Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Dreizehntes Capitel.

Mohammed gewinnt Bekenner unter den Pilgern aus Medina. – Er entschließt sich in diese Stadt zu fliehen. – Ein Mordanschlag gegen ihn. – Sein wunderbares Entkommen. – Seine Hedschra oder Flucht. – Seine Aufnahme in Medina.

Das Geschick Mohammeds wurde in seiner Geburtsstadt trüber und trüber. Kadidschah, seine ursprüngliche Wohlthäterin, die ergebene Genossin seiner Einsamkeit und Zurückgezogenheit, die eifrige Bekennerin seiner Lehren, lag im Grabe; dort war auch Abu Taleb, ehedem sein treuer und wirksamer Beschützer. Beraubt der beschirmenden Macht des Letzteren, war Mohammed gewissermaßen ein Geächteter in Mekka geworden; er war gezwungen, sich zu verbergen und eine Last für die Gastfreundlichkeit derjenigen zu bleiben, welche seine eigene Lehre in Verfolgung verwickelt hatte. Wenn weltlicher Vortheil sein Strebeziel gewesen wäre, wie wäre es erreicht worden? Ueber zehn Jahre waren vergangen, seitdem er seine prophetische Sendung zuerst angekündigt hatte, zehn lange Jahre von Feindschaft, Unruhe und Mißgeschick. Dennoch harrte er aus, und jetzt, in einem Lebensalter, wo man vielmehr die Frucht der Vergangenheit in Ruhe zu genießen sucht, als in neuen Plänen für die Zukunft Alles aufs Spiel zu setzen, jetzt, nachdem er Gemächlichkeit, Vermögen und Freunde aufgeopfert hatte, finden wir ihn bereit, lieber Heimath und Vaterland als seinen religiösen Glauben aufzugeben.

Sobald als die bevorrechtete Zeit der Wallfahrt eintrat, ging er noch einmal aus der Verborgenheit hervor und mischte sich unter die aus allen Theilen Arabiens zusammengeströmte Menge. Sein eifrigster Wunsch ging darauf, irgend einen mächtigen Stamm oder die Bewohner irgend einer bedeutenden Stadt zu finden, welche fähig und willig wäre, ihn als Gast aufzunehmen und ihn in dem Genusse und der Verbreitung seines Glaubens zu beschützen.

Sein Suchen war eine Zeit lang erfolglos. Diejenigen, welche zur Anbetung in der Kaaba gekommen waren, zogen sich vor einem Manne zurück, welchen man als einen Abtrünnigen gebrandmarkt hatte; die weltlich Gesinnten waren abgeneigt, sich mit einem von den Machthabern seiner Heimathsstadt Geächteten zu befreunden.

Als er jedoch auf dem ein wenig nördlich von Mekka gelegenen Hügel Al Akaba eines Tages predigte, zog er endlich die Aufmerksamkeit gewisser Pilger aus der Stadt Yathreb auf sich. Diese Stadt, seitdem Medina genannt, lag ungefähr sechzig Meilen nördlich von Mekka. Viele ihrer Bewohner waren Juden und sectirerische Christen. Die in Rede stehenden Pilger waren reine Araber des alten und mächtigen Stammes der Khazraditen und standen aus Gewohnheit in freundlichem Verkehr mit den Keneediten und Naderiten, zwei jüdischen in Mekka wohnenden Stämmen, welche von der priesterlichen Familie Aarons abzustammen sich rühmten. Die Pilger hatten oft zugehört, wenn ihre jüdischen Freunde die Geheimnisse ihres Glaubens darlegten und von einem zu erwartenden Messias sprachen. Sie wurden durch Mohammeds Beredtsamkeit gerührt und von der Aehnlichkeit seiner Lehren mit denen des jüdischen Gesetzes ergriffen, so daß sie, als sie vernahmen, wie er sich als einen vom Himmel zur Wiederherstellung des alten Glaubens gesendeten Propheten ankündigte, zu einander sagten: »Dieser muß gewiß der verheißene Messias sein, von welchem man uns gesagt hat.« Je mehr sie aufmerkten, desto fester wurde ihre Ueberzeugung von der Thatsache, bis sie am Ende dieselbe öffentlich aussprachen und ein entscheidendes Bekenntniß des Glaubens ablegten.

