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Die Bekanntmachung des zuletzt erwähnten Capitels des Korans nebst der beigefügten Ankündigung eines Vernichtungskrieges wider Alle, welche den Glauben oder die Unterwerfung zurückweisen würden, erzeugte Heere von Bekehrten und Tributpflichtigen, so daß gegen den Schluß des Monats und zu Anfange des zehnten Jahres der Hegira Medinas Thore durch Gesandte von den entfernten Stämmen und Fürsten bedrängt wurden. Unter denen, welche sich unter die weltliche Macht des Propheten beugten, befand sich Farwa, der Statthalter des Heraklius in Syrien und Befehlshaber von Amon, der ehemaligen Festung der Ammoniter. Seine Unterwerfung wurde jedoch von dem Kaiser nicht anerkannt und mit Einkerkerung bestraft.
Mohammed fühlte und handelte mehr und mehr als unumschränkter Herrscher, aber die größten Pläne, welche er als Eroberer hatte, wurden immer durch den Eifer, welchen er als Apostel zeigte, geheiligt. Die Feldherrn wurden jetzt auf entferntere Expeditionen als früher ausgeschickt; aber stets geschahe es mit der Absicht, die Götzenbilder zu zerstören und die abgöttischen Stämme zu unterwerfen, so daß Mohammeds weltliche Gewalt nur mit der Verbreitung seines Glaubens Fuß faßte. Er ernannte zwei Statthalter, welche das glückliche Arabien in seinem Namen regieren sollten; aber da ein Theil dieses reichen und wichtigen Landes sich widerspenstig gezeigt hatte, so wurde Ali beauftragt, an der Spitze von drei hundert Reitern sich dorthin zu begeben und die Bewohner zur Vernunft zu bringen.
Der jugendliche Jünger drückte eine auftauchende Schüchternheit aus, eine Sendung zu übernehmen, bei welcher er mit weit älteren und weiseren Männern als er zu unterhandeln haben würde; doch Mohammed legte ihm die eine Hand auf die Lippen und die andere auf die Brust und rief, die Augen zum Himmel erhebend, aus: »O Allah! löse seine Zunge und regiere sein Herz!« Er gab ihm eine Regel für sein Verhalten, wenn er Richter wäre. »Wenn zwei Parteien vor dich kommen, so erkläre dich niemals eher zu Gunsten der einen, als bis du die andere gehört hast.« Hierauf gab er ihm die Fahne des Glaubens in die Hände, setzte ihm den Turban auf das Haupt und wünschte ihm Lebewohl.
Als der kriegerische Glaubensbote in der ungläubigen Gegend von Jemen ankam, so begannen seine Mannschaften, den alten arabischen Neigungen sich überlassend, zu verheeren, zu plündern und zu zerstören. Ali setzte ihren Ausschweifungen Gränzen und begann, indem er die flüchtigen Bewohner zurückhielt, die Lehren des Islams auseinander zu setzen. Seine Zunge, obgleich von dem Propheten erst frisch geweiht, vermochte keine Ueberzeugung zu wirken. Hierauf wendete er sich zu der alten Beweisart des Schwertes, welche er mit solchem Erfolge handhabte, daß, nachdem zwanzig Ungläubige getödtet worden waren, die übrigen bekannten, daß sie vollkommen überzeugt wären. Dieser glaubenseifrigen Großthat folgten andere ähnlicher Art, und nach jeder fertigte er Boten an den Propheten ab, um einen neuen Triumph des Glaubens zu melden.
