Ernst August Neumeister
Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten
Ernst August Neumeister

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Erstes Capitel.

Einleitende Nachricht über Arabien und die Araber.

Während einer langen Reihe von Zeitaltern, vom Anfange der aufgezeichneten Geschichte bis zum siebenten Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung, blieb die große Halbinsel, welche von dem rothen Meere, dem Euphrat, dem persischen Meerbusen und dem indischen Oceane gebildet wird, und unter dem Namen Arabien bekannt ist, unverändert und von den Ereignissen, welche das übrige Asien bewegten und Europa und Asien bis zu ihrem Mittelpunkte erschütterten, beinahe unberührt. Während Königreiche und Kaiserthümer entstanden und verfielen, während alte Herrscherfamilien verschwanden, während die Gränzen und Namen von Ländern sich veränderten und ihre Bewohner vertrieben oder in Gefangenschaft geführt wurden: so bewahrte Arabien, obgleich seine Gränzprovinzen einige Veränderungen erfuhren, in den Tiefen seiner Wüsten die ursprüngliche Beschaffenheit und Unabhängigkeit, und niemals hatten seine Nomadenstämme die stolzen Nacken unter das Joch der Knechtschaft gebeugt.

Die Araber führen die Ueberlieferungen von ihrem Lande bis in das höchste Alterthum zurück. Es wurde, sagen sie, durch die Nachkommen Sems, eines Sohnes Noahs, bald nach der Sündfluth bevölkert; diese bildeten allmälig mehrere Stämme, von denen die Aditen und Thamuditen die bekanntesten sind. Alle diese ursprünglichen Stämme sollen entweder zur Strafe für ihre Bosheit von der Erde verbannt worden sein, oder bei den nachfolgenden Umwandlungen der Geschlechter sich verloren haben, so daß außer dunkeln Sagen und einigen Stellen im Koran über dieselben Weniges vorhanden ist. Sie werden in der morgenländischen Geschichte als »die alten ursprünglichen Araber«, als »die verlornen Stämme« gelegentlich erwähnt.

Die fortdauernde Bevölkerung der Halbinsel wird von Kahtan oder Joctan, einem Abkömmlinge Sems in der vierten Generation (1. Mos. 10, 25 und 26) nach denselben Erzählungen abgeleitet. Seine Nachkommenschaft breitete sich über den südlichen Theil der Halbinsel und längs des rothen Meeres aus. Yaarab (Ja-arab), einer seiner Söhne, gründete das Königreich Yemen, in welchem die Landschaft Araba nach ihm genannt wurde, wovon die Araber ihren eigenen Namen und den ihres Landes ableiten. Jurham (Dschurham) ein anderer Sohn, gründete das Königreich Hedjaz (Heddschaß), über welches seine Nachkommen viele Zeitalter hindurch die Oberherrschaft ausübten. Unter diesen Leuten fand Hagar und ihr Sohn Ismael freundliche Aufnahme, als sie vom Erzvater Abraham aus der Heimath verwiesen wurden. Im Laufe der Zeit nahm Ismael die Tochter Modad's, eines regierenden Fürsten aus Jurhams Familie, zum Weibe, und so wurde ein Fremder und Hebräer dem arabischen Urstamme einverleibt. Er erwies sich als ein fruchtbares Reis. Ismaels Weib gebar zwölf Söhne, welche die Herrschaft über das Land erwarben, und deren fruchtbares, in zwölf Stämme getheiltes Geschlecht den Urstamm Joctans vertrieb oder unterjochte und in Vergessenheit brachte. Das ist die Auskunft, welche die Araber der Halbinsel über ihren Ursprung geben.

Außer den Arabern der Halbinsel, welche sämmtlich Sems Geschlechte angehörten, gab es noch andere, die Chusiten hießen, weil sie von Chus, dem Sohne Hams abstammten. Sie bewohnten die Ufer des Euphrats und des persischen Meerbusens. Der Name Chus wird in der Schrift häufig sowol den Arabern überhaupt, als auch ihrem Lande gegeben. Wahrscheinlich sind es solche Araber, welche gegenwärtig die wüsten Landstriche des alten Assyriens durchziehen und in der neueren Zeit zur Ausgrabung der lang verschütteten Ruinen von Ninive verwendet worden sind. Bisweilen werden sie syrische Araber genannt. Die gegenwärtige Darstellung bezieht sich jedoch nur auf die Araber der Halbinsel oder auf das eigentliche Arabien.

