Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Fünfundzwanzigstes Capitel.

Feldzug wider die Stadt Khaibar; Belagerung. – Heldenthaten der Feldherrn Mohammeds. – Alis und Marhabs Kampf. – Erstürmung der Citadelle. – Ali macht aus dem Thore einen Schild. – Eroberung des Platzes. – Mohammed wird Gift beigebracht; er heirathet Safiya, eine Gefangene; auch Omm Habiba, eine Wittwe.

Um seine Anhänger für den Abbruch zu trösten, welchen ihre religiöse Andachtsübung in Mekka erfahren hatte, setzte jetzt Mohammed einen Feldzug ins Werk, der darauf berechnet war, jener Plünderungssucht, welche mit ihrer schwärmerischen Anhänglichkeit an seine Fahne zu wetteifern begann, Genüge zu leisten.

Ungefähr fünf Tagereisen nordöstlich von Medina lag die Stadt Khaibar und das ihr unterworfene Gebiet. Sie wurde von Juden bewohnt, welche sowol durch Handel als durch Ackerbau wohlhabend geworden waren. Ihr fruchtbares Gefilde war theils mit Getreide bebaut und mit Palmenhainen bepflanzt, theils zu Weideplätzen verwendet und mit Schaf- und Rinderheerden bedeckt; auch war sie durch mehrere Burgen befestigt. So ehrwürdig war ihr Alterthum, daß der arabische Geschichtsschreiber Abulseda uns versichert, daß Moses nach dem Durchgange durchs rothe Meer ein Heer gegen die Amalekiter sandte, welche Dathreb oder Datschreb (Medina) und die feste Stadt Khaibar bewohnten. Diese Gegend war für die feindlich gesinnten Juden, welche Mohammed aus Mekka und dessen Umgebungen vertrieben, und für alle diejenigen, welche sich seiner Rache ausgesetzt hatten, der Zufluchtsort geworden. Diese Umstände mit dem ungeheuern Reichthum zusammengenommen kennzeichneten sie als eine bequeme und reife Frucht für den Krieg, welchen er gegen alle Feinde des Glaubens erklärt hatte.

Zu Anfang des siebenten Jahres der Hegira brach er zum Kampfe wider Khalbar auf; er stand an der Spitze von zwölfhundert Mann zu Fuß und zweihundert zu Pferde und wurde von Abu Beker, von Ali, von Omar und von andern vorzüglichen Offcieren begleitet. Er hatte zwei Fahnen: die eine zeigte die Sonne, die andere einen schwarzen Adler, welche letztere in späteren Jahren als die Fahne Khaleds berühmt wurde.

Als er das fruchtbare Gebiet von Khalbar betrat, begann er den Krieg mit der Berennung der kleineren Schlösser, mit denen es besetzt war. Einige von ihnen ergaben sich, ohne Widerstand zu leisten; in diesen Fällen kam die Beute, weil sie als Geschenk Gottes betrachtet wurde, an den Propheten, damit von ihm über dieselbe auf die oben gemeldete Weise verfügt würde. Andere, weil sie größere Festigkeit hatten und mit kühnen Herzen bemannt waren, mußten durch Sturm genommen werden.

Nach der Einnahme dieser kleinern Festungen rückte Mohammed vor die Stadt Khaibar. Sie wurde durch Außenwerke mächtig geschützt, und die auf einem Felsen erbaute Citadelle (Festung) derselben, Al Kamus, wurde für unbezwinglich gehalten, so daß sie Kenana Ibn al Rabi, der Häuptling oder König der Nation, zur Verwahrungskammer aller seiner Schätze gemacht hatte. Die Belagerung dieser Stadt war die wichtigste Unternehmung, welche die Moslemen bis jetzt gewagt hatten. Als Mohammed die starken und düsteren Wälle, sowie die auf Felsen gebaute Citadelle das erste Mal erblickte, so soll er folgendes Gebet gesprochen haben: »O Allah! Herr der sieben Himmel und aller Dinge, welche sie bedecken! Herr der sieben Erden und von Allem, was sie tragen! Herr der bösen Geister und Aller, welche sie irre führen! Herr der Winde und Aller, welche sie zerstreuen und verjagen! Dich flehen wir an, diese Stadt und Alles, was sie enthält, und die Reichthümer ihres ganzen Landes in unsere Hände zu geben. Bei dir suchen wir Hülfe gegen dieses Volk und gegen alle Gefahren, von denen wir umringt sind.« Um seinen Gebeten mehr Feierlichkeit zu verleihen, so wählte er auf einem steinigen Platze, Mansela genannt, einen großen Felsen zum Orte dieser Gottesverehrung, und während der ganzen Zeit, welche er vor Khalbar gelagert blieb, hielt er um denselben täglich sieben Umgänge wie sie um die Kaaba gehalten werden. Zum Andenken an diese fromme Ceremonie wurde in späterer Zeit auf diesem Felsen eine Moschee erbaut, welche ein Gegenstand der Verehrung für alle fromme Moslemen wurde.

