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[Göttingen, Anfang Mai 1796]
P.M.
Da Herr von Knorring glaubt, daß ihm bei seinem jetzigen Schicksale mein Zeugnis nützen und vielleicht zur Milderung seiner Strafe etwas beitragen könne: so halte ich es für meine Pflicht Ew. Ew. Wohlgeboren meine aufrichtige Meinung über ihn zu eröffnen:
Ich bekümmere mich, für meine Person, wenig um das Betragen der jungen Herren in dem weitläuftigen Hause, das ich bewohne, so lange ich nicht persönlich dadurch belästigt werde, welches bisher noch nicht geschehen ist; höre aber doch zuweilen erzählen und muß es hören, was sie unternehmen, und da muß ich aufrichtig bekennen, daß selbst bei den nicht eigentlich klagbaren jugendlichen Unordnungen, die wohl zuweilen vorgegangen sein mögen, immer die geringste Beschwerde gegen Herrn von Knorring gewesen ist. – Von eigentlich Klagbarem in unserm Hause weiß ich gar nichts. Aber zuverlässig weiß ich, daß man sich Herrn von Knorrings Vermittelung bedient hat, häuslichen Unordnungen für das künftige vorzubeugen, und mit Vorteil. – Überdas ist er, so weit ich ihn kenne, ein vortrefflicher Kopf, der mit weniger Anstrengung viel zu fassen im Stand ist und daher gar leicht, wegen einiger jugendlichen Vergehungen, in die Klasse von Köpfen gesetzt werden kann, die sich bloß durch jugendliche Vergehungen auszeichnen. Hierauf wäre, wie mich dünkt, doch besondere Rücksicht nötig, um Herrn von Knorrings Aufführung zu beurteilen. Und in dieser allein habe ich, wohin er ging, mich nicht gescheut, ihn an Gelehrte zu empfehlen. Ich glaube, daß bei ihm der Fall eintritt, wo der Richter die Strenge des Gesetzes zu mildern wagen kann, zumal wo der ganze Staat aus Menschen von 17-22 Jahren besteht. Herr von Knorring wird sich gewiß durch seine Talente heben, und es sollte mich schmerzen, wenn seinem Fortschritte ein so wichtiges Hindernis in den Weg gelegt werden sollte, als ein Consilium abeundi von hier für ihn in seinem jetzigen Studio, zumal in seinem Vaterlande, sein muß.
G.C.Lichtenberg
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