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12

»Da ist mein Freund!« Dale zeigte auf einen gut angezogenen Mann, Ende der Dreißig, der an einem der Trente-et-Quarante-Tische mit niedrigen Einsätzen saß.

Der typische Spieler. Das dunkle Gesicht weit vorgestreckt, den Blick starr auf die Karten geheftet, die des Croupiers wohlgepflegte Faulenzerhand mit tadelloser Gewandtheit auf den Tisch schnalzte. Er zählte mit hastigen Lippen die Points mit.

Die blecherne Stimme des Croupiers: » Rouge gagne et couleur!«

Eine meterlange Schwarz-Serie riß ab, und der Rechen räumte den ganzen Tisch ab.

Dales Freund war augenscheinlich ein schlechter Verlierer. Er murmelte eine halblaute Verwünschung, und wütend schleuderte er seine drei Louis auf Rot.

»Wetten, daß jetzt Schwarz kommt?« spottete Dale.

Er hatte recht: Schwarz gewann, und der Mann war seine drei Louis los. Augenscheinlich war ihm an diesem Tage Fortuna nicht hold; denn er fingerte in dem jämmerlichen Haufen Chips herum, den er vor sich liegen hatte, stand dann, mit plötzlichem Entschlossenheitsruck, auf, verließ den Tisch und wanderte zur Roulette aus. In gemessener Entfernung folgten ihm Dale und Hasse.

Auf dem neuen Schlachtplatz ging es ihm auch nicht viel besser. And als sein letzter Chip den Weg alles Irdischen gegangen war, gab er es auf, zündete sich eine Zigarette an, blieb noch einen Augenblick am Tisch stehen, schaute mit neidisch-gierigem Blick zu, wie eine weitblusige Dame zweimal hintereinander en plein zog, zuckte erbost die Achseln und schlug den Weg zur Bar ein. Hie und da begrüßte ihn ein Kokottchen mit Zeichen größter Vertraulichkeit. Einer gelang es sogar, ihm einen Zwanzigfrankschein abzubetteln.

In der Bar setzte er sich ans Fenster und bestellte sich Whisky-Soda – ohne Soda. Auf der kurzen Strecke von der Roulette zum Bartisch ließ sich der Charakter dieses Mannes feststellen: Spiel, Frauen, Alkohol …. Er hatte ein hübsches und intelligentes, aber verlebtes Gesicht. Unstet die Augen.

»Mit meinem Freunde Erdöffy«, flüsterte der Amerikaner Hasse zu, »kann man alles anfangen. Ein ins Malheur gerutschter ungarischer Husarenoffizier.« Dale schlenderte an die Bar, bestellte für sich und seinen Begleiter zwei Martini, drehte sich dann um und ließ wie von ungefähr den Blick über den weiten Raum schweifen. Wie von ungefähr auch entdeckte er den Ungarn, der eben dabei war, sein zweites Glas Whisky zu leeren. »Hallo, Erdöffy!« winkte er ihm zu. »Nicht bei der Arbeit?«

Erdöffy schnitt ein Gesicht.

»Heute geht alles schief!« brummte er zurück. »Und seit keine Engländer mehr herkommen, verzapfen die hier einen Whisky – der reinste Methylalkohol!«

So flogen noch ein paar Worte hin und her. Erdöffy wurde unter der Einwirkung seines Whiskys liebenswürdiger und lud schließlich Dale und seinen Begleiter ein, an seinem Tisch Platz zu nehmen. Vorstellung …. Dale traktierte mit einer Runde Martini, und das Gespräch kam in Gang.

Nach dem dritten Martini begann Erdöffy sarkastisch zu werden. »Monte Carlo geht ein …. Bitte recht schön! Kein Geld mehr in der Welt …. Und wo kein Geld ist, gibt es keine Frauen. Wo keine Frauen sind, ist es langweilig …. Finden Sie nicht auch, Herr Hasse?«

Er sprach französisch und verstand es ausgezeichnet, sein ungarisches Idiom dabei laut werden zu lassen.

Hasse sagte sich, daß der Ungar, in der Nähe gesehen und gehört, nicht unsympathisch wirkte. Gewiß kein schlechter Kerl. Leichtsinnig, haltlos –: Spiel, Frauen, Alkohol …. Aber Hasse war ja kein Moralist.

Erdöffy schlug schließlich vor, ins Café de Paris hinüberzugehn. »Dort kann man wenigstens das sehen, was Monte Carlo heute noch an schönen Frauen zu bieten hat!«

Im Café de Paris wurde Erdöffy mit einem tiefen Bückling vom Direktor empfangen und an einen Tisch geführt, der durch die Tafel »Reserviert« für distinguierte Gäste bestimmt war. Erdöffy war hier zu Hause. Die Damen, die da herumsaßen und einladende Blicke um sich warfen, begrüßten ihn mit viel Herzlichkeit und Lärm. Die Kellner beeilten sich, seine Wünsche zu erfahren. Der Negerkapellmeister, der mit hochmütig-überlegener Miene sein Saxophon fingerte, nickte ihm wohlwollend zu.

Hasse sah um sich. Ein Novize war er in solch einem Etablissement. Musik, Frauen, das ganze Milieu …. War wirklich alles in ihm tot? Diese furchtbaren Qualen der einsamen Stunden in der Zelle, der Auflehnung gegen Gott und die Welt …. Und jetzt? Diese Musik? Geplärr!

Am Eingang entstand plötzlich Bewegung. Eine kleine Gesellschaft erschien. Drei Herren und drei Damen. Hasse spürte den Fuß Dales an dem seinigen.

Er schaute auf.


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