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Dreiundvierzigstes Kapitel

Am folgenden Tage brachen wir vor Morgengrauen auf und ritten das Bett des Sejal Abu Arad hinunter, bis die Sonne hell strahlend über den Siblijet-Bergen vor uns aufstieg. Wir bogen etwas nach Norden aus, um eine Krümmung des Tales abzuschneiden, und warteten eine halbe Stunde, bis wir sahen, daß der Hauptzug nachkam. Dann ritten Auda, Nasir und ich in schaukelndem Trab voran, da wir nicht länger untätig die Hammerschläge der Sonne auf unsere gesenkten Köpfe zu ertragen vermochten. Fast sogleich verloren wir die anderen in dem milchigen, über der Niederung flimmernden Hitzedunst aus den Augen, konnten aber den Weg durch das gestrüppbestandene Bett des Wadi Fedschr leicht erkennen.

Gegen Mittag erreichten wir den Brunnen unserer Wünsche. Er war etwa dreißig Fuß tief, mit Steinen ausgemauert und schien sehr alt zu sein. Das Wasser war leicht salzig, schmeckte aber nicht schlecht, wenn man es frisch trank; nur in den Schläuchen wurde es rasch faulig. Das Tal war im Vorjahr von Regengüssen überflutet worden, so daß einige trockene und dürftige Weideplätze vorhanden waren, auf die wir unsere Kamele trieben, damit sie bis Dunkelwerden fleißig grasen konnten. Die übrigen kamen heran, nahmen Wasser und buken Brot. Dann wurden die Kamele nochmals getränkt und unter einem Hang, etwa eine halbe Meile vom Wasser entfernt, für die Nacht angebunden. So blieb der Brunnen frei, falls ein oder das andere Streifkorps ihn im Dunkeln benutzen wollte. Doch unsere Posten hörten nichts.

Wie üblich waren wir schon vor Sonnenaufgang wieder unterwegs, obwohl wir einen leichten Marsch vor uns hatten; aber der heiße Glast der Wüste wurde so unerträglich, daß wir beschlossen, die Mittagsstunden an einem geschützten Ort zu verbringen. Nachdem wir zwei Meilen geritten waren, verbreiterte sich das Tal, und später kamen wir an einen niedrigen, zerklüfteten Felsrand auf der östlichen Seite, der Mündung des Sejal Raugha gegenüber. Die Gegend war hier reicher mit Grün bewachsen, und wir baten Auda, uns etwas Wild zu erlegen. Er entsandte Saal nach der einen Seite und ritt selber nach Westen über die offene, sich bis zum Horizont erstreckende Ebene; indessen hielten wir auf die Felsen zu und fanden unter ihren überhängenden Rändern reichlich schattige Winkel, deren Kühle uns gegen die Sonne schützte und unseren überanstrengten Augen Ruhe bot.

Die Jäger kehrten vor Mittag zurück, jeder mit einer schönen Gazelle. Wir hatten unsere Wasserschläuche in Fedschr gefüllt und konnten sie jetzt aufbrauchen, denn die Wasserstellen von Abu Adschadsch waren nicht mehr fern; und so sättigten wir uns denn an Brot und Fleisch in unseren Felsenhöhlen. Solche Stärkungen bei der immer fühlbarer werdenden Ermüdung des langen ununterbrochenen Marsches waren ein wahres Labsal für uns empfindliche Städter: für mich selbst, Seki, Nesibs syrische Diener und in geringerem Grade auch Nesib. Nasir war ein höflicher Gastgeber, und seine angeborene Liebenswürdigkeit umgab uns stets mit einer erlesenen Aufmerksamkeit, sobald es die Umstände der Reise erlaubten. Seinem geduldigen Unterricht verdankte ich zum größten Teil später meine Fähigkeit, die Stammesaraber auf dem Marsch zu begleiten, ohne ihre Ordnung und Stetigkeit zu stören.

