Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Achtunddreißigstes Capitel.

Die Armee ist zum Marsche nach Syrien ausgerüstet. – Osama erhält den Oberbefehl. – Des Propheten Abschiedsworte an die Truppen. – Seine letzte Krankheit. – Seine Reden in der Moschee. – Sein Tod und die denselben begleitenden Umstände.

Es war frühzeitig im eilften Jahre der Hegira, daß nach außergewöhnlichen Rüstungen eine mächtige Armee bereit stand, um zur Eroberung Syriens abzuziehen. Es möchte fast als ein Beweis von Mohammeds schwindender Geisteskraft erscheinen, daß er Osama, einem Jünglinge von nur zwanzig Jahren, das Commando über ein solches Heer und bei einem solchen Feldzuge übertrug, statt einen von den ergrauten und wohl bewährten Feldherrn mit demselben zu betrauen. Es scheint eine Gunstbezeigung, welche Erinnerungen der Liebe und Dankbarkeit forderten, gewesen zu sein. Osama war der Sohn Zeid's, jenes ergebenen Freigelassenen Mohammeds, welcher dem Propheten, indem er ihm sein schönes Weib Zeinab überließ, einen ausgezeichneten und lieblichen Beweis von Ergebenheit geliefert hatte. Zeid hatte sich bis zum letzten Augenblicke als denselben eifrigen und sich aufopfernden Schüler erwiesen und war, indem er tapfer für den Glauben focht, in der Schlacht von Muta gefallen.

Mohammed erkannte das Wagstück der getroffenen Wahl und fürchtete, die Truppen möchten sich unter einem so jugendlichen Befehlshaber zu Widersetzlichkeit hinreißen lassen. Deshalb ermahnte er sie bei einer allgemeinen Heerschau zum Gehorsam, indem er sie erinnerte, daß Osama's Vater Zeid in einem Kriege ganz derselben Art und wider dasselbe Volk den Oberbefehl geführt hätte und durch die Hände des letzteren gefallen wäre; es wäre daher nur ein gerechter Tribut, welchen man seinem Andenken zolle, wenn dem Sohne eine Gelegenheit geboten würde, den Tod desselben zu rächen. Alsdann legte er seine Fahne in die Hände des jugendlichen Feldherrn und forderte ihn auf, wider Alle, welche die Einheit Gottes leugnen würden, den Kampf des Glaubens tapfer zu kämpfen. Die Armee rückte an demselben Tage aus und lagerte sich wenige Meilen von Medina bei Djorf (Dschorf); es traten aber Umstände ein, welche den weiteren Marsch derselben verhinderten. In derselben Nacht hatte Mohammed einen heftigen Anfall der Krankheit, welche ihn einige Zeit vorher ergriffen hatte und den verborgenen Wirkungen des Gifts, welches man ihm zu Khaïbar beigebracht hatte, von Manchen zugeschrieben wurde. Sie begann mit einem quälenden Kopfschmerze nebst Schwindel und Geistesverwirrung (Delirium), welche sich mit allen Krankheitserscheinungen bei ihm vermischt zu haben scheint. Mitten in der Nacht fuhr er aus einem beunruhigenden Traume auf und gebot einem anwesenden Sclaven ihm zu folgen, indem er sagte, die Todten auf dem öffentlichen Begräbnißplatze Medinas hätten ihn aufgefordert, zu ihnen zu kommen und für sie zu beten. Von dem Sclaven begleitet schritt er durch die finstere und lautlose Stadt, wo Alles in Schlaf versunken war, nach dem großen Todtenacker außerhalb der Wälle. Als er mitten unter den Grabhügeln angekommen war, erhob er seine Stimme und hielt eine feierliche Ansprache an die Inhaber derselben. »Freuet euch, ihr Bewohner der Grüfte,« rief er aus. »Friedlicher ist der Morgen, an welchem ihr erwachen werdet, als der, welcher die Lebenden erwartet. Glücklicher ist euer Zustand als der ihrige. Euch hat Gott von den Stürmen befreit, von denen sie bedroht werden, und die auf einander folgen, wie die Stunden einer stürmischen Nacht, jede finsterer als die, welche vorherging.« Nach dem Gebete für die Todten drehte er sich um und wendete sich an den Sclaven. »Mir ist die Wahl gelassen,« sagte er, »entweder bis ans Ende der Zeit in dieser Welt zu bleiben und alle Freuden derselben zu genießen, oder eher vor das Angesicht Gottes zurückzukehren; ich habe das Letztere erwählt.«

