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Mohammeds Niederlage in der Schlacht von Ohod wirkte eine Zeit lang unter einigen arabischen und jüdischen Stämmen ungünstig für seine Sache, was in gewissen Arten von Treulosigkeit zu Tage trat. Die Bewohner der zwei Städte Adhal und Kara schickten eine Deputation an ihn, welche die Neigung, den Glauben anzunehmen, zu erkennen gab und um Missionäre bat, welche sie in seinen Lehren unterrichten sollten. Demnach schickte er in Begleitung der Deputation sechs Glaubenslehrer ab; aber während sie auf der Reise bei dem Bache Radje (Raddsche) innerhalb der Gränzen der Hodseititen ausruhten, fielen die Deputirten über die arglosen Moslemen her, erschlugen vier von ihnen und führten die zwei übrigen nach Mekka, wo sie dieselben den Koreischiten auslieferten, welche sie tödteten.
Eine ähnliche Verrätherei wurde durch die Leute der Provinz Nadjed (Naddsched) verübt. Unter dem Vorwande, Moslemen zu sein, erbaten sie von Mohammed Hülfe wider ihre Feinde. Er sandte ihnen eine Anzahl seiner Anhänger zur Unterstützung, welche von den Beni Suleim oder den Suleimiten beim Bache Manna, ungefähr vier Tagereisen von Medina, angegriffen und fast bis auf den letzten Mann getödtet wurden. Einer der Moslemen, Amru Ibn Omeya, entkam dem Gemetzel und eilte nach Medina. Unterwegs begegnete er zwei unbewaffneten Juden von den Beni Amir; da er sie entweder irriger Weise für Feinde hielt oder durch den Tod seiner Gefährten zu zügelloser Wuth fortgerissen wurde, so fiel er über sie her und tödtete sie. Der Stamm, welcher mit Mohammed in Frieden lebte, forderte ihn zur Abhülfe auf. Er übertrug die Vermittelung dieser Angelegenheit einem andern jüdischen Stamme, den Beni Nadher, welchen reiche Besitzungen und die Burg Zohra, drei Meilen von Medina, gehörten. Dieser Stamm hatte sich bei Mohammeds Ankunft aus Mekka durch Vertrag verpflichtet, zwischen ihm und seinen Gegnern Neutralität zu beobachten. Der Häuptling desselben wurde jetzt als Vermittler gebraucht und lud Mohammed zu einer Unterredung ein. Von Abu Beker, Omar, Ali und einigen Andern begleitet begab er sich dorthin. Ein Imbiß wurde unter freiem Himmel vor der Wohnung des Häuptlings aufgetragen. Mohammed erhielt jedoch im Geheimen Nachricht, daß er verrätherisch dorthin gelockt worden wäre und umgebracht werden sollte, wenn er bei dem Imbiß säße; man erzählt, daß man ihn durch einen vom terrassenförmigen Dache des Hauses hinabgerollten Mühlsteine zermalmen wollte. Ohne seine Kenntniß des Verrathes anzudeuten, verließ er plötzlich die Gesellschaft und eilte nach Medina zurück.
Seine Wuth entbrannte jetzt gegen den ganzen Stamm Nadher, und er befahl ihnen bei Todesstrafe, binnen zehn Tagen das Land zu verlassen. Sie würden auch abgezogen sein, wenn nicht der Khazradite Abdallah durch die Zusage seines Beistandes sie heimlich überredet hätte zu bleiben. Er unterließ die Erfüllung seines Versprechens. Die Beni Nadher, auf diese Weise »von dem Häuptling der Heuchler« hintergangen, warfen sich in ihre Burg Zohra, in welcher sie Mohammed belagerte und die Dattelbäume, an die sie rücksichtlich des Proviants gewiesen waren, niederhieb und verbrannte. Nach sechs Tagen capitulirten sie und erhielten Erlaubniß zur Abreise, jeder mit einem mit Sachen, wovon jedoch Waffen ausgenommen waren, beladenen Kameele. Einige wurden nach Syrien, Andere nach Klaibar, einer starken jüdischen Stadt und Festung, die etliche Tagereisen von Medina entfernt war, verbannt. Da der Stamm wohlhabend war, so gab es große Beute, die Mohammed gänzlich an sich nahm. Seine Anhänger wendeten ein, daß dies dem im Koran geoffenbarten Theilungsgesetze entgegen wäre; aber er ließ sie wissen, daß zufolge einer andern Offenbarung jegliche Beute, welche wie die gegenwärtige ohne einen Schwertstrich erlangt würde, nicht von Menschen gewonnen, sondern eine Gabe Gottes wäre und dem Propheten überliefert werden müßte, um von ihm zu guten Werken, zur Unterstützung der Waisen, der Armen und der Reisenden verwendet zu werden. Wirklich eignete sich Mohammed dieselbe nicht zu seinem Nutzen an, sondern vertheilte sie unter die Mohadjeren, d. i. die mekkanischen Flüchtlinge, unter zwei Juden, welche den Islam angenommen hatten, und zwei oder drei Ansaren, d. i. Hülfsmannen aus Medina, welche sich ausgezeichnet verhalten hatten und arm waren.