Wir ruhten bis zwei Uhr nachmittags, und nach einem öden Ritt über eine noch ödere Ebene, die sich vom Wadi Fedschr viele Meilen nach Westen hinzog, erreichten wir gerade noch vor Sonnenuntergang Khabr Adschadsch, unsere Tagesstation. Der Teich enthielt heuriges Regenwasser, das schon trübe und brackig geworden war, doch gut für die Kamele und noch eben trinkbar für Menschen. Er lag in einer kleinen doppelten Senkung neben dem Wadi Fedschr, dessen Flut sie zweihundert Yard im Quadrat zwei Fuß tief ausgefüllt hatte. Wir hatten geglaubt, Howeitats hier zu finden, aber der Boden war kahl gegrast und das Wasser faulig geworden durch ihre Tiere, während sie selbst davongegangen waren. Auda suchte nach ihren Spuren, konnte aber keine entdecken: die Stürme hatten den Sand zu neuen sauberen Rillen glatt gefegt. Da sie jedoch hier von Tubaik herunter gekommen waren, mußten sie in den Sirhan gezogen sein, so daß wir auf sie stoßen würden, wenn wir nordwärts ritten.

Der folgende Tag war, obwohl schon unendlich lange Zeit verstrichen zu sein schien, erst der vierzehnte seit unserer Abreise von Wedsch; und die aufgehende Sonne fand uns bereits wieder auf dem Marsch. Am Nachmittag verließen wir das Wadi Fedschr und hielten auf Arfadscha im Sirhan zu, das mehr nordöstlich lag. Infolgedessen bogen wir nach rechts ab, über Flächen von Kalkstein und Sand, in Richtung auf einen vorspringenden Winkel der Großen Nefud, jenes berühmten Sandsteingürtels, der den Dschebel Schammar von der Syrischen Wüste trennt. Von bekannten Reisenden hatten ihn Palgrave, die beiden Blunts und Gertrude Bell durchkreuzt; und ich bat Auda, ein wenig abzubiegen und, ihren Spuren folgend, in diese Zone einzudringen. Aber er entgegnete brummend, daß man die Nefud nur notgedrungen, auf Raubzügen, beträte, und daß der Sohn seines Vaters auf einem wankenden, räudigen Kamel keine Raubzüge mache. Unsere Sache sei, Arfadscha lebend zu erreichen.

So zogen wir denn brav in gleicher Richtung weiter über eintönigen, glitzernden Sand und über jene noch weit schlimmeren Strecken, »Giaan« genannt, aus blankpoliertem Schlamm, so weiß und glatt fast wie Schreibpapier und oft über Quadratmeilen ausgedehnt. Sie warfen das Sonnenlicht mit einer glasharten Gewalt in unsere Gesichter zurück, so daß es nicht nur von oben mit einem wahren Pfeilregen von Strahlen uns beschoß, sondern auch, von unten gespiegelt, durch unsere widerstandsunfähigen Augenlider drang. Es war kein gleichmäßiger Druck, sondern ein auf- und abwogender Schmerz, manchmal zu einer Höhe gesteigert, daß man fast ohnmächtig wurde, um dann wieder für einen Augenblick sich kühl zu lindern, wenn etwas wie ein Trugschatten gleich einem Flor sich über die Netzhaut zog; das gab uns dann jedesmal eine kurze Atempause, um neue Leidenskraft zu sammeln, wie wenn ein Ertrinkender für Augenblicke zur Oberfläche auftaucht.

Wir redeten kaum noch miteinander. Aber gegen sechs Uhr machten wir erleichtert halt und buken frisches Brot zur Abendmahlzeit. Was von meiner Portion übrigblieb, gab ich meinem Kamel, denn das arme Tier war von den anstrengenden Märschen ermüdet und ausgehungert. Es war die Rassestute, das Geschenk Ibn Sauds von Nedschd an König Hussein, der sie an Faisal weitergegeben hatte, ein prachtvolles Tier, struppig, aber von sicherem Gang in den Bergen und sehr ausdauernd. Araber ritten meist nur Kamelstuten, da sie einen weicheren Gang haben als die Hengste, gutartiger sind und weniger Lärm machen. Außerdem hielten sie immer geduldig aus, auch weit über ihre Kraft hinaus, bis sie vor Erschöpfung stolperten, zu Boden sanken und am Wege starben; während die gröberen Hengste störrisch wurden, sich, wenn sie müde waren, niederwarfen und rein aus Wut, dort wo sie lagen, unnötigerweise eingingen.