Seit dieser Zeit steigerte sich die Krankheit reißend schnell, obgleich er umherzugehen versuchte und von Tag zu Tag den Aufenthaltsort bei den verschiedenen Frauen änderte, wie er es zu thun gewohnt war. Er befand sich in Maimona's Wohnung, als die Heftigkeit der Krankheit so groß wurde, daß er einsah, sie müßte sich in Kurzem als tödtlich erweisen. Sein Herz sehnte sich jetzt, bei seinem Lieblingsweibe Ayescha zu sein und bei ihr den dahin eilenden Rest des Lebens zu verbringen. Mit verbundenem Haupte und wankendem Körper, von Ali und Fadhi, dem Sohne des Al Abbas, unterstützt, begab er sich in die Behausung derselben. Sie litt ebenfalls an einem heftigen Kopfschmerze und bat ihn um ein Linderungsmittel. »Wozu ein Heilmittel?« sagte er. »Es würde besser sein, wenn du vor mir stürbest. Dann könnte ich dir die Augen schließen, dich in dein Leichenkleid hüllen, dich ins Grab legen und für dich beten.« »Ja,« entgegnete sie, »und dann in mein Haus zurückkehren und bei einer von deinen andern Frauen wohnen, welche von meinem Tode Nutzen ziehen würde.« Mohammed lächelte über diesen Ausdruck eifersüchtiger Liebe und überließ sich ihrer Sorgfalt.

Sein einziges, noch lebendes Kind Fatima, Ali's Weib, kam sogleich, um ihn zu besuchen. Ayescha pflegte zu sagen, daß sie niemals Jemanden gesehen hätte, welcher in Liebenswürdigkeit dem Propheten mehr geglichen hätte, als diese seine Tochter. Er behandelte sie stets mit achtungsvoller Zärtlichkeit. Wenn sie zu ihm kam, so pflegte er aufzustehen, ihr entgegen zu gehen, sie bei der Hand zu nehmen, sie zu küssen und sie auf seinen Platz niederzusetzen. Ihre Zusammenkunft bei dieser Veranlassung wird von Ayescha in den von Abulfeda aufbewahrten Ueberlieferungen in folgender Weise erzählt: »Willkommen mein Kind«, sagte der Prophet und ließ sie neben sich Platz nehmen. Hierauf flüsterte er ihr Etwas ins Ohr, worüber sie weinte. Als er ihre Betrübniß bemerkte, flüsterte er ihr noch Etwas zu, und ihr Gesicht glänzte vor Freude. »Was soll das heißen?« sagte ich zu Fatima. »Der Prophet beehrt dich mit einem Zeichen von Vertrauen, welches er keiner von seinen Frauen geschenkt hat.« »Ich kann das Geheimniß des Propheten Gottes nicht verrathen.« Dessenungeachtet erklärte sie nach dessen Tode, daß er ihr zuerst seinen bevorstehenden Tod ankündigte; aber als er sie weinen sah, sie mit der Versicherung tröstete, daß sie ihm in Kurzem folgen und unter den Gläubigen ihres Geschlechtes eine Fürstin im Himmel sein würde.

Am zweiten Tage der Krankheit wurde Mohammed von einem brennenden Fieber gequält und ließ Gefäße Wasser über sein Haupt und seinen Leib ausgießen, indem er mitten in den Fieberanfällen ausrief: »Jetzt fühle ich das Gift von Khaïbar, welches mir die Eingeweide zerreißt.«

