Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Zwölftes Capitel.

Nächtliche Reise des Propheten von Mekka nach Jerusalem, und von da in den siebenten Himmel.

Als ein Asyl für Mohammed im Hause seines Schülers Mutem Ibn Adi besorgt war, so wagte er nach Mekka zurückzukehren. Auf den übernatürlichen Besuch der Genien im Thale Naklah folgte bald eine weit außerordentlichere Vision oder Offenbarung, welche seitdem unter den frommen Mohammedanern ein Gegenstand von Erklärungen und Vermuthungen geblieben ist. Wir meinen die berüchtigte Nachtreise nach Jerusalem und von da in den siebenten Himmel. Die Einzelheiten derselben, obgleich sie scheinbar mit den eigenen Worten Mohammeds erzählt werden, beruhen rein auf Sage; Einige führen jedoch Beweisstellen dafür an, welche hier und da in dem Koran zerstreut sind.

Wir beabsichtigen nicht, diese Vision oder Offenbarung in ihrer Ausdehnung und romantischen Ungereimtheit zu geben, sondern wir wollen nur ihre wesentlichsten Züge aufgreifen.

Die Nacht, in welcher sie vor sich ging, wird als eine der finstersten und aus Ehrerbietung schweigsamsten geschildert, welche man jemals erlebt hatte. Es krähten weder Hähne, noch bellten Hunde; es heulten weder wilde Thiere, noch krächzten Eulen. Die Gewässer sogar hörten auf zu murmeln und die Winde zu flüstern; die ganze Natur schien bewegunglos und todt. In der Mitte der Nacht wurde Mohammed durch eine Stimme aufgeweckt, welche rief: »Wache auf, du Schläfer!« Der Engel Gabriel stand vor ihm. Seine Stirn war leuchtend und heiter, seine Farbe weiß wie Schnee, sein Haar wallte über seine Schultern, er hatte Flügel von blendenden Farben und seine Kleider waren mit Perlen übersät und mit Gold gestickt.

Er brachte Mohammed ein weißes Prachtroß, wundervoll an Gestalt und Eigenschaften und unähnlich jedem Thiere, welches er jemals gesehen hatte, und allerdings unterschied es sich von jedem, irgend einmal zuvor beschriebenen Thiere. Es hatte ein menschliches Gesicht, aber die Kinnbacken eines Pferdes; seine Augen waren wie Hyacinthe und strahlten wie Sterne. Es hatte Adlerflügel, welche von Lichtstrahlen schimmerten, und seine ganze Gestalt glänzte von Gemmen und Edelsteinen. Es war eine Stute und wegen ihres blendenden Glanzes und ihrer unglaublichen Schnelligkeit wurde sie Al Borak oder der Blitz genannt.

Mohammed schickte sich an, dieses übernatürliche Prachtroß zu besteigen; als er aber die Hand ausstreckte, zog es zurück und bäumte. »Sei ruhig, o Borak!« sagte Gabriel; »achte den Propheten Gottes! Niemals wurdest du von einem Sterblichen, welchen Allah höher ehrte, bestiegen. »O Gabriel!« erwiderte Al Borak, welcher für jetzt durch ein Wunder mit Sprache begabt wurde, »ritt mich nicht in der Vorzeit Abraham, der Freund Gottes, als er seinen Sohn Ismael besuchte? O Gabriel! ist das nicht der Vermittler, der Fürsprecher, der Urheber des Glaubensbekenntnisses?« »Ganz so ist es, o Borak, das ist Mohammed Ibn Abdollah, aus einem der Stämme des glücklichen Arabiens, und er hat den rechten Glauben. Er ist der Fürst der Söhne Adams, der größeste der göttlichen Gesandten, das Siegel der Propheten. Alle Creaturen bedürfen seine Fürbitte, bevor sie in das Paradies eintreten können. Der Himmel ist zu seiner Rechten, um die Belohnung derjenigen, welche an ihn glauben, zu werden; das Feuer der Gehenna ist zu seiner Linken, in welches Alle, welche seine Lehren bestreiten, gestürzt werden sollen.« »O Gabriel!« bat Al Borak inständig, »ich beschwöre dich bei dem Vertrauen, welches zwischen Dir und ihm besteht, bewege ihn, daß er für mich am Tage der Auferstehung bitte.« »Sei versichert, o Borak!« rief Mohammed aus, »daß du infolge meiner Fürbitte in das Paradies eingehen sollst.«

Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, so näherte sich das Thier und ließ sich besteigen; Mohammed auf dem Rücken stieg es auf und schwang sich weit über die Berge Mekkas in die Höhe. Als sie wie der Blitz zwischen Himmel und Erde dahin eilten, rief Gabriel laut: »Warte, o Mohammed! steige zur Erde und verrichte das Gebet mit zwei Verbeugungen des Körpers.« Sie ließen sich auf die Erde nieder, und da Mohammed das Gebet verrichtet hatte, sagte er: »O Freund, Vielgeliebter meiner Seele! warum befiehlst du mir, an diesem Orte zu beten?« »Weil es der Berg Sinai ist, auf welchem sich Gott mit Moses besprochen hat.« Sie stiegen in die Höhe und bewegten sich mit reißender Schnelligkeit zwischen Himmel und Erde vorwärts, bis Gabriel zum zweiten Male ausrief: »Warte, o Mohammed! steige ab und verrichte das Gebet mit zwei Verbeugungen.« Sie stiegen nieder, Mohammed betete und fragte abermals: »Warum befiehlst du mir, an diesem Orte zu beten?« »Weil es Bethlehem ist, wo Jesus, der Sohn Marias, geboren wurde.« Sie begannen wieder ihren Flug durch die Luft, bis zur Rechten eine Stimme gehört wurde, welche rief: »O Mohammed, halte doch einen Augenblick an, damit ich mit dir reden kann; von allen geschaffenen Wesen bin ich dasjenige, welches dir am meisten ergeben ist.« Aber Borak drängte vorwärts, und Mohammed unterließ es anzuhalten, denn er fühlte, daß es nicht bei ihm stand, seinen Lauf zu hemmen, sondern bei Gott dem Allmächtigen und Ruhmvollen. Eine andere Stimme wurde jetzt zur Linken gehört, welche Mohammed mit gleichen Worten bat anzuhalten; aber Borak eilte immer vorwärts, und Mohammed hielt nicht an. Jetzt stand vor ihm ein Mädchen von hinreißender Schönheit, geschmückt mit allem Luxus und Reichthum der Erde. Winkend und mit reizendem Lächeln rief sie ihm zu: »Harre einen Augenblick, o Mohammed, daß ich mit dir sprechen kann, ich, die ich von allen Creaturen diejenige bin, welche dir am meisten ergeben ist.« Doch Borak eilte immer vorwärts und Mohammed hielt nicht an, weil er bedachte, daß es nicht bei ihm stünde, seinen Lauf aufzuhalten, sondern bei Gott dem Allmächtigen und Glorreichen. Er wendete sich jedoch an Gabriel mit der Frage: »Was für Stimmen waren das, welche ich gehört habe, und was für ein Mädchen ist das, welches winkend mir zurief?« »Die erste Stimme, o Mohammed, war die eines Juden; hättest du auf ihn gehört, so würde deine ganze Nation für das Judenthum gewonnen worden sein. Die zweite war die Stimme eines Christen; hättest du auf ihn gehört, so würde sich dein Volk dem Christenthume zugeneigt haben. Das Mädchen war die Welt mit allen ihren Reichthümern, Eitelkeiten und Reizen; hättest du auf sie gehört, so würde deine Nation die Freuden dieses Lebens lieber gewählt haben als die Wonne der Ewigkeit, und Alle würden der Verdammniß verfallen sein.«

Sie setzten die Reise durch die Luft fort und kamen am Thore des heiligen Tempels zu Jerusalem an. Daselbst stieg Mohammed ab und band Al Borak an die Ringe, an welche sie die Propheten vor ihm gebunden hatten. Er trat in den Tempel ein und fand daselbst Abraham, Moses und Isa (Jesus) und viele andere von den Propheten. Nachdem er in Gemeinschaft mit ihnen eine Zeit lang gebetet hatte, wurde eine Lichtleiter vom Himmel herabgelassen, bis das untere Ende auf der Schakra oder dem Grundsteine des heiligen Hauses ruhte, und dieser ist der Stein Jakobs. Von dem Engel Gabriel unterstützt, stieg Mohammed diese Leiter mit der Schnelligkeit des Blitzes hinauf.

