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Albano hatte während Lindas Abwesenheit von Roquairol die Bitte bekommen, nur jetzt nicht lange zu verreisen, damit er in einigen Tagen sein Trauerspiel »den Trauerspieler«, noch sehen könne. Gaspard, den er unwillig über Lindas Ehescheu antraf, gab ihm ein sonderbares Kartenblatt für Linda mit, worauf von ihrem unsichtbaren Vater nichts stand als dies:
»Ich genehmige deine Liebe. Ich erwarte, daß du sie besiegelst, damit ich meine Tochter endlich umarme.
Der Zukünftige.«
So viele fremde wichtige Wünsche, die mit dem seinigen zusammenflossen, hielten nun von seinem zarten Ehrgefühl den Verdacht der Selbstsucht und Zudringlichkeit ab, wenn er sie um das schönste Fest seines Lebens bat. Er machte seinen Vater sehr zufrieden durch diesen Entschluß, zu bitten. Gaspard teilt' ihm geheime Kriegsnachrichten mit und sagte ihm scherzend, nun sei es bald Zeit, daß er für seine Freunde, die Neufranken, fechten helfe. Albano sagte, es sei sogar sein Ernst. Das hör' er gern von einem Jüngling – sagte Gaspard – der Krieg bilde für Geschäfte, und das Recht oder Unrecht desselben tue nichts zur Sache und gehe andere an, die ihn erklären.
Albano machte seine Reise froh durch Erinnerung, noch froher durch Hoffnung. Er hatte jetzt den Mut, sich den Tag auszudenken, wo Linda, eine Königin, in die glänzende Krone ihres Geistes den weichen Brautkranz schmiegt – wo diese Sonne als eine Luna aufgeht – wo ein Vater, den der seinige liebt, das hohe Fest unterbricht durch ein höchstes – und wo einmal zwei Menschen zu sich sagen dürfen: nun lieben wir uns ewig. – So beglückt und mit einer unendlichen Liebe und sonnenwarmen Seele kam er im Prinzengarten an.
Überall kam er viel zu früh nach seiner leidenschaftlichen Pünktlichkeit. Niemand war noch da als zwei – Abreisende, Roquairol und die Fürstin. Beide sah man jetzt oft und so öffentlich beisammen, daß das Scheinen Absicht schien. Roquairol ging ihm höflich entgegen und erinnerte ihn an das erhaltene Billet: »Das ist der Schauplatz, Lieber,« (sagt' er) »wo ich nächstens spiele, die meisten Zurüstungen hab' ich schon getroffen, besonders heute. Meine treffliche Fürstin hat mir diesen Platz vergönnt.« – »Sie kommen doch auch?« sagte diese zu Albano freundlich. »Ich hab' es ihm schon versprochen«, sagte Albano, den mitten in seinem Frühling zwei Eiskeller anwehten. Das Fräulein v. Haltermann allein zeigt' ihm großen entschiedenen Zorn. »Gehen wir zu meiner Schwester vorher?« fragte Roquairol die Fürstin unter dem Wegführen. Albano verstand das nicht. Die Fürstin nickte. Sie nahmen von ihm Abschied. Fräulein v. Haltermann schien ihn zu vergessen. Sie entflogen, hielten oben auf einem von der ganzen blühenden Gegend umrungnen Berge neben einem Blumengärtchen still und rollten dann hinunter.
Der Himmelswagen mit den geliebten Mädchen kam jetzt in den französischen Prinzengarten herein. Feurig drückten sich Albano und Linda einander an die Herzen, die sie sich – gleichsam zum zweiten Male füreinander geschaffen und geschmückt durch das Schicksal – mit neuen Hoffnungen und Welten heute noch einmal tauschend geben wollten! – Alles war so glänzend um sie her, alles neu, selten, ruhig, die ganze Welt ein Garten voll hoher flatternder Springbrunnen, welche vor der Sonne glanztrunken ihre Bogen durcheinanderwarfen! – Julienne zog ihn beiseite, um ihm Lindas schönen Entschluß zu sagen; aber er kam ihr mit der Nachricht des seinigen zuvor. Sie bestärkte ihn durch die ihrige, entzückt über das seltne Getriebe zusammengreifender Glückräder.