Die Belagerung der Citadelle währte einige Zeit und nahm Mohammeds und seiner Krieger Geschicklichkeit und Ausdauer in Anspruch, da sie bis dahin im Angriffe fester Plätze nur wenig Erfahrung hatten. Dazu litten sie Mangel an Proviant, weil sich die Araber bei ihren eiligen Kriegszügen selten mit Nahrungsmitteln belasteten, die Juden bei der Annäherung derselben das flache Land verwüstet und die Palmbäume rings um die Hauptstadt vertilgt hatten.

Mohammed leitete die Angriffe in Person. Die Belagerer deckten sich durch Laufgräben und errichteten Sturmböcke, um sie gegen die Mauern in Bewegung zu setzen; eine Bresche war endlich gemacht, aber mehrere Tage wurde jeder Versuch einzudringen kräftig zurückgeschlagen. Abu Beker leitete das erste Mal die Bestürmung, aber nach einem mit großer Tapferkeit bestandenen Gefechte wurde er zum Rückzuge gezwungen. Den nächsten Angriff befehligte Omar Ibn Khattab, welcher mit keinem besseren Erfolge bis zum Tagesschlusse kämpfte. Einen dritten Angriff leitete Ali, welchen Mohammed mit seinem eigenen Säbel, Dhu'l-Fakir, d. i. der Schneidende, genannt, bewaffnete. Indem er dessen Händen das geheiligte Panier anvertraute, so rühmte er ihn »als einen Mann, welcher Gott und dessen Propheten liebt, und welchen Gott und sein Prophet liebt; als einen Mann, welcher noch niemals einem Feinde den Rücken zuwendete.«

Und hier wird es passend sein, von Alis Person und Charakter eine altherkömmliche Erzählung mitzutheilen. Er war von mittlerer Größe, aber rüstig und untersetzt, und hatte ungeheure Stärke. Er hatte ein freundliches, höchst blühendes Gesicht mit einem buschichten Barte. Er zeichnete sich durch eine liebenswürdige Sinnesart, durch einen scharfen Verstand und durch religiösen Eifer aus, und wurde wegen seines unerschütterlichen Muthes der Löwe Gottes zubenannt.

Die arabischen Schriftsteller verweilen bei den Waffenthaten ihres Lieblingshelden vor Khaibar mit zärtlicher Übertreibung. Er war, sagen sie, in ein scharlachenes Gewand gekleidet, über welches ein stählerner Harnisch befestigt war. Mit seinen Genossen erkletterte er der Bresche gegenüber den größten Schutt- und Steinhaufen und pflanzte auf dem Gipfel seine Standarte auf mit dem Entschlusse, nicht zurückzugehen, bis die Citadelle genommen wäre. Die Juden machten einen Ausfall, um die Stürmenden abzutreiben. In dem Zusammenstoße, welcher nun folgte, focht Ali Mann gegen Mann mit dem jüdischen Befehlshaber Al Hareth, welchen er erlegte. Der Bruder des Getödteten trat heraus, um seinen Tod zu rächen. Er hatte eine riesenmäßige Gestalt und trug einen doppelten Harnisch und einen undurchdringlichen, mit zwei Turbanen umwundenen Helm, auf dessen Vorderseite ein ungeheurer Diamant funkelte. An jede Seite hatte er ein Schwert gegürtet und schwang einen dreispießigen Speer wie einen Dreizack. Die Krieger maßen einander mit dem Auge und redeten sich gegenseitig in der prahlerischen Weise der Orientalen an.

