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Mohammed kehrte mit der Beute und den Gefangenen, welche er in der ersten Schlacht gewonnen hatte, triumphirend nach Medina zurück. Seinem Jubel wurde jedoch durch häuslichen Kummer Einhalt gethan. Seine geliebte Tochter Rokaia, die erst neulich aus der Verbannung zurückgekehrt war, war nicht mehr. Der Bote, welcher Mohammed mit der Siegesnachricht voranging, begegnete am Thore der Stadt dem Leichenzuge, welcher sie zum Grabe begleitete.
Die Betrübniß des Propheten wurde kurz nachher gemildert, da seine Tochter Zeinab unter der Obhut des treuen Zeid aus Mekka eintraf. Zeids Sendung war mit Schwierigkeiten verbunden gewesen. Die Bevölkerung Mekkas war über die letzte Niederlage und über die Notwendigkeit, die Gefangenen loszukaufen, erbittert. Zeid blieb daher außerhalb der Stadtmauern, und sandte eine Botschaft an Kenanah, den Bruder des Abul Aaß, hinein, um ihn von dem Vertrage zu benachrichtigen und einen Platz zu bestimmen, wo Zeinab in seine Hände geliefert werden sollte. Kenanah machte sich auf, sie in einer Sänfte dorthin zu geleiten. Unterwegs wurde er von einem Haufen Koreischiten umringt, der entschlossen war zu verhindern, daß Mohammed die Tochter zurückgegeben würde. In der Verwirrung führte ein gewisser Habbar Ibn Oswad nach der Sänfte einen Lanzenstoß, welcher, hätte ihn Kenanah nicht mit dem Bogen ausparirt, für Zeinab sich todbringend erwiesen haben möchte. Abu Sofian wurde durch das Geräusch und den Lärm auf den Platz geführt und tadelte Kenanah, daß er Mohammeds Tochter so öffentlich zurücksendete, weil dies als Zugeständniß der Schwäche gedeutet werden könnte. Zeinab wurde daher wieder in ihre Wohnung gebracht, und Kenanah übergab sie Zeid heimlich während der folgenden Nacht.
Als Mohammed den Angriff auf seine Tochter erfuhr, so wurde er so aufgebracht, daß er befahl, Jeder, welcher Habbar ergreifen würde, sollte ihn lebendig verbrennen. Als sich der Ingrimm gelegt hatte, änderte er diesen Befehl ab. »Es kommt Gotte allein zu, den Menschen mit Feuer zu strafen«, sagte er. »Wird Habbar aufgegriffen, so soll er mit dem Schwerte zum Tode gebracht werden.«
Der neue Triumph der Moslemen am Beder erfüllte die Koreischiten mit Erstaunen und Aerger. Der Mann, welcher ganz neulich als Flüchtling aus ihren Mauern vertrieben worden war, hatte sich plötzlich zum mächtigen Feinde erhoben. Mehrere von ihren tapfersten und hochgestelltesten Männern waren unter seinem Schwerte gefallen; andere waren seine Gefangenen und erwarteten eine demüthigende Auslösung. Abu Lahab, Mohammeds Oheim und stets sein heftiger Gegner, hatte wegen Krankheit nicht zu Felde ziehen können. Wenig Tage nach Empfang der Siegesbotschaft starb er, indem sein Tod durch Aufregung seiner Gefühle beschleunigt wurde. Fromme Moslemen schreiben ihn jedoch dem Fluche zu, welchen Mohammed ehemals über ihn und seine Familie ausgesprochen hatte, als er seine Hand erhob, um einen Stein auf dem Hügel Safa nach dem Propheten zu schleudern. Auch auf dessen Sohn Otho, welcher des Propheten Tochter Rokaia verstoßen hatte, fiel dieser Fluch vom Himmel; auf einer Reise nach Syrien wurde er angesichts einer ganzen Karavane von einem Löwen in Stücke gerissen.
Keiner empfand die neuliche Niederlage am Beder so heftig, als Abu Sofian. Zwar erreichte er mit der Karavane Mekka in Sicherheit; aber er mußte von dem Triumphe des Mannes hören, welchen er verabscheute, und fand sein Haus in Trostlosigkeit. Sein Weib Henda bestürmte ihn mit wahnsinnigen Klagen über den Tod ihres Vaters, ihres Oheims und ihres Bruders. Wuth mischte sich mit dem Kummer, und Tag und Nacht schrie sie nach Rache an Hamza und Ali, durch deren Hände sie gefallen waren.Es ist ein bei allen Arabern angenommenes Gesetz, daß Jeder, welcher das Blut eines Menschen vergießt, der Familie der getödteten Person Blut schuldet. Dies alte Gesetz wird durch den Koran bestätigt. »O ihr wahren Gläubigen, das Gesetz der Wiedervergeltung wird euch wegen des Todschlags gegeben; der Freie soll für den Freien sterben.« Die Blutrache oder der Thar, wie sie im Arabischen benannt wird, wird von den Anverwandten Aller, welche in offenen Kriege getödtet worden sind, in Anspruch genommen, und nicht blos gegen den eigentlichen Mörder, sondern auch gegen alle seine Blutsverwandten. Für diejenigen, welche in Kriegen zwischen zwei Stämmen getödtet worden sind, wird der Blutpreis von den Personen gefordert, welche als die eigentlichen Mörder erkannt werden.
