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Während des übrigen Theiles vom Jahre blieb Mohammed in Medina, indem er seine zuverlässigsten Jünger, jetzt schon erfahrene Feldherrn, zu verschiedenen Unternehmungen absendete, durch welche widerspenstige Stämme zur Unterwerfung gebracht wurden. Seine staatsmännischen Ansichten erweiterten sich mit der Vermehrung seiner Gebiete. Obgleich er öffentlich erklärte, daß er in Fällen der Nothwendigkeit seine Religion mit dem Schwerte ausbreite: so vernachlässigte er doch nicht die friedlichen Mittel der Verhandlung, und schickte an verschiedene Fürsten und Potentaten, deren Reiche an seinen politischen Gesichtskreis gränzten, Gesandte ab, welche dieselben zur Annahme des Islams drängen sollten, was in der That nichts Anderes hieß, als daß sie ihn, infolge seines apostolischen Amtes, als Oberherrn anerkennen möchten. Die zwei berühmtesten unter diesen Gesandtschaften waren die an Khosru II., König von Persien, und an Heraklius, den römischen Kaiser in Constantinopel, gerichteten. Die Kriege zwischen den Römern und Persern wegen der Oberherrschaft im Osten, welche mehrere Jahrhunderte hindurch von Zeit zu Zeit getobt hatten, waren von diesen zwei Potentaten mit wechselndem Glücke erneuert worden und hatten einige Jahre vorher die östliche Welt zerrüttet. Länder waren von jeder Macht erobert worden; Staaten und Königreiche hatten unter den gegenseitigen Angriffen und infolge der Eroberungen und Niederlagen der kriegenden Parteien die Regierung gewechselt. Zu einer Zeit hatte Khosru mit drei Armeen, von denen eine »die Fünfzig Tausend Goldnen Speere« prahlerisch genannt wurde, dem römischen Kaiser Palästina, Cappadocien, Armenien und mehrere andere große und reiche Provinzen entrissen, hatte sich zum Herrn von Jerusalem gemacht und das »Heilige Kreuz« nach Persien schaffen lassen, war in Afrika eingefallen, hatte Libyen und Aegypten erobert und seine Siege sogar bis nach Carthago ausgedehnt.
Mitten auf dieser triumphirenden Laufbahn kam ein moslemischer Gesandte an, welcher ihm einen Brief von Mohammed brachte. Khosru schickte nach seinem Secretaire oder Dolmetscher und befahl ihm, denselben zu lesen. Der Brief begann wie folgt: »Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Mohammed, der Sohn Abdollahs und Apostel Gottes, an Khosru, den König von Persien.« »Wie!« rief Khosru mit stolzem Zorne auffahrend, »wagt derjenige, welcher mein Sclave ist, in einem Schreiben an mich seinen Namen zuerst zu setzen?« Hierauf schrieb er an seinen Vicekönig in Yemen folgendermaßen: »Mir wird berichtet, daß es in Medina einen Wahnwitzigen aus dem Stamme Koreisch giebt, welcher ein Prophet zu sein behauptet. Bringe ihn wieder zu Verstande, oder schicke mir seinen Kopf, wenn du jenes nicht vermagst.« Als Mohammed erfuhr, daß Khosru seinen Brief zerrissen hätte, so sagte er: »Gerade so wird Allah das Reich desselben in Stücke zerreißen.«
Der Brief des Propheten an Heraklius wurde gnädiger aufgenommen, da er an denselben wahrscheinlich während der Unglücksfälle gelangte. Er war mit silbernen Buchstaben, »Mohammed Azzarael«, Mohammed der Gesandte Gottes, unterschrieben und forderte den Kaiser auf, dem Christenthume zu entsagen und den Islam anzunehmen. Heraklius legte, wie uns erzählt wird, das Schreiben hochachtungsvoll auf sein Kissen, behandelte den Gesandten mit Auszeichnung und entließ ihn mit prächtigen Geschenken. Mit den persischen Kriegen beschäftigt, widmete er dieser Gesandtschaft von einem Manne, welchen er jedenfalls als einen bloßen arabischen Fanatiker betrachtete, keine weitere Aufmerksamkeit; auch legte er nicht ausreichende Wichtigkeit den militärischen Operationen desselben bei, da er sie für bloße Raubzüge der wilden Stämme der Wüste halten mochte.
Eine andere Gesandtschaft Mohammeds ging an den Mukowkis, d. i. an den Gouverneur von Aegypten ab. Dieser war ursprünglich von Heraklius dorthin geschickt worden, um den Tribut einzuziehen, hatte sich aber, die durch die Kriege zwischen Römern und Persern entstandene Verwirrung benutzend, der Alleinherrschaft bemächtigt und beinahe jegliche Lehnsverbindlichkeit gegen den Kaiser beseitigt. Er empfing den Botschafter mit vorzüglicher Ehrenerweisung, vermied aber eine unumwundene Entgegnung auf die Aufforderung, den Islam anzunehmen, indem er bemerkte, daß dies ein ernster Gegenstand wäre, welcher viel Ueberlegung erfordere. Indessen schickte er Mohammed zu Geschenken kostbare Juwelen, Gewänder von ägyptischer Leinwand, ausgezeichneten Honig und Butter, eine weiße Eselin, Yafur genannt, ein weißes Maulthier, Daldal geheißen, und ein flinkes Pferd, Lazlos mit Namen, d. i. das Prunkroß. Das willkommenste unter seinen Geschenken waren jedoch zwei koptische Landmädchen, zwei Schwestern, Namens Mariyah (oder Marie) und Shiren.
Mariyahs Schönheit erregte in dem Gemüthe des Propheten große Unruhe. Er hätte sie gern zu seiner Beischläferin gemacht, wurde aber durch sein eigenes Gesetz in der siebenzehnten Sure des Korans daran verhindert; denn dieses befiehlt, daß Hurerei mit Peitschenhieben bestraft werden soll. Aus dieser Verlegenheit wurde er durch eine andere Offenbarung befreit, welche das Gesetz nur in Rücksicht auf ihn widerrief und ihm den Verkehr mit seinem Hausmädchen erlaubte; für alle andern Moslemen blieb es jedoch in voller Kraft. Um Aergerniß zu vermeiden, und vor allen Dingen, um die Eifersucht seiner Frauen nicht zu reizen, setzte er den Umgang mit der schönen Mariyah im Geheimen fort, und das mag auch ein Grund sein, warum sie lange vor den andern Frauen bevorzugt wurde.