Da die Khazraditen einem der mächtigsten Stämme von Yathreb angehörten, so suchte sich Mohammed den Schutz derselben zu sichern und schlug vor, sie bei ihrer Heimkehr zu begleiten; aber sie berichteten ihn, daß sie in einer tödtlichen Fehde mit den Awsiten, einem andern mächtigen Stamme jener Stadt, begriffen wären, und riethen ihm, sein Kommen zu verschieben, bis sie in Frieden sein würden. Er war damit einverstanden; aber bei der Heimkehr der Pilger schickte er Musab Ibn Omeir, einen der kenntnißreichsten und fähigsten unter seinen Schülern, mit ihnen und gab ihm den Auftrag, sie in dem Glauben zu stärken und ihn auch den Landsleuten derselben zu predigen. Auf diese Weise wurden die Saamenkörner des Islams zuerst in der Stadt Medina ausgestreut. Mit der Zeit gediehen sie, wenn auch langsam. Musab wurde von den Götzendienern angefeindet und sein Leben bedroht; aber er beharrte in seinen Anstrengungen, und allmälig gewann er unter den vornehmen Bewohnern Bekenner. Unter diesen waren Saad Ibn Maads, ein Fürst oder Häuptling der Awsiten, und Osaid Ibn Hodheir, ein Mann von großem Ansehen in der Stadt. Schaaren mekkanischer Moslemen, durch Verfolgung vertrieben, suchten ebenfalls in Medina einen Zufluchtsort und halfen bei der Verbreitung des neuen Glaubens unter den Einwohnern, bis er fast in jede Familie Eingang fand.

Da man sich jetzt gesichert fühlte, Mohammed ein Asyl in der Stadt geben zu können: so zogen über siebenzig Neubekehrte, von Musab Ibn Omeir geführt, in dem heiligen Monat des vierzehnten Jahrs »der Sendung« mit den Pilgern von Medina nach Mekka, um ihn einzuladen, seinen Wohnsitz in ihrer Stadt aufzuzuschlagen. Mohammed gab ihnen auf dem Hügel Al Akaba ein Nachtessen. Sein Oheim Al Abbas, welcher, wie der abgeschiedene Abu Taleb, herzlichen Antheil an seinem Wohlergehen nahm, obschon er kein Bekenner seiner Lehren war, begleitete ihn zu dieser geheimen Unterhandlung, weil er fürchtete, daß sie ihn in Gefahr stürzen könnte. Dringend bat er die Pilger von Medina, seinen Neffen nicht eher in ihre Stadt zu verlocken, als bis sie zu seiner Beschützung gerüsteter wären, indem er sie erinnerte, daß ihre offene Annahme des neuen Glaubens ganz Arabien gegen sie in die Waffen bringen würde. Seine Ermahnungen und Bitten waren umsonst; ein feierlicher Vertrag wurde zwischen den Parteien abgeschlossen. Mohammed verlangte, daß sie die Abgötterei abschwören und den Einen wahren Gott öffentlich und furchtlos anbeten sollten. Für sich verlangte er Gehorsam in Glück und Unglück; für die Gläubigen, welche ihn begleiten würden, Schutz, sogar solchen, welchen sie ihren eigenen Frauen und Kindern gewährten. Auf diese Bedingungen hin erbot er sich zu der Verbindlichkeit, bei ihnen zu bleiben, der Freund ihrer Freunde, der Feind ihrer Feinde zu sein. »Aber wenn wir in deiner Sache den Tod finden, was wird unser Lohn sein?« fragten sie. »Das Paradies«, antwortete Mohammed.

Die Bedingungen wurden angenommen; die Abgesandten aus Medina legten die Hände in Mohammeds Hände und schwuren, daß sie in diesem Vertrage verbleiben wollten. Letzterer sonderte unter ihnen zwölf aus, welche er als seine Apostel bezeichnete, darin, wie angenommen wird, das Beispiel unsers Erlösers nachahmend. Gerade da wurde vom Gipfel des Berges her eine Stimme gehört, welche sie des Abfalls anklagte und ihnen Strafe drohte. Das Ertönen dieser Stimme, in der Finsterniß der Nacht gehört, versetzte sie in zeitweilige Furcht. »Es ist die Stimme des Feindes Iblis,« sagte Mohammed geringschätzig; »er ist der Feind Gottes, fürchtet ihn nicht.« Wahrscheinlich war es die Stimme eines Kundschafters oder Horchers der Koreischiten; denn schon am nächsten Morgen zeigten sie Kenntniß von dem, was in der Nacht stattgefunden hatte, und behandelten die neuen Verbündeten bei ihrer Abreise mit großer Barschheit.