Wann einige Erleichterung eintrat, so begab er sich mit Anderer Hülfe in die Moschee, welche neben seiner Wohnung lag. Hier saß er auf seinem Stuhle oder der Kanzel und betete andächtig; darauf wendete er sich an die zahlreiche Versammlung und sagte: »Wenn Jemand von euch irgend Etwas auf dem Gewissen hat, so mag er sich aussprechen, damit ich Gott um Verzeihung für ihn bitte.« Alsdann trat Einer vor, welcher im Rufe eines frommen Moslemen stand, und bekannte, daß er ein Heuchler, ein Lügner und schwacher Jünger wäre. »Hinaus mit dir!« schrie Omar; »warum machst du kund, wovon Gott gewollt hat, daß es verborgen bliebe?« Aber Mohammed wendete sich tadelnd an Omar und sagte: »O Sohn Khattab's, es ist besser, in dieser Welt zu erröthen als in der andern zu dulden. Hierauf hob er die Augen zum Himmel auf, betete für den Selbstankläger und rief aus: »O Gott, gieb ihm Aufrichtigkeit und Glauben, und nimm von ihm alle Schwachheit bei Erfüllung deiner Gebote, welche das Gewissen ihm giebt.« Sich wieder an die Versammlung wendend sagte er: »Giebt es Einen unter euch, welchen ich geschlagen habe; hier ist mein Rücken, er mag mich zur Vergeltung schlagen. Giebt es Einen, dessen Charakter ich verleumdet habe; er mag jetzt den Vorwurf auf mich werfen. Giebt es Einen, von welchem ich Etwas mit Unrecht genommen habe, er mag jetzt hervortreten, damit er entschädigt werde.« Darauf erinnerte ein Mann unter der Menge Mohammed an eine Schuld von drei Silberdenaren, und er empfing augenblicklich die Rückzahlung mit Zinsen. »Viel leichter ist es«, sagte der Prophet, »die Strafe in dieser Welt zu ertragen, als die Ewigkeit hindurch.« Nun betete er inbrünstig für die Gläubigen, welche in der Schlacht von Ohod an seiner Seite gefallen waren, und für diejenigen, welche in andern Schlachten für den Glauben geduldet hatten, indem er sich für sie verwendete kraft des Vertrags, welcher zwischen den Lebenden und den Todten besteht. Hierauf richtete er das Wort an die Modhadjeren oder die Verbannten, welche ihn aus Mekka begleitet hatten, und ermahnte dieselben, die Ansaren oder die Bundesgenossen Medina's in Ehren zu halten. »Die Zahl der Gläubigen wird wachsen, aber die der Bundesbrüder niemals. Sie waren meine Familie; bei ihnen fand ich eine Heimath. Thut Gutes denen, welche ihnen Gutes thun, und brechet die Freundschaft mit denen, welche gegen sie feindselig sind.« Dann gab er zum Abschied drei Gebote, nämlich: 1) Vertreibet alle Götzendiener aus Arabien; 2) gewähret allen Neubekehrten gleiche Vorrechte mit euch; 3) demüthiget euch ohne Unterlaß zum Gebete.

Nachdem Rede und Ermahnung beendigt war, wurde er liebevoll nach Ayescha's Wohnung zurückgeleitet; aber er war bei der Ankunft daselbst so erschöpft, daß er in Ohnmacht fiel. Die Krankheit wuchs von Tage zu Tage und augenscheinlich trat zeitweiliges Phantasieren ein. Denn er redete von Besuchen, welche er vom Engel Gabriel erhalten hätte; dieser wäre von Gott gekommen, um nach dem Stande seiner Gesundheit sich zu erkundigen, und er hätte ihm gesagt, daß es bei ihm stünde, den Augenblick des Sterbens zu bestimmen, indem von Allah dem Todesengel geboten wäre, ohne seine Erlaubniß bei ihm nicht einzutreten. In einem der Anfälle rief er nach Schreibgeräthen, damit er einige Verhaltungsregeln für die Gläubigen zurücklassen könnte. Seine Wärter wurden dadurch beunruhigt, indem sie fürchteten, er möchte Etwas thun, was dem Ansehen des Korans schaden könnte. Als er sie berathschlagen hörte, ob sie sein Verlangen erfüllen sollten, befahl er ihnen, die Stube zu verlassen, und nach ihrem Wiedereintritt sagte er nichts mehr über diesen Gegenstand.

