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IV

Draußen herrschte herbstdunkle Nacht, aber im Eisenbahnwagen war es warm und hell.

Abgesehen von Keskitalo und Uutela war der Wagen fast leer. – Die beiden Männer kehrten von der Gutskaufreise aus Savolax zurück.

Keskitalo war in eine Ecke des Wagens gesunken, den Hut auf das eine Ohr gedrückt und die Arme schlaff im Schoß – er schien eingenickt zu sein.

Uutela aber saß da und sog emsig an seiner kurzen Pfeife. Er war nicht müde, obwohl es mit der Ruhe auf der ganzen Reise nicht zum besten bestellt gewesen war.

Diese Reise mit allem kam ihm ein wenig merkwürdig vor. Wie wenn er, der stille Mann der heimatlichen Aecker, jetzt von den trauten Furchen auf die langen, endlosen Felder der großen Welt übertreten sollte.

Es war so, daß sich sein früherer Schaffensdrang in diesem Sommer wieder erhoben hatte, nachdem er ein paar Jahre wie gelähmt gewesen war. Es war so, daß Keskitalo zu klein und viel zu fertig schien, nirgends konnte man ordentlich zugreifen. Aber solche Reisen wie die hier – wo man tagelang auf der Eisenbahn sitzen mußte!

Das ist ja gewiß ein vernünftiges Unternehmen, dachte er. Die jungen kräftigen Burschen wachsen heran – die brauchen Raum. Und dann der Brief von Kustaa Sontula, der trieb ebenfalls zur Eile, damit einem die gute Gelegenheit nicht entging.

Aber es kam ihm doch überstürzt vor. Man hatte nie Zeit gehabt, die Frage gründlich zu überlegen – so wie es der Landmann zu tun pflegt: hinter dem Pflug von Furche zu Furche oder mit der Axt unterm Arm auf dem Waldweg.

Die Frauensleute dort zuhause wundern mich am meisten! dachte er. Man sollte doch meinen, das Heimweh müßte bei solchen Sachen ein bißchen Einspruch erheben. Besonders bei der alten Frau … Nun, wer weiß, wenn sie auch jetzt so vom Besten ihrer Kinder redet – wer weiß?

Er blickte nach Keskitalo hin.

Dort ruhen die Fäden! dachte er. Das hatte er von Anfang an bemerkt. Ein solcher Eifer und solche Eile!

Er blickte auf Keskitalos eingedrückte Brust, sein mageres Gesicht und seine schlafmüden Glieder. – Wer hätte das von solch einem Manne geglaubt!

Wie da – erinnerte er sich wieder – schon auf der Hinreise. Geht vom einen Wagen zum anderen, fragt alle Reisenden nach Gütern, Ländereien, Wäldern, Preisen. – Was fragst du denn nach allen Gütern in der Welt? hatte er, Uutela, sich gewundert – da doch nur das von Kustaa vorgeschlagene in Betracht kommt. Aber Keskitalo hatte nur gelacht: zwei Burschen wie wir auf der Reise, sollen wir denn die Katze im Sack kaufen, oho!

Dahinter steckt etwas, hatte er da gedacht, und das dachte er auch jetzt noch. Mochte es sein, was es wollte.

Namentlich dann bei dem Kauf zeigte es sich noch deutlicher – fuhr er in seinen Erinnerungen fort. So ein alter Mensch müßte doch verstehen, daß man beim Handeln nicht hasten darf. Nun, über den Preis des Gehöfts selbst will ich nichts sagen, obwohl man auch den um einige Tausend hätte herabdrücken können. Es ist ja ein ganzes Gut und anständig gebaut wie nur ein alter herrschaftlicher Besitz. Aber daß da für das Inventar, für diese Frösche von Kühen, das dumpfige Heu und die halbverfaulten Korndiemen – wie sies nur fertigbringen, die Gottesgabe unter freiem Himmel vermodern zu lassen, die Schurken! – daß dafür zwölftausend bezahlt werden mußten, mindestens fünftausend zuviel! Und er versteht es nicht, obwohl ich ihm zuzwinkere und es schließlich auch sage. Wie wenn das Leben von dem Kauf abgehangen hätte! Und ist nichts zu machen: man muß zusehen, wie diese schlauen Savolaxer lächeln und sich hinterm Rücken zublinzeln: so muß man die langhaarigen Tavastenschädel scheren! – Donnerwetter noch einmal!