Nach Dunkelwerden krochen wir noch drei Stunden weiter, bis wir die Höhe eines Sandrückens erreichten. Und hier sanken wir dankerfüllt in Schlaf, nach einem furchtbaren Tag voll Glutwind, Staubstürmen und Triebsand, der uns in die entzündeten Gesichter biß und zeitweise, bei stärkeren Windstößen, jede Aussicht auf den Weg verhüllte und unsere klagenden Kamele hin und her trieb. Auda jedoch war besorgt wegen morgen, denn er sagte sich, daß ein nochmaliger heißer Gegenwind uns auch noch einen dritten Tag in der Wüste aufhalten würde, und dafür hatten wir kein Wasser mehr. So weckte er uns noch während der Nacht, und ehe der Tag anbrach, erreichten wir die Ebene der Biseita (was eine scherzende Anspielung ist auf ihre ungeheure Ausdehnung und Flachheit). Der feine Schotter aus sonnengebräunten Kieseln, der die Oberfläche bedeckte, war von einem wohltuenden Dunkel für unsere triefenden Augen; doch war der Weg heiß und hart für unsere Kamele, von denen einige wundgelaufen waren und lahmten.

Die aus den sandigen Ebenen der arabischen Küste stammenden Kamele haben weiche Wülste unter den Hufen. Werden nun solche Tiere ohne langsame Gewöhnung zu andauernden Märschen im Innern über Kieselgrund oder anderen hitzehaltenden Boden benutzt, so brennen die Sohlen durch und die Blasen springen schließlich auf, wobei das rohe Fleisch oft in einer Breite von zwei Zoll und mehr zutage tritt. In solchem Zustand können sie wie sonst über weichen Sand gehen; wenn aber der Fuß zufällig auf einen Kiesel tritt, so stolpern sie und zucken zusammen, als wären sie auf Feuer getreten; und auf langen Märschen brechen sie schließlich ganz zusammen, falls sie nicht besonders zäh sind. Daher ritten wir sehr vorsichtig und suchten mit Sorgfalt die weichsten Stellen des Weges, Auda und ich voran.

Plötzlich fegten ein paar Staubwolken mit dem Winde vor uns vorüber. Auda sagte, es wären Strauße; und bald kam ein Mann angelaufen mit zwei großen, elfenbeinfarbenen Eiern. Wir bestimmten diese gütige Gabe der Biseita zu unserm Frühstück und suchten nach Brennmaterial, fanden aber in zwanzig Minuten kaum eine Handvoll Gras. Die Öde der Wüste machte uns einen Strich durch die Rechnung. Die Lastkamele zogen vorüber, und mein Blick fiel zufällig auf eine Ladung Schießbaumwolle. Eine Packung wurde geöffnet und der Inhalt vorsichtig in das Feuer gebröckelt, das wir auf einem Stein unter den Eiern angezündet hatten, bis das Gericht als gar erklärt wurde. Nasir und Nesib waren höchst interessiert abgestiegen, um ihren Spott an uns auszulassen. Auda zog seinen silberbeschlagenen Dolch und schlug dem ersten Ei die Spitze ab. Ein pestilenzialischer Gestank verbreitete sich, und wir entwichen schleunigst nach einer geruchfreien Stelle, wobei wir das zweite heiße Ei mit sanften Fußtritten vor uns herrollten. Nachdem es geöffnet war, erwies es sich als leidlich frisch und hart wie Stein. Wir bohrten seinen Inhalt mit dem Dolch auf Kieselplatten, die uns als Teller dienten, und verzehrten die Stücke; sogar Nasir, der nie vorher in seinem Leben so tief gesunken war, Eier zu essen, ließ sich überzeugen und nahm seinen Anteil. Das allgemeine Urteil lautete: – Zäh und hart, aber für die Biseita immerhin ganz gut.

Saal entdeckte eine Oryx-Antilope, beschlich sie und brachte das Tier zur Strecke. Die besseren Stücke wurden auf die Lastkamele verstaut für die nächste Rast, dann ging der Marsch weiter. Später sahen die stets hungrigen Howeitat noch weitere Oryx in der Ferne und pirschten die Tiere an, die törichterweise eine kurze Strecke davonliefen, dann wieder hielten, nach den Näherkommenden äugten und wiederum ein Stückchen davongaloppierten. Aber da war es schon zu spät. In der blendenden Luftspiegelung verrieten ihre weißleuchtenden Bäuche jede ihrer Bewegungen.


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