Am Freitage, dem Tage der religiösen Versammlung, schickte er sich trotz der Krankheit an, sein Amt in der Moschee zu verwalten, und hatte wiederum Wasser über sich gegossen, um sich zu erfrischen und zu stärken; aber als er sich anstrengte, um fortzugehen, fiel er in Ohnmacht. Wieder zur Besinnung gekommen, bat er Abu Beker, die öffentlichen Gebete zu verrichten, mit der Bemerkung: »Allah hat seinem Diener das Recht gegeben zu bestimmen, welchen er an seiner Stelle gern sieht.« Später wurde von einigen behauptet, daß er damit beabsichtigt hätte, diesen vieljährigen bewährten Freund und Anhänger als seinen Nachfolger im Amte zu bezeichnen; aber Abu Beker enthielt sich, diese Worte in zu enger Bedeutung zu nehmen. Bald wurde Mohammed die Nachricht gebracht, daß Abu Beker's Erscheinung auf der Kanzel große Unruhe verursacht hätte, da ein Gerücht umliefe, daß der Prophet todt wäre. Daher strengte er die ihm gebliebene Kraft an, lehnte sich auf Ali's und Al Abbas' Schultern und machte den Gang in die Moschee, wo seine Erscheinung große Freude in der Versammlung verbreitete. Abu Beker hörte auf zu beten, aber Mohammed ersuchte ihn, fortzufahren, und, seinen Sitz hinter ihm auf der Kanzel nehmend, wiederholte er die Gebete nach ihm. Dann sagte er sich an die Versammlung wendend: »Ich habe gehört, daß das Gerücht von dem Tode eures Propheten euch mit Unruhe erfüllt; aber hat irgend ein Prophet vor mir immer gelebt, daß ihr denkt, ich würde euch niemals verlassen? Alles geschieht nach dem Willen Gottes und hat seine bestimmte Zeit, welche weder beschleunigt noch vermieden werden kann. Ich kehre zu dem zurück, der mich sandte, und mein letztes Gebot an euch ist, daß ihr vereinigt bleibt, daß ihr einander liebt, ehret und aufrecht erhaltet, daß ihr einander zur Treue und Standhaftigkeit und zur Vollbringung guter Werke ermahnt; durch diese allein werden die Menschen glücklich, alles Andere führt zum Verderben.« Am Schlusse seiner Ermahnung fügte er hinzu: »Ich gehe nur vor euch hin; ihr werdet mir bald folgen. Der Tod erwartet uns Alle; mag denn keiner ihn von mir abzuwenden suchen. Mein Leben ist zu eurem Wohle gewesen, so wird es auch mein Tod sein.« Das waren die letzten Worte, welche er öffentlich sprach; von Ali und Abbas wurde er wiederum nach Ayescha's Wohnung zurückgeführt.

Am folgenden Tage gab es eine Zeit, wo er so wohl erschien, daß Ali, Abu Beker, Omar und die Uebrigen, welche beständig um ihn waren, sich auf einige Zeit entfernten, um ihre Geschäfte zu besorgen. Ayescha blieb allein bei ihm. Das einstweilige Wohlbefinden war nur eine Täuschung. Die Schmerzen kehrten mit verdoppelter Heftigkeit wieder. Da er einsah, daß der Tod sich nähere, befahl er, alle seine Sclaven in Freiheit zu setzen und alles Geld im Hause unter die Armen zu verteilen; dann rief er die Augen zum Himmel erhebend aus: »Gott sei bei mir in der Todesnoth!« Ayescha sandte jetzt eilig nach ihrem Vater und Hafza. Allein gelassen bei Mohammed, hielt sie sein Haupt auf ihrem Schooße, indem sie über ihn mit zärtlicher Ausdauer wachte und seinen Todeskampf zu erleichtern suchte. Von Zeit zu Zeit tauchte er die Hand in ein Gefäß mit Wasser und besprengte sich mit ihm leicht das Gesicht. Endlich erhob er die Augen, starrte mit unbeweglichen Augenlidern eine Zeit lang aufwärts und seufzte in gebrochenen Worten: »O Allah! es sei also! – unter den ruhmreichen Genossen im Paradiese!« »Daraus erkannte ich«, sagte Ayescha, welche die Sterbescene erzählte, »daß sein letzter Augenblick herbeigekommen war und er das überirdische Sein erwählt hatte.« In wenigen Augenblicken waren die Hände kalt und das Leben erloschen.

Ayescha legte sein Haupt auf das Kissen, und sich Haupt und Brust schlagend überließ sie sich lauten Klagen. Ihr Jammergeheul führte bald die anderen Frauen Mohammeds herbei, und der lärmende Schmerz derselben machte das Ereigniß bald durch die Stadt bekannt. Bestürzung ergriff die Bevölkerung, gleich als wenn sich ein Wunder zugetragen hätte. Alle Geschäfte wurden eingestellt. Die Armee, welche die Zelte abgebrochen hatte, wurde befehligt, Halt zu machen, und Osama, dessen Fuß zum Abmarsche im Steigbügel war, wendete das Schlachtroß nach den Thoren Medina's und pflanzte seine Standarte vor Mohammeds Thüre auf.

