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Bald darauf ließ die gütige Schwester Albanos an der Spieluhr seines Glücks, deren Wächterin sie war, wieder eine hesperische Stunde schlagen und spielen, wo das ganze Leben hinauf und hinab mittönte und sich aushellte und wo nun wie in der Schweiz, wenn eine Wolke sich öffnet, auf einmal Höhen, Eisberge, Berghörner aus dem Himmel blicken. Er sah seine Linda wieder, aber in neuem Licht, glühend, aber wie eine Rose vor dem glühenden Abendrot; ihr Lieben war ein weiches stilles Flammen, nicht ein Hüpfen irrer stechender Funken. Er schloß, daß sein wortfester Vater die Bitte um eine priesterliche Verbindung ihr schon getan und sogar ihre Bejahung bekommen. Julienne sagt' ihm, sie woll' ihn den nächsten Abend um 6 Uhr auf dem väterlichen Zimmer sprechen; das macht' ihn noch gewisser und froher. Mit neuen, noch zärter anbetenden Gefühlen schied er von Linda; die Göttin war eine Heilige geworden.
Als er den andern Tag ins väterliche Zimmer kam: fand er niemand darin als Julienne. Sie küßte ihn kurz und kaum, um schnell mit ihren Nachrichten fertig zu werden, da ihre Abwesenheit auf so viele Minuten eingeschlossen war, als die Fürstin brauchte, um vom Krankenbette des Mannes in das Zimmer der Prinzessin zu kommen. »Sie heiratet dich nicht,« (fing sie leise an) »so sehr und so fein auch dein Vater ihr bei dem ersten Empfang nach der Reise die Freude über das neue Glück seines Sohnes ausdrückte, für das er nun bloß nichts mehr zu wünschen brauchte, sagt' er, als das Siegel der Fortdauer – Es war noch feiner versilbert und vergoldet, ich weiß es nicht mehr. – Darauf erwiderte sie in ihrer Sprache, die ich nie behalte, ihr und dein Wille wären das rechte Siegel, jedes andere politische drücke Ketten und Sklaven auf dem schönsten Leben aus.«
Hart wurd' Albano von einer offnen Weigerung verletzt, die ihn bisher als eine stille und als Philosophie auftretende nur wie wesenloser Schatte unberührt umflossen hatte. »Das war nicht recht; spät konnte sie sagen, aber nicht nie«, sagt' er empfindlich. – »Gemäßigt Freund,« (sagte Julienne) »darauf erinnerte sie dein Vater freundlich an die bedingte Erscheinung des ihrigen, indem er sagte, daß er sehr wünschen müsse, ihr Glück aus seinen Händen in nähere zu übergeben. Keine künstliche Bedingung darf einen Willen zwingen oder vernichten, sagte sie. Dein Vater fuhr ruhig fort und setzte dazu, er habe den schönsten Lebensplan für euch beide in diesem Falle entworfen; im andern aber stehe seine Einwilligung in die Liebe nur so lange offen als sein Hiersein, das mit dem Tode seines Freundes endige. Dann ging er gelassen fort, wie die Männer pflegen, wenn sie uns recht entrüstet haben.«
»Hesperien, Hesperien!« (rief Albano zornig) »Linda verdoppelte doch ihr Nein?« – »O leider! Aber Bruder?« fragte staunend Julienne. »Lasse mich,« (versetzt' er) »ist es denn nicht ungerecht, dieses elterliche Antasten der schönsten zartesten Saiten, deren Klang und Schwung sie auf einmal töten, um einen neuen aus ihnen zu rupfen? Ists denn nicht sündlich, Göttergeschenke zu Staats-Zöllen und Partie-Geldern, jawohl Partie-Geldern herabzuziehen? – Gute Linda, nun stehen wir wieder auf dem Boden, wo man die Blumen der Liebe zu Heu anschlägt – und wo es im Paradies keine andere Bäume gibt als Grenzbäume. – Nein, freies Wesen, durch mich sollst du nie aufhören, es zu sein!« –
Julienne trat einige Schritte zurück, sagte: »Ich will dich nur auslachen«, tat es und setzte ernst dazu: »Sie also, willst du, soll dir den Tag anberaumen, wo der alte Vater sichtbar werden soll?« – »Das folge gar nicht«, sagte er. Sie bemerkte ruhig, daß immer ein hitziger Mann über die Hitze des andern klage und daß Albano schon in der Ruhe zu strenge auf fremdes und eignes Recht dringe; daß solche Leute dann in der Leidenschaft etwas über das Recht hinaus verlangten, wie ein Stift, der in der Uhr zu genau passet, erwärmt sie durch seine Größe anhält. Jetzt bat sie ihn liebreich, das Auseinanderzupfen des »ganzen Wirrwarrs« bloß ihren Fingern zu überlassen und sanft und still zu bleiben, damit nicht noch mehr Leute, etwa gar ihre »belle-soeur«, zwischen ihren Bund sich drängten. Albano nahm es freundlich an, bat sie aber ernst, nur keine Plane zu mache, weil er zu ehrlich dazu gegen Linda sein und ihr sogleich das ganze Wort der Charade sagen würde.
Sie entdeckte ihm, sie habe weiter keinen zu etwas gemacht als zu einem frohen Tag für morgen, den nämlich, mit Linda die Prinzessin Idoine in Arkadien zu besuchen, der sie außer dem Besuch noch größere Dinge schuldig sei, besonders ihr halbes Herz: »Du reitest uns zufällig nach und triffst uns mitten im Schäferleben an« (setzte sie dazu) »und überraschest deine Linda.« – Er sagte sehr entschieden Nein; weil er vor Idoinens Ähnlichkeit mit Lianen – ob er gleich nur wußte, daß Liane jene im Traum-Tempel vorgespielt, noch nicht aber, daß Idoine diese vor seinem Krankenbette nachgebildet – und vor der Gegenwart der Ministerin die Flucht aus Scheu sowohl der bittern Erinnerungen als der süßen nahm, welchen beiden Roquairol in solchem Falle nachgezogen wäre. Julienne wandte boshaft ein: »Fürchte nur nichts für die Prinzessin; sie mußte, um vom verhaßten Bräutigam nur loszukommen, allen Ihrigen eidlich angeloben, nie einen unter ihrem Stande zu wählen – und das hält sie, sogar bei dir.« – Er beantwortete den Scherz bloß mit der ernsten Wiederholung des Neins. Nun so bestehe sie darauf, versetzte sie, daß er ihnen beiden wenigstens auf halbem Weg entgegenkomme und sie im »Prinzengarten« – einem von Luigi als Erbprinz angelegten und auf dem Fürstenstuhle vergessenen Park – erwarte. Das ergriff er sehr freudig.
Sie fragte scheidend noch scherzhaft: »Wer hat dich von neuem mit einer Schwester beschenkt?« Er sagte: »Das konnte mein Vater nicht von mir erfahren.« – »Bruder,« (sagte sie sanft) »ein Herr wars, der Prinzessinnen leicht für Gräfinnen nimmt und der nächstens noch toller zu werden glaubt, als er schon ist – dein Schoppe« und flog davon.