Dieser frühe Zuwachs des Glaubens, diese Mohammed und seinen Bekennern zeitig angebotene und später geleistete Hülfe war es, was den Moslemen von Medina die Benennung Ansaren oder Hülfsvölker verschaffte, durch welche sie nachher ausgezeichnet wurden.

Nach der Abreise der Ansaren und Ablauf des heiligen Monats wurden die Verfolgungen der Moslemen mit gesteigertem Ingrimm wieder aufgenommen, so daß Mohammed, welcher sah, daß eine Entscheidung auf der Hand lag, und entschlossen war, die Stadt zu verlassen, seinen Anhängern den allgemeinen Rath gab, für ihre Sicherheit Sorge zu tragen. Was ihn betrifft, so verweilte er mit wenigen ergebenen Gläubigen noch in Mekka.

Abu Sofian, sein unversöhnlicher Feind, war zu dieser Zeit Befehlshaber der Stadt. Er war über das sich ausbreitende Wachsthum des neuen Glaubens ebenso erzürnt als beunruhigt und berief eine Versammlung der vornehmsten Koreischiten, um Mittel ausfindig zu machen, demselben einen wirksamen Einhalt entgegenzustellen. Einige riethen, Mohammed aus der Stadt zu verbannen; aber es wurde dagegen eingeworfen, daß er andere Stämme oder die Bevölkerung Medinas für sein Interesse gewinnen und an ihrer Spitze zurückkehren könnte, um Rache zu nehmen. Andere schlugen vor, ihn in einen Kerker einzuschließen und ihn mit Nahrung zu versorgen bis er stürbe; aber es tauchte die Bedenklichkeit auf, daß die Freunde sein Entkommen bewerkstelligen möchten. Alle diese Einwürfe wurden von einem gewaltthätigen und verschmitzten Greise, einem Fremden aus der Provinz Nedscha, erhoben; das war, wie die moslemischen Schriftsteller sagen, kein Anderer als der verkleidete Teufel, welcher seinen bösen Geist den Anwesenden einhauchte. Endlich erklärte Abu Jahl, daß das allein wirksame Mittel wider das wachsende Uebel wäre, wenn man Mohammed dem Tode überlieferte. Dem stimmten Alle bei. Um das Gehässige der That zu theilen und der Rache, welche sie unter den Verwandten des Schlachtopfers hervorrufen würde, zu widerstehen, wurde angeordnet, daß ein Glied aus jeder Familie das Schwert in den Leib Mohammeds stoßen sollte.

Auf diese Verschwörung ist in der achten Sure des Korans Bezug genommen. »Erinnere dich, wie die Ungläubigen den Plan faßten, entweder in Fesseln dich zu schlagen, oder dem Tode dich zu weihen, oder aus der Stadt dich zu verjagen; aber Gott richtete einen Anschlag wider sie; und Gott ist der beste Urheber aller Anschläge.«

In der That wurde Mohammed zur Zeit, wo die Mörder vor seiner Wohnung ankamen, von der bevorstehenden Gefahr unterrichtet. Wie gewöhnlich wird diese Warnung dem Engel Gabriel zugetheilt; aber es ist wahrscheinlich, daß sie ihm durch einen weniger blutdürstigen Koreischiten, als die andern Verbündeten waren, zukam. Sie traf gerade zu rechter Zeit ein, um Mohammed aus den Händen seiner Feinde zu retten. Sie hielten an seiner Thüre, aber sie zögerten einzutreten. Durch eine Ritze blickend glaubten sie zu sehen, daß Mohammed, in seinen grünen Mantel gehüllt, auf seinem Bette läge und schliefe. Sie warteten einige Zeit und berathschlagten, ob sie während des Schlafes über ihn herfallen oder warten sollten, bis er herausgehen würde. Endlich brachen sie die Thür auf und stürzten nach dem Lager. Der Schläfer fuhr auf; aber anstatt Mohammeds stand Ali vor ihnen. Erstaunt und beschämt fragten sie: »Wo ist Mohammed?« »Ich weiß es nicht«, antwortete Ali mit verdrießlicher Miene und ging fort; sie machten auch keinen Versuch, ihn zu beunruhigen. Wüthend jedoch über die Entweichung ihres Schlachtopfers versprachen die Koreischiten Jedem, welcher ihnen Mohammed todt oder lebendig bringen würde, eine Belohnung von hundert Kameelen.