Die Menge drängte sich, um den Leichnam zu betrachten, und Erörterung und Streit herrschte sogar im Sterbezimmer. Einige mißtrauten dem Zeugnisse ihrer Sinne. »Wie kann er todt sein?« schrieen sie. »Ist er nicht unsrer Vermittler bei Gott? Wie kann er denn todt sein? Unmöglich! Er ist nur in einer Entzückung und wie Isa (Jesus) und die andern Propheten gen Himmel entrückt.« Der Haufe mehrte sich um das Haus und erklärte mit Geschrei, daß der Leib nicht beerdigt werden dürfte, als Omar, welcher die Nachricht eben gehört hatte, hinzukam. Er zog seinen Säbel und, durch die Menge sich drängend, drohte er Hände und Füße Jedem abzuhauen, welcher, behaupten würde, daß Mohammed todt wäre. »Er ist nur auf einige Zeit hinweggegangen«, sagte er, »wie Musa (Moses), der Sohn Imram's, vierzig Tage auf den Berg sich begab, und gleich ihm wird er wieder zurückkehren.« Abu Beker, welcher in einem entfernten Theile der Stadt gewesen war, kam zu rechter Zeit, um die Verzweiflung der Volksmenge zu besänftigen und Omars Hitze zu dämpfen. Er trat in das Zimmer ein, hob das Tuch auf, mit welchem der Leichnam bedeckt war, küßte das blasse Angesicht Mohammeds und rief aus: »O du, der du mir wie Vater und Mutter warst, lieblich bist du sogar im Tode und hauchest kräftige Wohlgerüche aus! Jetzt lebst du in ewiger Seligkeit, denn nie wird dich Allah einem zweiten Tode unterwerfen.« Den Leichnam bedeckend ging er hinaus und versuchte Omar zum Schweigen zu bringen; aber da er dies unmöglich fand, so redete er die Volksmenge an: »Fürwahr, wenn Mohammed der alleinige Gegenstand eurer Verehrung ist, so ist er todt; aber wenn es Gott ist, welchen ihr anbetet, so kann er nicht sterben. Mohammed war nur der Prophet Gottes und hat das Schicksal der Apostel und heiligen Männer getheilt, welche vor ihm hingegangen sind. Allah selbst hat in dem Koran gesagt, daß Mohammed nur sein Gesandter und dem Tode unterworfen wäre. Wie denn! wollt ihr ihm den Rücken zuwenden und seine Lehre verlassen, weil er todt ist? Bedenket, daß euer Abfall Gotte nicht schadet, aber eure eigne Verdammniß feststellt, während Gottes Segnungen über die ausgegossen werden, welche ihm treu bleiben.« Das Volk hörte Abu Beker mit Thränen und Schluchzen zu, und da es auf ihn hörte, legte sich die Verzweiflung. Sogar Omar wurde überzeugt, aber nicht getröstet; er warf sich auf die Erde und beweinte den Tod Mohammeds, welchen er als seinen Befehlshaber und Freund verehrte.

Der Tod des Propheten erfolgte nach den moslemischen Geschichtsschreibern Abulfeda und Al Jannabi an seinem Geburtstage, nachdem er das dreiundsechzigste Jahr vollendet hatte. Es war im elften Jahre der Hegira und im 632. der christlichen Zeitrechnung.

Der Körper wurde von einigen der liebsten Verwandten und Schüler zum Begräbnisse vorbereitet. Sie behaupteten, daß ein wundersamer Wohlgeruch, welcher nach dem Zeugnisse seiner Frauen und Töchter von seiner Person, als er lebte, ausströmte, noch fortdauerte, so daß »es schien«, um Ali's Worte zu gebrauchen, »als wenn er zu derselben Zeit todt und lebend wäre.« Als der Körper gewaschen und parfümirt war, wurde er in drei Decken gewickelt, von denen zwei weiß waren und die dritte von gestreiftem Zeug aus Yemen. Das Ganze wurde alsdann mit Ambra, Moschus, Aloe und wohlriechenden Kräutern parfümirt. Hierauf wurde er öffentlich ausgestellt, und zweiundsiebenzig Gebete wurden für ihn verrichtet.

