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Das Diner wartete in der Villa Plunkett auf die Gäste. De Reux selbst nahm nie daran teil. Er speiste mit Valerie in dem kleinen Hause und sah höchst selten den einen oder anderen Gast bei sich: Erdöffy, der sein Vertrauter war, und das eine oder andere besonders distinguierte Mitglied der Gemeinde aus der Villa Plunkett.
Heute abend waren Onkel und Nichte ganz allein.
»Ich habe Herrn Hasse gesagt, daß wir ihn gern wiedersehen möchten«, meinte de Reux, als abserviert wurde und sie miteinander in den Garten hinabstiegen. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen?«
»Im Gegenteil, Onkel!« erwiderte Valerie lebhaft.
»Ich finde Herrn Hasse sehr interessant. Er scheint mir ein Mensch zu sein, der Schweres erlebt hat ….«
De Reux blieb stehen und zündete sich eine Zigarette an. Durch den Rauch hindurch forschte sein Blick das hübsche Gesicht des jungen Mädchens ab.
»Hat er vielleicht etwas über sich gesagt?« fragte er gleichgültig, indem er das Streichhölzchen ausschwenkte und fortwarf.
Sie schüttelte den Kopf.
»Nicht, daß ich wüßte! Herr Hasse macht mir auch nicht den Eindruck, als ob er eine junge Dame, die er fünf Minuten kennt, gleich zur Vertrauten erhöbe.«
»Du magst recht haben. Er ist verschlossen, ganz bestimmt ….«
De Reux stand da, die Zigarette im Mundwinkel, die Hände auf dem Rücken, und blickte auf das Meer hinaus, das sich klar und still unter dem durchsichtigen Nachthimmel der Riviera dehnte.
Hinter dem Felsen von Monako kam der Mond herauf und zog breite silberne Streifen über das Wasser.
Von der Bucht her glänzten die Lichter. Und ruhig war es ringsum, feierlich beinahe.
De Reux fand es auf einmal ungeheuer schwer, sitzenzubleiben. Er hatte einen Moment lang die Empfindung, als ginge Valerie darauf aus, ihn an sich zu ziehen, als triebe sie irgendein Spiel …. Doch er verwarf diesen Gedanken wieder. Seine Begierde mochte ihm da Trugbilder malen, an die sein Verstand nicht glaubte. »Sag mal, Valerie«, begann er nach langer Pause, »hast du dir diesen Herrn Hasse gut angesehen?«
Keine Antwort. Valerie war an die Lehne der Bank zurückgesunken, hielt die Augen geschlossen und dachte an weiß Gott was.
De Reux beugte sich zu ihr hin. »Woran denkst du?«
Sie richtete sich auf, strich sich über Haar und Stirn und zog den Pelz enger um sich. »Ich? Ach – nichts, Onkel! Wie meinst du?«
»Ja – eigentlich nichts von Bedeutung …. Ich wollte wissen, ob du dir Herrn Hasse genauer angesehn hast, da du ihn interessant fandest.«
Valerie unterdrückte heimlich ein leichtes Gähnen.
»Interessant? Ja …. Aber so interessant wieder nicht, daß ich mich gleich in ihn verschaut hätte. Eine Schönheit ist er auf keinen Fall …. Und dann, weißt du, Onkel, solchen Menschen gegenüber muß man mißtrauisch sein! Die legen sich so eine Pose zu: Man weiß nicht, was an ihnen echt ist oder nicht.«
»Aber du sagtest doch vorhin selbst – –«
»Ja: Mag schon sein, daß Herr Hasse aus Kummer so mager geworden ist. Aber ein Mensch, Onkel – –«
Sie zuckte die Achseln und zog ein Mäulchen. Augenscheinlich war ihr der Gegenstand nicht bedeutungsvoll genug.
De Reux erhob sich. »Es ist halb zehn. Ich muß leider hinüber.«
»Schade! Es sitzt sich immer so schön hier …. Mußt du denn – – ?«
»Ich muß, Kind! Es ist nun mal mein Geschäft, nicht wahr? Und es ist ein gutes Geschäft. Ich darf es nicht vernachlässigen.«
Sie schien heute in einer Stimmung, in der sie nicht allein gelassen sein wollte.
De Reux glaubte diese Stimmung zu begreifen. Und wie sie da vor ihm stand, halb bittend, halb trotzig ….
»Siehst du: Alles geht heute schlecht – Diamanten, Bilder... In Paris weinen sich die großen Schneider die Augen aus dem Kopf. Die Welt hat kein Geld mehr! Das einzige, das sich noch verkaufen läßt, sind Einbildungen. Man muß den Leuten einreden, man unterhalte sie, man zeige ihnen etwas noch nie Dagewesenes. Das tue ich, und das macht sich bezahlt. Ein Kaufmann, der sich nicht um sein Geschäft kümmert, ist ein schlechter Kaufmann, Valerie!«
Sie seufzte.
»Du hast ja recht, Onkel! Ich seh' das auch ein. Aber wenn man an so einem schönen Abend allein sitzen muß? Hinübernehmen willst du mich nicht?«
»Ich bin doch nicht verrückt!« rief er. »Ist schon genug, wenn ich dich am hellichten Tage mit diesem Pack zusammenbringe! Denn es ist ein Pack – wenn sie sich auch einen Frack und ausgeschnittene Toiletten anziehen! – nein: Mit dieser Gesellschaft sollst du nichts zu tun haben! Ich verspreche dir aber: Ich werde sehen, ob ich mir nicht einen oder zwei Abende in der Woche freihalten kann. Dann fahren wir mal ins Theater oder nach Nizza hinüber. Wir können auch einen Ausflug nach Korsika machen …. Das heißt: Wenn du willst, Valerie!« Ohne daß er es merkte, war er näher und näher an sie herangekommen. Jetzt stand er unmittelbar vor ihr.
»Das ist nett von dir, Onkel!« erwiderte sie und blickte zu ihm auf. »Ich wundere mich immer wieder, wie gut du zu mir bist! Ich hab' dich doch eigentlich erst vor drei Wochen kennengelernt ….«
»Meine Geschäfte hielten mich ab, euch persönlich aufzusuchen. Aber deine Mutter hat dir ja gesagt, daß ich mich immer um euch gekümmert habe. Und ich werde es auch weiterhin tun. Du weißt ja gar nicht, Valerie – –« Er getraute sich nicht, weiterzusprechen. Schaute nur in dieses junge, lockende Gesicht, sah den roten Mund vor sich ….
»Was weiß ich nicht?« schnellte sie zurück und richtete sich aus.
»Was ich für ein guter Onkel bin!« lachte er.