Man hat verschiedene Erzählungen über die Art und Weise, auf welche Mohammed die Entweichung aus dem Hause bewerkstelligte, nachdem der treue Ali sich in den Mantel desselben gehüllt und seine Stelle auf dem Lager eingenommen hatte. Die wunderbarste Erzählung ist die, daß er die Thüre schweigend öffnete, als die Koreischiten vor derselben standen, und auf sie, indem er eine Hand voll Staub in die Luft streute, eine solche Blindheit fallen ließ, daß er mitten durch sie hindurchging, ohne von ihnen bemerkt zu werden. Das wird, fügt man hinzu, durch den Vers der dreißigsten Sure des Korans bestätigt: »Wir haben Blindheit auf sie geworfen, daß sie nicht sehen sollen.«

Am wahrscheinlichsten ist die Erzählung, daß er mit Hülfe eines Dieners, welcher ihn auf seinen Rücken treten ließ, im Hintergrunde des Hauses über die Mauer kletterte.

Er begab sich unmittelbar in Abu Bekers Haus, und daselbst trafen sie Anordnung für die augenblickliche Flucht. Es wurde beschlossen, in eine Höhle des Berges Thor, ungefähr eine Stunde von Mekka entfernt, zu fliehen und daselbst so lange zu warten, bis sie sicher nach Medina reisen könnten; während dieser Zeit sollten Abu Bekers Kinder ihnen Nahrung im Geheimen dahin bringen. Sie verließen Mekka, als es noch finster war, legten den Weg beim Scheine der Sterne zurück und bei der Dämmerung des Tages befanden sie sich am Fuße des Berges Thor. Kaum waren sie in die Höhle hinein, als sie den Lärm der Verfolgung hörten. Abu Beker, obgleich ein tapfrer Mann, zitterte vor Furcht. »Unsre Verfolger«, sagte er, »sind zahlreich und wir sind nur zwei.« »Nein«, entgegnete Mohammed, »es giebt noch einen Dritten; Gott ist mit uns!« Und hier erzählen die moslemischen Schriftsteller ein Wunder, welches den Herzen aller wahren Gläubigen theuer ist. Zu der Zeit, als die Koreischiten, sagen sie, den Eingang der Höhle erreichten, war eine Akazie vor demselben aufgewachsen, in deren ausgebreitete Aeste eine Taube ihr Nest gebaut und Eier hineingelegt hatte, und über dem Ganzen hatte eine Spinne ihr Netz gewoben. Als die Koreischiten diese Zeichen ungestörter Ruhe erblickten, so schlossen sie, daß diese Höhle neulich Niemand betreten haben könnte; daher wendeten sie sich hinweg und verfolgten die Nachforschung in einer andern Richtung.

Ob durch ein Wunder beschützt oder nicht, die Flüchtlinge blieben drei Tage unentdeckt in der Höhle, und Asama, die Tochter Abu Bekers, brachte ihnen in der Abenddämmerung Nahrung. Am vierten Tage wagten sich die Flüchtlinge hervor, da sie vermutheten, daß sich die Verfolgungswuth gelegt hätte, und reisten auf Kameelen, die ihnen ein Diener Abu Bekers in der Nacht gebracht hatte, nach Medina ab. Die Hauptstraße, welche gewöhnlich von den Karavanen eingeschlagen wurde, vermeidend, nahmen sie ihren Weg näher an der Küste des rothen Meeres. Sie waren jedoch nicht weit vorgerückt, als sie von einer Reiterschaar, Soraka Ibn Malek an ihrer Spitze, eingeholt wurden. Abu Beker war wegen der Anzahl ihrer Verfolger wiederum in Furcht; aber Mohammed wiederholte die Versicherung: »Sei nicht ängstlich, Allah ist mit uns.« Soraka war ein grimmiger Krieger mit langzottigen grauen Locken und nackten, sehnigen, behaarten Armen. Als er Mohammed einholte, bäumte sein Pferd und er stürzte mit demselben. Sein abergläubisches Gemüth wurde davon wie von einem bösen Vorzeichen betroffen. Mohammed erkannte den Zustand seiner Gefühle und wirkte durch einen beredten Zuruf dergestalt auf ihn ein, daß Soraka ihn ehrfurchtsvoll um Verzeihung bat, sich mit seiner Schaar rückwärts wendete und ihn ohne Belästigung seinen Weg gehen ließ.