Jene Vermehrung und Herrschaft der Nachkommen Ismaels betrachten christliche Schriftsteller als Erfüllung der Verheißung, welche Abraham von Gott gegeben wurde und die in der heiligen Schrift (1. Mos. 17, 18 und 20) so lautet: »Und Abraham sprach zu Gott: Ach, daß Ismael leben sollte vor dir! Dazu um Ismael habe ich dich auch erhöret. Siehe, ich habe ihn gesegnet und will ihn fruchtbar machen und mehren fast sehr. Zwölf Fürsten wird er zeugen, und will ihn zum großen Volk machen.«

Diese zwölf Fürsten nebst ihren Stämmen werden nachher in der Bibel (1. Mos. 25, 18) genannt als Insassen des Landes »von Hevila bis gen Sur gegen Aegypten, wenn man gen Assyrien gehet«, also eines Landstriches, welcher von den biblischen Geographen für einen Theil Arabiens gehalten wird. Die Beschreibung derselben stimmt mit der der jetzigen Araber überein. Einige werden als Besitzer von Städten und Schlössern, andere als Bewohner von Zelten, noch andere als Inhaber von Dörfern bezeichnet. Nebaioth und Kedar, die zwei Erstgebornen Ismaels, sind wegen ihres Reichthums an Schaf- und Rinderheerden und wegen der feinen Wolle ihrer Schafe unter den Fürsten am berühmtesten. Von Nebaioth stammen die Nabathäer ab, welche das steinichte Arabien bewohnten, während der Name Kedar in der heiligen Schrift gelegentlich gebraucht wird, um die ganze arabische Nation zu bezeichnen. »Wehe mir«, sagt der Psalmist (120, 5), »daß ich ein Fremdling bin unter Mesech; ich muß wohnen unter den Hütten Kedars.« Beide scheinen die Stammväter der wandernden oder nomadischen Araber, der freien Herumzügler in der Wüste, gewesen zu sein. Auf sie ist die Stelle des Propheten Jeremias (49, 31) zu beziehen. »Wohlauf, ziehet herauf wider ein Volk, das genug hat und sicher wohnet, spricht der Herr: sie haben weder Thür noch Riegel und wohnen allein.

Zwischen den Arabern, welche »Städte und Burgen inne hatten,« und denen, »welche in Zelten wohnten,« entstand in den frühesten Zeiten ein bedeutender Unterschied. Einige der Ersteren besaßen die fruchtbaren Thäler, welche sich hier und da zwischen den Gebirgen ausbreiteten; daselbst waren die Städte und Burgen von Weinbergen und Obstgärten, von Palmenwäldchen, Getreidefeldern und gut bewachsenen Weideplätzen umgeben. Sie waren in ihren Verhältnissen geordnet, widmeten sich der Bebauung des Bodens und der Viehzucht. Andere derselben Classe befaßten sich mit dem Handel; sie hatten Häfen und Städte am rothen Meere, auf den südlichen Gestaden der Halbinsel und am persischen Meerbusen, und trieben vermittels Schiffen und Karavanen auswärtigen Handel. Das waren besonders die Völkerschaften von Yemen oder dem glücklichen Arabien, von dem Lande der Gewürze, der Parfümerien und des Weihrauchs. Sie gehörten zu den thätigsten Handels-Seefahrern der östlichen Meere. Ihre Schiffe brachten die Myrrhe und den Balsam von der entgegengesetzten Küste der Berbern nebst dem Golde, den Gewürzen und andern theuern Kostbarkeiten aus Indien und dem tropischen Afrika nach ihren Gestaden. Diese Produkte wurden mit denen ihres Landes von Karavanen durch die Wüsten nach den halbarabischen Staaten Ammon, Moab und Edom oder Idumäa, nach den phönicischen Häfen des Mittelmeeres geführt und von da der westlichen Welt mitgetheilt.

