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VII

Die Dämmerung hüllte noch die Lande ein, doch auf dem Acker des Gutshofs hörte man schon menschliche Stimmen und das Klirren der eisernen Zochen.

Dort schlug Uutela mit den Burschen die tavastländischen Pflüge in den savolaxischen Erdboden, denn im Herbst waren nur einige Beete umgelegt worden.

»Es ist ein Gottesglück, daß es so steht«, dachte Uutela, »daß man gleich an den Boden herankommt.«

Er selbst lenkte den einen Pflug, vor den die tavastländischen Pferde gespannt waren, und die Zügel hingen in einem langen Bogen um seinen Nacken. Hinter dem anderen stand Vihtori.

Es war ein feierlicher Augenblick, als hinter beiden Pflügen zu gleicher Zeit das »Hott!« ertönte, und sie beide die erste Furche zu ziehen begannen.

Aber die verdarben sofort die weniger an den stählernen Pflug gewöhnten savolaxischen Pferde. Das hatte man vorhergeahnt und für alle Fälle Kalle zum Anfang als Lenker der Pferde bestellt, obwohl es der Ehre des Pflügers Eintrag tat. Aber auch das half nichts, die Pferde zogen ungleichmäßig, zerrten und wurden störrig.

Uutela hielt seine Pferde an.

»Das konnte man sich denken, das konnte man sich ja denken«, meinte er gutmütig. »Aber nur Geduld, Jungens! Sie werden sich schon austollen, wo ein paar Männer dahinter sind.«

Zugleich schritt er vorwärts – er ließ sich die Feierlichkeit der Stunde nicht durch eine solche Kleinigkeit verderben.

Der Boden war ziemlich hart geworden und ein paar Zoll tief mit Schnee bedeckt. Aber es wirkte nur anfeuernd, daß man so gleichsam gegen Wind und Frost ankämpfen mußte. Der Pflug zitterte, doch die losgeschnittenen Scheiben legten sich um, so daß der Schnee aufstöberte. Die Pferde begannen zu dampfen, indes das diente der Sache nur zur Zier – diesem stolzesten Anblick der finnischen Aecker, wenn der Mann wie ein König dahinschreitet, die Zügel gerade wie Fäden von seinem Nacken laufen und die Pferde sich vorwärtsgeneigt anspannen wie herabstoßende Wappenadler, alle fest den Fuß auf den erschlossenen Schoß der Mutter Erde gestützt.

Und der Anblick wurde immer schöner, als sich der Tag hellte und die schwärzlichen Schollenreihen sieghaft kräftig inmitten des toten, schneebestreuten Ackerfelds hervorstachen.

»Habt ihr einen einzigen Nadelzweig in euren Furchen gesehen, Jungens?« fragte Uutela, sein Pferd vor den Entgegenkommenden anhaltend.

»Nein, keinen einzigen!« antworteten die Burschen.

»Wahrscheinlich stächen sich diese savolaxischen Herren in die Ferse«, lachte Uutela mit seinem sorglosen Lachen. Er ging über das Beet zu den Burschen.

»Aber der Untergrund ist gut«, erklärte er, mit dem Stiefel auf eine Scholle tretend. »Dies wird schon die Brotfrucht zum Wachsen bringen!«

»Das haben wir auch gesagt«, versicherten die Burschen.

Dann gingen sie weiter.

»He, Liina und Pilkku!« rief Uutela. »Zeigt nun mal, was die Tavasten taugen!« Er war vergnügt und glücklich, als er sah, wie sich das von ihm umgepflügte Stück verhältnismäßig breiter ausdehnte als das der Burschen.

»Das ist nun der Anfang!« wandte er sich, selbstbewußt den Kopf reckend, zu den Burschen, als sie zum Mittagessen gingen.

»Und Neues wird hinzukommen, daß es eine Art hat!« riefen auch die Burschen begeistert.

»Es ärgert einen nur, daß sich der Winter dazwischen schieben muß, so daß man nicht ordentlich nach Herzenslust drauflosschuften kann.«

Uutela fühlte sich so jung und fröhlich, daß er hätte pfeifen mögen, als er auf dem Pferde reitend in den Hof fuhr, wenn es nicht für einen alten Mann unpassend gewesen wäre.

Auf dem Hof sahen sie Mikko, der, noch scheu, leise herum schlich und sich bei jedem Schritt den Schnee von den Pfoten schüttelte.

»Befühlst du denn noch deine Tatzen, die anderen packen schon zu, daß es raucht!« lachte Uutela. »Denk du nur auch dran, wo du herstammst!«

·

Die Savolaxer sahen im Vorbeigehen verwundert auf das Werken und Wühlen, das nun auf dem Acker des Gutshofs herrschte.

»Die naien Harren zeigen ihre Macht!« lächelten sie. »Aber sie scheinend Pflügen zu verstöhn, das is sicher«, gestanden sie ehrlich, »wenn sie auch sunst 'ne närrsche Sorte sin.«

Zu sehen gab es immer Neues. Nachdem die Burschen einige Tage gepflügt hatten, begannen sie wie wütig einen Graben in den von wucherndem Weidengestrüpp gesäumten, zugewachsenen Ackerrändern zu ziehen. Der Frost setzte den Anstrengungen zwar bald ein Ziel, aber sie konnten doch jedenfalls zeigen, was damit bezweckt war.