Bei der Ankunft in den ersten Himmel klopfte Gabriel an das Thor. Wer ist da? wurde von innen gefragt. Gabriel. Wer ist bei ihm? Mohammed. Hat er seine Bestimmung erhalten? Ja. Alsdann ist er willkommen! und das Thor wurde geöffnet. Der erste Himmel war von gediegenem Silber und an seinem glänzenden Gewölbe hingen die Sterne an goldenen Ketten. Auf jeden Stern ist ein Engel als Hüter gestellt, um die Dämonen zu verhindern, daß sie die heiligen Behausungen nicht erklimmen. Als Mohammed eintrat, nahte ihm ein uralter Mann und Gabriel sagte: »Hier ist dein Vater Adam, bezeige ihm deine Ehrerbietung.« Mohammed that es, und Adam umarmte ihn, nannte ihn das größte seiner Kinder und den ersten unter den Propheten. In diesem Himmel waren unzählige Thiere von allen Arten. Das waren, wie Gabriel sagte, Engel, die unter diesen Gestalten für die mannichfaltigen Thiergattungen auf Erden bei Allah sich verwendeten. Unter ihnen befand sich ein Hahn von blendender Weiße und solch ungeheurer Höhe, daß sein Kamm den zweiten Himmel berührte, obschon derselbe fünfhundert Jahrreisen über demselben lag. Dieser wundervolle Vogel begrüßt jeden Morgen Allahs Ohr mit seinem melodischen Gesange; alle Geschöpfe auf Erden, den Menschen ausgenommen, werden durch seine Stimme geweckt, und alle Vögel seiner Art singen Hallelujahs in wetteifernder Nachahmung seiner Weise.Es giebt drei, welchen, wie die moslemischen Lehrer sagen, Gott stets ein williges Ohr leiht, nämlich die Stimme desjenigen, welcher den Koran liest, desjenigen, welcher um Vergebung bittet, und des Hahnes, welcher zum Ruhme des Allerhöchsten kräht. Wenn der letzte Tag nahe ist, so wird Allah diesem Vogel gebieten, die Flügel zu schließen und nicht mehr zu singen. Alsdann werden die Hähne auf Erden aufhören zu krähen, und ihr Schweigen wird ein Zeichen sein, daß der große Tage des Gerichts anbricht.

Sie stiegen zum zweiten Himmel auf. Gabriel klopfte wie vorher an das Thor; dieselben Fragen und Antworten wurden gewechselt, das Thor wurde geöffnet und sie traten ein. Dieser Himmel war ganz von polirtem Stahl und hatte einen blendenden Glanz. Hier fanden sie Noah, welcher Mohammed umarmte und ihn als den größten unter den Propheten begrüßte.

Beim dritten Himmel angelangt, traten sie unter denselben Ceremonien in denselben ein. Er war ganz und gar mit Edelsteinen ausgelegt und für sterbliche Augen zu glänzend. Hier saß ein Engel von unermeßlicher Höhe, dessen Augen siebenzig tausend Tagereisen auseinander standen. Er hatte einhundert tausend Bataillone bewaffneter Männer unter seinem Befehle. Vor ihm lag ein ungeheures Buch aufgeschlagen, in welches er beständig schrieb und in dem er fortwährend auslöschte. »Das, o Mohammed«, sagte Gabriel, »ist Asrael, der Engel des Todes, welcher Allahs Vertrauen genießt. In das Buch vor ihm schreibt er unablässig die Namen derjenigen, welche geboren werden sollen, und löscht in ihm die Namen derjenigen aus, welche ihre bestimmte Zeit gelebt haben, und die demzufolge augenblicklich sterben.«

Jetzt stiegen sie zum vierten Himmel hinauf, welcher aus dem feinsten Silber gebildet war. Unter den Engeln, welche ihn bewohnten, hatte einer fünf hundert Tagereisen Höhe. Sein Aeußeres drückte Bekümmerniß aus und Thränenströme rannen aus seinen Augen. »Das«, sagte Gabriel, »ist der Engel der Thränen, welcher die Bestimmung hat, über die Sünden der Menschenkinder zu weinen und die Uebel vorher zu verkündigen, welche ihrer warten.«

Der fünfte Himmel war von dem feinsten Golde. Hier wurde Mohammed von Aaron mit Umarmungen und Glückwünschen empfangen. Der Racheengel wohnt in diesem Himmel und führt die Oberaufsicht über das Element des Feuers. Unter allen von Mohammed gesehenen Engeln war er der häßlichste und schrecklichste. Sein Gesicht schien von Kupfer zu sein und war mit Ueberbeinen und Warzen bedeckt. Seine Augen schleuderten Blitze, und er griff nach einer feurigen Lanze. Er saß auf einem von Flammen umgebenen Throne und vor ihm lag ein Haufen glühender Ketten. Stiege er in seiner wahren Gestalt auf die Erde nieder, so würden die Berge zerfallen, die Seen austrocknen und alle Bewohner vor Schrecken sterben. Ihm und seinen Engelsdienern ist die Vollziehung der göttlichen Rache an den Ungläubigen und Sündern übertragen.