Das Kameel ist das Schiff der Wüste genannt worden, die Karavane kann die Flotte derselben heißen. Die Karavanen von Yemen wurden gemeiniglich von den nomadischen Arabern, von den Bewohnern der Zelte, ausgerüstet, bemannt, geführt und beschützt; in dieser Beziehung kann man sie die Schiffer der Wüste nennen. Sie lieferten die unzählbaren Kameele, welche erforderlich waren, und trugen auch durch die feinen Felle ihrer unberechenbaren Schafheerden zur Befrachtung bei. Die Schriften der Propheten zeigen die Wichtigkeit, welche diese inländische Handelskette im biblischen Zeitalter hatte, da durch sie die reichen Länder des Südens, Indien, Aethiopien und das glückliche Arabien, mit dem alten Syrien verbunden wurden.

In den Klagen über Tyrus ruft Ezechiel (27, 21 – 24) aus: »Arabien, und alle Fürsten von Kedar haben mit dir gehandelt mit Schafen, Widdern und Böcken. Die Kaufleute aus Saba und Raema haben mit dir gehandelt und allerlei köstliche Specerei und Edelsteine und Gold auf deine Märkte gebracht. Haran und Kanne und Eden (Aden)Haran, Kanne und Aden waren Häfen am indischen Meere. sammt den Kaufleuten aus Seba, Assur und Kilmad sind auch deine Kaufleute gewesen. Die haben alle mit dir gehandelt mit köstlichem Gewand, mit seidenen und gestickten Tüchern, welche sie in köstlichen Kasten, von Cedern gemacht und wohl verwahrt, auf deine Märkte geführt haben.« Und Jesaias spricht (60, 6 u. 7) zu Jerusalem und sagt: »Die Menge der Kameele wird dich bedecken, die Läufer aus Midian und Epha. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen. Alle Heerden aus Kedar sollen zu dir versammelt werden und die Böcke Nebajoths sollen dir dienen.«

Jedoch die Ackerbau und Handel treibenden Araber, die Bewohner der kleinen und großen Städte, sind niemals als das wahre Urbild dieses Volksstammes betrachtet worden. Sie wurden durch geordnete und friedliche Beschäftigungen milder und verloren durch den Verkehr mit den Fremden viel von dem ursprünglichen Gepräge. Jemen wurde auch wiederholt feindlich angefallen und unterjocht, da es zugänglicher war als die übrigen Theile Arabiens und den Räubern größere Versuchung bot.

Bei der andern Classe der Araber, bei den Wanderern der Wüste, bei den »Bewohnern der Zelte«, welche die bei weitem zahlreichste Classe bildeten, wurde der volksthümliche Charakter in der ganzen ursprünglichen Stärke und Frische bewahrt. Nomadisch in ihren Sitten, hirtenmäßig in ihren Beschäftigungen und durch Erfahrung und Ueberlieferung mit allen verborgenen Hülfsmitteln der Wüste bekannt, zogen sie von einem Platze zum andern, um jene Wasserbehälter und Quellen aufzusuchen, welche seit den Tagen der Patriarchen der Sammelpunkt ihrer Väter gewesen waren, schlugen das Lager überall auf, wo sie Dattelbäume zum Schatten, Unterhalt und Weide für ihre Schafe und Kameele finden konnten und änderten den Wohnplatz, wenn der zeitweilige Vorrath erschöpft war.

Die nomadischen Araber waren durch Abtheilungen und Unterabtheilungen in unzählige kleine Stämme geschieden; jeder hatte seinen Sheikh (Scheik) oder Emir als Stellvertreter des ehemaligen Patriarchen, dessen neben dem Zelte aufgepflanzte Lanze das Zeichen der Herrschaft war. Sein Amt war jedoch, obgleich es viele Zeitalter hindurch in derselben Familie blieb, nicht ausdrücklich erblich, sondern hing von der Gunst des Stammes ab. Er konnte abgesetzt und ein Anderer aus einer von dieser verschiedenen Linie an seine Stelle gewählt werden. Dazu war seine Gewalt beschränkt und wurde von seinem persönlichen Verdienste und dem auf ihn gesetzten Vertrauen abhängig gemacht. Sein Vorrecht bestand in der Leitung der Verhandlungen über Krieg und Frieden, in der Führung des Stammes gegen den Feind, in der Wahl des Lagerplatzes und in dem Empfange und der Unterhaltung angesehener Fremden. In Ausübung dieser und ähnlicher Vorrechte sogar wurde er durch die Meinungen und Neigungen seiner Leute beschränkt.