Der Araber rechnet die Blutrache zu seinen heiligsten Rechten und Pflichten; keine irdische Rücksicht kann ihn bewegen, dieselbe aufzugeben. Er hat ein Sprüchwort: »Sollte auch das Höllenfeuer mein Loos sein, so wollte ich doch den Thar nicht verlassen.« –
Abu Sofian bot zweihundert schnelle Reiter auf, jeden mit einem Sack Mehl, dem knappen Proviant eines Arabers für einen Feldzug, im Sattelbug. Als er ausrückte, gelobte er, weder das Haupt zu salben und den Bart zu parfümiren, noch ein Weib zu berühren, als bis er sich mit Mohammed gemessen habe. Er durchstreifte das Land bis auf drei Meilen vor den Thoren Medinas, tödtete dabei zwei Anhänger des Propheten, verheerte die Felder und brannte die Dattelbäume nieder.
Mohammed rückte ihm an der Spitze einer überlegenen Streitmacht entgegen. Unbekümmert um das Gelübde, erwartete ihn Abu Sofian nicht, sondern wendete um und floh. Seine Schaar sauste hinter ihm her und warf in dem Getümmel der Flucht die Säcke Mehl weg, weshalb diese Ausreißerei spöttisch der »Krieg der Mehlsäcke« genannt wurde.
Moslemische Schriftsteller erzählen von einer dem Propheten drohenden Gefahr, während er bei dieser Veranlassung noch im Felde stand. Eines Tages schlief er in einer Entfernung vom Lager allein am Fuße eines Baumes, als er durch ein Geräusch geweckt wurde und Durthur, einen feindlichen Krieger, erblickte, der mit gezücktem Schwerte bei ihm stand. »O Mohammed«, rief er, »wer wird dich jetzt retten?« »Gott!« erwiderte der Prophet. Durthur ließ, von der Widerlegung betroffen, das Schwert fallen, welches Mohammed augenblicklich aufhob. Die Waffe schwingend rief er seinerseits: »Wer wird dich jetzt retten, o Durthur?« »Leider Niemand!« entgegnete der Krieger. »Dann lerne von mir barmherzig sein.« So sprechend gab er das Schwert zurück. Des Kriegers Herz war überwunden; er erkannte Mohammed als den Propheten Gottes an und trat zum Glauben desselben über.
Gleich als wenn diese Anekdote nicht wundervoll genug wäre, so betheuern andere andächtige Moslemen, daß Mohammeds Befreiung durch die Dazwischenkunft des Engels Gabriel geschehen sei; dieser habe Durthur in dem Augenblicke, wo er im Begriffe gewesen sei, zuzuschlagen, mit seiner unsichtbaren Hand einen Schlag auf die Brust gegeben, welcher verursachte, daß er das Schwert fallen ließ.
Um diese Zeit erinnerten sich die mekkanischen Koreischiten der Verwandten und Schüler Mohammeds, welche wegen der Verfolgung nach Abyssinien geflohen waren; die meisten derselben befanden sich noch dort unter dem Schutze des abyssinischen Königs. An diesen Fürsten schickten die Koreischiten eine Gesandtschaft, um von ihm die Personen der Flüchtlinge zu erhalten. Einer der Gesandten war Abdallah Ibn Rabia; ein anderer war Amru Ibn Al Aaß, der ausgezeichnete Dichter, welcher Mohammed zu Anfang seiner Sendung mit Satyren und Spottgedichten angegriffen hatte. Jetzt stand er in reiferem Alter und war ebenso merkwürdig wegen seines großen Scharfsinns, als wegen seiner dichterischen Talente. Er war noch ein furchtbarer Gegner des Islams, zu dessen tapfersten und ausgezeichnetsten Kämpen er in späteren Jahren gehörte.
Amru und Abdallah eröffneten in orientalischer Weise durch Ausstellung reicher Geschenke ihre Gesandtschaft, und baten dann im Namen der koreischitischen Behörden Mekkas, daß ihnen die Flüchtlinge ausgeliefert werden möchten. Der König war ein gerechter Mann und forderte die Moslemen vor sich, damit sie ihm diese neue und gefährliche Ketzerei, deren sie angeklagt wurden, auseinandersetzten. Unter ihrer Zahl war Giafar oder Jaffar, Abu Taleb's Sohn und Alis Bruder, folglich Mohammeds Vetter. Er war ein Mann von überzeugender Beredtsamkeit und eine höchst einnehmende Erscheinung. Er führte bei dieser Gelegenheit das Wort und trug die Lehren des Islams mit Kraft und Wärme vor. Der König, welcher, wie bemerkt worden ist, ein nestorianischer Christ war, fand diese Lehren in vielen Beziehungen denen seiner Secte dermaßen ähnlich und der groben Abgötterei der Koreischiten so entgegengesetzt, daß er, weit entfernt, die Flüchtlinge aufzugeben, ihnen vielmehr seine Gunst und seinen Schutz noch mehr zuwendete, Amru und Abdallah die Geschenke, welche sie mitgebracht hatten, zurückgab und sie von seinem Hofe entließ.