Sie verließen diese Schrecken erregende Behausung und stiegen in den sechsten Himmel; er ist aus einem durchsichtigen Steine, Hasala genannt, was Karfunkel übersetzt werden kann, gebildet. Hier war ein großer Engel, der zur Hälfte aus Schnee, zur Hälfte aus Feuer bestand; doch der Schnee schmolz nicht, auch das Feuer verlöschte nicht. Um ihn herum rief ein Chor niederer Engel beständig: »O Allah! der du Schnee und Feuer vereinigt hast, vereinige alle deine treuen Diener im Gehorsam gegen dein Gesetz.« »Dies«, sagte Gabriel, »ist der Aufsichtsengel von Himmel und Erde. Es ist derjenige, welcher Boten an die einzelnen Glieder deines Volkes abordnet, um sie zur Begünstigung deiner Sendung zu bewegen und sie zum Dienste Gottes zu berufen; er wird damit fortfahren bis zum Tage der Auferstehung.« Hier war der Prophet Musa (Moses), welcher jedoch, anstatt Mohammed mit Freude zu bewillkommnen, wie es die andern Propheten gethan hatten, beim Anblicke desselben Thränen vergoß. »Warum weinest du?« forschte Mohammed. »Weil ich einen Nachfolger erblicke, der bestimmt ist, mehr von seiner Nation in das Paradies einzuführen, als ich jemals von den abtrünnigen Kindern Israels einführen konnte.«

Von hier in den siebenten Himmel aufsteigend, wurde Mohammed von dem Erzvater Abraham empfangen. Diese wonnereiche Behausung ist aus göttlichem Lichte gebildet und hat solch überschwänglichen Glanz, daß eine Menschenzunge ihn nicht beschreiben kann. Einer seiner himmlischen Bewohner wird genügen, einen Begriff von den übrigen zu geben. Er überragte die ganze Erde an Größe und hatte siebenzig tausend Köpfe, jeder Kopf siebenzig tausend Münde, jeder Mund siebenzig tausend Zungen, jede Zunge sprach siebenzig tausend verschiedene Sprachen, und alle diese wurden unaufhörlich angewendet, um den Preis des Allerhöchsten zu singen.

Während Mohammed dieses wundervolle Wesen betrachtete, wurde er plötzlich zu dem Lotusbaume, Sedrat genannt, emporgetragen; derselbe grünet zur Rechten von Allahs unsichtbarem Throne. Die Aeste dieses Baumes erstrecken sich weiter als der Raum zwischen Sonne und Erde. Engel, zahlreicher als der Sand am Meeresufer oder in den Betten aller Ströme und Flüsse, erquicken sich in seinem Schatten. Die Blätter gleichen den Ohren eines Elephanten; Tausende von unsterblichen Vögeln belustigen sich in seinen Zweigen, indem sie die erhabenen Stellen des Korans wiederholen. Seine Früchte sind milder als Milch und süßer als Honig. Wenn alle Geschöpfe Gottes beisammen wären, so würde Eine dieser Früchte zu ihrer Erhaltung hinreichend sein. Jedes Saamenkorn umschließt eine Houri oder himmlische Jungfrau, welche zur Beseligung der wahren Gläubigen bestimmt ist. Aus diesem Baume brechen vier Ströme hervor; zwei fluthen in das Innere des Paradieses, zwei fließen jenseit desselben und werden der Nil und der Euphrat.

