Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Vierundzwanzigstes Capitel.

Mohammed unternimmt eine Wallfahrt nach Mekka. – Umgeht Khaled und eine gegen ihn gesendete Reiterschaar. – Lagert bei Mekka. – Unterhandelt mit den Koreischiten wegen der Erlaubniß einzuziehen und die Wallfahrt zu vollenden. – Vertrag auf zehn Jahre, kraft dessen ihm gestattet wird, einen jährlichen Besuch von drei Tagen zu machen. – Er kehrt nach Medina zurück.

Sechs Jahre waren seit Mohammeds Flucht aus Mekka verflossen. Da diese Stadt in den Augen der Araber heilig und ihr großer Wallfahrtspunct war, so schadete ihm die lange Verbannung aus ihr und der offene Krieg mit den Koreischiten, welche die Aufsicht über die Kaaba hatten, in der Meinung vieler Stämme und verzögerte die Ausbreitung seiner Lehre. Dazu sehnten sich die Anhänger, welche ihn auf der Flucht begleitet hatten, ihre Geburtsstadt noch einmal zu sehen, und es war Gefahr vorhanden, daß bei einer verlängerten Verbannung der Glaube derselben sich abschwächen würde.

Mohammed fühlte mehr und mehr die Wichtigkeit, seine Religion mit der heiligen Stadt zu verbinden und die alten Gebräuche seines Stammes aufrecht zu erhalten. Außerdem behauptete er, nur ein Reformator und besorgt zu sein, die Einfachheit und Reinheit des patriarchalischen Glaubens herzustellen. Der Monat Doul Kaada, der Wallfahrtsmonat, war nahe, in welchem Waffenruhe herrschte, und Feinde innerhalb der heiligen Gränzen in Frieden sich treffen konnten. Eine zeitgemäße Vision versicherte Mohammed, daß er und seine Gläubigen mit Sicherheit den Schutz der ehrwürdigen Sitte benutzen könnten, um das für arabische Anbetung heilige Haus zu besuchen. Die Offenbarung wurde von den Gläubigen mit Freuden aufgenommen, und an der Spitze von vierzehnhundert Mann, theils Mohadscheren, theils Ansaren, brach er im heiligen Mond von Mekka zur Pilgerreise auf. Siebenzig Kameele nahmen sie mit sich, um sie bei der Kaaba zum Opfer zu schlachten. Um öffentlich zu beurkunden, daß sie in friedlicher und nicht in kriegerischer Absicht kämen, machten sie in Dsu Huleifa, einem eine Tagereise von Medina entfernten Dorfe, Halt, legten daselbst ihre sämmtlichen Waffen ab, ausgenommen die in den Scheiden steckenden Schwerter, und zogen von da in Pilgertracht weiter.

In der Zwischenzeit hatte ein verworrenes Gerücht über diese Bewegung Mekka erreicht. Die Koreischiten, Feindseligkeiten befürchtend, schickten Khaled Ibn Waled mit einer starken Reiterschaar mit dem Befehle ab, ungefähr zwei Tagereisen von Mekka in einem Thale Posto zu fassen und das Vorrücken der Moslemen aufzuhalten.

Als Mohammed hörte, daß ihm die Hauptstraße auf diese Art verlegt wäre, so schlug er einen rauhen und beschwerlichen Weg durch die Engpässe der Gebirge ein, und stieg, Khaled und seine Streitmacht umgehend, in die Ebene bei Mekka hinab; daselbst lagerte er sich zu Hodeiba innerhalb der heiligen Gränzen. Von hier schickte er den Koreischiten Versicherungen seiner friedlichen Absichten und beanspruchte die Freiheiten und Rechte der Wallfahrt.

