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»Morphinisten sind in der Gesellschaft!«


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23

»Nun?« Lewis J. Dale schaute Hasse erwartungsvoll an. Es waren drei Tage her, daß dieser seinen Einzug in das »Haus der tausend Laster« gehalten hatte, und sie saßen einander im Büro des Amerikaners gegenüber, bei einer Art Kriegsrat.

»Alles schwer zu sagen«, begann Hasse. »Nur das eine steht fest: Der Mann weiß genau, wer ich bin und was ich will. Dann ist Madame Durand da. Nicht gerade so gefährlich wie er, aber ihm hündisch ergeben. Vielleicht war sie früher mal seine Geliebte und muß sich jetzt mit einer weniger anspruchsvollen Rolle begnügen. Und so, wie ich es sehe, scheint sie damit ganz zufrieden zu sein. De Reux übt eine fabelhafte Wirkung auf die Frauen aus. Auf alt und jung, wie sie da sind in seiner Lasterbude – sie gehören alle ihm!«

»Und die Nichte?«

Hasse zog die Brauen hoch, wie immer, wenn ihn etwas irritierte; sein Blick wurde kalt und starr. »Fräulein de Reux ist eine junge Dame, die sich schwer beurteilen läßt. Sie nimmt jeden Vormittag ihr Bad, speist mit ihrem Onkel, kommt dann herüber nach Monte Carlo, macht Ausflüge – kurz und gut: führt ein Leben voll ungetrübter Freude. Ich glaube, sie kümmert sich um nichts.«

»Haben Sie sie inzwischen gesehen?«

»Nein. Die kleine Villa, in der de Reux wohnt, ist durch einen undurchdringlichen Zaun vom Geschäft getrennt, und ich glaube sogar, am Abend sind die Drähte in der Taxushecke elektrisch geladen. Man muß sehr vorsichtig sein – ich speziell, nicht wahr? Und ich hab' mich daher einstweilen gehütet, über diese Hecke hinüberzuturnen. Aber ich sprach mit de Reux über seine Nichte; und ich habe glatt zugegeben, daß ich die Mutter kannte und auch den Vater. Er hat seinerseits seine Freundschaft für die Familie beteuert. Wissen Sie, Dale: Ich durchschaue dieses Spiel des Burschen nicht recht ….«

»Vielleicht durchschaut er das Ihrige nicht?«

»Er ist auf jeden Fall mir gegenüber im Vorteil. Er weiß, was ich will, und ich kann nicht dasselbe von ihm sagen. Die Geschichte mit dem Gift allerdings – die hab' ich aufgegeben. In den ersten zwei Tagen bin ich immer früh aufgestanden und in eine kleine Wirtschaft gegangen, die an der Straße nach Roquebrune liegt. Dort habe ich einen hundsmiserablen Kaffee getrunken, um nachher mit Befriedigung das Frühstück, das sie mir in der Villa servierten, in die Badewanne zu schütten. Aber ich glaube, ich habe de Reux unterschätzt. So veraltete Methoden wendet der nicht an. Ist auch viel zu gefährlich, wenn ein so illustrer Gast wie ich plötzlich umfällt und man nachher Strychnin in ihm findet. Schwere Geschäftsschädigung!«

»Ganz meine Meinung!« Dale schien nachzudenken und blinzelte den ihm Gegenübersitzenden aus halb geschlossenen Augen an. »Wie geht es denn eigentlich zu in diesem ›Haus der tausend Laster‹?«

»Großer Humbug natürlich! Da hat er neulich einen ›Kampf auf Leben und Tod‹ zwischen zwei blutdürstigen Banditen aufführen lassen. Die Kerle sahen mir mitsamt dem Frauenzimmer nach herumwandernden Schmierenkomödianten aus. Aber die Herrschaften in der Villa waren ganz weg. Morgen oder übermorgen soll es eine ähnliche Sensation geben: Boxkampf ohne Handschuhe, ohne Pause, ohne Schiedsrichter. Ich bin ja nicht sehr moralisch veranlagt – aber wenn ich mir die Gesellschaft ansehe –!«

»Was treibt sie denn überhaupt?«

»Nichts. Gar nichts. Es gibt verschiedene Paare, die sich gegenseitig das Leben verschönen; aber Beständigkeit ist nicht unter den Lastern zu finden, die in dem Hause de Reux' herrschen. › Changez les dames!‹ ist das Motto. Man kann auch sagen: › Changez les Hommes!‹ Wenn ich noch so wäre, wie früher – weiß der Teufel, ich würde dem Halunken geradeso aufsitzen wie die anderen. Aber ich bin ein armer Narr geworden; man kann mir nichts mehr vormachen. Nur in einem kenn' ich mich nicht recht aus. Da sind in der Gesellschaft ein paar, die sich ganz merkwürdig aufführen. Morphinisten oder so etwas Ähnliches …. Gestern erst unterhielt ich mich mit dieser Mrs. Blythe, die wir da im Café des Paris kennengelernt hatten. Eine ganz lustige, gar nicht einmal unebene Person. Plötzlich saß sie ganz stumpf da, sie sackte förmlich weg, und ihr Gesicht wurde gelb, die Augen –! Sie nahm dann eine kleine Golddose, schüttete ein weißes Pulver auf ihren Handrücken und schnupfte. Jawohl: Sie schnupfte!«

Dale, der sonst nicht so leicht aus dem Gleichgewicht kam, fuhr mit beiden Beinen zugleich in die Höhe. »Ist das wahr? Irren Sie sich nicht?«

Hasse schaute ihn erstaunt an. »Wort für Wort so, wie ich es Ihnen sage!«

Dale war voller Aufregung. »Seit zwei Jahren versuche ich hinter die Geschichte zu kommen! Das ist nämlich das Geheimnis des ›Hauses der tausend Laster', mein lieber Hasse! Die Behörden hier und ich, wir haben immer den Verdacht gehabt, daß der gute Herr de Reux seinen Kunden Kokain und dergleichen Schönheitsmittelchen beschaffe. Aber es kann ja niemand hinein. Seine Leute verraten nichts und seine Gäste erst recht nichts. Diese Blythe muß eine dumme Gans sein, wenn sie sich gleich vor einem Fremden, wie Ihnen, verrät! Ich bitte: Machen Sie de Reux gegenüber keine Andeutungen, daß Sie das gesehen haben! Drei Leute sind verschwunden. Die waren samt und sonders Gastfreunde des Herrn de Reux. Auf einmal fort …. Man hat sie nie wiedergesehen!«

»Also, die nehmen Kokain? Dann gibt es doch noch so ein anderes Zeug: Heroin, nicht wahr?«

Dale war noch immer nicht beruhigt, sondern ging mit langen Schritten in seinem Büro auf und ab. »Vielleicht will er Ihnen mit Kokain an den Leib gehen? Wenn er Sie dazu bringt, eine Prise zu nehmen, dann hat er Sie in der Gewalt! Damit rechnet er!«

»Meinen Sie? Nun, den Gefallen könnte man ihm ja tun ….«

»Sind Sie verrückt?«

Hasse stand auf, zog die Falten seiner Hose glatt und knöpfte den Rock zu. »Ich muß mir das noch überlegen, Dale. Aber ich glaube, man könnte ihm beikommen ….«

»Was Sie auch tun: Seien Sie vorsichtig! Halten Sie mich auf dem laufenden! Und wenn Sie mich zu Dank verpflichten wollen, so versuchen Sie, festzustellen, wer von meinen Landsleuten noch diese Schnupfgewohnheiten hat, wie diese Mrs. Blythe!«

»Liegt nur in meinem eigenen Interesse!«


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