Die Flüchtlinge setzten die Reise ohne weitere Unterbrechung fort, bis sie in Koba, einem Flecken ungefähr zwei Meilen von Medina entfernt, ankamen. Es war ein beliebter Versammlungsort der Stadtbewohner und ein Platz, an welchen sie die Kranken und Siechen schickten, denn die Luft war rein und gesund. Von da wurde auch die Stadt mit Obst versorgt, denn der Flecken und dessen Umgebung war mit Weinbergen, mit Dattel- und Lotuswäldchen und mit Gärten bedeckt, welche Citronen, Orangen, Granatäpfel, Feigen, Pfirsiche und Aprikosen trugen und von klaren Bächen bewässert wurden.

Bei der Ankunft an diesem fruchtbaren Orte duckte sich Al Kaswa, Mohammeds Kameel, auf die Knie nieder und wollte nicht weiter gehen. Der Prophet erklärte dies für ein günstiges Zeichen und beschloß, in Koba zu bleiben und sich zum Einzug in die Stadt vorzubereiten. Die Stelle, wo das Kameel niederkniete, wird von frommen Moslemen noch gezeigt, indem eine Moschee, Al Takwa, d. i. Tempel der Frömmigkeit, genannt, daselbst erbaut worden ist, um den Vorfall im Andenken zu bewahren. Einige versichern, daß sie sogleich von dem Propheten gegründet worden sei. Auch wird ein tiefer Brunnen in der Nachbarschaft gezeigt, an welchem Mohammed im Schatten der Bäume ausruhte, und in welchen er seinen Siegelring fallen ließ. Man glaubt, daß er sich noch darin befindet; er hat dem Brunnen Heiligkeit verliehen; das Wasser desselben wird durch unterirdische Kanäle nach Medina geleitet. In Koba blieb er vier Tage und wohnte in dem Hause eines Awsiten, Namens Colthum Ibn Hadem. Mittlerweile vereinigte sich in diesem Dorfe mit ihm ein hervorragender Häuptling, Boreida Ibn Hoseib, nebst siebenzig Genossen, sämmtlich dem Stamme Saham angehörig. Diese legten das Glaubenskenntniß in Mohammeds Hände ab.

Ein anderer berühmter Bekenner des Islams, welcher in diesem Flecken zu dem Propheten kam, war Salman al Parsi (oder der Perser). Es wird erzählt, daß er aus einem kleinen Orte bei Ispahan gebürtig gewesen sei, und daß er, als er eines Tages bei einer christlichen Kirche vorbei ging, von der Andacht dieser Leute und von der Feierlichkeit der Anbetung so sehr ergriffen wurde, daß er vor dem abgöttischen Glauben, in welchem er erzogen worden war, einen Ekel bekam. Hierauf zog er gegen Osten, von Stadt zu Stadt, von Kloster zu Kloster, um eine Religion aufzusuchen, bis ihm ein ehemaliger Mönch, von Jahren und Schwachheit niedergebeugt, von einem Propheten erzählte, welcher in Arabien aufstehen würde, um den reinen Glauben Abrahams wieder herzustellen.

Dieser Salman erhob sich in spätem Jahren zu Macht und Ansehen und wurde von den Ungläubigen Mekkas für den gehalten, welcher Mohammed in der Zusammenstellung seiner Lehren Beistand geleistet hätte. Darauf wird in der sechzehnten Sure des Korans hingewiesen. »Wahrlich, sagen die Götzendiener, ein gewisser Mann unterstützte ihn bei der Abfassung des Korans; aber die Sprache dieses Mannes ist Ajami (oder persisch), der Koran jedoch ist in der reinen arabischen Sprache niedergeschrieben.«

