Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Neunundzwanzigstes Capitel.

Absichten auf Mekka. – Abu Sofians Sendung. – Ihr Ergebnis.

Mohammed hatte durch Gewalt entweder der Waffen oder der Beredsamkeit über eine große Zahl der arabischen Stämme die Oberherrschaft erworben. Viele tausend Krieger standen unter seinem Befehle; Söhne der Wüste, die an Hunger, Durst und die sengenden Strahlen der Sonne sich gewöhnt hatten, und denen Krieg eher Vergnügen als Mühseligkeit war. Ihre Zügellosigkeit hatte er beseitigt, ihre Tapferkeit geregelt und sie der Ordnung unterworfen. Wiederholte Siege hatten ihnen Vertrauen auf sich selbst und auf ihren Führer eingeflößt, dessen Fahne sie mit dem schweigenden Gehorsam des Soldaten und dem blinden Feuereifer des Jüngers folgten.

Die Pläne Mohammeds erweiterten sich mit den Mitteln, und ein großes Unternehmen schloß sich jetzt seinem Geiste auf. Mekka, seine Geburtsstadt, der Wohnort seiner Familie mehrere Zeitalter hindurch, der Schauplatz seiner glücklichsten Jahre, war noch in den Händen seiner unversöhnlichen Feinde. Die Kaaba, der Gegenstand der Andacht und Wallfahrt für alle Kinder Ismaels, das Haus seiner frühsten Gottesverehrung, war noch durch die Sinnbilder und Gebräuche der Abgötterei entweiht. Die Fahne des Glaubens auf die Mauern seiner Geburtsstadt zu pflanzen, das heilige Haus von der Entweihung zu säubern, dasselbe der geistigen Anbetung des einen wahren Gottes zurückzugeben und es zum Vereinigungspuncte des Islamismus zu machen: das war jetzt das leitende Ziel seines Ehrgeizes.

Der Friedensvertrag mit den Koreischiten war für jede militärische Unternehmung ein Hinderniß; aber einige zufällige Fehden und Scharmützel gaben bald den Vorwand zu der Beschuldigung, daß sie die Vertragsbestimmungen verletzt hätten. Die Koreischiten hatten diese Zeit her die schnell wachsende Macht der Moslemen achten und fürchten gelernt, und es lag ihnen am Herzen, die Streitigkeiten und Vergehungen einiger unbesonnener Personen auszugleichen und durch Ersatz zu sühnen. Sie bewogen sogar ihren Anführer Abu Sofian, als Friedensbotschafter nach Medina zu reisen, indem sie sich darauf stützten, daß er durch seine Tochter Omm Habiba einigen Einfluß auf den Propheten haben könnte.

Für diesen hochmüthigen Häuptling war es eine schmerzliche Prüfung, fast wie ein Bittender zu dem Manne zu kommen, welchen er als einen Betrüger verspottet und mit unvertilgbarer Feindseligkeit behandelt hatte; und sein stolzes Gemüth war zu noch weiterer Demüthigung verurtheilt, denn Mohammed würdigte ihn keiner Antwort, weil er von seiner Botschaft auf die Schwäche der Partei schloß und zum Kriege geneigt war.

Den Grimm unterdrückend bewarb sich Abu Sofian um Abu Bekers, Omars und Alis Vermittlung; aber sie alle tadelten und wiesen ihn ab, weil sie die geheimen Wünsche Mohammeds kannten. Zunächst war er nun eifrig bemüht, die Gunst Fatimas, der Tochter Mohammeds und der Gattin Alis sich zu sichern, indem er dem Mutterstolze durch die Bitte schmeichelte, daß sie ihren Sohn Hasan, ein Kind von sechs Jahren, seinen Fürsprecher sein ließe; aber Fatima antwortete stolz: »Mein Sohn ist zu jung, um ein Fürsprecher sein zu können, und wider den Willen des Propheten Gottes kann keine Fürsprache Vortheil bringen.« Sogar seine Tochter Omm Habiba, Mohammeds Gattin, auf welche er wegen des Einflusses gerechnet hatte, trug zu seiner Demüthigung bei; denn als er sichs ausbat, sich in ihrer Wohnung auf eine Matte setzen zu dürfen, so legte sie dieselbe eiligst zusammen mit dem Ausrufe: »Das ist das Bett des Propheten Gottes und zu heilig, um der Ruheplatz für einen Götzendiener zu werden.«

Die Schale der Erniedrigung war zum Ueberlaufen voll, und in der Bitterkeit des Herzens verfluchte Abu Sofian seine Tochter. Er wendete sich wiederum an Ali und bat ihn um Rath in diesem trostlosen Zustande seiner Gesandtschaft. »Ich kann dir nichts Besseres rathen,« entgegnete Ali, »als deinerseits als das Oberhaupt der Koreischiten die Fortdauer deiner Beschützung zu versprechen, und dann in deine Heimath zurückzukehren.« »Aber meinst du, daß dieses Versprechen von irgend welchem Nutzen sein wird?« »Ich denke nicht«, entgegnete Ali trocken, »aber ich kenne auch keinen andern Bescheid.«

In Folge dieses Rathschlages begab sich Abu Sofian in die Moschee und gab rücksichtlich der Koreischiten die öffentliche Erklärung, daß der Friedensvertrag auf ihrer Seite treulich aufrecht erhalten werden sollte; hierauf kehrte er, durch das geringfügige Ergebniß seiner Sendung tief gedemüthigt, nach Mekka zurück. Mit Hohn empfingen ihn die Koreischiten, welche bemerkten, daß ohne Mohammeds Zustimmung die Friedenserklärung keinen Werth hätte.


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