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Unter den arabischen Stämmen, welche wider Mohammed nach seiner Niederlage am Ohod die Waffen ergriffen, waren die Beni Mostalek, ein mächtiges Geschlecht koreischitischer Abstammung. Mohammed erhielt Nachricht, daß sie sich unter ihrem Fürsten Al Hareth bei dem Brunnen Moraisi in dem Gebiete Kedad fünf Meilen vom rothen Meere in kriegerischer Absicht versammelt hatten. Er rückte sogleich an der Spitze eines ausgewählten Heeres von Gläubigen ins Feld; viele Khazraditen, von ihrem Häuptling Abdallah Ibn Obba geführt, hatten sich angeschlossen. Durch eine schnelle Bewegung überraschte er den Feind; Al Hareth wurde beim Angriffe durch einen Pfeilschuß getödtet; seine Truppen flohen in Verwirrung nach kurzem Widerstande, bei welchem Einige getödtet wurden. Zweihundert Gefangene, fünftausend Schafe und eintausend Kameele waren die Früchte dieses leichten Sieges. Unter den Gefangenen befand sich Barra, Al Hareth's Tochter und Gattin eines jungen Arabers von ihrem Geschlechte. Bei der Theilung fiel sie in das Loos Thabet Ibn Reis', der ein hohes Lösegeld forderte. Die Gefangene appellirte gegen diese Erpressung an Mohammed und bat, daß das Lösegeld gemindert werden möchte. Der Prophet betrachtete sie mit sehnsüchtigen Augen, denn sie war schön anzuschauen. »Ich kann dir besser dienen«, sagte er, »als durch Herabsetzung des Lösegeldes; sei mein Weib.« Die schöne Barra gab bereitwillig ihre Zustimmung; das Lösegeld für sie wurde vom Propheten an Thabet ausgezahlt; die Verwandten derselben wurden von den Moslemen, in deren Loos sie gefallen waren, in Freiheit gesetzt; die meisten von ihnen nahmen den Glauben an, und Barra wurde nach der Rückkehr nach Medina Mohammeds Weib.
Nach dem Gefechte drängten sich die Truppen um den Brunnen Moraisi, um den Durst zu löschen. In dem Gedränge erhob sich zwischen einigen Mohadscheren und Khazraditen ein Streit, bei welchem einer der Letzteren einen Schlag erhielt. Seine Kameraden stürzten herbei, um die Beleidigung zu rächen, und ohne Mohammeds Einschreiten würde Blut geflossen sein. Die Khazraditen blieben erbittert, und Andere von der medinäischen Bevölkerung machten mit ihnen gemeinschaftliche Sache. Abdallah Ibn Obba, der begierig war, aus jedem der steigenden Macht Mohammeds widerwärtigen Umstande Vortheil zu ziehen, nahm seine Verwandten und Mitbürger auf die Seite. »Sehet«, sagte er, »die Beschimpfungen, welche ihr durch Beherbergung dieser flüchtigen Koreischiten über euch gebracht habt. Ihr habt sie in eure Häuser aufgenommen und ihnen eure Güter gegeben, und jetzt wenden sie sich wider euch und mißhandeln euch. Sie möchten sich sogar in euren eigenen Häusern zu euren Herren machen; aber bei Allah, wenn wir nach Medina zurückkommen, so werden wir sehen, wer von uns der Stärkste ist.«
Ueber diese aufrührerische Sprache wurde Mohammed geheime Botschaft gebracht. Omar rieth ihm zugleich, Abdallah aus dem Wege zu räumen; aber der Prophet fürchtete, dadurch die Rache der Verwandten und Anhänger des mächtigen Khazraditen zu reizen. Um keine Zeit zu Meuterei zu lassen, trat er, obschon es in der Hitze des Tages war, den Heimmarsch unverweilt an, setzte ihn die Nacht hindurch fort und machte erst am folgenden Mittage Halt, als die müden Krieger für Nichts als für Ruhe Sinn hatten.