»Ich bin Marhab,« sagte der Jude; »ich bin an allen Seiten bewaffnet und schrecklich in der Schlacht.« »Und ich bin Ali, welchen die Mutter bei seiner Geburt Al Haidara (den wilden Löwen) zubenannte.« Die moslemischen Schriftsteller machen mit dem jüdischen Kämpen nicht viel Umstände. Er führte mit der dreizackigen Lanze nach Ali einen Stoß, der aber gewandt ausparirt wurde, und bevor er sich wieder sammeln konnte, theilte ein Hieb des Säbels Dhu'l-Fakir seinen Schild, ging durch den festen Helm, durch den doppelten Turban und den harten Schädel und spaltete den Kopf bis an die Zähne. Seine gigantische Gestalt fiel leblos zu Boden.

Die Juden zogen sich jetzt in die Citadelle zurück, und ein allgemeiner Sturm fand statt. In der Hitze des Gefechtes wurde Ali der Schild vom Arme gestreift und sein Körper blos gestellt; alsbald wand er ein Thor aus den Angeln und bediente sich desselben als eines Schildes während der übrigen Dauer des Gefechtes. Abu Rafe, ein Diener Mohammeds, bezeugt diese Thatsache. »Ich untersuchte später dieses Thor«, sagt er, »in Gesellschaft von sieben Männern, und wir acht zusammen versuchten vergeblich dasselbe zu schwenken.«

Nach Eroberung der Zitadelle wurde jedes Gewölbe und unterirdische Loch wegen des Reichthums genau durchsucht, welcher von dem jüdischen Fürsten Kenana daselbst niedergelegt worden sein sollte. Als Nichts entdeckt wurde, fragte ihn Mohammed, wo er seinen Schatz verborgen hätte. Er erklärte, daß er auf die Unterhaltung der Truppen und auf die Rüstungen zur Vertheidigung ganz und gar verwendet worden wäre. Einer seiner treulosen Unterthanen verrieth jedoch den Ort, an welchem eine große Summe verborgen worden war. Sie befriedigte nicht die Erwartungen der Sieger und Kenana wurde auf die Folter gelegt, damit er den übrigen Theil seines vermutheten Reichthums verriethe. Entweder er konnte oder er wollte keine weiteren Aufklärungen geben, daher wurde er der Rache eines Moslemen übergeben, dessen Bruder er durch ein Stück Mühlstein, das er von der Mauer hinabschleuderte, todt gequetscht hatte, und dieser schlug ihm durch einen einzigen Säbelhieb den Kopf ab.

Als sich Mohammed in der Citadelle aufhielt, war er nahe daran, als ein Opfer jüdischer Rache zu fallen. Er verlangte nämlich Etwas zu essen und man setzte ihm eine Lammsbrust vor. Bei dem ersten Bissen bemerkte er etwas Ungewöhnliches in dem Geschmacke und spuckte ihn aus, aber augenblicklich fühlte er einen stechenden Schmerz im Innern. Einer von seinen Begleitern, Namens Baschar, welcher reichlicher gegessen hatte, fiel nieder und starb in Verzückungen. Alles war nun Verwirrung und Bestürzung; nach sorgfältiger Untersuchung fand man, daß das Lamm von Zainab, einer Gefangenen der Nichte des riesenmäßigen, von Ali getödteten Kriegers Marhab, gekocht worden war. Als sie vor Mohammed gebracht und angeklagt wurde, Gift an das Fleisch gethan zu haben: so bekannte sie es dreist und vertheidigte es als eine zu rechtfertigende Rache für das Böse, was er über ihren Stamm und ihre Familie gebracht hätte. »Ich dachte«, sagte sie, »wenn du wirklich ein Prophet wärest, so würdest du die Gefahr entdecken; wenn aber nur ein Häuptling, so würdest du fallen, und wir würden von einem Tyrannen befreit werden.« Die arabischen Schriftsteller sind in Rücksicht des Schicksals dieser Heldin getheilt. Nach einigen wurde sie der Rache der Verwandten Baschars, welcher an dem Gifte gestorben war, überliefert; nach andern sprach ihre Schönheit zu ihren Gunsten, und Mohammed gab sie ihrer Familie unverletzt zurück.

