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Stade, den 19. Juli 1773
Vorgestern um 3 Uhr bin ich glücklich, aber sehr ermüdet, von der Sonne halb geröstet, mit einem über und über ausgefahrenen Munde, überteerten Kleide und einem Geruche wie ein getrockneter Scholle zu Brunshausen, nach einer Süß- und Salzwasserreise von 8 Tagen, angelangt. Ich würde ein ziemliches Bändchen anfüllen können, wenn ich Ew. Wohlgeboren alles Vergnügen, Herzeleid, Prospekte und Histörchen erzählen und beschreiben wollte, die uns auf dieser Reise vorgekommen sind, zumal, wenn ich einige der unempfindsamsten Partien ein bißchen mit eingestreuten Bemerkungen, wie sie wohl verdienten, strecken sollte. Ich will also heute nur hier und da etwas herausnehmen, mit dem feierlichen Versprechen, künftig alles, wo nicht schriftlich, doch gewiß mündlich nachzuholen.
Die Gesellschaft, die noch am Tage der Abreise durch die Weissagungen und Zeichendeuterei furchtsamer Personen vermindert worden war, bestund endlich aus folgenden Personen: dem Herrn Hauptmann von Hinüber, der die Direktion über alles übernommen hatte und dem allein wir die große Bequemlichkeit, Ordnung und Reinlichkeit auf unserm Schiffe zu danken hatten; dem Herrn Hauptmann von Holle von den Grenadieren, dem Herrn Lieutenant Zandré di Caraffa, einem sehr artigen und dabei höchst lustigen Manne, der eine große Rolle bei dieser Reise spielte; dem Herrn Lieutenant von Rönne, der den stärksten Körper unter uns führte und zuerst seekrank wurde; dem Herrn Lieutenant von Zelle; dem Herrn Fähndrich von Cronhelm; dem Herrn Fähndrich Isenbart (dem Bruder des Majors); dem Herrn Auditor von Wersebe und – – Mir. Außer uns waren der Schiffer mit zwei Matrosen, drei Bediente, worunter auch Heinrich sich befand, und eine Köchin, also in allem 16 Personen. Wir waren mit Proviant von allerlei Art, unter anderen auch mit einem großen Bauer voll Hühnern, mit Flinten, Musketons, Schwärmern, Granaten und 7 kleinen Kanonen versehen. Zum Ballast hatten wir 20 große Tonnen mit Wasser eingenommen und außer diesen noch 2, worin Wasser zum Trinken befindlich war. Die Kajüte ward durch zwei Reihen Tonnen in 3 Teile geteilt, in der Mitte speiseten wir, auf der Rechten befanden sich unsere Betten und auf der Linken die Betten der Bedienten. Kaffee und Tee wurden beim schönen Wetter auf dem Verdeck in allerlei Lagen, Stellungen und Richtungen der Gesichter getrunken. Von Anfang war uns der Wind entgegen, so daß wir bis in die See lavieren mußten; hier war er es auch, allein da er bisher uns nur zu necken geschienen, so schritt er nun zu wahren Tätlichkeiten; er blies so heftig gerade von Helgoland her, daß unser Lotse, den wir vorher weislich in Cuxhaven eingenommen hatten, zu unserm Schiffer sagte: Hört, Schipper, wir kommen hier nicht weg, und ich fürchte, daß wir die Nacht eine stiefe Köhle bekommen. Wir befanden uns in der Tat auch an einer Stelle, wo sehr viele Schiffe verunglücken, wir wendeten also gerade um und segelten vor dem Winde nach dem Neuen Werk, wo wir die Anker fallen ließen und zwei Nächte und einen Tag zubrachten. Der Aufenthalt auf dieser Reede ist vorzüglich merkwürdig, denn bei der Ebbe gingen wir auf halbe Meilen um unser Schiff spazieren, schossen Lerchen, Bekassinen, fingen Krebse mit den Händen, lasen Muscheln für die Küche und die Kabinette, und bei der Flut fuhren wir in unserer Schaluppe spazieren. Am Ende der zweiten Nacht stellte sich ein angenehmer Südwind mit der Ebbe ein, der uns in kurzer Zeit wieder ersetzte, was wir vorher verloren hatten. In der See überfiel uns eine Stille bei einem so angenehmen Himmel, daß wir, die wir bei unserer Reise nichts mit Prozenten zu tun hatten, einmütig diesen Tag für den angenehmsten auf unserer ganzen Reise halten. Die See war durchaus perlenfarbig, glatt wie ein Spiegel, und gegen Westen unter der Sonne schien sie zu brennen; die Tümmlers und Seehunde begleiteten unser Schiff und wurden für diese Ehre zuweilen mit einer Kugel begrüßt; wir bekamen allerlei besondere Gestalten von Tieren zu sehen, und überall stunden die kleinen Krebse (Granaten) in Haufen, wie die Mücken in der Luft, und sonnten sich.