Nach der Ankunft in Medina zog er Abdallah zur Rechenschaft wegen der aufrührerischen Ausdrücke. Dieser stellte sie völlig in Abrede und erklärte denjenigen, welcher ihn angeklagt hätte, für einen Lügner. Eine Offenbarung vom Himmel bestätigte jedoch die Anklage wider ihn und seine Anhänger. »Das sind die Leute«, sagt der Koran, »welche zu den Bewohnern Medinas sprechen, gebet den Flüchtlingen Nichts, welche bei dem Propheten Gottes sind, damit sie gezwungen werden, sich von ihm zu trennen. Sie sagen, wahrlich, wenn wir nach Medina zurückkehren, so wird der Würdigere den Geringeren von dort vertreiben. Gott fluche ihnen! Wie sind sie von der Wahrheit abgewendet!«
Einige Freunde Abdallahs, durch diese Offenbarung überführt, riethen ihm, den Propheten um Verzeihung zu bitten; aber er verachtete ihren Rath. »Ihr habt mich«, sagte er, »bereits überredet, diesem Manne mein Ansehen und meine Freundschaft zu widmen, und jetzt möchtet ihr haben, daß ich mich sogar unter seine Füße stellte.«
Nichts konnte ihn zu der Ueberzeugung führen, daß Mohammed nicht ein Götzendiener im Herzen und seine Offenbarungen nicht eitel Betrug und Täuschung wären. Er betrachtete ihn auf alle Fälle als einen furchtbaren Nebenbuhler, und suchte ihn auf jegliche Art zu beeinträchtigen und niederzudrücken. Dieser unversöhnlichen Feindseligkeit wird eine scandalöse Geschichte zugeschrieben, welche er über Ayescha, die Lieblingsfrau des Propheten, verbreitete.
Es war Mohammeds Gewohnheit, auf seinen Kriegszügen stets eine seiner Frauen zur Gesellschaft und Aufheiterung bei sich zu haben; sie wurde durchs Loos gewählt, und bei der letzten Veranlassung war das Loos auf Ayescha gefallen. Sie reiste in einer mit Gardinen verschlossenen Sänfte auf einem Kameele, welches von einem Diener geführt wurde. Als die Armee auf dem Rückmarsche aus Notwendigkeit Halt machte, so waren Ayeschas Diener erstaunt, die Sänfte leer zu finden. Bevor sie sich von ihrer Ueberraschung erholten, kam sie auf einem Kameele an, welches der junge Araber Safwan Ibn al Moattel führte. Da dieser Vorfall zu Abdallahs Kenntniß gelangt war, so posaunte er ihn nach seiner Rückkehr in Medina in alle Welt aus, indem er zugleich behauptete, daß Ayescha sich der Unkeuschheit mit dem jugendlichen Safwan schuldig gemacht hätte.
Diese Geschichte wurde von Hamma, der Schwester der schönen Zeinab, welche Mohammed neulich geehelicht hatte, begierig aufgegriffen und in Umlauf gesetzt, weil sie hoffte, ihrer Schwester durch den Fehltritt ihrer ärgsten Nebenbuhlerin Ayescha Nutzen zu schaffen; sie wurde auch von Mistah, einem Verwandten Abu Bekers, nacherzählt und von dem Dichter Hasan in satyrischen Versen besungen.
Es dauerte einige Zeit, bevor Ayescha von dem Scandal, der auf ihre Unkosten in Umlauf war, Kenntniß erhielt. Krankheit hatte sie nach der Rückkehr nach Medina an das Haus gefesselt, und Niemand wagte es, ihr zu erzählen, wessen sie beschuldigt wurde. Sie merkte indessen, daß der Prophet ernst und schweigsam war und sie nicht mehr mit der gewöhnlichen Zärtlichkeit behandelte. Nach ihrer Genesung erfuhr sie das ihr beigemessene Vergehen und betheuerte ihre Unschuld. Ihre Erzählung des Vorfalles ist folgende:
Die Armee hatte sich auf dem Heimzuge nicht weit von Medina gelagert, als in der Nacht Befehl zum Aufbruche gegeben wurde. Die Diener brachten wie gewöhnlich ein Kameel vor Ayeschas Zelt und zogen sich, nachdem sie die Sänfte auf den Boden gesetzt hatten, zurück, bis sie ihren Sitz dann eingenommen haben konnte. Als sie im Begriffe war einzusteigen, vermißte sie ihr Halsband und kehrte in das Zelt zurück, um es zu suchen. In derselben Zeit hoben die Diener die Sänfte auf das Kameel und schnallten sie fest, ohne zu bemerken, daß sie Nichts enthielt, weil Ayescha schlank und von geringer Schwere war. Als sie von dem Suchen des Halsbandes zurückkehrte, war das Kameel abgegangen und die Armee auf dem Marsche; hierauf wickelte sie sich in ihren Mantel und setzte sich nieder, indem sie hoffte, daß man, wenn ihre Abwesenheit entdeckt werden sollte, einige Personen zurücksenden würde, um sie aufzusuchen.