Als Albano wieder bei der Braut war, und sie bei ihm, fühlten sie eine neue Wärme des Herzens – keine von einer ausbrennenden dumpfen Glutkohle, die am Ende schwarz zerbröckelt, sondern die einer höhern Sonne, die aus lauten Flammen stille Strahlen macht und die die Menschen mit einem warmen milden Frühlingstag umgibt. Albano schob nicht auf und leitete nicht ein, sondern er gab ihr das Blatt ihres Vaters hin und sagte unter dem Lesen mit bebender Stimme: »Dein Vater bittet mit mir und für mich.« – Lindas Tränen stürzten – der Jüngling zitterte – Julienne rief. »Linda, sieh, wie er dich liebt!« – Albano nahm sie an sein Herz – Linda stammelte: »So nimm sie denn hin, meine liebe Freiheit, und bleibe bei mir« – »bis zu meiner letzten Stunde«, sagt' er – »und bis zu meiner, und gehst in keinen Krieg«, sagte sie zärtlich-leise – er drückte sie bestürzt und stark ans Herz – »nicht wahr, du versprichst es, mein Lieber?« wiederholte sie. –
»O, du Göttliche, denke jetzt an etwas Schöneres«, sagte er. – »Nur ja, Albano, ja?« fuhr sie fort. – »Alles wird sich durch unsere Liebe lösen«, sagt' er. – »Ja? Sage nur Ja!« bat sie – er schwieg – sie erschrak: »Ja?« sagte sie stärker. – »O Linda, Linda!« stammelte er – sie entsanken einander aus den Armen – »ich kann nicht«, sagt' er – »Menschen, versteht euch«, sagte Julienne – »Albano, sprich dein Wort«, sagte Linda hart. – »Ich habe keines«, sagt' er.
Linda erhob sich beleidigt und sagte: »Ich bin auch stolz – ich fahre jetzt, Julienne.« Kein Bitten der Schwester konnte die Staunende oder den Staunenden schmelzen. Der Zorn, mit seinem Sprachrohr und Hörrohr, sprach und hörte alles zu stark.
Die Gräfin ging fort und befahl anzuspannen. »O ihr Leute und du Hartnäckiger,« (sagte Julienne) »geh ihr doch nach und stille sie.« Aber der empfindlichen Sinnpflanze seiner Ehre waren jetzt Blätter zerquetscht; das ihm neue Auffahren, der Schlagregen ihres Zorns hatt' ihn erschüttert; er fragte nach nichts. »Schau hinauf zu jenem Garten,« (sagte die Schwester außer sich) »dort liegt deine erste Braut begraben, und schone die zweite!« – Das wirkte gerade das Gegenteil: »Liane« (sagt' er kalt) »wäre nicht so gewesen; begleite nur die Gräfin!« – »O die Männer!« rief sie und ging.
Bald darauf sah er beide davonfahren. Allmählich zerstob das wilde Heer des Zorns. Aber er hatte, fühlt' er, nicht anders gekonnt. Er war ihr, sie ihm mit solcher neuen Zärtlichkeit entgegengereiset – keines wußte von der fremden – und der unbegreifliche Kontrast entrüstete darum beide so sehr – Er haßte schon an andern Menschen das Bitten, wie viel mehr an sich selber, und nie war er vermögend, einen Menschen, der ihn verkannte, zurechtzuweisen. Er sah jetzt um sich, alle prangenden Springbrunnen der Freude waren plötzlich niedergefallen, die Lüfte verödet, und das Wasser murmelte in den Tiefen. Er ritt hinauf zum Garten, wo Lianens Grab sein sollte. Nur Blumenbeete, einen Lindenbaum mit einer Zirkelbank sah er darin; aber kein Grab. Betäubt und verworren blickt' er hinein und in den glänzenden Gegenden umher. Verstockt – tränenlos – mit einem im zurückgetriebnen Strom der Liebe erstickenden Herzen – hinschauend in die weite Zukunft, die zwischen Bergen in krumme Täler ging und sich versteckte, ritt er düster nach Hause. Hier traf er folgendes Blatt von Schoppe an, das der vorauseilende Oheim bei ihm abgegeben:
»Es ist richtig – Ich fand das bewußte Porträt – Ich bring' es in der Jagdtasche mit – In wenigen Wochen oder Tagen komm' ich – Den Kahlkopf hab' ich angetroffen und hinlänglich totgemacht – Ich bin sehr bei Sinnen. Dein seltsamer Oheim reisete lange mit mir.
S.«