Es mochte etwa 6 Uhr sein des Abends, als uns Helgoland zu Gesicht kam, und ehe es in der Dämmerung verschwand, sah es gegen den roten Himmel dunkelblau aus. Sowie es dunkel wurde, besuchte uns unser Südwind wieder, und wir wurden ziemlich schnell nach der Insul getrieben, vor welcher wir des Nachts zwischen 11 und 12 die Anker fallen ließen. Eine halbe Meile etwa von der Insul liegt eine Tonne, die Vorbeifahrenden wegen eines Felsens zu warnen, der gerade bei ihr liegt. Ew. Wohlgeboren werden es ohne mein Erinnern glauben, daß wir alle unsere Aufmerksamkeit verwandten, sie im Dunkeln zu entdecken, zumal da uns unser Lotse noch am Tage erzählt hatte, daß vor nicht gar langer Zeit ein Schiff dabei zu Grunde gegangen wäre. Passagiere und Matrosen legten sich über das Vorderteil des Schiffes hinunter und sahen darnach. Ich stund hinter ihnen und sah ihnen über die Köpfe weg und hatte das Glück, sie zuerst zu sehen, und rief laut: hier ist die Tonne! Der Steuermann, der sie gleich darauf auch sah, machte eine geringe Wendung, und wir strichen vorbei, daß es eine Lust war anzusehen. Was mir diese Nacht vorzüglich merkwürdig machte, war das Leuchten des Seewassers, das ich noch nie gesehen hatte. Es waren nicht etwa einzelne Funken oder schnell vorübergehende schwache Blitze, sondern der Schaum der Wellen schien völlig zu glühen, welches, da dieser Wellen unzählig viele waren, ein Feuerwerk vorstellte, das wohl so gut war als dasjenige, welches die Artilleristen zu Hannover abbrennen werden, wenigstens war es für mich angenehmer, so sehr ich auch sonst Feuerwerke liebe, und ich kenne den Geschmack von Ew. Wohlgeboren und dem ganzen Kleeblatt so gut, daß ich wohl sicher behaupten darf, Sie würden gegen mein Feuerwerk gewiß alle die Herrlichkeiten der Artilleristen gern entbehrt haben. Ich ließ einen Eimer voll heraufholen, und sowie ich die Hand in demselben bewegte, leuchteten die kleinen Wellen an verschiedenen Stellen, wie sich ohngefähr ein schief auffallendes Licht in denselben abzubilden pflegt.
Der beikommende Krug ist aus der feurigen Quelle von mir geschöpft; ich übersende ihn gleich, weil doch das Wasser etwas bis gegen den Herbst in den Krügen verlieren könnte. Leuchten wird es wohl schwerlich mehr, da selbst die See nicht bei allen Winden leuchtet. Mich soll verlangen, was Ew. Wohlgeboren zu dem Geschmack desselben sagen. Kaum war der Tag angebrochen, so kroch ich auf das Verdeck, um nun die wahre Gestalt der Insul zu sehen, von welcher ich mir nach dem wenigen, was ich den Tag zuvor davon gesehen hatte, allerlei Bilder formiert hatte. Die wahre Gestalt derselben übertraf aber alle Vorstellung sehr weit. Die ganze Insul besteht aus einem roten sehr verhärteten Mergel, der mit weißen Adern durchlaufen ist. Sie ragt nach Aussage der Leute 30 bis 40 Klafter über die Oberfläche des Wassers hervor. Die oben auf der Insul befindliche Erde ist nicht viel über 4 Fuß dick. Die Menge der Menschen ist für den kleinen Ort sehr groß, alles wimmelt von Kindern, deren wir viel ganz nackend gehen sahen; sie schwimmen mit einer solchen Fertigkeit, als ich noch nie vorher gesehen hatte. Für 3 Groschen, die ich einem Jungen von 10 Jahren schenkte, schwamm er eine ziemliche Strecke in die See hinein und kehrte sich im Wasser um, so daß die beiden Füße nur allein zu sehen waren; plötzlich überpurzelte er sich wieder, wie ein Tümmler, und kam mit dem Kopfe hervor.
Eine besondere Müdigkeit, die ich bei dieser Witterung verspüre, erlaubt mir nicht, weitläuftiger zu sein. Ew. Wohlgeboren werden die Verwirrung entschuldigen, womit ich hier vielleicht unbeträchtliche Sachen erzählt habe. Ich setze nur noch dieses hinzu, daß wir auf der Rückreise einen günstigen aber heftigen Wind hatten, so daß wir in 4½ Stunden 10 deutsche Meilen zurücklegten. Nicht der Schaum, sondern die klaren Wellen schlugen zuweilen in das Schiff, und keiner von den Passagieren als ich und Herr Zandré waren auf dem Verdeck. Seekrank sind gewesen: Herr Lieutenant Rönne, Herr Isenbart, Herr von Wersebe, alle Bedienten und die Köchin. Künftig mehr.
Herr Nicolai hat mir einen sehr verbindlichen Brief geschrieben, worin er mich zur Mitarbeit an der Allgemeinen Deutschen Bibliothek einladet; er überläßt es mir, selbst Fach und Honorarium zu bestimmen. Die Ursache, die er angibt, ist, wie mich dünkt, sehr natürlich und vernünftig; er sagt nämlich, er wünschte gern alle die besten Köpfe in Deutschland zu Mitarbeitern zu haben. Ich habe mir aber wegen allzuvieler Geschäfte diese Arbeit für jetzt noch verbeten. ...
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