Als die Moslemen Mekkas, welche einige Zeit vorher in Medina eine Zufluchtsstätte gefunden hatten, hörten, daß Mohammed in der Nähe wäre, so kamen sie heraus, um ihn in Koba aufzusuchen. Unter ihnen befand sich auch der neulich bekehrte Talha und Zobeir, Kadidschahs Neffe. Diese sahen, daß Mohammeds und Abu Bekers Kleider von der Reise befleckt waren, und gaben ihnen weiße Mäntel, damit sie in denselben den Einzug in Medina hielten. Viele Ansaren oder Hülfsvölker Medinas, welche im vorigen Jahre einen Vertrag mit Mohammed geschlossen hatten, beeilten sich jetzt, das Gelübde der Treue zu erneuern.

Von diesen erfuhr er, daß die Zahl der Gläubigen in der Stadt reißend schnell wüchse, und daß es allgemeine Stimmung wäre, ihn günstig aufzunehmen. Daher bestimmte er den Freitag, den moslemischen Sabbath, den sechzehnten Tag des Monats Rabi, zu seinem öffentlichen Einzuge.

Demnach versammelte er am Morgen dieses Tages alle seine Anhänger zum Gebet; nach einer Predigt, in welcher er die Hauptlehren seines Glaubens auseinander setzte, bestieg er sein Kameel Al Kaswa und brach nach der Stadt auf, welche in den nachfolgenden Zeitaltern als seine Zufluchtsstadt berühmt werden sollte.

Boreida Ibn al Hoseib nebst siebenzig Reitern von dem Stamme Saham begleitete ihn als Leibwache; einige seiner Schüler machten es sich zum Geschäft, einen Baldachin von Palmblättern über seinem Haupte zu halten; an seiner Seite ritt Abu Beker. »O Apostel Gottes!« rief Boreida, »ohne Standarte darfst du in Medina nicht einziehen.« Bei diesen Worten breitete er seinen Turban auseinander, band das eine Ende desselben an die Spitze seiner Lanze und trug sie hoch erhebend vor dem Propheten her.

Die Stadt Medina machte in der Nähe einen günstigen Eindruck, da sie wegen der Schönheit der Lage, der Heilsamkeit des Klimas, der Fruchtbarkeit des Bodens, der Ueppigkeit der Palmbäume, des Wohlgeruchs der Sträucher und Blumen gepriesen wurde. In einer kleinen Entfernung von der Stadt kam ein Haufe neuer Bekenner des Glaubens in Sonnenhitze und Staub einher, um sich der einziehenden Schaar anzuschließen. Die Meisten von ihnen hatten Mohammed niemals gesehen und bezeigten Abu Beker aus Irrthum ihre Ehrfurcht; der Letztere jedoch beugte den Schirm von Palmblättern seitwärts und zeigte ihnen die wirkliche Person der Verehrung, welche mit lauten Zurufen willkommen geheißen wurde.

In dieser Weise hielt Mohammed, der neulich aus seiner Vaterstadt geflohen war und auf dessen Kopf man einen Preis gesetzt hatte, seinen Einzug in Medina eher wie ein Eroberer im Triumph, als wie ein Verbannter, welcher ein Asyl sucht. In dem Hause des Khazraditen Abu Ayub stieg er ab; dieser war ein frommer Moslem und außerdem stand er mit ihm in entfernter Verwandtschaft; hier wurde er gastfreundlich aufgenommen und schlug seine Wohnung im untern Stockwerke auf.

Kurz nach seiner Ankunft traf der treue Ali bei ihm ein. Dieser war aus Mekka geflohen und hatte die Reise zu Fuß gemacht; am Tage hatte er sich verborgen und war nur des Nachts gereist, um nicht den Koreischiten in die Hände zu fallen. Müde und abgemattet kam er an, seine Füße bluteten von der Rauhigkeit des Weges.

Wenige Tage nachher kam Ayescha an und die übrige Familie Abu Bekers sammt Mohammeds Familie, geführt von seinem treuen Freigelassenen Zeid und von Abu Bekers Diener Abdallah.

Das ist die Geschichte der merkwürdigen Hedschra (Hegira) oder »Flucht des Propheten;« – die Aera (Zeitrechnung) des arabischen Kalenders, nach welchem alle gläubigen Moslemen rechnen; sie entspricht dem 15. Juli im 622. Jahr der christlichen Zeitrechnung.


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