Wie zahlreich und klein die Abtheilungen eines Stammes immer sein mochten, so wurden doch die verwandtschaftlichen Beziehungen unter einander sorgfältig im Gedächtnisse bewahrt. Alle Sheikhs desselben Stammes erkannten ein gemeinsames Oberhaupt an, welches der Sheikh aller Sheikhs genannt wurde. Dieser hatte das Recht, bei irgend einem das gemeinsame Wohl betreffenden Ereignisse alle zerstreuten Zweige unter seiner Standarte zu versammeln, gleichviel ob er in einem Felsenschlosse verschanzt war, oder mitten unter seinen Schaf- und Rinderheerden in der Wüste lagerte.

Die Menge dieser wandernden Stämme, von denen jeder einen kleinen Fürsten und ein kleines Gebiet hatte, die aber ohne ein Nationaloberhaupt waren, erzeugte häufige Streitigkeiten. Rache zumal war fast ein religiöser Grundsatz unter ihnen. Einen getödteten Verwandten zu rächen, war die Pflicht seiner Familie, und oft erforderte es die Ehre seines Stammes; oft blieben diese Blutschulden Zeitalter hindurch ungesühnt und erzeugten tödtliche Fehden.

Die Nothwendigkeit, zur Vertheidigung der Schafe und Rinder stets in Bereitschaft zu stehen, machte den Araber der Wüste mit der Handhabung der Waffen von Kindheit an vertraut. Keiner übertraf ihn im Gebrauche des Bogens, der Lanze, des krummen Säbels und in der geschickten und anmuthigen Lenkung des Rosses. Er war auch ein raubsüchtiger Krieger. Denn obwohl er zu Zeiten in den Dienst des Kaufmanns trat, indem er ihn mit Kameelen und Führern und Treibern zum Transporte der Waaren versah: so war er noch geneigter, der Karavane Tribut (Abgaben) aufzulegen oder sie bei dem beschwerlichen Zuge durch die Wüste gänzlich auszuplündern. Dieses Alles betrachtete er als einen rechtmäßigen Gebrauch der Waffen, indem er auf die gewinnreichen Söhne des Handels als wie auf ein geringeres Geschlecht blickte, welches sich durch verwerfliche Sitten und Bestrebungen erniedrigt hätte.

Das war der Araber der Wüste, der Bewohner der Zelte, an welchem die prophetische Bestimmung seines Urahnen Ismael erfüllt wurde. »Er wird ein wilder Mensch sein; seine Hand wider Jedermann und Jedermanns Hand wider ihn« (1. Mos. 16, 12). Die Natur hatte ihn für diese Bestimmung ausgerüstet. Sein Körper war dünn und mager, aber sehnig und behend und fähig, große Strapazen und Mühseligkeiten zu ertragen. Er war mäßig und sogar enthaltsam, indem er nur wenig Nahrung und die von der einfachsten Art verlangte. Sein Geist wie sein Körper war gewandt und beweglich. Er besaß im höchsten Grade die Verstandeseigenschaften des semitischen Stammes, einen durchdringenden Scharfsinn, einen feinen Witz, eine schnelle Fassungs- und eine feurige Einbildungskraft. Seine Empfindungen waren lebendig und heftig, obschon nicht ausdauernd; ein stolzer und herausfordernder Muth war seinem blassen Gesichte aufgeprägt und blitzte aus seinem dunkeln und feurigen Auge. Er wurde leicht durch die Erzeugnisse der Beredsamkeit aufgeregt und durch die Anmuth der Dichtkunst entzückt. Da er eine zum Uebermaße reiche Sprache redete, deren Worte mit den Edelsteinen und Blumen verglichen worden sind: so war er von Natur ein Redner; aber er ergötzte sich mehr an Sprüchwörtern und Denksprüchen als an dem hohen Fluge feierlicher Rede, und war geneigt, seine Gedanken nach morgenländischer Weise in lehrreichen Fabeln und Gleichnisreden mitzutheilen.

Obschon ein rastloser und raubsüchtiger Krieger, war er doch edelmüthig und gastfreundlich. Er fand an der Austheilung von Geschenken Vergnügen; seine Thüre war dem Wanderer stets geöffnet und er war bereit, mit demselben seinen letzten Bissen zu theilen; auch sein Todfeind konnte, hatte er einmal mit ihm Brod gebrochen, unter der unverletzlichen Heiligkeit seines Zeltes sicher ruhen.