Während Mohammed über die Nachrichten von dem glücklichen Fortgange aus jeder Gegend jubelte, wurde sein Herz durch einen der herbsten häuslichen Verluste verwundet. Ibrahim, der von der bevorzugten Beischläferin Mariyah geborne Sohn, ein Kind von nur fünfzehn Monaten, auf welchem die Hoffnung ruhte, daß er seinen Namen auf die Nachwelt fortpflanzen würde, wurde von einer tödtlichen Krankheit ergriffen und verschied vor seinen Augen. Mohammed konnte die Vatergefühle nicht beherrschen, als er sich beim Todeskampfe über die verwelkte Blüthe seiner Hoffnungen beugte. Doch sogar in dieser Prüfungsstunde zeigte er jene Unterwerfung unter Gottes Willen, welche die Grundlage seines Glaubens bildete. »Mein Herz ist betrübt«, sprach er leise, »und meine Augen fließen über von Thränen, weil ich dich, o mein Sohn, aufgeben muß! Und noch größer würde mein Kummer sein, wenn mir nicht bekannt wäre, daß ich dir bald folgen müßte; denn wir sind von Gott; von ihm kamen wir und zu ihm müssen wir zurückkehren.«
Abda'lrahman, welcher ihn in Thränen sah, fragte: »Hast du uns nicht verboten, die Todten zu beweinen?« »Nein«, antwortete der Prophet. »Ich habe euch verboten, Angstrufe und Klagegeschrei auszustoßen, euch die Gesichter zu schlagen und die Gewänder zu zerreißen. Das sind Eingebungen des Teufels; aber Thränen, welche über ein Unglück vergossen werden, sind Balsam für das Herz und werden in Gnaden verliehen.«
Er begleitete das Kind zum Grabe, wo er mitten in dem Trennungskampfe einen andern Beweis gab, daß die Grundlehren seiner Religion seinem Geiste immer gegenwärtig waren. »Mein Sohn! mein Sohn!« rief er aus, als der Leib dem Grabe übergeben wurde, »sage: Gott ist mein Herr! der Prophet Gottes war mein Vater und der Islam ist mein Glaube!« Dies geschah, um das Kind auf das Verhör durch die examinirenden Engel in Rücksicht des religiösen Glaubens vorzubereiten, welchem, nach dem moslemischen Bekenntnisse, die Abgeschiedenen sich zu unterziehen haben, während sie im Grabe sind.Eine von den Begräbnißfeierlichkeiten der Moslemen besteht für den Mulakken oder Priester darin, daß er den Verstorbenen, wenn er im Grabe ist, mit den folgenden Worten anredet: »O Diener Gottes! o Sohn einer Magd Gottes! wisse, daß zu dieser Zeit zu dir zwei Engel niedersteigen werden, welche in Rücksicht auf dich und deines Gleichen beauftragt sind. Wenn sie zu dir sagen, wer ist dein Herr? so antworte ihnen: Gott ist mein Herr, wahrhaftig; und wenn sie dich in Betreff des Propheten oder des Mannes fragen, welcher zu euch gesendet worden ist, so sage zu ihnen: Mohammed ist der Apostel Gottes, in Wahrheit; und wenn sie dich fragen rücksichtlich der Religion, so sage zu ihnen: der Islam ist meine Religion. Und wenn sie dich fragen über dein Gesetzbuch, so sage zu ihnen: der Koran ist mein Gesetzbuch, und die Moslemen sind meine Brüder; und wenn sie dich fragen rücksichtlich deines Keblas, so sage ihnen: die Kaaba ist mein Kebla, und ich habe gelebt und bin gestorben in der Ueberzeugung, daß es keine Gottheit giebt außer Gott, und daß Mohammed der Apostel Gottes sei, und sie werden sagen: Schlafe, o Diener Gottes, unter dem Schutze Gottes!« Eine Verfinsterung der Sonne, welche um diese Zeit sich ereignete, wurde von einigen eifrigen Bekennern als himmlisches Trauerzeichen wegen Ibrahims Tode gedeutet; aber der betrübte Vater verwarf solch willfährige Schmeichelei. »Die Sonne und der Mond,« sagte er, »gehören zu den Wunderwerken Gottes, durch welche er seinen Dienern zu Zeiten seinen Willen anzeigt; jedoch die Verfinsterung derselben hat weder mit der Geburt noch mit dem Tode eines Sterblichen Etwas zu thun.«
Ibrahims Tod war ein Schlag, welcher ihn zum Grabe niederbeugte. Seine Leibesbeschaffenheit war durch die außerordentlichen Aufregungen des Gemüths und durch die leiblichen Anfechtungen, denen er ausgesetzt gewesen war, bereits geschwächt; außerdem hatte das Gift, welches ihm in Khaïbar beigebracht worden war, die Lebensquellen verdorben, ihn quälenden Martern unterworfen und zu einem frühzeitigen Greisenalter geführt. Sein Religionseifer wurde durch die Vermehrung der leiblichen Gebrechen beunruhigt, und er beschloß, die verbliebene Kraft auf eine Schlußpilgerfahrt nach Mekka in der Absicht zu verwenden, daß dieselbe zum Muster für alle künftigen Religionsgebräuche der Art dienen könnte.