Drei Tage blieb der Leichnam unbegraben, um theils der morgenländischen Sitte zu genügen, theils diejenigen zu befriedigen, welche noch an die Möglichkeit einer Entzückung glaubten. Als die Merkmale des Todes nicht weiter verkannt werden konnten, so wurden die Vorbereitungen zur Beerdigung getroffen. Jetzt erhob sich ein Streit in Rücksicht des Begräbnißplatzes. Die Mohadjeren oder mekkanischen Schüler stritten für diese Stadt, da sie der Geburtsort des Propheten wäre; die Ansaren sprachen für Medina, weil er daselbst eine Freistatt gefunden und den Aufenthalt während der letzten zehn Lebensjahre da gehabt hätte. Eine dritte Partei war der Ansicht, daß seine Ueberreste nach Jerusalem geschafft werden sollten, weil dies der Begräbnißplatz der Propheten wäre. Abu Beker, dessen Wort stets das größeste Gewicht hatte, erklärte, es wäre Mohammeds ausdrückliche Meinung gewesen, daß ein Prophet an dem Orte, wo er stürbe, begraben werden sollte. Dies wurde in dem gegenwärtigen Falle buchstäblich erfüllt, denn in Ayeschas Hause wurde gerade unter dem Bette, auf welchem Mohammed verschieden war, ein Grab gemacht.

Anmerkung. Ayeschas Haus stand unmittelbar neben der Moschee, welche in jener Zeit ein sehr bescheidenes Gebäude war; sie hatte Lehmwände und ein Dach aus Palmblättern, welches auf Baumstämmen ruhte. Seitdem ist sie in einen geräumigen Tempel eingeschlossen auf dem Grundrisse eines Säulenganges, welcher ein längliches Viereck von 160 Schritt Länge und 130 Schritt Breite begränzt, gegen den Himmel offen ist und vier Eingangsthore hat. Der Säulengang, welcher aus einigen Reihen Säulen von verschiedener Gestalt besteht, die mit Stukkaturarbeit bedeckt und glänzend abgetüncht sind, trägt eine Anzahl kleine weiße Kuppeln auf den vier Seiten des Vierecks. An den vier Ecken befinden sich hohe, in eine Spitze auslaufende Minarets (Thürme).

Nahe bei der südöstlichen Ecke ist ein eingefriedigter Platz, welcher von einem eisernen, grün angestrichenen, aus seinem Draht gefertigten und mit Messing- und Golddraht durchzogenen Gitter umgeben wird. Dasselbe gestattet keine Einsicht in das Innere, ausgenommen durch ein Fenster von ungefähr sechs Geviertzoll. Diese Einfriedigung, der größte Sammelplatz der Pilger, heißt Hadgira und enthält Mohammeds, Abu Bekers und Omars Gräber. Ueber dieser heiligen Einfriedigung erhebt sich eine hohe Kuppel, auf welcher sich eine vergoldete Kugel und ein Halbmond befindet. Wenn die Pilger dieselbe bei der Annäherung an Medina zum ersten Male erblicken, so begrüßen sie das Grab des Propheten mit tiefen Verbeugungen des Körpers und mit angemessenen Gebeten. Die wundersame, so lange für wahr gehaltene Erzählung, daß Mohammeds Sarg ohne irgend eine Stütze in der Luft schwebe, eine Erzählung, welche christliche Schriftsteller durch die Annahme begründeten, daß er aus Eisen und in die Mitte von zwei Magneten gestellt wäre, ist eine läppische Erdichtung.

Die Moschee hat verschiedene Veränderungen erfahren. Zu einer Zeit wurde sie zum Theile bei einem fürchterlichen Ungewitter niedergeworfen und zerstört, aber vom ägyptischen Sultan wieder aufgebaut. Sie ist von verschiedenen Kalifen erweitert und verschönert worden und besonders von Waled I., unter welchem Spanien angegriffen und erobert wurde. Sie wurde ihrer ungeheuern Schätze durch die Wechabiten beraubt, als dieselben Medina einnahmen und plünderten. Jetzt wird sie, obschon bei vermindertem Glanze, durch die Sorgfalt von ungefähr dreißig Agas unterhalten, deren Oberhaupt Scheikh Al Haram, d. i. Oberhaupt des heiligen Hauses, genannt wird. Er ist die vorzüglichste Persönlichkeit in Medina. Eine Wallfahrt nach Medina, obgleich sie für ein höchst frommes und verdienstliches Werk gehalten wird, ist den Mohammedanern nicht als eine Religionspflicht auferlegt wie die Wallfahrt nach Mekka, und hat in der neuem Zeit sehr abgenommen.

In Mekka und Medina werden nur Moslemen eingelassen, allen Andern ist der Eingang in diese den Mohammedanern heilige Städte verboten und kann nur in Verkleidung und mit großer Gefahr erlangt werden.


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