Dieselben Schriftsteller lassen in Mohammeds Leben kein Ereigniß ohne ein Wunder vorübergehen. In dem gegenwärtigen Falle versichern sie uns, daß die vergiftete Lammsbrust wunderbarerweise mit Sprache begabt wurde und Mohammed vor der Gefahr warnte. Wenn sich das so verhielt, so war sie etwas träge im Sprechen, denn er hatte hinlängliches Gift eingesogen, um seine Körperconstitution für das übrige Leben zu schwächen, da es ihm oft Anfälle von Qualen verursachte, und noch in seinen letzten Augenblicken klagte er, daß das Gift von Khaibar in den Adern seines Herzens tobe. Eine freundlichere Behandlung erfuhr er von Safiya (oder Sophia), einer andern Gefangenen, welche noch stärkere Beweggründe zur Rache hatte als Zainab; denn sie war die neulich verlobte Frau Kenanas, welcher wegen seines Reichthums so eben hingeopfert worden war; sie war ferner die Tochter Hoya Ibn Akhtabs, des Fürsten der Kinder Koraidhas, der, wie erzählt worden ist, mit sieben hundert seines Volkes auf dem Markte von Medina hingerichtet worden war.

Diese Safiya war von großer Schönheit; daher ist es nicht überraschend, daß sie vor Mohammeds Augen alsbald Gnade fand, und daß er, wie gewöhnlich, dieselbe seinem Harem zuzuführen suchen würde; aber das kann überraschen, daß sie ein solches Loos wohlgefällig betrachten sollte. Moslemische Schriftsteller erklären uns dies jedoch durch die Versicherung, daß sie auf übernatürlichem Wege auf dieses Ereigniß vorbereitet wurde. Während nämlich Mohammed vor der Stadt noch lagerte und die Belagerung betrieb: so hatte sie des Nachts eine Vision, bei welcher die Sonne vom Firmamente stieg und in ihren Busen sich senkte. Am Morgen erzählte sie den Traum ihrem Gatten Kenana, welcher sie ins Gesicht schlug mit dem Ausrufe: »Weib! du sprichst in Gleichnissen von diesem arabischen Häuptlinge, der wider uns ausgezogen ist.«

Diese Vision Safiyas wurde zur Wahrheit; denn als Mohammed sie mit allem geziemenden Eifer zum Islam bekehrt hatte, so nahm er sie zum Weibe, bevor er Khaibar verließ. Die Hochzeit fand auf dem Heimmarsche zu Al Sahba statt, wo die Armee drei Tage rastete. Abu Ayub, einer der feurigsten Schüler des Propheten und Hausmarschall desselben, machte mit dem Schwerte in der Hand die Runde um das Hochzeitszelt die Nacht hindurch. Safiya gehörte zu den am meisten begünstigten Frauen Mohammeds und überlebte ihn als Wittwe vierzig Jahre.

Außer diesen Heirathen aus Neigung, welche wir erzählt haben, schloß der Prophet um diese Zeit eine andere aus Staatsklugheit. Kurz nach seiner Heimkehr nach Medina wurde er durch die Ankunft der letzten Flüchtlinge aus Abyssinien erfreut. Unter diesen befand sich auch eine anmuthige Wittwe von dreißig Jahren, deren Gatte Abdallah in der Verbannung gestorben war. Sie war unter dem Namen Omm Habiba, Mutter Habiba's, nach einer Tochter, die sie geboren hatte, allgemein bekannt. Diese Wittwe war Abu Sofians, des Erzfeindes von Mohammed, Tochter, und der Prophet meinte, daß eine Ehe mit der Tochter die feindselige Gesinnung des Vaters lindern möchte, eine politische Anschauung, die ihm die Offenbarung einer Sure im Koran entweder beigebracht oder bestätigt haben soll. Als Abu Sofian diese Vermählung erfuhr, so rief er aus: »Beim Himmel, dieses Kameel ist so muthwillig, daß es kein Maulkorb zähmen kann.«


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