Mohammed und sein himmlischer Begleiter schritten nun nach Al Mamur oder dem Hause der Anbetung, welches aus rothen Hyacinthen oder Rubinen gebaut und von unzähligen, immerwährend brennenden Lampen umgeben ist. Als Mohammed das Portal betrat, wurden ihm drei Gefäße dargereicht, das eine mit Wein, das andere mit Milch und das dritte mit Honig. Er nahm das Gefäß, welches Milch enthielt, und trank daraus. »Du hast wohl gethan; Glück verheißend ist deine Wahl,« rief Gabriel aus. »Hättest du von dem Weine getrunken, so wäre dein Volk ganz vom rechten Wege abgekommen.« Das heilige Haus gleicht der Form nach der Kaaba in Mekka und steht in gerader Linie über derselben im siebenten Himmel. Es wird jeden Tag von siebenzig tausend Engeln der höchsten Ordnung besucht. Sie hielten gerade zu dieser Zeit ihren heiligen Umgang und Mohammed umwandelte es in Verbindung mit ihnen sieben Mal.

Gabriel konnte nicht weiter gehen. Mohammed durchlief jetzt geschwinder, als er dachte, einen ungeheuern Raum, nämlich zwei Regionen von blendendem Licht und eine von tiefer Finsterniß. Aus dieser äußersten Düsterkeit hervorkommend, wurde er mit Ehrfurcht und Schrecken erfüllt, da er sich Allah gegenüber und nur zwei Bogenschüsse von seinem Throne entfernt befand. Das Antlitz Gottes war mit zwanzig tausend Schleiern bedeckt, denn der Anblick seines Glanzes würde den Menschen vernichten. Er streckte die Hände aus und legte die eine auf die Brust, die andere auf die Schulter Mohammeds, welchen ein eisiger Schauer bis an das Herz und sogar bis in das Mark der Gebeine durchdrang. Er war von einem Gefühl unaussprechlicher Wonne begleitet, während ringsum eine Lieblichkeit und ein Wohlgeruch herrschte, welchen nur diejenigen, welche in der Gegenwart Gottes sich befunden haben, begreifen können. Mohammed erhielt jetzt von Gott selbst viele der im Koran enthaltenen Lehren, und fünfzig Gebete wurden als tägliche Pflicht aller wahrhaft Gläubigen vorgeschrieben.

Als Mohammed von der Audienz bei Gott hinabstieg und wieder mit Moses zusammentraf, so fragte ihn Letzterer, was Allah verlangt hätte. »Daß ich täglich fünfzig Gebete verrichten soll.« »Und glaubst du eine solche Aufgabe zu lösen? Ich habe den Versuch vor dir gemacht. Ich probirte es mit den Kindern Israel, aber vergebens; kehre um und bitte um eine Verringerung der Aufgabe.« Demzufolge kehrte Mohammed zurück und erhielt einen Nachlaß von zehn Gebeten; aber als er Moses den Erfolg erzählte, so machte Letzterer denselben Einwurf gegen die tägliche Zahl von vierzig. Auf seinen Rath kehrte Mohammed wiederholt zurück, bis die Zahl bis auf fünf erniedrigt war. Moses machte noch Einwendungen. »Beabsichtigest du, von deinem Volke täglich fünf Gebete zu fordern? Bei Allah! Ich habe es an den Kindern Israel erfahren; solch ein Verlangen ist vergeblich; kehre daher um und bitte dringend um noch weitere Milderung der Aufgabe.« »Nein«, erwiderte Mohammed, »ich habe bereits so sehr um Nachsicht gebeten, daß ich beschämt bin.« Bei diesen Worten grüßte er Moses und begab sich hinweg.

Auf der Lichtleiter stieg er in den Tempel zu Jerusalem hinab, wo er Borak angebunden fand, wie er sie verlassen hatte, und sich darauf setzend wurde er in einem Augenblicke an den Ort zurückgetragen, von welchem er ausgegangen war.

Diese Erzählung von der Vision oder nächtlichen Reise stimmt mit den Worten geachteter Geschichtsschreiber Arabiens in der Hauptsache überein. Die Reise selbst hat zu endlosen Erklärungen und Streitigkeiten unter den Lehrern Veranlassung gegeben. Einige behaupten, daß sie nichts weiter war als ein Traum oder eine nächtliche Vision, und unterstützen ihre Behauptung durch eine von Ayescha, Mohammeds Weibe, abstammende Ueberlieferung. Diese hätte nämlich erklärt, daß in der fraglichen Nacht der Körper desselben vollkommen ruhig geblieben wäre, und daß er blos im Geiste seine nächtliche Reise gemacht hätte. Indem sie sich jedoch auf diese Erzählung berufen, bedenken sie nicht, daß zu der Zeit, wo diese Reise stattgefunden haben soll, Ayescha noch ein Kind war und, obgleich verlobt, Mohammeds Gattin nicht hat sein können.