In Rücksicht der Religion betheiligten sich die Araber an den Glaubenslehren der Sabier und der Magier, von denen die der Letzteren zu jener Zeit in der östlichen Welt am weitesten verbreitet waren. Der sabäische Glaube war jedoch derjenige, welchem die Araber zumeist anhingen. Sie wollten ihn von Sabi, einem Sohne Seths, herleiten, welcher nebst seinem Vater und Bruder Enoch nach ihrer Annahme in den Pyramiden begraben wurde. Andere leiten den Namen von dem hebräischen Worte Saba, d. i. Stern, her und schreiben den Ursprung dieses Glaubens den assyrischen Hirten zu, welche, wenn sie des Nachts auf den flachen Ebenen und unter wolkenlosem Himmel die Heerden bewachten, das Aussehen und die Bewegung der Himmelskörper aufzeichneten und über den guten und bösen Einfluß derselben auf die menschlichen Angelegenheiten Lehren aufstellten, die freilich sehr schwankend waren und die von den chaldäischen Weltweisen und Priestern zu einem Ganzen bereinigt worden sind, welches angeblich das religiöse Lehrgebäude der Aegyptier an Alter noch übertrifft. Von Anderen werden die sabäischen Religionslehren aus einer noch weiter rückwärts liegenden Quelle abgeleitet und für den Glauben der vorsündfluthlichen Welt gehalten. Derselbe überdauerte, wie man sagt, die Sündfluth und bestand unter den Erzvätern fort. Er wurde von Abraham verkündigt, von seinen Nachkommen, den Israeliten, beibehalten und in den Gesetzestafeln, welche Moses übergeben wurden, auf dem Berge Sinai unter Donner und Blitz bestätigt.

In dem ursprünglichen Zustande war die sabäische Religion rein und geistig, da sie den Glauben an die Einheit Gottes, die Lehre von dem künftigen Zustande der Belohnung und Bestrafung und die Nothwendigkeit eines tugendhaften und heiligen Lebens zur Erlangung einer seligen Unsterblichkeit einschärfte. So tief war die Ehrfurcht der Sabäer vor dem höchsten Wesen, daß sie dessen Namen niemals aussprachen und meinten, daß sie sich demselben nur durch vermittelnde Geister oder Engel nahen dürften. Sie glaubten, daß diese die Himmelskörper in derselben Weise bewohnten und belebten, wie der menschliche Körper von einer Seele bewohnt und belebt wird, daß sie dorthin versetzt wären, um das Weltall zur Unterstützung des höchsten Wesens zu überwachen und zu regieren. Wenn sich daher die Sabäer an die Sterne und andere himmlische Lichtkörper wendeten, so verehrten sie dieselben nicht als Gottheiten, sondern suchten nur die sie bewohnenden Engel als Vermittler bei dem höchsten Wesen günstig zu stimmen, indem sie nur durch diese höheren Creaturen zu Gott dem großen Schöpfer aufschauten.

Allmälig verlor diese Religion ihre ursprüngliche Einfachheit und Reinheit und wurde durch Geheimnißlehren verdunkelt und durch Abgötterei entstellt. Die Sabäer verehrten die Himmelskörper als Gottheiten, anstatt sie, wie ihre Altvordern thaten, als Wohnungen von Vermittlern zu betrachten, stellten ihnen zu Ehren in heiligen Hainen und in der Dunkelheit der Wälder gehauene Bildnisse auf, umschlossen diese Götzenbilder mit Tempeln und verehrten sie, als wenn sie göttlicher Natur wären. Der sabäische Glaube erfuhr überhaupt in den verschiedenen Ländern, über welche er verbreitet war, Veränderungen und Beschränkungen. Aegypten ist lange angeklagt worden, ihn auf die letzte Stufe der Entartung erniedrigt zu haben, da man die Bildsäulen, die Bilderschrift und die gemalten Grabstätten dieses geheimnißvollen Landes als Urkunden der Anbetung nicht blos von himmlischen Wesen, sondern auch von Geschöpfen der niedrigsten Gattung und sogar von unbelebten Gegenständen betrachtete. Neuere Untersuchungen befreien jedoch allmälig diese verständigste Nation des Alterthums von dieser Verleumdung. Da man nämlich den Schleier des Geheimnisses, welcher über Aegyptens Grabmäler gedeckt liegt, nach und nach lüftet: so findet man, daß alle diese Gegenstände scheinbarer Anbetung nur Sinnbilder der verschiedenen Eigenschaften des Einen höchsten Wesens waren, dessen Name eine zu große Heiligkeit hatte, um von Sterblichen ausgesprochen zu werden. Unter den Arabern wurde der sabäische Glaube mit gränzenlosem Aberglauben vermischt und durch groben Götzendienst herabgewürdigt. Jeder Stamm verehrte seinen besonderen Abgott oder Planeten, oder stellte sein besonderes Götzenbild auf. Kindermord mischte seine Schrecken mit ihren religiösen Gebräuchen. Bei den Nomadenstämmen wurde die Geburt einer Tochter als ein Mißgeschick betrachtet, da ihr Geschlecht sie zu geringem Dienste bei einem wandernden und räuberischen Leben befähigte, während sie durch üble Aufführung oder Gefangenschaft Schimpf und Unglück über die Familie bringen konnte. Beweggründe einer unnatürlichen Staatskunst mögen sich daher mit den religiösen Gefühlen gemischt haben, wenn sie weibliche Kinder den Götzen opferten oder sie lebendig begruben.