Wir enthalten uns, auf die Schilderung der verschiedenen kleinen Streifzüge Mohammeds in dieser Zeit einzugehen, von denen einer bis in die Nachbarschaft von Tabuk, auf der syrischen Gränze, sich erstreckte, um einen Wanderstamm zu züchtigen, welcher medinäische Karavanen geplündert hatte. Diese Streifzüge waren untermengt in ihren Ergebnissen, obschon meistens ergiebig an Beute, welche die Gemüther der Moslemen jetzt fast ebenso sehr zu beschäftigen anfing, als die Ausbreitung des Glaubens. Die so plötzlich gewonnene Beute mag zu rauschenden Lustbarkeiten und Schlemmereien geführt haben, da wir über diesen Vorfall eine Offenbarung im Koran finden, welche Wein und Hasardspiele, diese fruchtbaren Ursachen zu Streit und Zuchtlosigkeit in räuberischen Heeren, verbietet.
Während dieser Zeit seiner Laufbahn entging Mohammed in mehr als einem Falle mit genauer Noth der Gefahr, durch die Hand eines Meuchelmörders zu fallen. Ihm selbst wird die Anwendung hinterlistiger Mittel, sich von einem Feinde zu befreien, aufgebürdet; denn er soll Amru Ibn Omeya mit dem geheimen Auftrage, Abu Sofian zu ermorden, nach Mekka gesandt haben, aber der Anschlag entdeckt worden und der Meuchelmörder nur durch eilige Flucht entkommen sein. Diese Anschuldigung ist jedoch nicht wohl begründet und der Auftrag ist seinem gewöhnlichen Character und Verhalten zuwider.
Wenn Mohammed unbiegsame Feinde hatte, so hatte er auch ergebene Freunde, wovon wir in dem Vorfalle mit seinem Freigelassenen und Pflegesohne Zeid Ibn Hareth ein Beispiel haben. Er war einer der ersten Bekenner des Glaubens und einer der wackersten Kämpen für denselben. Mohammed fragte ihn bei allen Gelegenheiten um Rath und verwendete ihn in seinen häuslichen Geschäften. Eines Tages betrat er dessen Haus mit der Freiheit, mit welcher ein Vater die Wohnung eines Sohnes betritt. Zeid war abwesend, aber sein Weib Zeinab, das er vor Kurzem geehelicht hatte, war daheim. Sie war die Tochter Djaseh's (Dschaseh's) aus dem Lande Kaiba, und wurde als die schönste ihres Stammes betrachtet. In der häuslichen Zurückgezogenheit hatte sie den Schleier und einen Theil des Kopfputzes bei Seite gelegt, so daß ihre Schönheit vor Mohammeds Blicke bei seinem plötzlichen Eintritte enthüllt dastand. Er konnte Ausdrücke des Staunens und der Verwunderung nicht zurückhalten; sie erwiderte Nichts auf dieselben, wiederholte sie jedoch alle ihrem Gatten bei seiner Nachhausekunft. Zeid kannte Mohammeds Anlage zum Verlieben und sahe, daß er durch Zeinab's Schönheit gefesselt worden war. Er eilte zu ihm mit dem Anerbieten, sein Weib zu verstoßen; aber der Prophet verbot es als etwas Gesetzwidriges. Zeids Eifer konnte nicht gebändigt werden; er liebte die schöne Gattin, aber er verehrte den Propheten und vollzog die Ehescheidung ohne Aufschub. Als die erforderliche Frist nach der Trennung verflossen war, nahm Mohammed mit Dank dies Opfer der Ergebenheit an. Seine Hochzeit mit Zeinab übertraf seine sämmtlichen Eheschließungen an Glanz. Seine Thore waren für alle Ankommenden geöffnet; sie wurden mit Schaf- und Lammfleisch, mit Gerstenkuchen, mit Honig und Früchten und Lieblingsgetränken festlich bewirthet; so aßen und tranken sie in Fülle und dann gingen sie fort, indem sie die Scheidung als schimpflich und die Heirath als blutschänderisch bezeichneten.
In dieser bedenklichen Zeit wurde jener Theil der dreiundvierzigsten Sure des Korans geoffenbart, welcher die Verwandten aus Adoption (Annahme an Kindes Statt) von den Verwandten durchs Blut unterscheidet, wornach es keine Sünde ist, wenn Jemand eine ehelicht, welche das Weib eines Adoptivsohnes war. Diese zeitgemäße Offenbarung beruhigte die Gläubigen; um jedoch jeden Schatten eines Anstoßes zu vertilgen, widerrief Mohammed seine Adoption und befahl, daß Zeid seinen ursprünglichen Namen Ibn Hareth, nach seinem leiblichen Vater, wieder führen sollte. Die schöne Zeinab aber rühmte sich seitdem eines Vorzuges vor den übrigen Frauen des Propheten auf Grund der Offenbarung, indem sie anführte, daß ihre Ehe vom Himmel angeordnet wäre.