Andere bestehen darauf, daß er diese himmlische Reise leiblich machte, und daß das Ganze auf wunderbare Art in einem so kurzen Zeitraume ausgeführt wurde, daß er bei seiner Rückkehr den völligen Umsturz eines Gefäßes mit Wasser verhindern konnte, welches der Engel Gabriel bei der Abreise mit seinem Flügel getroffen hatte.

Andere sagen, daß Mohammed nur behauptet habe, die Nachtreise in den Tempel zu Jerusalem gemacht zu haben, und daß das nachfolgende Aufsteigen in den Himmel eine Vision wäre. Nach Achmed ben Joseph wurde der nächtliche Besuch des Tempels von dem Patriarchen zu Jerusalem bezeugt. »Zu der Zeit«, sagt er, »wo Mohammed eine Gesandtschaft an den Kaiser Heraklius in Konstantinopel schickte, um ihn zur Annahme des Islams einzuladen, war der Patriarch bei dem Kaiser. Als die Gesandtschaft die nächtliche Reise des Propheten erzählt hatte, so wurde der Patriarch von Staunen ergriffen und berichtete dem Kaiser einen Vorfall, welcher mit der Erzählung der Gesandtschaft zusammentraf. »Es ist meine Gewohnheit«, sagte er, »mich niemals des Nachts zur Ruhe zu begeben, als bis ich jedes Thor des Tempels geschlossen habe. In der hier erwähnten Nacht schloß ich sie nach meiner Gewohnheit, aber es gab eins, welches unmöglich bewegt werden konnte. Hierauf schickte ich nach den Zimmerleuten, welche nach Besichtigung des Thores erklärten, daß die Schwelle über dem Portale und das Gebäude selbst sich dermaßen gesenkt hätte, daß es außer ihrer Macht wäre, dasselbe zu schließen. Ich war daher genöthigt, es offen zu lassen. Des Morgens frühzeitig bei Tagesanbruch begab ich mich wieder dahin und sahe, daß der an der Ecke des Tempels liegende Stein durchlöchert war und Fußtritte sich da zeigten, wo Al Borak angebunden gewesen war. Darauf sagte ich zu den Gegenwärtigen, dieses Thor würde nicht unbeweglich geblieben sein, wenn nicht irgend ein Prophet hier gewesen wäre, um sein Gebet zu verrichten.

Die Erzählungen gehen weiter und sagen, daß, als Mohammed einer zahlreichen Versammlung in Mekka seine nächtliche Reise erzählte, viele sich verwunderten und sogar glaubten, Einige durch Zweifel in Verwirrung geriethen, die Koreischiten aber darüber lachten und spotteten. »Du sagst, daß du im Tempel zu Jerusalem gewesen bist«, sagte Abu Jahl, »beweise die Wahrheit deiner Worte dadurch, daß du uns eine Beschreibung von demselben giebst.«

Einen Augenblick lang wurde Mohammed durch diese Forderung in Verlegenheit gesetzt, denn er hatte den Tempel des Nachts besucht, wo seine Gestalt nicht erkannt werden konnte; plötzlich jedoch stand der Engel Gabriel an seiner Seite und stellte ein genaues Bild des heiligen Gebäudes vor seine Augen, so daß er augenblicklich im Stande war, die kleinlichsten Fragen zu beantworten.

Die Erzählung überstieg noch immer den Glauben sogar einiger seiner Schüler, bis Abu Beker, da er sie in ihrer Treue schwanken und in Gefahr des Abfalls sahe, sich für die Wahrheit derselben unverhohlen verbürgte; zur Vergeltung für diese Unterstützung gab ihm Mohammed den Titel Al Seddek, d. i. Zeuge der Wahrheit, durch welchen er fortan ausgezeichnet wurde.

Wie wir bereits bemerkt haben, beruht diese nächtliche Reise fast ganz auf Sage, wiewohl auf einige Umstände derselben in dem Koran oberflächlich angespielt wird. Das Ganze mag ein phantastischer Bau moslemischer Schwärmer sein, welchen sie über einer dieser Visionen oder Verzückungen aufführten, zu denen Mohammed geneigt war, und deren Erzählung die Ursache wurde, daß ihn die Koreischiten als einen Wahnsinnigen brandmarkten.


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