Die Bekanntmachung seiner frommen Absicht bewog Fromme aus allen Theilen Arabiens, den Pilger-Propheten zu begleiten. Die Straßen von Medina wurden mit den mannichfaltigen Stämmen aus den kleinen und großen Städten, aus den Festungen der Berge und den entfernten Gegenden der Wüste angefüllt und die umliegenden Thäler waren mit den Zelten derselben besetzt. Es war ein ergreifendes Gemälde von dem Siege eines Glaubens, welcher diese vor Kurzem noch entzweiten, barbarischen und sich bekriegenden Stämme jetzt als Brüder vereinigte und mit Einem Gefühl religiösen Eifers beseelte.
Mohammed wurde von seinen neun Frauen, welche in Sänften getragen wurden, bei dieser Gelegenheit begleitet. An der Spitze eines unermeßlichen Zuges, Einige sagen von fünfzig, Andere von neunzig, noch Andere von hundertundvierzehn tausend Pilgern trat er die Reise an. Dabei befand sich auch eine große Anzahl Kameele, welche mit Blumengewinden und flatternden Wimpeln geschmückt waren und die Bestimmung hatten, zum Opfer dargebracht zu werden.
Für die erste Nacht wurde wenige Meilen von Medina Halt gemacht, bei dem Dorfe Dhu'l Holaifa, wo er und seine Begleiter bei einer frühern Gelegenheit die Waffen abgelegt und sich mit dem Pilgergewande bekleidet hatten. Frühzeitig bestieg er am folgenden Morgen nach dem Gebete in der Moschee sein Kameel Al Aswa, und als er in die Ebene von Baida eintrat, sprach er das im Arabischen Talbijah (Talbidschah) benannte Gebet, in welchem sich alle Begleiter mit ihm vereinigten. Das Wichtigste dieser feierlichen Anrufung ist Folgendes: »Hier bin ich in deinem Dienste, o Gott! Hier bin ich in deinem Dienste! Du hast keinen Genossen. Dir allein gebührt Anbetung. Von dir kommt alles Gute. Dir allein gehört das Reich. Es giebt Keinen, der es mit dir theilt.« Dieses Gebet wurde der arabischen Ueberlieferung zufolge von dem Patriarchen Abraham gesprochen, als er von dem Gipfel des Berges Kubeis bei Mekka dem ganzen Menschengeschlechte den wahren Glauben predigte, und so wundervoll war die Gewalt seiner Stimme, daß sie von jedem lebenden Wesen durch die ganze Welt gehört wurde, und sogar das Kind im Mutterleibe antwortete: »Hier bin ich in deinem Dienste, o Gott!«
In dieser Weise setzte das Pilgerheer seinen Weg fort, indem es sich in einem meilenlangen Zuge über Berg und Thal hinschlängelte und von Zeit zu Zeit die Wüsten von vereinigten Gebeten und Ausrufungen widerhallen ließ. Keine feindlichen Armeen hemmten oder belästigten ferner dasselbe, da in dieser Zeit der Islam ungetrübt über ganz Arabien herrschte. Mohammed näherte sich der heiligen Stadt über dieselben Höhen, welche er bei der Einnahme überschritten hatte, und hielt den Einzug durch das Thor Beni Scheiba, welches noch das Heilige genannt wird. Wenige Tage nach seiner Ankunft traf Ali bei ihm ein. Derselbe war aus Yemen zurückgeeilt und brachte eine Anzahl Kameele zum Opfer mit sich.
Da diese Wallfahrt künftigen zum Muster dienen sollte, so beobachtete Mohammed streng alle Gebräuche, welche er zufolge patriarchalischen Herkommens beibehalten, oder einer Offenbarung gemäß eingeführt hatte. Er war zu kraftlos und siech, um zu Fuße gehen zu können, deshalb bestieg er sein Kameel und machte auf diese Weise die Umgänge um die Kaaba wie die Hin- und Herwanderungen zwischen den Hügeln Safa und Merva. Bei der Opferung der Kameele schlachtete er dreiundsechzig mit eigener Hand, nämlich eins für jedes Jahr seines Alters, und Ali schlachtete zu derselben Zeit siebenunddreißig auf eigene Rechnung. Mohammed schor sich hierauf das Haupt, indem er auf der rechten Seite anfing und auf der linken endete. Die abgeschnittenen Locken wurden unter seine Schüler gleichmäßig vertheilt und als heilige Reliquien (Ueberbleibsel) aufbewahrt. Khaled trug nachher stets eine auf dem Turban und behauptete, daß sie ihm eine übernatürliche Stärke in der Schlacht verliehe.