Seine tavastländische Natur hatte sich bei diesen Erinnerungen so gegen die Savolaxer empört, daß er Keskitalo ganz vergaß. – Diese verflixten Stocknarren! Einen Spazierstock müssen sie immer in der Hand schwenken, aber sieht man wohl einen Nadelzweig auf ihren Aeckern? Kleingehackte Nadelbaumzweige werden unter den Dünger gemischt und die Düngerhaufen im Herbst auf die Aecker gefahren.

Nun ja, beruhigte er sich. Die Arbeit der tavastländischen Männer wird den Schaden bald ausbessern. Aber es ist doch Sünde und Schande, solchen Schlingeln fünftausend in den Rachen zu werfen!

Keskitalo hatte angefangen leise zu schnarchen. Da erinnerte sich Uutela seiner wieder.

Auch darüber habe ich mich gewundert, weshalb er den Kaufvertrag nur in meinem Namen hat ausstellen lassen. Nun, das Geld ist ja freilich von mir, aber wir hätten doch auch beide die Herren sein können, da wir einmal zusammen sind und ich nur Schwiegersohn geworden bin. Sollte er dort in Tavastland eine alte, dunkle Schuld haben, vor der er sich sozusagen aus dem Staube macht, da er mich in dieser Weise vorschiebt? Und weshalb hat er mir nie etwas davon mitgeteilt? Was hat das zu bedeuten …?

Er beugte sich vor und begann Keskitalo forschend ins Gesicht zu schauen. Er wollte gleichsam in sein Gehirn eindringen und sehen, was sich dort regte – jetzt, da der Mann schlief und nicht auf der Hut sein konnte.

Seinem Fuchsgesicht ist nichts anzusehen, nicht im Schlafen und nicht im Wachen! sagte er sich ärgerlich. Das ist ein Kerl! Schleppt einen bis nach Savolax, läßt einen Güter kaufen und behält die Fäden für sich wie in einem Felsen. Und daß jetzt alles nach deinem Sinn gegangen ist, das sehe ich allerdings – sonst könntest du nicht so schön schlafen. Und noch ein Lachen um den Mund – ich wache und wache hier und bekomme keinen Schlaf, was ich auch tun mag!

Er fühlte in diesem Augenblick, daß er Keskitalo haßte, wegen des Geheimnisses, das er ihm, wie er argwöhnte, vorenthielt. Weshalb verrät er es mir nicht, wo wir einmal Freunde und Verwandte sind?

Nun, vielleicht tue ich ihm doch unrecht – dachte er wieder –, daß ich ihn so verdächtige. Warum soll er nicht für seine Kinder arbeiten, jetzt, wo er einen Anlauf nehmen kann. Ebenso habe ichs ja selbst seinerzeit gemacht – seine besten Pläne behält einer doch für sich, ja!

Und dennoch war es ihm eigentümlich – wie wenn unsichtbare Hände nach den Zügeln seines Lebens gegriffen hätten, um sie an sich zu reißen.

Aber die Sache war abgemacht, das Gehöft erstanden. Und jetzt bin ich ein Gutsherr! Ein Lächeln flog über sein Gesicht. – Nun, wir schaffen dort nebeneinander als Herren, wessen Name auch in den Papieren steht. Und wir werden den verfluchten Stocknarren schon beweisen, aus was für Holz Löffel geschnitzt werden! Ich werde noch einmal ein Gehöft in die Höhe bringen und zeigen, wie der Tavaste das Weidengestrüpp von den Rainen verjagt!

Er geriet immer mehr in Eifer – die langen Ackerbeete dort mit den seichten Gräben auf dem Gut riefen ihn und die tavastländische Kraft gewissermaßen zu Hilfe.

Ja, jetzt heißts sich rühren, bis Keskitalo und die Sachen verkauft sind und alles für den Umzug bereit steht, dachte er wieder.

Zugleich hielt der Zug polternd auf einer Station.

»Oho!« rief Keskitalo, wie aus einem bösen Traum erwachend, und sah sich mit weiten Augen um. »Wo sind wir denn eigentlich?«

»Auf der Gutskaufreise, Nachbar«, schmunzelte Uutela mit still strahlenden Augen bei dem Aufschrecken des anderen.

Keskitalo begriff auch gleich. Sie stimmten beide ein herzliches Lachen an.


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