequälte Phantasie ausübten.
Auf meinen letzten Brief über das Christentum erwiderte er mir jedoch, daß er damit beschäftigt sei, mir eine ausführliche Antwort vorzubereiten. Ich wartete länger als eine Woche; inzwischen schrieb er mir täglich von manchen anderen und meist von ganz unzüchtigen Dingen.
Ich ersuchte ihn, an die Antwort zu denken, die er mir noch schuldig wäre, und empfahl ihm, seinen Geist anzustrengen, um alle Gründe, die ich vorgebracht hätte, ernstlich abzuwägen.
Darauf erfolgte eine etwas empörte Erwiderung, worin er sich mit einer gewissen Verschwendung die Eigenschaften »eines Philosophen, eines zuversichtlichen Mannes« beilegte, »eines Mannes, der nicht nötig habe, erst lange abzuwägen, um zu begreifen, daß Glühwürmchen keine Laternen wären«. Dann wandte er sich wieder heiter und lustig seinen anstößigen Abenteuern zu.