Die mit der sabäischen Secte um den Vorrang, streitenden Magier oder Guebern (Feueranbeter), welche, wie wir gesagt haben, die Religionsherrschaft über den Osten theilte, hatten ihren Ursprung in Persien, wo die erst mündlich fortgepflanzten Lehren nach einiger Zeit durch ihren großen Propheten und Lehrer Zoroaster in seinem Buche Zendavesta schriftlich niedergelegt wurden. Die Glaubenslehre der Magier war, wie die der Sabäer, ursprünglich einfach und geistig, indem sie den Glauben an Einen höchsten und ewigen Gott, in welchem und durch welchen das Weltall besteht, forderte. Nach derselben brachte der Eine Gott zwei wirkende Urwesen, nämlich Ormuzd, das Urwesen oder den Engel des Lichts oder des Guten, und Ahriman, das Urwesen oder den Engel der Finsterniß oder des Bösen, durch sein schöpferisches Wort hervor. Diese bildeten, wird weiter gelehrt, aus einer Mischung ihrer entgegengesetzten Urstoffe die Welt und geriethen bei der Regulirung der Weltangelegenheiten in einen Kampf, welcher seitdem zu keinem Ende gekommen ist. Daher kommen, heißt es, die Abwechselungen von Heil und Uebel, je nachdem der Engel des Lichts oder der Engel der Finsterniß die Oberhand hat. Dieser Streit wird bis ans Ende der Welt fortdauern, wo eine allgemeine Auferstehung und ein Tag des Gerichts stattfinden wird; der Engel der Finsterniß wird mit seiner Genossenschaft an einen Ort wehvoller Finsterniß verbannt werden, ihre Gegner aber werden in das wonnevolle Reich ewig währenden Lichtes eingehen.

Die ursprünglichen Gebräuche dieser Religion waren höchst einfach. Die Magier hatten weder Tempel noch Altäre, noch religiöse Sinnbilder irgend einer Art, sondern sie richteten ihre Gebete und Preisgesänge geradezu an die Gottheit, wobei sie sich die Sonne als ihren Wohnort dachten. Sie ehrten diesen Lichtkörper als die Wohnung derselben und als die Quelle des Lichtes und der Wärme, woraus nach ihrer Meinung alle Himmelskörper zusammengesetzt sind, und zündeten auf Berggipfeln Feuer an, um während der Abwesenheit der Sonne Licht zu verbreiten. Zoroaster führte zuerst die Tempel ein, in denen ein heiliges Feuer, das angeblich vom Himmel gekommen war, durch die Priester, welche Tag und Nacht über dasselbe wachten, beständig lebendig erhalten wurde.

Im Laufe der Zeit verlor diese Secte wie die der Sabäer den Gedanken von dem göttlichen Urwesen in dem Sinnbilde, betete das Feuer oder Licht als den wirklichen Gott an und verabscheute die Finsterniß als den Satan oder Teufel. In ihrem fanatischen Eifer pflegten die Magier die Ungläubigen aufzugreifen und sie in den Flammen zu opfern, um ihre feurige Gottheit zu verehren.