Abgesandte der Koreischiten besuchten das Lager, um Beobachtungen anzustellen. Sie waren von der Ehrfurcht, mit welcher Mohammed von seinen Bekennern betrachtet wurde, betroffen. Das Wasser, in welchem er seine Waschungen verrichtete, wurde geheiligt, ein Haar, welches von seinem Kopfe fiel, oder ein Abschnitzel eines Nagels wurde als eine kostbare Reliquie aufgegriffen. Einer der Abgesandten berührte unbewußt im Laufe der Unterhaltung den herabwallenden Bart des Propheten; er wurde von den Gläubigen zurückgestoßen und vor der Gottlosigkeit dieser Handlung gewarnt. Als er den Koreischiten nach seiner Rückkehr Bericht erstattete, so sagte er: »Ich habe den König von Persien und den Kaiser von Constantinopel von ihrem Hofstaate umgeben gesehen; aber niemals sahe ich einen Herrscher von seinen Unterthanen so geehrt, wie Mohammed von seinen Gläubigen.«

Die Koreischiten waren um so abgeneigter, einen Gegner ihrer Secte, welcher wegen des Einflusses auf den Geist und die Gesinnung seiner Gefährten so furchtbar war, in die Stadt hineinzulassen. Mohammed ließ wiederholt Gesandtschaften abgehen, um wegen sicheren Zutritts zum heiligen Hause zu unterhandeln, aber vergeblich. Othman Ibn Assan, sein Schwiegersohn, war sein letzter Geschäftsträger. Mehrere Tage verflossen, ohne daß er zurückkehrte, und es verlautete das Gerücht von seiner Ermordung. Mohammed beschloß, seinen Fall zu rächen. Er stand unter einem Baume, versammelte seine Leute um sich und verlangte einen Eid, ihn sogar bis zum Tode zu vertheidigen und niemals die Fahne des Glaubens zu verlassen. Diese Feierlichkeit ist bei den Mohammedanern unter dem Namen »Freiwillige Weihe« bekannt.

Othmans Wiedererscheinung im Lager stellte die Ruhe wieder her. Er wurde von Solhail, einem Gesandten der Koreischiten begleitet, um einen Friedensvertrag zu errichten. Sie begriffen das Unpolitische der Kriegführung mit einem Manne, dessen Macht unaufhörlich stieg, und welchem man mit solch fanatischer Ergebenheit gehorchte. Der vorgeschlagene Vertrag lautete auf zehn Jahre. Während dieser Zeit sollte Mohammed und seine Anhänger freien Eintritt in Mekka haben und daselbst jedes Mal drei Tage zur Ausübung ihrer religiösen Gebräuche bleiben dürfen. Die Bedingungen wurden bereitwillig angenommen, und Ali erhielt den Auftrag, den Tractat niederzuschreiben. Mohammed dictirte die Worte. »Schreibe,« sagte er, »das sind die Bedingungen des Friedens, welchen Mohammed, der Apostel Gottes, abschließt.« »Halt!« rief der Gesandte Solhail, »hätte ich geglaubt, daß du ein Apostel Gottes wärest, so würde ich niemals die Waffen wider dich ergriffen haben. Schreibe demnach einfach deinen Namen und den Namen deines Vaters.« Mohammed war genöthigt nachzugeben, denn er fühlte, daß er in diesem Augenblicke nicht hinlängliche Gewalt hatte, um über Formen zu streiten; unter diesen Umständen nannte er sich in dem Vertrage einfach Mohammed Ibn Abdollah (Mohammed, Sohn Abdollahs), eine Verleugnung, welche seinen Bekennern einigen Anstoß gab. Ihre Unzufriedenheit steigerte sich, als er ihnen befahl, die Häupter zu scheren und auf dem Platze die Kameele zu opfern, welche sie zur Opferung bei der Kaaba mitgebracht hatten, da dies bewies, daß er nicht die Absicht hatte, in Mekka einzuziehen, indem diese Gebräuche eigentlich am Schlusse der Wallfahrtsfeierlichkeiten verrichtet wurden. Sie erinnerten ihn an seine Vision, welche einen gesicherten Eintritt in die heilige Stadt verheißen hätte. Er erwiderte, der gegenwärtige Vertrag bedeute eine ernstliche Erfüllung derselben, welche im folgenden Jahre sicherlich stattfinden würde. Mit dieser Erklärung mußten sie sich begnügen, und nachdem sie die Ceremonie vollendet und das vorgeschriebene Opfer gebracht hatten, brachen sie das Lager ab, und das Pilgerheer kehrte, in seinen Hoffnungen etwas getäuscht und ein wenig niedergeschlagen, nach Medina zurück.


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