In dem Bewußtsein, daß die Lebenskraft in ihm dahinschwand, suchte Mohammed während des letzten Aufenthalts in der Heilgen Stadt seines Glaubens seine Lehren in die Gemüther und Herzen seiner Bekenner tief einzugraben. Zu diesem Zwecke predigte er häufig in der Kaaba von der Kanzel, oder unter freiem Himmel von dem Rücken seines Kameels herab. »Merket auf meine Worte«, pflegte er zu sagen, »denn ich weiß nicht, ob wir nach diesem Jahre uns jemals hier wieder treffen werden. O, meine Zuhörer, ich bin nur ein Mensch wie ihr; der Engel des Todes kann zu jeder Zeit erscheinen, und ich muß seinem Gebote gehorchen.« Hierauf pflegte er nicht allein Religionslehren und Gebräuche, sondern auch Regeln für das Verhalten in allen Verhältnissen des öffentlichen und häuslichen Lebens einzuprägen; und die bei dieser Gelegenheit aufgestellten und eingeschärften Vorschriften haben auf die Sittlichkeit, auf die Lebensweise und Gewohnheiten der ganzen moslemischen Welt einen umfänglichen und dauerhaften Einfluß ausgeübt.
Ohne Zweifel geschah es in Aussicht auf sein herannahendes Ende und aus Besorgniß um das Wohlergehen seiner Verwandten und Freunde nach seinem Tode und besonders seines Lieblings Ali, welcher bei der Führung des neulichen Feldzugs in Yemen, wie er bemerkte, Unzufriedenheit erregt hatte, daß er während eines Augenblicks starker Aufregung und Begeisterung unter den Zuhörern die Gelegenheit ergriff, an dieselben eine dringende Bitte in feierlicher Weise zu richten. »Ihr glaubet«, sagte er, »daß es nur Einen Gott giebt, daß Mohammed sein Prophet und Apostel ist, daß es wirklich ein Paradies und eine Hölle giebt, daß Tod und Auferstehung gewiß sind, und daß eine Zeit bestimmt ist, wo Alle, welche aus den Gräbern hervorgehen, vor ein Gericht gestellt werden.« Alle antworteten: »Wir glauben diese Sachen.« Hierauf beschwor er sie feierlich bei den Wahrheiten ihres Glaubens, seine Familie und besonders Ali immer zu lieben und in Ehren zu halten. »Wer mich liebt«, sagte er, »mag Ali als seinen Freund aufnehmen. Mag Gott diejenigen beschirmen, welche ihm Freundschaft erzeigen, und sie von seinen Feinden abwenden.«
Am Schlusse einer dieser Ansprachen, welche er unter freiem Himmel vom Rücken seines Kameels herab hielt, soll folgender berühmte Vers des Korans durch die Stimme Gottes selbst vom Himmel gekommen sein: »Unheil komme am heutigen Tage über diejenigen, welche ihre Religion verleugnet haben. Fürchtet sie nicht, fürchtet mich. Am heutigen Tage habe ich eure Religion vollendet und meine Gnade an euch erfüllt. Es ist mein gnädiger Wille, daß der Islam euer Glaube sei.«
Bei Anhörung dieser Worte, sagen die arabischen Geschichtsschreiber, fiel das Kameel Al Kaswa, auf welchem der Prophet saß, auf die Kniee zur Anbetung nieder. Diese Worte, fügen sie hinzu, waren das Siegel und der Schluß des Gesetzes, denn nach ihnen erfolgten keine weiteren Offenbarungen.
Nachdem Mohammed alle Gebräuche der Wallfahrt vollbracht und seinen Glauben vollständig dargestellt hatte, so sagte er seiner Geburtsstadt das letzte Lebewohl und trat, sich an die Spitze des Wallfahrtsheeres stellend, die Rückreise nach Medina an. Als er die Stadt zu Gesicht bekam, erhob er seine Stimme und rief aus: »Gott ist groß! Gott ist groß! Es giebt nur Einen Gott; er hat keinen Genossen. Sein ist das Reich. Ihm allein gebührt Preis und Ehre. Er ist allmächtig. Er hat seine Verheißung erfüllt. Er hat seinem Diener beigestanden und er allein hat alle Feinde desselben zerstreuet. Wir wollen in unsere Wohnungen zurückkehren und ihn anbeten und preisen!« So endete die Lebewohl-Pilgerfahrt, wie sie, weil sie die letzte des Propheten war, genannt worden ist.