Während sie so dort saß, kam der junge Araber Safwan Ibn al Moattel, der zur Nachhut gehörte, herbei und redete sie, als er sie erkannte, mit dem gewöhnlichen Moslemengruße an: »Gotte gehören wir und zu Gotte müssen wir zurückkehren! Gattin des Propheten, warum bleibst du zurück?«
Ayescha entgegnete Nichts, sondern zog den Schleier straffer über das Gesicht. Safwan stieg hierauf ab, half ihr das Kameel besteigen und den Zaum ergreifend eilte er, um die Armee zu erreichen. Die Sonne war indessen aufgegangen, bevor er sie gerade vor den Mauern Medinas einholte.
Diese Erzählung, welche von Ayescha mitgetheilt und von Safwan Ibn al Moattel bestätigt wurde, genügte ihren Aeltern und den näheren Freunden; aber von Abdallah und dessen Anhängern, »den Heuchlern«, wurde über dieselbe gespottet. Zwei Parteien entstanden wegen dieser Sache und großer Zank folgte. Was Ayescha betrifft, so schloß sie sich in ihre Wohnung ein, wies alle Nahrung zurück und weinte Tag und Nacht in ihrem Herzeleid.
Mohammed war höchlich beunruhigt und fragte Ali in seiner Verlegenheit um Rath. Dieser nahm die Sache auf die leichte Achsel, indem er bemerkte, daß sein Unglück häufig das Loos des Mannes wäre. Durch diesen Ausspruch wurde der Prophet nur wenig getröstet. Einen Monat lang blieb er von Ayescha getrennt; aber sein Herz sehnte sich nach ihr, nicht blos wegen ihrer Schönheit, sondern weil er ihre Gesellschaft liebte. In einem Kummeranfall gerieth er in eine jener Verzückungen, welche die Ungläubigen der Epilepsie zuschreiben. Während derselben empfing er eine passende Offenbarung, die in einer Sure (XXIV) des Korans gefunden wird. Das Hauptsächlichste ist Folgendes:
Diejenigen, welche eine ehrbare Frau des Ehebruchs beschuldigen und nicht vier Zeugen der That beibringen, sollen mit achtzig Peitschenhieben bestraft und ihr Zeugniß verworfen werden. Was die betrifft, welche die Anklage gegen Ayescha erhoben haben, haben sie vier Zeugen dafür beigebracht? Wenn sie es nicht können, so sind sie Lügner vor Gottes Angesicht. Laßt sie also die Strafe für ihr Vergehen erleiden!
Nachdem die Unschuld der schönen Ayescha so wunderbar kund gemacht worden war, so drückte sie der Prophet mit vermehrter Liebe an sein Herz. Auch zögerte er nicht mit Ertheilung der vorgeschriebenen Züchtigung. Abdallah Ibn Obba war zwar eine zu mächtige Persönlichkeit, um der Geißel preis gegeben zu werden, aber desto schwerer fiel sie auf die Schultern seiner Mitschuldigen. Der Dichter Hasan wurde von der Neigung, satyrische Verse zu machen, für einige Zeit geheilt; auch Hamna, obgleich ein Weib und mit großen persönlichen Reizen begabt, konnte der Erduldung der Geißelhiebe nicht entgehen; denn Mohammed bemerkte, daß solche Schönheit mit einem freundlicheren Charakter hätte verbunden sein sollen.
Die Offenbarung hatte auch den ergebenen Ali von Ayescha's Reinheit überzeugt; aber niemals vergaß und vergab sie es, daß er daran gezweifelt hatte, und der auf diese Weise ihrem Herzen eingepflanzte Groll zeigte sich zu seinem großen Nachtheile in vielen der wichtigsten Angelegenheiten seines späteren Lebens.