Danach fielen sie über Uutelas geliebte Nadelzweige her. Die Herrichtung von Düngerhaufen war die Freude und der Stolz seines Lebens gewesen. Und als er jetzt für die Sohlen derselben auf dem Acker des Gutshofs mit Keskitalo die von den anderen angefahrenen Nadelzweige kleinhieb, glaubte er, inmitten dieser gewaltigen Zweighaufen wie in einem eigenen Reiche zu stehen. Schon in der Morgendämmerung begann das Hacken, und es war auch noch zu hören, als das Abenddunkel die Gegend in seinen Mantel hüllte.

Sie waren von einem Arbeitseifer ergriffen worden wie ein junger Knabe, der zum erstenmal ein neues Werkzeug überreicht bekommt, das er wegen seiner Jugend bisher nicht hat handhaben dürfen. Sie wollten nun einmal zeigen, daß sie aus einem anderen Grund gekommen waren, als um das halbverfaulte Diemenkorn des Gutshofs zu verzehren.

Die Diemen und das Ausdreschen des Getreides in der Winterkälte ärgerte sie auch alle, besonders jedoch Uutela. Es war für sie wie eine Verspottung Gottes und des ganzen Ackerbaus.

»Daß nicht einmal eine Maschine und ein Göpel angeschafft worden sind in einem Gehöft – wie dieses Gut eins sein will!« sagte Uutela einmal. »Nun, wir machen uns selber in der Schummerstunde einen Göpel, soviel verstehen wir auch noch vom Zimmerhandwerk.«

»Son Gepel sull ja was Altmodisches sein«, hakte der Tagelöhner Pekka ein, um die Savolaxer zu verteidigen. »Hier macht mans mit ner Dampfmaschine oder ner Lokomobile oder wie das Ding heißen mag, wo man einfach auf dem Acker das Getreide des gansen Dorfs drischt. – Da kann auch das Gut mithalten.«

Uutela lächelte sein breites Lächeln, nahm einige Aehren in die Hand und hielt sie Pekka unter die Nase.

»Die sind ja wie Rattenschwänze«, sprach er still. »Man sollte denken, damit würde man auch ohne Dampf fertig. Dort bei uns sind die Aehren wie Fuchsschwänze – da könnte man von 'ner Lokomobile reden, aber das tut man ja nicht mal da!«

»Wies 'nem jeden scheint!« gab Pekka zurück, als ob er hätte sagen wollen, daß er mit seinen Savolaxern wenigstens in diesem Punkte nicht der schlechtere sei.

Es traf auch mancherlei anderes ein, worin tavastländisches und savolaxisches Wesen aneinander gerieten – meistens lachenden Mundes.

So erhob sich gleich in den ersten Wochen ein Streit über die Schlitten. Die Tavasten witzelten lächelnd über die leichten savolaxischen Schlitten mit ihrem gekrümmten Vorderteil – diese knarrenden Schnauzenkutschen seien ja Kinderspielzeug! Die Kätner und Tagelöhner reckten selbstbewußt den Kopf: wenn man erst mannshohen Schnee habe, dann werde der savolaxische Schlitten schon zeigen, wozu seine »Schnauze« gut sei! Hierauf und auf die gerühmten tavastländischen Schlitten warteten sie nun.

Lange brauchte man denn auch nicht zu warten, denn aus der Gesindestube des Gutshofes drang stets in den Abend- und Morgenstunden das Hacken des Beiles, das Pfeifen der Säge und die Unterhaltung der für ihre Sache begeisterten Männer. Dort entstanden Schlitten, Heuwagen, Bütten, Zuber und allerlei, was man in einem heruntergekommenen Gehöft am notwendigsten brauchte. Die neuen Bewohner waren von dem alten Schlag, der selbst herzustellen wußte, was er wollte.

»Es ist ja kein Wunder, daß das Gehöft in solchem Stande ist, wo so viel faules Volk gefüttert werden muß«, lachte Uutela einmal, indem er ein paar vor seinen Füßen herlaufende Schaben tottrat. »Diese Braunröcke, und dann die anderen, die Langbeinigen, die dort hinterm Ofen musizieren wie fröhliche Spielleute!«

»Du hast recht, hier ist viel müßiges Volk«, lachte Keskitalo. »Und so verflixt naseweis, daß sie einem bis ins Gesicht fahren!«

»Nun, die Wahrheit über den Feind!« fiel Uutela wieder ein. »Diese scheinen doch auch mit einem harten Brotranft vorlieb zu nehmen, aber die echten Savolaxer, die sind ja so faul, daß sie nicht mal hartes Brot essen mögen.«

Alle lachten – daß die Savolaxer immer weiches Brot essen mußten, erschien ihnen als eine merkwürdige Verschwendung der Gottesgabe, da man mit hartem viel länger auskam.

So verflossen Stunden und Wochen in beständiger Arbeit und dem Reiz der Neuheit. Sie waren fast überrascht, als sie eines Tages bemerkten, wie die Weihnachten so nahe vor der Tür standen, daß die Frauen kaum noch schnell ein richtiges schäumendes tavastländisches Bier aus dem starkduftenden Malz vom heimischen Acker Keskitalos brauen konnten.


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