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Mrs. Blythe zog kokett den Pelz über die entblößten Schultern und blickte unter kunstvoll geschwärzten Lidern hervor den ihr gegenübersitzenden Hasse herausfordernd an. Sie war nicht übermäßig intelligent, aber das fühlte sie doch, daß er ganz anders war als die sonstigen Vertreter des männlichen Geschlechts in der Villa Plunkett. Das Geheimnis um ihn reizte sie.
Vergebens wartete er auf das Erscheinen des kleinen goldenen Döschens. Dale hatte ihm äußerste Vorsicht ans Herz gelegt, und so wagte er es nicht, die Amerikanerin danach zu fragen. Geduld haben – hieß es. Und er hatte zwanzig Jahre Zeit gehabt, sich in Geduld zu üben …. Er dinierte mit ihr, bediente sie mit Zigaretten, erging sich in eindeutigen Anspielungen, blickte ihr in die Augen – und wartete.
»Wissen Sie, Herr Hasse«, flüsterte sie jetzt, »daß mich die Damen beneiden? Sie brauchen nur die Hand auszustrecken ….«
»Ich habe nicht das geringste Bedürfnis«, erwiderte er und rückte näher. »Ich fühle mich ganz zufrieden, so, wie es jetzt ist.«
»Wirklich?«
Er beugte sich noch näher, immer näher. »Wirklich.«
Pause. Recht stimmungsvolle Pause. Mrs. Blythe seufzte. »Ich bin nicht glücklich ….«
Hasses Antwort bestand darin, ihre Hand zu ergreifen und zärtlich zu drücken. Wann würde sie endlich – –?
»Ich habe den besten Mann auf der Welt«, begann sie ihre Beichte, »aber wir verstehen uns schon lange nicht mehr ….«
Diese Walze ändert sich nicht! dachte Sprauhn. Aus dem Hause kamen jetzt die Klänge der Musik. Der Abendtanz begann.
»Wollen Sie nicht tanzen? Ich tanze so gern!«
»Ich habe keine Ahnung von der modernen Hopserei!«
Sie zog ihn mit sich. »Ich werde Sie unterrichten! Mir scheint, Sie können noch sehr viel lernen?«
»Das will ich meinen!«
Aber er war ein sehr schlechter Schüler. Soviel Mühe sie sich auch mit ihm gab, er brachte keinen rechten Schritt zuwege, und sie überließ sich geübteren Tänzern.
Was blieb ihm anderes übrig? Er schlenderte wieder auf die Terrasse hinaus und wartete. Nach einer halben Stunde stand sie neben ihm: erhitzt, müde. »Sie haben sich übernommen!« sagte er und führte sie zu einem Liegestuhl.
»Ja, der Tanz strengt mich so sehr an! Ich tanze nicht mit den Füßen, sondern mit den Nerven.«
Sie spähte um sich. Er hielt den Atem an …. Und dann –: die Golddose! Das weiße Pulver aus dem Handrücken …. Sie schnupfte. Dann ließ sie den Kopf zurücksinken, atmete tief und richtete sich wieder auf. Ihre Augen hatten fieberhaften Glanz. Ihr Gesicht war leicht gerötet. Ihr ganzes Wesen war wie auf neue Federn gestellt.
»Sie verraten mich doch nicht?«
»Ich denke nicht daran! Ich weiß, wie es ist ….«
Sie lehnte sich nahe zu ihm hin. »Sie auch?«
Er antwortete nicht, hob die Schultern.
»Ich weiß: Es ist –« Sie stockte. Irgendein Geständnis wollte aus ihr heraus, doch mit einer halb verächtlichen Handbewegung schnitt sie es sich selbst ab. »Man kann nun nicht mehr los. Wissen Sie: Ich bin hierhergekommen vor einem Jahr. Ich war einfach fertig. Ich habe nichts essen können – es war mir alles zuwider. Aber jetzt – jetzt – –«
»Sie bekommen das hier?« fragte er.
Sie lauschte wieder rundum. Für einen Augenblick huschte Angst über ihr hübsches, geistloses Gesicht. »Ja. Sie müssen natürlich bezahlen dafür und sich schriftlich verpflichten, nie darüber zu sprechen. Ich habe oft solche Angst ….«
Hasse legte ihr den Arm um die Schultern.
Sie fröstelte und drückte sich an ihn an. »Die meisten hier …. Wir sind ja alle nur deshalb da …. Aber wir kommen nicht mehr los! Es sind schon zwei hier gestorben – wenigstens sind sie verschwunden. Es hat kein Mensch nach ihnen gefragt ….«
Stimmen auf der Terrasse; Lachen. Der Herr des Hauses zeigte sich mit seinen Gästen. Man bewunderte das abendliche Panorama Monte Carlos, das sich mit seinen Lichtern an die dunklen Felsen schmiegte.
»Sie werden mich doch nicht verraten?« zischelte Mrs. Blythe Hasse ins Ohr.