Auf die Lehren dieser zwei Secten wird in folgender Stelle der Weisheit Salomonis Bezug genommen: »Es sind zwar alle Menschen natürlich eitel, so von Gott Nichts wissen und an den sichtbarlichen Gütern den, der es ist, nicht kennen, und sehen an den Werken nicht, wer der Meister ist; sondern halten entweder das Feuer oder Wind oder schnelle Luft oder die Sterne oder mächtiges Wasser oder die Lichter am Himmel, die die Welt regieren, für Götter« (Weish. Sal. 13, 1 u. 2).

Von diesen zwei Religionsformen war die sabäische, wie wir oben bemerkt haben, die bei weitem vorherrschendste unter den Arabern, aber in einer höchst entarteten Gestalt, mit allen Arten von Mißbräuchen vermengt und unter den verschiedenen Stämmen verschieden. Der Magierglaube herrschte unter denjenigen Stämmen, welche zufolge ihrer Gränzlage mit Persien häufigen Umgang hatten, während andere Stämme an dem Wahnglauben und der Abgötterei der Nationen, an welche sie gränzten, theilnahmen.

Der Judaismus hatte in einer frühen Zeit, aber in sehr unbestimmter und unvollständiger Weise, den Weg nach Arabien gemacht. Jedoch viele gottesdienstliche Formen und Gebräuche und sonderbare Ueberlieferungen wurden in das Land verpflanzt. In späterer Zeit aber, als Palästina von den Römern verwüstet, die Stadt Jerusalem erobert und zerstört wurde, suchten viele Juden unter den Arabern einen Zufluchtsort, wurden den eingebornen Stämmen einverleibt, bildeten sich zu Gemeindewesen aus, erwarben den Besitz fruchtbarer Landstriche, bauten Burgen und Festungen und erhoben sich zu beträchtlicher Gewalt und großem Einflusse.

Die christliche Religion hatte ebenfalls Anhänger unter den Arabern. St. Paulus selbst erklärt in seinem Briefe an die Galater (1, 17.), daß er bald »hinzog nach Arabien«, nachdem er zur Predigt des Christenthums unter den Heiden berufen worden war. Auch die Streitigkeiten, welche in der morgenländischen Kirche in dem ersten Theile des dritten Jahrhunderts entstanden und sie in Parteien zerspalteten, von denen jede, wenn sie zur Ueberlegenheit gelangte, die andern verfolgte, zwangen Viele zur Auswanderung nach den entfernten Ländern des Ostens, füllten die Wüsten Arabiens mit Einsiedlern und verpflanzten den christlichen Glauben unter einige der vorzüglichen Stämme.

Die vorhergehenden Verhältnisse können von den Ursachen, welche die Araber Zeitalter hindurch in einem unveränderten Zustande erhielten, einen Begriff geben. Während ihre abgesonderte Lage und ihre ungeheuern Wüsten sie vor Unterjochung schützten, hielten sie ihre inneren Kämpfe und der Mangel eines gemeinsamen politischen oder religiösen Bandes ab, als Eroberer furchtbar zu sein. Sie waren eine ungeheure Masse unterschiedlicher Parteien, voll persönlicher Kraft; aber sie ermangelten der vereinigten Macht. Obschon ihr nomadisches Leben sie kühn und unternehmend machte; obschon die meisten unter ihnen von Kindheit an Krieger waren: so führten sie die Waffen doch nur wider einander, einige Gränzstämme ausgenommen, welche gelegentlich bei auswärtigen Kriegen als Söldner in Dienste traten. Während daher die andern Nomadenvölker Mittelasiens, welche keine größere Tüchtigkeit als jene zur Kriegführung besaßen, einige Zeitalter hindurch die civilisirte Welt mit Erfolg überfluthet und erobert hatten, war dieser kriegerische Stamm, seiner Macht sich unbewußt, in den Tiefen der heimathlichen Wüsten getrennt und unschädlich geblieben.

Endlich kam die Zeit herbei, wo diese entzweiten Stämme in Einem Glauben vereinigt und durch Eine gemeinsame Sache belebt werden sollten, wo ein mächtiger Geist aufstehen sollte, der sich berufen fühlte, diese zerstreuten Glieder zusammen zu bringen, sie mit seinem schwärmerischen und kühnen Geiste zu beseelen und sie vorwärts zu führen, um als ein Riese der Wüste die Reiche der Erde zu erschüttern und umzustürzen.


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